Jagd auf Delfine und andere Kleinwale: über 100.000 Tiere jährlich!

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Im Jahr 2023 förderten wir Pro Wildlife e.V. für die Erstellung des Hintergrundberichts „Small cetaceans, even bigger problems“ (Kleine Meeressäuger, noch größere Probleme). Die gemeinsam mit WDC erstellte umfassende Studie über die Jagd auf Delfine und andere Kleinwale weltweit wurde im Februar 2024 veröffentlicht und erzeugte viel Aufmerksamkeit. Denn die recherchierten Zahlen der unter dem offiziellen Artenschutz-Radar stattfindenden Nutzung kleinerer Meeressäuger überraschten Fachwelt und Medien gleichermaßen. Jedes Jahr sterben ca. 100.000 Delfine und andere Kleinwale durch direkte Jagd: darunter auch solche, die auf der Liste der gefährdeten Arten der Weltnaturschutzunion IUCN stehen! Man nutzt ihr Fleisch als „Bushmeat aus dem Meer“ zur Nahrungsversorgung oder als Köder in der Hai-Fischerei. Hinzu kommen zahlenmäßig nicht erfassbare Beifangverluste in der Industriefischerei, z. B. beim Einsatz von Supertrawlern oder pelagischen Stellnetzen. Letztere sind z. B. für die hohen Beifangverluste unter unseren heimischen Schweinswalen in Nord- und Ostsee verantwortlich.

Bibliothek des Grauens zur Jagd auf Delfine und andere Kleinwale

Für die Studie werteten die Artenschutzexperten mehr als 250 wissenschaftliche Studien, Augenzeugen- und Zeitungsberichte aus. Die berechnete Gesamtzahl der im Kontext menschlicher Nahrungsversorgung getöteten Delfine und anderen Kleinwale ist seit einem früheren Bericht von 2018 noch weiter gestiegen.

„Die Vielzahl der Länder, in denen man derzeit erbarmungslos Jagd auf die kleinen Meeressäuger macht, ist erschütternd“, so Ulrich Karlowski, Biologe von der Deutschen Stiftung Meeresschutz.

Ein Großer Tümmler wird zerlegt, Republik Kongo.
© Tim Collins

Artenschutz-Ungleichgewicht – Größe entscheidet über Leben und Tod

Für Großwale wie Buckel-, Finn- oder Blauwale gelten Jagdverbote und strikte internationale Handelsverbote (an die sich die Walfangländer Island, Japan und Norwegen nicht halten). Kleinwale dagegen sind nicht durch das kommerzielle Moratorium der Internationalen Walfangkommission (IWC) geschützt.

Bericht Jagd auf Delfine und andere Kleinwale.

Der Bericht „Small cetaceans, even bigger problems“ entlarvt Länder wie Dänemark, Russland, Japan und Peru, die verhindern, dass sich an dieser Situation etwas ändert. Deshalb sind Delfine und andere Kleinwale in vielen Ländern nahezu vogelfrei. Auf internationaler Ebene gibt es nur einen Flickenteppich aus Artenschutzbestimmungen.

In Europa denkt man beim blutigen Thema Delfinjagd an die Delfinmassaker auf den nordeuropäischen Färöer-Inseln oder an die Bilder aus der Bucht des japanischen Fischerstädtchens Taiji.

Doch unter den Top 10 der Länder, in denen die Jagd auf Delfine und andere Kleinwale intensiv ist, findet man auch andere Staaten.

Jagd auf Delfine und andere Kleinwale: globale Top 10

  • Peru: bis zu 15.000 Tiere (v. a. Köder für die Haifischerei)
  • Ghana: annähernd 10.000 Tiere, zunehmend (kommerzialisierter Beifang, nun v. a. als Hai-Köder)
  • Nigeria: fast 10.000 Tiere, zunehmend (kommerzialisierter Beifang)
  • Brasilien: 5–10.000 Tiere, zunehmend (v. a. als Köder in der Fischerei)
  • Venezuela: mehrere Tausend Tiere, zunehmend (als Fleisch, Köder in der Fischerei und für religiöse Rituale)
  • Grönland: > 5.000 Tiere, zunehmend (deutlich über nachhaltigem Level stattfindende Subsistenzjagd)
  • Taiwan: mehrere Tausend Tiere, zunehmend (v. a. als Köder für die Fischerei, auch auf hoher See)
  • Indonesien: mehrere Tausend Tiere, zunehmend (für Fleischmarkt und als Fischerei-Köder)
  • Südkorea: mehrere Tausend Tiere, vermutlich zunehmend (für Fleischmarkt und Köder in der Fischerei)
  • Indien: mehrere Tausend Tiere (für Fleischmarkt und als Fischerei-Köder)

Jedoch jagt man Delfine und andere Kleinwale noch in vielen anderen Ländern. Darunter Kanada oder Malaysia. Lediglich in Japan sank in den vergangenen 20 Jahren die Zahl getöteter Delfine von mehr als 18.000 auf weniger als 1.900 Tiere.

Warum müssen so viele kleine Meeressäuger sterben?

Delfine und andere Kleinwale enden jedoch nicht nur als Nahrungsmittel oder als Haiköder. Der Bericht deckt weitere Nutzungsarten auf, wie:

Jagd auf Delfine: vier getötete Clymene-Delfine liegen and einem Strand in Ghana.
Clymene-Delfine, Ghana. © Prowildlife
  • Delfinöl als Wundermittel gegen Corona-Infektionen (Orinoko-Becken in Südamerika) oder
  • Delfinzähne als begehrter Brautschmuck auf den Salomonen

Allerdings ist nicht nur das Ausmaß der Jagd erschreckend, sondern auch ihre Grausamkeit. Die Fischer setzen Harpunen, Speere, Lanzen, Macheten, Gewehre, Messer oder Haken ein. Auch der Einsatz von Dynamit ist dokumentiert.

Vernichtungsfeldzug der Fischer

In vielen Ländern Lateinamerikas, Afrikas und Asiens verzeichnet man einen drastischen Anstieg der Jagd auf Delfine. Das Fleisch der Meeressäuger dient als Köder für die boomende Fischerei auf Hai, Thunfisch, Piracatinga (ein welsartiger Fisch im Amazonas). Damit ist eine doppelte Tier- und Artenschutz-Tragödie entstanden: Die begehrten Fischarten sind bereits überfischt. Um trotzdem noch Beute machen zu können, töten und zerschneiden die Fischer Delfine und nutzen das Fleisch an Langleinenhaken oder in Reusenfallen.

Viele Fischer sehen in Delfinen und anderen Kleinwalen ohnehin verhasste Konkurrenten um die letzten Fische – entsprechend brutal gehen sie auch bei der Jagd auf die kleinen Meeressäuger vor.

Faktenbasierte Überzeugungsarbeit für besseren Schutz kleinerer Meeressäuger

Der Bericht „Small cetaceans, even bigger problems“ dient als Grundlage für Überzeugungsarbeit bei politischen Entscheidungsträgern im Vorfeld der 69. IWC-Tagung im Herbst 2024. Die Tagung wird in Peru stattfinden, einem der Länder, wo Delfine in großer Zahl gejagt werden.

Ziel ist es, den dringenden Handlungsbedarf aufzuzeigen und den Weg für eine IWC-Resolution zu bereiten, die die Jagd auf Delfine und Kleinwale verurteilt und einen strengeren Schutz einfordert. Für einzelne Arten, die auch für den internationalen Handel relevant sind (z. B. Narwale), soll der Bericht auch die Grundlagen liefern, um ggf. Schutzinitiativen für die CITES-Konferenz (Washingtoner Artenschutzübereinkommen) im Frühjahr 2025 den Weg zu ebnen.

