Todeszonen oder Sauerstoff-Minimumzonen entstehen, wenn abgestorbene Algen auf den Meeresboden sinken und die nachfolgenden Zersetzungsprozesse viel oder allen in der Wassersäule vorhandenen Sauerstoff verbrauchen. Höheres Leben ist dort nicht mehr möglich. Prinzipiell handelt es sich um ein natürliches Phänomen. Die Entstehung einer Todeszone hat viele, oft miteinander verknüpfte Ursachen. Als Folge menschlichen Handelns hat sich die Zahl der Todeszonen im Meer in den vergangenen zehn Jahren dramatisch vervielfacht. So sprechen die Vereinten Nationen 2019 in einem Bericht von etwa 700 Sauerstoffmangelzonen (hypoxische Zonen) bei anhaltend steigender Tendenz. Besonders betroffen waren zum damaligen Zeitpunkt der Golf von Mexiko, das Südchinesische Meer, aber auch Ost- und Nordsee. UN-Generalsekretär António Guterres nannte die Situation „alarmierend“.
Übersicht
Nährstoffeintrag (Eutrophierung)
Wesentliche Voraussetzung für die Bildung einer Todeszone ist der übermäßige Eintrag von Nährstoffen wie Stickstoff und Phosphor. Sie Nährstoffe stammen hauptsächlich aus landwirtschaftlichen Düngemitteln und Abwässern wie Gülle. Über Flüsse und abfließendes Regenwasser geraten sie in die Küstengewässer.
Allein über den Fluss Po fließen jährlich 50 Milliarden Kubikmeter belastetes Wasser in die westliche Adria. Insgesamt transportiert der Po heute doppelt so viele Nährstoffe wie noch vor zehn Jahren: eine Folge des intensiven landwirtschaftlichen Anbaus in der mittlerweile allerdings unter massivem Wassermangel leidenden Po-Ebene.
Explosionsartige Vermehrung
Diese (zu) vielen Nährstoffe sind ein gefundenes Fressen für Mikroalgen, Cyanobakterien (Blaualgen), Kieselalgen und andere Arten des Phytoplanktons. Auch Quallen profitieren. In der Folge kommt es zur explosionsartigen Vermehrung (Algenblüte, Algenpest, Meeresrotz, Schleim, Rote Flut). Die dann an der Wasseroberfläche driftenden Biomasse-Teppiche können riesige Ausmaße annehmen. Im Sommer 2010 bedeckten Cyanobakterien-Teppiche in der Ostsee eine Fläche, die der Größe Deutschlands entsprach.
Sind dabei giftige Arten wie die Kieselalge Karenia brevis (Auslöser der Roten Flut) oder Pseudo-nitzschia-Kieselalgen (Auslöser der gefürchteten Muschelvergiftung) im Spiel, wird es sofort richtig gefährlich.
Die längere Zeit an der Wasseroberfläche treibende dichte Biomasse raubt zudem auf lichtdurchflutete Bedingungen angewiesenen Ökosystemen wie Seegraswiesen, Makroalgen und Korallen die Lebensgrundlage. Allein dadurch sinkt die Biodiversität in den betroffenen Gebieten. Noch vor dem Entstehen einer Todeszone.
Das große Sterben
Nach einer Weile sterben die gewaltigen Biomasse-Teppiche ab, sinken in der Wassersäule in tiefere Wasserschichten. Dort und am Meeresboden zersetzen Bakterien die organische Materie. Dieser Prozess verbraucht Sauerstoff, und zwar so lange, bis kaum noch welcher da ist. In Sauerstoff-Minimumzonen ist höheres Leben kaum, in komplett sauerstofffreien Gebieten nicht mehr möglich. Dort gibt es allerhöchstens noch anaerobe Mikroorganismen, die ohne Sauerstoff leben können. Ihr Stoffwechsel produziert nach faulen Eiern riechenden, giftigen Schwefelwasserstoff.
Erwärmung der Meere
Die Klimakrise wirkt sich in mehrfacher Weise verstärkend auf Ausbildung und Ausdehnung von Sauerstoff-Minimumzonen aus.
Wärmere Wassertemperaturen beschleunigen Ausbreitung und Wachstum von Mikroalgen, Cyanobakterien, Kieselalgen, Quallen und anderen Wärme liebenden Meerestieren ungemein. Sind dann noch genügend Nährstoffe vorhanden, kommt es zur explosionsartigen Vermehrung.
Wärmere Wassertemperaturen begünstigen den schnellen, bakteriellen Abbau von anfallender Biomasse.
Durch die Erwärmung der Ozeane kann zudem eine stärkere Schichtung des Wassers entstehen. Wärmeres, salzarmes und damit leichteres Wasser bleibt dann eher an der Oberfläche. Gleichzeitig bleibt das salzhaltigere, schwerere und kältere Tiefenwasser in der Tiefe. Eine gute Durchmischung der Wasserschichten findet nicht mehr statt. Besonders von diesem Effekt betroffen sind Binnenmeere wie das Schwarze Meer, die Ostsee, das Marmarameer oder das Mittelmeer.
