Fischsterben Vietnam

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Ein massives Fischsterben in Vietnam sorgte Anfang April für Entsetzen. Über 200 km der Küste wurden verseucht. Schätzungsweise 277 Tonnen Fische wurden angeschwemmt oder starben in den zahlreichen Fischfarmen. Die Umweltkatastrophe erstreckte über die vier Provinzen Ha Tinh, Quang Binh, Thua Thien-Hue und Quang Tri. Als Verursacher wurde ein Stahlwerk von Formosa Steel ausgemacht. Aufgrund eines mehrtägigen Stromausfalls habe die dortige Kläranlage nicht ordnungsgemäß funktioniert. Das gab man auf einer Pressekonferenz bekannt. Demzufolge liefen ungeklärte Abwässer ins Meer. Da sie mit den Umweltgiften Phenol, Cyanid sowie Eisenhydroxid verseucht waren, kam es in der Folge zu dem Fischsterben.

Keine Lösung für Säuberung in Sicht

Zur Untersuchung der Umweltkatastrophe zog die vietnamesische Regierung auch internationale Experten zurate. Doch leider wurde deren Aufgabe darauf eingeschränkt, zu den von einheimischen Wissenschaftlern der Vietnam Academy of Science and Technology (VAST) erstellten Berichten Stellung zu nehmen. Außerdem erfolgte eine nur oberflächliche Besichtigung vor Ort. Dies berichtet der beteiligte deutsche Experte Dr. Friedhelm Schroeder. Eigene Probenentnahmen oder Untersuchungen über das Fischsterben waren nicht möglich, bedauert der Chemiker. Er war 25 Jahre Mitarbeiter des Helmholtz-Zentrums Geesthacht. Jetzt ist er als wissenschaftlicher Berater tätig.

Umweltschäden für mindestens 50 Jahre

Das Meerwasser ist mit Phenol, Cyanid und Eisenhydroxid verseucht. Dies kam durch eine Untersuchung in- und ausländischer Experten heraus. Vietnamesische Wissenschaftler gehen davon aus, dass es mindestens 50 Jahre dauern wird, bis sich das zerstörte Ökosystem an der Küste wieder erholt hat. Eine derart lange Regenerationszeit hält auch Dr. Schroeder – zumindest für die geschädigten Korallenriffe – nicht für ausgeschlossen. Ursächlich dafür sieht er allerdings nicht den Einzelfall der jetzigen Katastrophe, sondern generell den praktisch nicht vorhandenen Umweltschutz in Vietnam.

Vietnamesische Fischerfrauen auf ihren Kähnen.

Tausende Fischerfamilien verloren ihre Existenzgrundlage. Foto: Kathleen Reaugh/Marine Photobank.

„Das gesamte betroffene Küstengebiet steht voller Fabriken. Diese leiten ihre Abwässer größtenteils ungeklärt ins Meer“, erklärt er. Gleichzeitig übt er Kritik, dass man bei der Ursachenforschung andere mögliche Verursacher für das Fischsterben völlig außer Acht gelassen habe. Vorstellbar sei auch, dass das Immunsystem der Fische durch die dauernde Umweltbelastung schon sehr geschwächt ist. Dann habe es nur eines kleineren Auslösers bedurft. Dann war das massive Fischsterben nicht mehr aufzuhalten.

Grundsätzliches Problem

„In Vietnam werden industrielle und kommunale Abwässer größtenteils ungeklärt in die Umwelt geleitet. Die meisten Gewässer sind stark mit Schad- und Nährstoffen belastet“, ist das traurige Fazit des deutschen Wissenschaftlers. Fehlende oder mangelhafte Kläranlagen sind in Vietnam keine Ausnahme. Übliche Praxis sei es, zwei Abwasserleitungen zu betreiben. Eine offizielle zum Vorzeigen bei Routinekontrollen. Eine für den alltäglichen Betrieb, wenn keine Kontrollen zu befürchten sind. Dies erläutert Michael Zschiesche vom Unabhängigen Institut für Umweltfragen e. V. in seiner Studie „Umweltschutz in Vietnam“ aus dem Jahr 2012. Inzwischen gibt es zwar umfangreiche Umweltschutzregularien, doch eine lasche Umsetzung.