Bericht Jagd auf Delfine und andere Kleinwale.

Download des Berichts von Pro Wildlife und WDC:

Titelfoto: Jagd auf Delfine, Salomon-Inseln. © Dolphin Project


Zum Hintergrund: Artenschutzexpertin Dr. Sandra Altherr

Projektleiterin der Berichterstellung ist Dr. Sandra Altherr. Die Diplom-Biologin nimmt seit 1999 für Pro Wildlife als akkreditierte Beobachterin an den IWC-Konferenzen und an den Treffen von CITES teil. Entsprechend verfügt sie über exzellente Kontakte zu Delegierten der Mitgliedsstaaten und ist mit Tier- und Artenschutzorganisationen weltweit hervorragend vernetzt.

Im September 2018 förderten wir die Teilnahme von Sandra Altherr an der 67. Tagung der Internationalen Walfangkommission, die im brasilianischen Florianópolis stattfand. Damals stand zum wiederholten Mal das weltweite Walfangverbot auf dem Spiel. Doch es wurde ein Sieg für die Wale! Japans Antrag wurde mit 41 zu 27 Stimmen abgelehnt. Neben den klassischen Walfangbefürwortern Island und Norwegen unterstützten hauptsächlich Länder aus Afrika und dem asiatischen Raum den Antrag für den Walfang.


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Projekt „Die Meeresgärtner“ gewinnt den boot Dive Award 2024 in der Kategorie Klimaschutz

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Am Freitag, dem 26. Januar, wurde der 2. Dive Award der boot Düsseldorf mit großer Beteiligung der Tauchcommunity verliehen. Mit den Stimmen der Jury, bestehend aus den Chefredakteurinnen und -redakteuren Alexander Kassler (TAUCHEN), Dr. Friedrich Naglschmid (Divemaster), Nina Zschiesche (wetnotes), Dietmar Fuchs (VDST Sporttaucher), Armin Süß und Herbert Gfrörer (taucher.net) und sowie einer Stimme aus dem Public Voting erhielten wir den mit 3.000 € dotierten Preis in der Kategorie climate (Klimaschutz).

Boot dive award 2024 für unser Projekt Die Meeresgärtner.
Ulrich Karlowski (Deutsche Stiftung Meeresschutz) mit Laudator Dietmar Fuchs (VDST-Sporttaucher). Foto: Messe Düsseldorf/ctillmann

„Das ist eine großartige Auszeichnung für das Klima- und Artenschutzprojekt ‚Die Meeresgärtner‘ unserer Projektpartner von Project Manaia. Gleichzeitig hebt der Klimaschutz-„boot Dive Award“ für ein Seegraswiesen-Renaturierungsprojekt die Bedeutung für ein lange unterschätztes Meeresökosystem hervor“, betont der Biologe Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung Meeresschutz/DSM.

Klima- und Artenschutz im Mittelmeer: Die Meeresgärtner

Bei dem Projekt geht es um den Erhalt und die Renaturierung von Seegraswiesen im Mittelmeer. In das Citizen-Science-Projekt sind Tauchzentren, Forschungsstationen, Touristen und Einheimische eingebunden.

Ziel ist die Schaffung wirkungsvoller mariner CO₂-Senken (blue carbon) sowie der Erhalt und die Wiederherstellung der Biodiversität im Mittelmeer. Die DSM-Projektpartner von Project Manaia bilden Tauchschulen darin aus, das im Mittelmeer vorherrschende und nur hier vorkommende Neptungras (Posidonia oceanica) anzupflanzen, und zeigen, wie man Samen und ausgerissene Pflanzen in bestehende Seegraswiesen einpflanzen kann. Die so geschulten Tauchzentren bilden das Meeresgärtner-Netzwerk. Einheimische und Touristen können bei den Stationen Seegrasfunde zur späteren Renaturierung abgeben.

Kohlenstoff-Speichersystem Seegraswiese

Man nennt das Neptungras Posidonia oceanica auch „die Lunge des Mittelmeers“. Posidonia produziert große Mengen an lebenswichtigem Sauerstoff. Dafür benötigt es viel Kohlendioxid. Dieses speichern die Meereswiesen als blauen Kohlenstoff (blue carbon) für viele hundert Jahre. Seegraswiesen haben je nach Standort eine 30- bis 50-mal höhere CO₂-Senkungsrate als Wälder. Je nach Art speichert eine ein Hektar große Seegraswiese dieselbe Menge Kohlenstoff wie zehn Hektar Wald und das auch noch 35-mal schneller.

Die Serengeti des Meeres

Neben vielen anderen ungewöhnlichen Ökosystemleistungen sind die Meereswiesen ein besonderer Biodiversitäts-Hotspot. Auf 4.000 Quadratmetern Seegraswiese leben etwa 40.000 Fische und rund 50 Millionen wirbellose Tieren (u. a. Hummer, Oktopoden, Garnelen). Seegraswiesen bieten Lebensraum, Nahrung und sind Kinderstube für auch für Haie, Meeresschildkröten und Delfine.

Das Meeresgärtner-Netzwerk

Aktuell beteiligen sich 18 Tauchschulen und Meeresforschungsstationen aus Italien, Frankreich und Kroatien am Meeresgärtner-Netzwerk. „Wir hoffen, dass sich in diesem Jahr weitere Tauchbasen aus dem östlichen Mittelmeer dem Projekt anschließen werden“, erklärt Ulrich Karlowski.

Foto oben: Gruppenbild mit den Gewinnern des Dive Awards der boot 2024: (v.l.n.r.: Team Bergwerktauchen Nuttlar (Kategorie DESTINATION) mit Laudator Alexander Kassler, Enos System (Kategorie PRODUCT) mit Laudator Armin Süß, Deutsche Stiftung Meeresschutz (Kategorie CLIMATE), Laudator Herbert Gfrörer, Dr. Christine Figgener (Kategorie PERSONALITY), Divevolk (Kategorie INNOVATION) mit Laudatorin Nina Zschiesche, Petros Michelidakis, Director boot Düsseldorf. Foto: Messe Düsseldorf/ctillmann


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Meeresschutz-Highlights 2023

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Das Jahr 2023 war schwierig und herausfordernd: für Mensch, Tier und Natur. Trotzdem konnten wir gemeinsam mit unseren Partnern erneut viel für den Schutz von Flora und Fauna der Meere erreichen. Im Folgenden berichten wir über einige unserer Meeresschutz-Highlights 2023.

Meeresschildkröten-Schutzprojekte mit unseren Partnern von der Turtle Foundation

Schutz von Niststränden der Unechten Karettschildkröte auf Boa Vista (Kapverdische Inseln): erfolgreiche Eindämmung der Wilderei mit drei speziell ausgebildeten Artenschutzhunden, einheimischen Rangern, Volontären und Drohnen.

Die Ranger des Meeresschildkröten Schutzprojekts auf Boa Vista mit drei Artenschutzhunden und einer Nachtsichtdrohne.
© Turtle Foundation

Aufzuchtstation (Hatchery) und Schutz von Niststränden auf der Insel Sipora (Indonesien) durch einheimische Ranger für vier Arten von Meeresschildkröten. Schwerpunktart ist dabei die Lederschildkröte (Dermochelys coriacea): Aus den 32 Nestern der Nistsaison 2022/23 schlüpften 1.690 kleine Lederschildkröten und krabbelten ins Meer. Seit Projektbeginn sind damit auf der kleinen vor Westsumatra liegenden Insel 8.533 Lederschildkröten geschlüpft!