Beginnt in der Tiefe viel Biomasse anzufallen, die von Bakterien abgebaut wird, ist der wenige Sauerstoff des Tiefenwassers schnell verbraucht. Eine Todeszone entsteht. Sie verschwindet erst, wenn die Wasserschichten tiefgehend durchmischt (ausgetauscht) werden.
Verschmutzung durch kommunale und industrielle Abwässer
Ungeklärte Einleitungen kommunaler und industrieller Abwässer, wie sie in vielen Küstenstaaten üblich sind, tragen ebenfalls zur Entstehung von Todeszonen im Meer bei. Nähr- und Schadstoffe (Chemikalien aller Art) können die Wasserqualität beeinträchtigen und den Sauerstoffgehalt reduzieren.
Auswirkungen von Todeszonen auf Meeresökosysteme
Todeszonen werden ihrem Namen gerecht. Sauerstofffreie Meeresgebiete sind tödlich für alle höher entwickelten Meerestiere. Allenthalben Schwefelwasserstoff produzierende, an anaerobe Umweltbedingungen angepasste Mikroorganismen können hier noch existieren.
Die Folgen von Todeszonen im Meer auf die Biodiversität sind verheerend. Weder im noch auf dem Meeresboden noch in der unmittelbar darüber befindlichen Wassersäule gibt es nennenswertes Leben. Todeszonen destabilisieren die Nahrungsnetze und die gesamte marine Umwelt des betroffenen Gebiets.
Es gibt allerdings auch Arten, wie die invasive Raubqualle „Meerwalnuss“ und andere Quallenarten, die zumindest unter sauerstoffarmen Lebensbedingungen gut zurechtkommen.
Wo sind die größten bekannten Todeszonen?
Die drei größten Todeszonen befinden sich im Golf von Oman im Arabischen Meer mit etwa 79.000 Quadratkilometern, in der Ostsee mit ca. 70.000 Quadratkilometern und im Schwarzen Meer mit bis zu 40.000 Quadratkilometern.
Todeszonen in der Ostsee
Im Binnenmeer Ostsee haben sich sieben der zehn größten Todeszonen etabliert. Die größte verläuft von der Nordküste Estlands nach Westen und Süden bis vor die Küsten Polens und umschließt die schwedische Insel Gotland fast vollständig. Eine weitere Sauerstoffmangelzone hat sich östlich von Bornholm gebildet. Insgesamt herrschen auf mindestens einem Sechstel der Fläche der Ostsee sauerstoffarme Lebensbedingungen.
Todeszone im Marmarameer
Im Juni 2021 war das Marmarameer von stinkendem, klebrigem Schleim bedeckt (siehe Titelfoto). Eine ökologische Katastrophe. In der Folge verschwanden rund 60 Prozent der hier lebenden Meerestiere. Die Regierung kündigte damals schnelle Maßnahmen an, doch es blieb bei der Ankündigung.
Daher ist es kein Wunder, dass sich die Geschichte wiederholt. Im August 2024 droht dem Marmarameer eine weitere Umweltweltkatastrophe. Erneut bedeckt dichter Schleim, „Meeresrotz“, weite Gebiete des nur 282 km langen und maximal 80 km breiten Binnenmeeres, welches das Schwarze Meer mit dem Mittelmeer verbindet. Das Marmarameer stirbt. Der Sauerstoffgehalt sei unterhalb der ersten 30 m bereits auf gefährlich niedrigem Niveau, warnt der Meeresbiologe Mustafa Yücel von der Middle East Technical University (METU). In tieferen Wasserschichten sei kaum noch Sauerstoff messbar, Fische können hier nicht mehr leben.
Was kann man tun gegen Todeszonen im Meer?
Um die Entstehung und Ausbreitung von Todeszonen zu verhindern, gilt es vorrangig, den Eintrag von Nährstoffen zu reduzieren.
Schutz und Renaturierung von Küstenökosystemen wie Mangrovenwälder, Seegraswiesen, Makroalgen und Salzwiesen können dazu beitragen, die Wasserqualität zu verbessern und den Sauerstoffgehalt im Wasser zu erhöhen. Gleichzeitig erhält man dadurch potente natürliche CO₂-Speichersysteme und effektive Küstenschutz-Systeme.
Nicht zuletzt ist der Kampf gegen die Erderhitzung von Bedeutung. Es gilt, einer noch stärkeren Erwärmung der Ozeane entgegenzuwirken.
Mit koordinierten Maßnahmenpaketen kann man einiges erreichen, wie sich unter anderem in den Küstengebieten Nordwesteuropas zeigt. Laut Angaben von OSPAR (Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks) gibt es dort mittlerweile weniger sauerstoffarme Zonen als noch in den Jahren 2001 bis 2005.
Titelfoto: Schleimteppich im Marmararmeer vor Istanbul, 2021, © iStock.com/lotusstock