Passt Formosa Steel ins selbe Bild?

Während in Deutschland lebende Vietnamesen, die sich Hilfe suchend auch an uns wandten, erfahren haben wollen, dass Formosa Steel seine Abwässer ungeklärt über ein 2 km langes Rohrsystem in 17 m Tiefe ins Meer einleitet, bestätigt Dr. Schroeder Formosa eine moderne Kläranlage mit automatischer Messstation. Er habe sie selbst in Augenschein nehmen können.

Hilfe und Entschädigung angekündigt?

Medienberichten zufolge soll Formosa neben umwelttechnischer Aufrüstung und Transparenz eine Entschädigung von umgerechnet etwa 500 Millionen USD für die Betroffenen sowie für Säuberungsmaßnahmen versprochen haben. Formosa Steel Ha Tinh entschuldigte sich Ende Juni für den Vorfall. Aufgrund eines mehrtägigen Stromausfalls habe die Kläranlage nicht ordnungsgemäß funktioniert.

Auch die vietnamesische Regierung verspricht Hilfe für die Geschädigten durch Umschulungen und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Doch leider steht zu befürchten, dass die Menschen in ihrer Not auch weiterhin mit vergiftetem Fisch Handel betreiben. Zumindest, solange keine konkreten Hilfsmaßnahmen ergriffen werden.

Katastrophales Katastrophenmanagement

Anstatt die Öffentlichkeit von der Umweltkatastrophe zu informieren und die Bevölkerung vor den Gesundheitsgefahren zu warnen, zerschlug die vietnamesische Regierung Proteste mitunter brutal und ließ Demonstranten festnehmen.

Eine schnelle Lösung des derzeitigen Problems wird es nach Meinung von Dr. Schroeder jedoch nicht geben. Dafür müsste als Erstes die wirkliche Ursache herausgefunden werden. „Ohne weitere Messdaten bleibt die Feststellung der Ursache weiterhin im Reich der Spekulation“, bedauert er. Zumal Lösungen zur Säuberung natürlich auch nur dann einen Sinn ergeben, wenn man die genaue Ursache für das Fischsterben in Vietnam kennt. Immerhin beschloss man im Juni, an der Küste ein Monitoring-System einzurichten. Damit sollen nun kontinuierlich Umweltdaten erfasst werden.

Radikales Umdenken erforderlich

Um Umwelt und Bevölkerung besser zu schützen, muss ein radikales Umdenken bei den Verantwortlichen stattfinden. Daher forderten wir von der vietnamesischen Regierung:

  • Detaillierte Untersuchungen des Fischsterbens unter Einbeziehungen ausländischer Experten
  • Ergreifung von Säuberungsmaßnahmen auf Grundlage der Untersuchungsergebnisse
  • Bestrafung des oder der Verursacher
  • Angemessene Entschädigung für die betroffene Bevölkerung
  • Landesweite Einführung moderner Kläranlagen
  • Strenge Kontrollen von Umweltvorgaben und Ahndung von Verstößen

Vorerst keine Betriebserlaubnis

Dr. Trinh Van Tuyen, Wissenschaftler am Institute of Environmental Sciences, fordert die umgehende Modernisierung von Formosas Kläranlagen. Er empfiehlt, von der Koksnasslöschung auf die umweltschonende Kokstrockenkühlung umzustellen. Zudem müssten die behördlichen Kontrollen verschärft werden. Währenddessen berichtet VietNamNet, dass Formosa Steel die für Ende Juni vorgesehene Erteilung der Betriebserlaubnis erst erhalten soll, wenn Umweltschutzauflagen erfüllt sind.


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