Meeresschutz-Highlights 2023: Kleine Lederschildkröten krabbeln ins Meer.
© Turtle Foundation

2023 nisteten auch erstmals Echte Karettschildkröten (Eretmochelys imbricata) auf Sipora. Die Ranger des Projekts betteten alle Nester in die am Strand von Buggeisiata gebaute Aufzuchtstation um. Bis zum Ende der Nistsaison sind dann 680 kleine Echte Karettschildkröten geschlüpft.

Korallenrestauration in der Bandasee mit unseren Partnern von BandaSEA und Luminocean

Erfolgreiche Tests einer nachhaltigen, nicht-invasiven und riffschonenden Methode zur Restauration ausgebleichter Korallenriffe durch einheimische Studierende.

Taucher befestigen ein Fischernetz mit Organza-Stoff für die Ansiedlung der Korallenlarven
© BandaSEA

Bei dieser Methode (Anzucht von Korallenlarven an Land und spätere Aussiedlung über ausgesuchten Arealen) bleibt nichts im Riff zurück, was dort nichts zu suchen hat. Alle Materialien können wiederverwertet werden. Spenderkorallen bleiben unbeschädigt. Viele Korallenarten werden neu angesiedelt. Alle Materialien (Aufzuchttanks, Fangapparate für Korallengameten, Belüftungspumpen, Abdecknetze, Sinkgewichte) sind im Land preisgünstig verfügbar, wiederverwendbar oder es handelt sich um Recycling-Gegenstände wie PET-Flaschen.

Mangrovenwälder

Der von uns geförderte Masterstudent Tobias Poprick erhält für sein Masterprojekt zur genetischen Fitness von Mangroven auf den Galapagos-Inseln auf der Internationalen Mangroven-Konferenz in Kolumbien den „Best Student Poster Presentation Award“. Wir finanzierten dabei nicht nur die Feldstudien von Tobias Poprick (im Bild zweiter von rechts), sondern auch seine Teilnahme an der Mangroven-Konferenz in Cartagena.

Auszeichnung der besten studentischen Präsentationen und Poster auf der Konferenz „6th Mangrove Macrobenthos and Management meeting“ in Cartagena, Kolumbien
Auszeichnung der besten studentischen Präsentationen und Poster. © privat

Wege aus der Plastikkrise

Der Kampf gegen die Plastik-Vermüllung der Meere gehört seit vielen Jahren zu unseren Schwerpunkten. Dazu kooperieren wir aktuell mit vier Partnerorganisationen in globalen Müll-Hotspots wie dem Mittelmeer, in Indonesien oder Zentralafrika.

Plastikfreie Schulen in Indonesien: Schüler und Schülerinnen einer teilnehmenden Schule.
© BandaSEA

In diesem Jahr konnten wir nicht nur die Durchführung der mittlerweile „etablierten“ Müllsammel- und Recyclingaktionen sicherstellen. Wir brachten auch noch die Finanzierung für die Teilnahme von drei lokalen Schulen auf den Banda-Inseln am „BandaSEA-Programm für plastikfreie Schulen“ unter Dach und Fach.

Renaturierung von Seegraswiesen im Mittelmeer mit Project Manaia

Wir unterstützen dieses ambitionierte Klima- und Artenschutzprojekt des Meeresbiologen Manuel Marinelli von Project Manaia seit 2022. Ziel ist unter anderem der Aufbau eines Netzwerks aus sogenannten „Meeresgärtner-Stationen“. Diese sollen, nach Einarbeitung durch Project Manaia, selbstständig „ihre“ Seegraswiesen überwachen und renaturieren. Ende 2023 gibt es bereits 18 Partnerstationen in drei Mittelmeer-Anrainerstaaten.

Vorbereitungen, um Seegras zu pflanzen: Meeresgärtner über Seegraswiese im Mittelmeer.
© Project Manaia

Seegraswiesen sind als Ökosystem unersetzlich für die marine Artenvielfalt. Außerdem ist Seegras das vielleicht potenteste natürliche CO₂-Speichersystem, ungemein effektiver als Wälder und damit ein wichtiger Verbündeter im Klimaschutz.

Robben zum Ersten: Robbenzentrum in Wyk auf Föhr

Seit drei Jahren gibt es immer weniger Seehunde im deutschen Wattenmeer in der Nordsee. Behördlicherseits hält man sich zu möglichen Ursachen bedeckt. Dabei liegen die Hintergründe für den Rückgang der kleinen Meeresjäger auf der Hand: Überfischung, Meeresverschmutzung durch Ewigkeitsgifte, Vermüllung mit Kunststoffabfällen und Störungen durch Übertourismus selbst im Nationalpark. Seehunde haben es schwer.

Als Folge dieser Entwicklung haben auch unsere Partner vom Robbenzentrum Föhr schon das ganze Jahr über alle Hände voll zu tun. Sie finden zunehmend mehr erschöpfte, allein gelassene, kranke oder verletzte junge Seehunde an den Nordseestränden und im Wattenmeer. Mit unermüdlichem Einsatz und viel Herzblut kämpfen sie um jedes Leben. Mit Erfolg!

Meeresschutz-Highlights 2023: Die Seehundbabys Kleiner Onkel und Judith liegen zusammen, Robbenzentrum Föhr.
Kleiner Onkel und Judith, zwei gerettete Seehundwelpen, im Robbenzentrum. © Robbenzentrum Föhr

So konnten Maria Tresori, Viola, Malaika, Madita, Jari, der kleine Theo – um den es zeitweise kritisch stand – und viele andere junge Seehunde vor dem sicheren Tod bewahrt und erfolgreich für die spätere Auswilderung vorbereitet werden.

Robben zum Zweiten: Mittelmeer-Mönchsrobben in Israel

Seit September 2023 unterstützen wir die israelischen Meeresschützer von der Organisation Delphis und ihr Projekt für den Wiederaufbau sicherer Rast- und Wurfhöhlen für Mönchsrobben an der israelischen Mittelmeerküste.

Die Mittelmeer-Mönchsrobbe gilt als eine der am stärksten gefährdeten Robbenarten. Ihre Gesamtpopulation soll nicht einmal tausend erwachsene Individuen zählen. Die Art benötigt für Menschen unzugängliche Höhlen zum Rasten und für die Geburt ihrer Jungtiere. Diese gibt es an der israelischen Mittelmeerküste nicht mehr. Delphis will geschützte Höhlen und Grotten restaurieren und sogar künstliche Grotten bauen, damit sich diese großen Robben wieder in Israel ansiedeln können.

Yulia liegt entspannt an einem Strand an der israelischen Mittelmeerküste.
Mittelmeer-Mönchsrobbe zu Besuch an der Mittelmeerküste Israels. © Delphis

Es ist uns ein ganz besonderes Anliegen, unseren Partnern auch in diesen schweren Zeiten zur Seite zu stehen. Wir wünschen uns sehr, dass bald wieder Frieden einkehrt und das Projekt mit Delphis weitergehen kann.

EU-Renaturierungsgesetz (Nature Restauration Law/NRL) auf der Zielgeraden

Als Teil einer EU-weiten Koalition von zuletzt 200 Umweltorganisationen halfen wir mit, dass es in der Europäischen Union bald erstmals ein Gesetz zur Wiederherstellung zerstörter und geschädigter Ökosysteme geben wird!

Die Widerstände aus Politik, Landwirtschaft, Fischerei und Agrarkonzernen gegen das Renaturierungsgesetz waren und sind massiv. Auch wenn der ambitionierte Vorschlag der EU-Kommission das Gesetzgebungsverfahren nur in abgeschwächter Form überstanden hat, wird das NRL ein großer Gewinn für Tier und Natur in Europa sein.

#restoreocean – Der aktuelle Stand beim EU-Renaturierungsgesetz: eines der Meeresschutz-Highlights 2023.

Gemeinsam mit mehr als 1.116.000 Bürgerinnen und Bürgern, 6.000 Wissenschaftlern, der Weltnaturschutzorganisation IUCN und vielen anderen mehr haben wir es geschafft.

Titelfoto: Ulrike Kirsch/DSM

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Rettungsplan für die Meere: das Blaue Manifest

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Europäische Meeresschutzorganisationen1 haben in Brüssel die Erklärung „Ozean des Wandels: ein gemeinsames Manifest für die Europawahlen 2024“ veröffentlicht. Sie erweitert das 2020 vorgestellte „Blaue Manifest – Rettungsplan für Meere“ (Blue Manifesto). Im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2024 fordern die Organisationen von den politischen Parteien Maßnahmen zum Schutz der Meere und mehr Ehrgeiz im Kampf gegen Klimakrise, Artensterben und Umweltverschmutzung.

Europäische Meere unter starkem Nutzungsdruck

Nord- und Ostsee und das Mittelmeer zählen zu den am intensivsten genutzten Meeren. Ihre Ökosysteme sind in einem schlechten oder sehr schlechten Zustand oder bereits zerstört und müssen renaturiert werden. Besonders dort, wo mit Grundschleppnetzen gefischt wird, wie auch in deutschen Meeresschutzgebieten existiert kaum noch Leben am Meeresboden. Weite Gebiete der Ostsee haben sich in sauerstoffarme Todeszonen verwandelt. Ursachen hierfür sind überschüssige Düngemittel und Abwässer (Gülle) aus der küstennahen Landwirtschaft, insbesondere Stickstoff.

Rettungsplan für die Meere mit Maßnahmen zum Schutz der Weltmeere: Grafik aus dem Blauen Manifest – Blue Manifesto.

Zerstörerische Fischereimethoden und die anhaltende Verschmutzung der Meere müssen ein Ende haben. Quelle: Seas At Risk

Deshalb fordert das von 102 Umweltschutzorganisationen, darunter die Deutsche Stiftung Meeresschutz (DSM), unterstützte Blaue Manifest – Rettungsplan für die Meere unter anderem den Umstieg auf nachhaltige Fischerei und Aquakultur bis 2030 und einen Stopp der Meeresverschmutzung.

Auch intensiver Schiffsverkehr und die damit verbundenen Lärm-, Klimagas- und Rußemissionen, Überfischung, Vermüllung und die Auswirkungen von Übertourismus verschärfen den Nutzungsdruck in europäischen Meeren.

Zeitfenster zur Bekämpfung der Auswirkungen der Klimakrise schließt sich

Die Organisationen betonen, dass nicht mehr viel Zeit bleibt, um größere, irreversible Schäden abzuwenden. „Das Zeitfenster zur Bekämpfung der unvermeidlichen Auswirkungen der Klimakrise, wie steigende Meerestemperaturen und mit höherer Frequenz auftretende marine Hitzewellen, schließt sich gerade recht schnell“, warnt der Biologe Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung Meeresschutz. „Die Eindämmung der vom Menschen verursachten Klimakatastrophe und die Wiederherstellung widerstandsfähiger und gesunder mariner Ökosysteme wie Seegraswiesen, Salzwiesen oder Korallen sind vordringliche Aufgaben, wenn wir unsere Zivilisation und das Leben in unseren Meeren retten wollen“.

Im European Green Deal fehlt das Blau

Die EU-Kommission brachte unter der Federführung von Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen den ambitionierten „European Green Deal“ auf den Weg. Damit sollte eine Transformation zu einer nachhaltigen und klimaneutralen Wirtschaft aufgebaut und weitere Umweltzerstörungen abgewendet werden.

Ziel war der Aufbau einer widerstandsfähigen und gerechten Gesellschaft, die in Harmonie mit der Natur lebt. Allerdings fehlt im „Green Deal“ das „Blau“. Deshalb fordern die Organisationen von der EU Maßnahmen zum Schutz der Meere, einen „Green Deal für den Ozean“. Dazu gehören drei grundlegende Maßnahmen.

Ein EU-Meeresabkommen – Ocean Deal

Das Meeresabkommen (Ocean Deal) soll alle bestehenden und potenziellen neuen Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit Nutzung und Schutz der Meeresumwelt in einem zentralen Abkommen bündeln. Damit würde die EU anerkennen, dass Schutz, Erhaltung und Bewirtschaftung der Ozeane eine gemeinsame Verantwortung sind, wie vom „Blauen Manifest – Rettungsplan für die Meere“ gefordert. Ferner könnten im Ocean Deal ehrgeizige Ziele und Maßnahmen zum Schutz der Meere festgelegt werden, um einen guten Umweltzustand der EU-Meere zu erreichen.

Ozean des Wandels: ein gemeinsames Manifest für die Europawahlen 2024 / Das Blaue Manifest – Rettungsplan für die Meere

Ocean Fund

Einrichtung eines speziellen Ocean Funds zur Verwirklichung ehrgeiziger politischer Ziele für nachhaltige Bewirtschaftung und effektiven Meeresschutz.

Komitee für die Meere – Ocean Committee

Das Komitee für die Meere soll europäische Meere in den Mittelpunkt von EU-Entscheidungsprozessen stellen. Es soll im Europäischen Parlament eingerichtet werden und zuständig sein für die Umsetzung des Meeresabkommens und des Ocean Funds.

Das Blaue Manifest – Rettungsplan für die Meere bis 2030

Diese Instrumente, so hoffen die beteiligten Organisationen, könnten als Maßnahmen zum Schutz der Weltmeere entscheidend sein im Kampf gegen Klimakrise, Artensterben und Umweltverschmutzung. „Damit unsere Ozeane und damit das Leben auf der Erde eine Chance hat, müssen in den nächsten Jahren fundamentale Veränderungen stattfinden“, erklärt Ulrich Karlowski.

Netzwerk von Meeresschutzgebieten für gesunde und widerstandsfähige Meere

Kern der Forderungen des „Blauen Manifests – Rettungsplan für die Meere“ allerdings ist die Einrichtung eines europäischen Netzwerks von Meeresschutzgebieten bis 2030. Dieses soll mindestens 30 % der Meeresfläche umfassen. Dies entspricht dem 30×30-Ziel, auf das sich die Staatengemeinschaft im Dezember 2022 auf der 15. Vertragsstaatenkonferenz (COP15) des UN-Übereinkommens zur biologischen Vielfalt (Convention on Biological Diversity/CBD) verständigte.

Rettungsplan für die Meere mit Maßnahmen zum Schutz der Weltmeere: Grafik aus dem Blauen Manifest – Blue Manifesto.

Ziel des Blauen Manifests/Blue Manifesto sind Ozeane, in denen das Leben pulsiert. Quelle: Seas at Risk

  1. Seas At Risk (SAR), ein Zusammenschluss europäischer Umweltorganisationen, dem die Deutsche Stiftung Meeresschutz angeschlossen ist, die Surfrider Foundation, BirdLife International und andere. ↩︎

Weiterführende Informationen

Orca-Angriffe auf Segelboote

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Seit 2020 kommt es vor der iberischen Atlantikküste und in der Straße von Gibraltar immer wieder zu Interaktionen zwischen Iberischen Orcas und Segelbooten. Im Sommer 2023 erstmals auch im Mittelmeer. Bislang sind mindestens vier Boote nach einem Orca-„Angriff“ gesunken. Menschen kamen in allen Fällen bislang glücklicherweise nicht zu Schaden.

Ein verstörender Vorfall ereignete sich am 17. August 2023 vor Tarifa. Dort hatte eine Segelcrew auf Orcas geschossen, um sie zu vertreiben. Womit ist unklar, die Rede war von Böllern oder anderer Pyrotechnik. Dank der Videoaufnahmen von zufällig anwesenden Whalewatchern konnte die spanische Polizei nun erstmals in einem derartigen Fall ermitteln, wie spanische Medien berichteten. Denn obwohl die Verwendung von Böllern oder sonstiger Pyrotechnik und von Vergrämern (Pingern) verboten ist, kommen sie immer wieder zum Einsatz. Dies ist in den einschlägigen Foren nachzulesen.

Mayday – gesunkene Boote nach Orca-Interaktionen

Der jüngste Vorfall ereignete sich am 31.10.2023 vor der Küste Marokkos. Die polnische Charterjacht Grazie Mamma war auf dem Weg zu den Kanarischen Inseln, als sich eine Gruppe Orcas an ihrem Ruder zu schaffen machte – und zwar 45 Minuten lang. Das Segelboot wurde dabei so schwer beschädigt, dass es sank. Die sechsköpfige Crew blieb zum Glück unverletzt.

Orca-Interaktion vor der iberischen Halbinsel
Orca-Interaktion vor der iberischen Halbinsel, Foto: © GTOA

Am frühen Morgen des 5. Mai 2023 gab es eine Interaktion mit der Alboran Champagne vor der südspanischen Atlantikküste vor Barbate. Dabei zerbrach das Ruder und das Segelboot schlug Leck.Die vierköpfige Schweizer Crew konnte zum Glück gerettet werden und sei wohlauf, wie es in der Meldung der spanischen Seenotrettung Salvamento Marítimo hieß. Das Boot ist leider während des Abschleppens kurz vor dem Hafen gesunken.

Erst ein paar Monate zuvor, am Morgen des 1. November 2022, kam es nach Informationen der portugiesischen Schifffahrtsbehörde Autoridade Marítima Nacional zu einer Orca-Interaktion etwa 25 Kilometer westlich des Hafens von Viana do Castelo. Die vier Besatzungsmitglieder des unter französischer Flagge fahrenden Segelboots blieben ebenfalls unverletzt. Sie retteten sich auf ein in der Nähe befindliches Segelboot. Ihr leckgeschlagenes Boot sank jedoch.

Der erste derartige Vorfall ereignete sich am 30. Juli 2022, rund 11 km vor dem Fischerdorf Sines in Portugal. Auch hier sank ein Segelboot nach einem direkten „Zusammentreffen“ mit den großen Delfinen. Die fünfköpfige portugiesische Crew konnte sich auf einem Rettungsfloß in Sicherheit bringen. Dann nahm sie ein Fischerboot auf, wie die portugiesische Marine berichtete.

Orca-Interaktionen begannen 2020

Seit Juli 2020 kommt es in der Straße von Gibraltar und an der iberischen Atlantikküste bis nach Galicien in Nordspanien immer wieder zu Orca-Interaktionen mit Booten. Größtenteils sind Segelboote unter 15 m Länge betroffen. Das berichten Wissenschaftler der Arbeitsgruppe Iberian Orca (GTOA). Nur selten werden dagegen Motor- oder Fischerboote Ziel des rätselhaften Verhaltens der auch Schwertwale genannten Meeressäuger.

Orca-Angriff vor der iberischen Halbinsel.
Orca-Interaktion vor der iberischen Halbinsel. Foto: © GTOA

Das Team von Iberian Orca befasst sich bereits seit Längerem mit den Iberischen Orcas. Nach den ersten Vorfällen im Juli 2020 registrierte man in dem Jahr insgesamt 51 Interaktionen. 2021 waren es schon 185. 2022 dann 207 Interaktionen. Sie werden von der GTOA auf einer Onlinekarte erfasst.

Der mit der GTOA kooperierende britische Seglerverband British Cruising Association erfasst die Vorfälle: Für 2022 zeigte sich, dass rund 73 Prozent der Boote, deren Crews eine Orca-Interaktion meldeten, beschädigt wurden. Davon wiederum circa 25 Prozent so stark, dass sie abgeschleppt werden mussten.

Diese Zahlen besitzen jedoch keine statistische Gültigkeit, da sie lediglich auf den gemeldeten Begegnungen beruhen und ereignislose Fahrten bislang nur selten gemeldet werden.

Die Schwertwale zerstören meist gezielt das Ruder, um die Segelschiffe zu stoppen. Sie beißen jedoch nicht hinein, sondern rammen es, wie Analysen der GTOA-Arbeitsgruppe ergaben.

Ein bei einem Orca-Angriff schwer beschädigtes Ruder eines Segelbootes.
Die Orcas haben es vorwiegend auf das Ruder abgesehen. Foto: © GTOA

Risikogebiete

Der Schwerpunkt der Orca-Aktionen liegt in Südwestspanien und der Straße von Gibraltar. Laut GTOA folgen die Iberischen Orcas ihrer Hauptbeute, Roten Thunfischen (Thunnus thynnus). Diese ziehen von Juni bis August zum Laichen in die Straße von Gibraltar und ins westliche Mittelmeer. Wenn die Thunfische das Mittelmeer verlassen, folgen ihnen die Orcas Richtung Westen und Norden.

Während die Hauptaktivitäten der Orcas in den Jahren 2020 und 2021 von Juni bis Oktober stattfanden, kam es 2022 auch erstmals in den Wintermonaten zu Orca-Segelboot-Interaktionen, berichtet die British Cruising Association.

Auch dieses Jahr sind noch immer Orcas in der Gibraltar-Region unterwegs. Vom 25. Oktober bis zum 7. November wurden 10 Interaktionen und Sichtungen gemeldet, wie die GTOA auf ihrer Facebookseite am 8. November berichtete. Mehrere Gruppen würden vom Atlantik kommend aus westlicher und südwestlicher Richtung in die Straße von Gibraltar schwimmen, heißt es weiter.

Biskaya und Mittelmeer

Mitte September soll es erstmals eine Interaktion rund 72 Seemeilen vor der französischen Atlantikküste auf Höhe von Hourtin gegeben haben. Dies berichteten französische Medien. Dabei sei das Ruder so stark beschädigt worden, dass man das Segelboot habe abschleppen müssen.

Erst ein paar Tage davor war die Lübecker Skipperin Clara Weimer am 6. September in Seenot geraten. 15 Kilometer vor der spanischen Küste bei Kap Finisterre setzten vier Schwertwale Rumpf und Ruder ihres Segelboots so stark zu, dass es abgeschleppt werden musste.

Im Sommer 2023 kam es dann erstmals an der marokkanischen Küste vor der spanischen Enklave Ceuta zu Orca-Interaktionen. Und auch südlich von Marbella an der spanischen Mittelmeerküste, wie die britische Cruising Association berichtete.

Kein normales Segelboot kann einem Orca davonfahren.
Orcas sind sehr schnelle, sehr mächtige und sehr intelligente Delfine! Foto: Ministerio de Transportes, Movilidad y Agenda Urbana

Warum? Mögliche Hintergründe

Warum haben es die intelligenten Meeressäuger auf Segelboote, vorwiegend unter 15 m Länge, abgesehen? Ausgerechnet auf Segelboote, möchte man sagen, sind sie doch eine der umweltfreundlichsten Arten der Fortbewegung auf dem Wasser.

Hinweise auf aggressives Verhalten sehen die Forschenden nicht. Sie sprechen daher grundsätzlich auch nicht von „Angriffen“, sondern von Interaktionen. Mögliche Ursachen für das atypische Verhalten könnten Nahrungskonkurrenz mit Fischern oder zu intensive Whalewatching-Aktivitäten sein. Vielleicht war ein Konflikt mit Fischern der Auslöser: Diese Schwertwale bedienen sich sehr zum Unmut der Fischer gerne an den an Langleinen geköderten Thunfischen.

Beobachtung von Orcas vor San Juan Islands USA
Orcas gehören zu den Lieblingen beim Whalewatching. Foto: iStock.com/lilly3

In einem auch von uns unterzeichneten offenen Brief appellieren 80 Experten an Medien und Öffentlichkeit für mehr Sachlichkeit in der Berichterstattung. Reißerische Schlagzeilen wie „aggressive Attacken“ oder „Racheaktionen“ schüren unnötige Panik und Angst. Es steht zu befürchten, dass manche Segler aggressiv auf die Tiere reagieren, wie bei dem eingangs erwähnten Vorfall Mitte August 2023, als Segler auf Orcas schossen.

Den Orcas Rachegelüste nachzusagen, sei eine unzulässige Vermenschlichung des Verhaltens dieser großen Delfine, heißt es in dem Brief. Die Experten halten derzeit vielmehr spielerisches Sozialverhalten für die wahrscheinlichste Erklärung.

Wenn wir auf See sind, befinden wir uns im Lebensraum von Meereslebewesen. Wir sollten Wildtiere nicht dafür bestrafen, dass sie wild sind. Wenn Wildtiere ein neuartiges Verhalten zeigen, müssen wir einen kühlen Kopf bewahren und uns stärker bemühen, unsere eigenen Handlungen und unser Verhalten an die Anwesenheit von Wildtieren anzupassen. Das Überleben der Arten, mit denen wir diesen Planeten teilen, hängt davon ab.

Auszug aus dem offenen Brief (Übersetzung des engl. Originals)

Kulturelle Entwicklung des „Bootestoppens“ bei den Gibraltar-Orcas?

Wie es aussieht, lernt mittlerweile auch der Nachwuchs dieses Verhalten von den erwachsenen Tieren. Mehrmals waren Jungtiere während der Interaktionen dabei und sahen den Erwachsenen zu. Damit könnte sich diese weltweit einzigartige Verhaltensweise in der Population manifestieren und über viele Jahre fortbestehen.

Orca mit springendem Baby.
Man geht davon aus, dass der Nachwuchs das „Bootestoppen von den Erwachsenen lernt. Foto: Skeeze/Pixabay

„Vieles spricht dafür, dass wir es hier mit einer kulturellen Entwicklung zu tun haben. Eine Kultur, die darin besteht, bestimmte Boote zu stoppen. Sie wissen genau, was sie dafür machen müssen. Es ist eine mehr als erstaunliche und faszinierende Intelligenzleistung und gleichzeitig ein Dilemma“, sagt der Biologe Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung Meeresschutz.

„Das Ganze hat sich anscheinend verselbstständigt. Der ursprüngliche Auslöser spielt wahrscheinlich keine Rolle mehr. Sie machen das, weil sie es können und weil es ihnen in irgendeiner Form Freude bereitet. Vielleicht trainieren sie mit diesen mehr als ungewöhnlichen Aktionen auch den sozialen Zusammenhalt oder es sind Koordinationsübungen, ähnlich wie beim Fußballtraining in Kleingruppen“, erklärt Karlowski. „Es ist unbedingt notwendig, nicht-invasive Lösungen zu finden, damit Segler Begegnungen mit den vom Aussterben bedrohten Gibraltar-Orcas nicht mehr fürchten müssen“.

Wenn erlernte Verhaltensweisen an nachfolgende Generationen weitergegeben werden, spricht man von der Entwicklung einer Kultur.

Verhaltenstipps: Wie können sich Segler vor den Orcas schützen?

Orca-Poster des britischen Seglerverbands für die Aufklärungsarbeit über Orca-Angriffe.
Poster der britischen Cruising Association mit der Bitte, sowohl Vorfälle mit Orcas als auch ereignislose Fahrten in der Straße von Gibraltar und entlang der iberischen Atlantikküste zu melden.

Derzeit gibt es keine einheitlichen Empfehlungen. Gemäß den von der spanischen Regierung im Juni 2023 veröffentlichten Verhaltungsempfehlungen soll man bei Orca-Interaktionen das Boot nicht anhalten, sondern mit Motor möglichst schnell in flachere Gewässer fahren.

Anders die GTOA: Sie rät in ihren Sicherheitsprotokollen dazu, Motor, Autopilot und Echolot auszuschalten sowie das Steuerrad nicht zu fixieren – soweit Seegang und Wetterbedingungen dies zulassen. Durch den Wegfall bestimmter Reize, wie Geschwindigkeit, Geräusche, hektische Bewegungen an Bord (Wegscheuchen, Schreien) sollen die Orcas das Interesse am Objekt verlieren.

Die GTOA veröffentlicht zudem eine „Ampelkarte“, auf der sowohl „sichere“ Gebiete als auch solche mit möglichen Orca-Begegnungen ersichtlich sind. Es ist keine offizielle Karte, sie erhebt auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit: Die Informationen beruhen auf den Angaben, die Segler zur Verfügung stellen.

Verboten ist schnelles Rückwärtsfahren mit abrupten Richtungswechseln, ebenso der Einsatz von akustischen Vergrämern (Pingern) oder sonstigen Abschreckmitteln, wie Böller.

Sicherheitsprotokolle für Segler

Interaktionen Orcas-Boote ↗

Die GTOA veröffentlicht Karten, die zeigen, wo es zu Interaktionen gekommen ist

Sicherheitsprotokoll für Segler ↗

erstellt von der GTOA

Sicherheitsprotokoll für Segler ↗

vom britischen Seglerverband Cruising Association

Maßnahmen der spanischen Regierung

In der Vergangenheit verhängte die spanische Regierung zweimal (2020, 2021) temporäre Fahrverbote für Segelboote unter 15 m Länge in bestimmten Abschnitten vor der Küste Galiciens bzw. in Nähe der Straße von Gibraltar.

2023 startete das spanische Umweltministerium (MITECO) ein Pilotprojekt, um Möglichkeiten zur Prävention und Reduzierung der Orca-Interaktionen zu erforschen. Unter anderem wurden sechs Orcas mit einem Satellitensender ausgestattet, um die Bewegungen der Meeressäuger verfolgen zu können. Auf der Basis der so gewonnenen Daten wurden eine Zeitlang wöchentliche Karten mit den Bewegungsprofilen der Schwertwale erstellt und veröffentlicht.

Die GTOA forderte die Regierung zudem auf, Konzepte zu erstellen, um Bootsbesitzern die durch Orcas entstandenen Schäden zu ersetzen.

Maßnahmen der portugiesischen Regierung

In Portugal trat am 11. Juli 2023 ein bis Ende des Jahres gültiges Gesetz in Kraft, das die aktive Annäherung an Orcagruppen durch Schiffe des Seetourismus (inkl. Whalewatching-Boote) verbietet. Zudem soll man sich entfernen, wenn sich Schwertwale dem Boot nähern, um Interaktionen möglichst zu vermeiden.

Außerdem werden in Portugal neue akustische Abschreckgeräte getestet, wie der Nationale Seglerverband Portugal im Juni 2023 mitteilte.

Mithilfe erbeten

Der britische Seglerverband Cruising Association kooperiert mit den GTOA-Forschenden und bittet um Mithilfe. Segler sind aufgerufen, mithilfe eines Fragebogens ihre Fahrt in dem betroffenen Gebiet zu beschreiben. Dabei ist es wichtig, auch ereignislose Fahrten durch das Gebiet der Iberischen Orcas zu melden, denn nur so können Trends erkannt und Präventionsmaßnahmen ergriffen werden.

Iberische Orcas

Es handelt sich bei den Iberischen Orcas um eine Subpopulation, die sich von anderen Subpopulationen des Nordostatlantiks unterscheidet. Ihr offizieller Name lautet: Orcas von der Straße von Gibraltar und dem Golf von Cádiz. Diese aus nur etwa 50 Tieren bestehende Subpopulation ist laut Roter Liste der Weltnaturschutzunion IUCN vom Aussterben bedroht und steht unter strengem Schutz.

Die GLADIS-Orcas

Einzelner Orca.
Orcas sind unverwechselbar. Foto: skeeze/Pixabay

Nicht alle Mitglieder der Iberischen Orcas greifen Segelboote an. Bislang identifizierte das GTOA-Team 15 „angriffslustige“ Individuen mithilfe der Fotoidentifikation. Dabei dienen die Form der Rückenfinne und ihre Markierungen als Erkennungsmerkmale. Von Seglern eingesandte Aufnahmen ermöglichten so den Vergleich mit Aufnahmen aus dem Foto-ID-Katalog und folglich die Identifizierung der betreffenden Tiere. Sie erhielten den Namen GLADIS-Orcas.

Iberischer Orca an der niederländischen Küste

Mitte Oktober 2022 starb ein Orca nach einer Strandung an der südholländischen Küste. Er war schwer krank, wie die Obduktion an der Uni Utrecht ergab.

Im Nachhinein stellte sich heraus, dass das 5,5 m große Tier ein etwa 20 Jahre altes, aus iberischen Gewässern bekanntes Weibchen namens Gala war. Die spanische Organisation Proyecto ORCA katalogisiert die Schwertwale in ihren Gewässern per Fotoidentifikation und erkannte Gala anhand der Form seiner Finne und seiner Markierungen. Das Weibchen soll keinen Kontakt mit Fischern oder Segelbooten gehabt haben. In den vergangenen drei Jahren sei es auch nicht in spanischen Gewässern gesichtet worden. Es ist das erste Mal, dass ein Tier der iberischen Subpopulation so weit nördlich dokumentiert wurde.


Indische Grindwale greifen ein Segelboot an

Nicht nur Orcas interessieren sich für Segelboote. Am 21. Februar 2022 gab es 800 km vor den Kapverdischen Inseln eine unheimliche Begegnung zwischen Indischen Grindwalen (Globicephala macrorhynchus) und einem Segelboot, das auf dem Weg nach Französisch-Guyana war, wie französische Medien berichteten. Sie dauerte drei Tage. Dann zogen die Meeressäuger ab, die Crew war in Sicherheit.

Grindwal

Die auch als Pilotwale bekannten Grindwale sind nach dem Orca mit etwa 7 m Länge die zweitgrößten ozeanischen Delfine. © Wayne Hoggard/NOAA

Im Gegensatz zu den Interaktionen der Orcas rammten die Grindwale die Segeljacht hier jedoch direkt. Immer wieder warfen die mächtigen Meeressäuger ihren Körper gegen den Rumpf, bespritzten die vierköpfige Crew. Diese versuchte vergeblich, die Tiere u. a. mit Musik zu vertreiben. Am Ende hatte der Sperrholzrumpf des Bootes einen 30 cm langen Riss. Zum Glück gelang es der Crew, das Leck abzudichten. Erst nach drei Tagen ließen die Tiere ab und zogen weiter.

Zufällig befanden sich drei Umweltwissenschaftler an Bord. Eine ihrer Vermutungen: Das aggressive Verhalten könnte auf die intensive industrielle Fischerei vor der afrikanischen Atlantikküste zurückgehen. Der Lebensraum dieser Delfinart überschneidet sich mit dem FAO-Fanggebiet 34 (Mittlerer Ostatlantik). Hier werden vor allem hochpreisige Arten wie Roter Thunfisch, Echter Bonito, Gelbflossenthunfische, aber auch Sardellen (Anchovis) gefischt.

Update: erweiterter und überarbeiteter Beitrag. Mit neuem Datum wieder veröffentlicht (Erstveröffentlichung 8/2021).

Titelbild: Das am 1. November 2022 von Orcas beschädigte Boot ist leckgeschlagen und ging unter. © Portuguese Maritime Authority/Autoridade Maritima Nacional


Weiterführende Informationen

Wie effektiv sind Ozean-Filter gegen Plastikmüll?

8 Minuten

Das vom Niederländer Boyan Slat initiierte Projekt Ocean Cleanup will Unmögliches. Speziell entwickelte Ozean-Filter-Systeme (lange Meeresreusen) sollen 90 Prozent des gesamten Kunststoffabfalls aus den Weltmeeren „fischen“. Zuerst ist der Große Pazifische Müllteppich „Great Pacific Garbage Patch“ an der Reihe, trotz vielfältiger Kritik an Sinnhaftigkeit, Effektivität, Ressourcenverbrauch und Nachhaltigkeit des Vorhabens.

Projekt The Ocean Cleanup

Innerhalb weniger Jahre will The Ocean Cleanup die Hälfte des Plastikmülls aus dem Großen Pazifischen Müllstrudel herausfischen. Dieser Müllstrudel kreist im Pazifik, zwischen der Westküste der USA und Hawaii. Die dort im Uhrzeigersinn zirkulierende Mülldeponie erstreckt sich über eine Fläche von der Größe Zentraleuropas.

Wissenschaftler gehen mittlerweile davon aus, dass schwimmender Plastikmüll weniger als 1 % des weltweiten Plastikbestands in den Ozeanen ausmacht. Der überwiegende Teil sinkt auf den Meeresboden. Damit sind sie für Ozean-Filter unerreichbar. Weitere etwa 15 Prozent treiben Wind und Wellen gleich wieder an Land zurück. Vom verbleibenden Rest ist vieles als Mikroplastik bereits in so kleine Teile zermahlen, dass es von den Filtern nicht erfasst werden kann.

Erste Tests enttäuschten

Die von The Ocean Cleanup entwickelten Ozean-Filter bestehen aus mit Netzen bestückten Röhrensystemen. Das Versuchsmodell System 001 beispielsweise bestand aus zu einem Halbrund geformten schwimmenden Röhren. Die Systeme sollen an der Meeresoberfläche treibenden Plastikmüll abfischen. Anschließend wird der derart umarmte Müll in regelmäßigen Abständen von Versorgungsschiffen eingesammelt. Diese liefern ihn dann in an Land befindlichen Recyclinganlagen ab. Soweit die Theorie.

TheOceanCleanup_System001B auf dem Weg zum Great Pacific Garbage Patch.
System 001 auf dem Weg zum Great Pacific Garbage Patch

Am 9. September 2018 schließlich wurde es ernst. Ein 600 m langes Ocean-Cleanup-Rohr, System 001 oder „Wilson“ genannt, verließ im Schlepptau eines Versorgungstrawlers San Francisco in Richtung des Großen Pazifischen Müllstrudels (Great Pacific Garbage Patch). Am 3. Januar 2019 musste die Mission abgebrochen werden. Denn ein 18 m langes Teilstück des Cleanup-Geräts hatte sich selbstständig gemacht.

Neuer Versuch: System 002, „Jenny“

Ende Juli 2021 schließlich brach The Ocean Cleanup mit dem umkonstruierten, jetzt auf 800 m vergrößerten System 002, Codename „Jenny“, von der Basis im kanadischen Victoria (British Columbia) erneut zum Great Pacific Garbage Patch auf.

The Ocean CleanUp System 002 Jenny im Great Pacific Garbage Patch

System 002 „Jenny“ im Great Pacific Garbage Patch

Bei den bis Anfang September 2021 durchgeführten Tests war System 002 allerdings nur 120 Stunden (5 Tage) einsatzbereit. In dieser Zeit entfernte es 8,2 Tonnen Plastik aus dem Meer. Bei weiteren Tests sammelte „Jenny“ dann bis zum 22. September 2021 etwa 3,8 Tonnen Plastikmüll.

Bei allen neun Tests habe System 002 nach Angaben von The Ocean Cleanup insgesamt knapp 29 Tonnen auf der Meeresoberfläche treibenden Plastikmüll abgefischt. Ein recht bescheidenes Ergebnis. Denn allein im Großen Pazifischen Müllstrudel sollen Schätzungen zufolge etwa 79.000 Tonnen Plastikmüll herumtreiben – verteilt über eine Fläche dreimal so groß wie Frankreich. Geplant ist allerdings, dass bei längeren Testfahrten nun deutlich mehr Plastik zusammen kommt.

System 03

2022 stellte The Ocean Cleanup seine bisher größte Meeresreuse – das 2,2 km lange System 03 – vor, das seitdem im Einsatz ist.

Wie effektiv ist The Ocean Cleanup?

Angesichts des von Slat und seinen Mitstreitern seit 2013 ausgelösten Wirbels, „endlich die unfassbaren Mengen an Plastikteilen aus dem Meer entfernen zu können“, gehen gleich mehrere entscheidende Aspekte unter. Einer sind die Myriaden von Kleinstlebewesen (Quallenpolypen, Phyto- und Zooplankton, Fischlarven u. v. a. m.), die auf und an den treibenden Kunststoffteilen als Erstbesiedler neue Lebensräume gefunden haben. Auch deshalb warnen Experten seit Jahren vergeblich davor, dass The Ocean Cleanup oder andere Ozean-Filter mehr Schaden als Nutzen anrichten.

Sensibles Ökosystem in Gefahr – das Neuston

Zudem könnten die Sammelarme ein noch rätselhaftes Meeresökosystem zerstören – das Neuston. Dabei handelt es sich um lebende Inseln. Ende Januar 2019 machte Meeresforscherin Rebecca Helm von der University of North Carolina, Asheville, in The Atlantic auf diese sensiblen Meereslebensgemeinschaften aufmerksam. Sie sieht im Ocean-Cleanup-Filtersystem eine große Gefahr.

Auf dem Plastikmüll leben erstaunlich viele Tiere

Es gibt immer mehr Studien, die zeigen, dass viele planktonisch lebende Meerestiere auf den an der Wasseroberfläche flotierenden Plastikteilchen leben. Ein Forscherteam um Linsey Halram1 vom Smithsonian Environmental Research Center in Maryland entdeckte im großen pazifischen Müllstrudel aus 46 taxonomischen Gruppen stammende Organismen. Darunter Nesseltiere, Schwämme, Gliederfüßer und andere.

Kein Wunder. Harte, treibende Oberflächen, die für sessile (Korallen, Seepocken) und semi-sessile (Quallen) Meerestiere geeignet sind, sind natürlicherseits im Meer selten. Normalerweise herrscht eine starke Konkurrenz. Überraschend war jedoch, dass die Forscher auf viele Arten von Küstenarten auf den Plastikteilen stießen. Auf mehr als 70 % der untersuchten Proben fanden sie Arten, die nur in Küstennähe vorkommen.

Ressourcenverbrauch, Nachhaltigkeit, ökologischer Rucksack

Bislang zeigt sich, dass das Projekt vergleichsweise ineffektiv ist. Man verbraucht viele Ressourcen, ist weder klimafreundlich noch nachhaltig orientiert. Fraglich ist auch, ob die Geräte den harschen Bedingungen der Meeresrealität über längere Zeit standhalten. Hinzu kommt ein schwerer ökologischer Rucksack*.

The OceanCleanup System001B MaerskTransport Kutter.

Beim Einsatz der Versorgungsschiffe von The Ocean Cleanup, die weite Strecken zurücklegen (müssen), entstehen große Mengen des Klimagases CO₂ und andere Schadstoffe, wie Ruß, Schwefeloxide oder Stickoxide. Außerdem erhöhen sie die Unterwasserlärmbelastung in den befahrenen Gebieten.

Den Wasserhahn zudrehen, statt die Badewanne mit einem Fingerhut leeren!

Es bedarf globaler, grundlegender Änderungen bei Verbrauch und Umgang mit Kunststoffen. Ändert sich nichts, werden im Jahr 2040 schätzungsweise bis zu 29 Millionen Tonnen Plastikabfälle jährlich in den Ozeanen enden. Damit könnte man auf jedem Meter Küstenlinie der Welt 50 Kilogramm Plastikmüll abladen.

Die 13 Jahre alte Stella Alraun gewann mit ihrem Kurzfilm „Nightmare – Stop the plastic world“ beim Jugend-Contest der 4. Staffel von Energiefilm Züri den Online-Award als beliebtester Film.
  1. Haram, L.E., Carlton, J.T., Centurioni, L. et al. Extent and reproduction of coastal species on plastic debris in the North Pacific Subtropical Gyre. Nat Ecol Evol 7, 687–697 (2023). https://doi.org/10.1038/s41559-023-01997-y ↩︎

Alle Fotos: © The Ocean Cleanup


* Was ist der ökologische Rucksack?
Der ökologische Rucksack drückt das Gewicht aller natürlichen Rohstoffe aus, die für unseren Konsum anfallen. Sprich: alle Produkte inklusive ihrer Herstellung, Nutzung und Entsorgung. Für das Autofahren zählt man zum Beispiel nicht nur das Auto selbst und das Benzin, sondern anteilig auch die Eisenerzmine, die Stahlhütte und das Straßennetz.

Alle Rohstoffe zusammengezählt ergeben eine Maßzahl für die Belastung der Umwelt. Denn die Förderung von Rohstoffen ist nicht nur ein Eingriff in das natürliche Gleichgewicht der Erde, sondern wird als Abfall an die Natur zurückgegeben. Je weniger natürliche Rohstoffe wir verbrauchen, desto geringer sind auch unsere Umweltauswirkungen.

Mein ökologischer Rucksack | Der Ressourcenrechner des Wuppertal Instituts (ressourcen-rechner.de)
Quelle: Wuppertal Institut

Update: erweiterter und überarbeiteter Beitrag. Mit neuem Datum wieder veröffentlicht.


Weiterführende Informationen