Für ein Meeresschutzgebiet in der Kvarner Bucht

Mit Beginn des Jahres 2024 startete unsere Kooperation mit MareMundi – Save our seas. Die gemeinnützige Meeresschutzorganisation mit Sitz in Salzburg, Österreich, betreibt in Punat auf der kroatischen Insel Krk eine eigene Meeresforschungsstation. Unter Leitung des MareMundi-Gründers und Meeresbiologen Robert Hofrichter1 arbeitet das Team derzeit an Plänen für ein Meeresschutzgebiet in der Kvarner Bucht. Sie sollen die Grundlage für dessen Ausweisung durch die kroatische Regierung bilden. Das Schutzgebiet ist vorgesehen zwischen den Inseln Cres und Krk, mit zwei fischereifreien Zonen (No-take zones). Wir unterstützen MareMundi bei diesem ambitionierten Plan.

Kroatien hat zu wenige und zu kleine Meeresschutzgebiete

Laut der Daten des Marine Protection Atlas vom Marine Conservation Institute kommt Kroatien bei der Umsetzung des 30×30-Ziels2 nicht voran. Lediglich 9,2 % der kroatischen Küstengewässer sind als Meeresschutzgebiete ausgewiesen. Zumeist nur auf dem Papier. Weniger als 1 % der Küstengewässer sind durch fischereifreie Zonen vollständig geschützt, wie im kleinen Brijuni-Nationalpark oder dem Jabuka Pit in der südlichen Adria.

Wenn hier nicht bald etwas passiert, dann werden auch die letzten entscheidenden Hotspots der Artenvielfalt in der kroatischen Adria durch fischereiliche und touristische Übernutzung unwiederbringlich verloren gehen.

Artenvielfalt in der Kvarner Bucht

Im Krušija-Kanal liegt mit bis zu 125 m die tiefste Stelle der nördlichen Adria. Bei der von MareMundi durchgeführten GoDeep-Studie zur Erforschung des Kanals stießen die Meeresschützer in den Tiefen des Kanals auf eine unerwartet reichhaltige Artenvielfalt. Doch nicht nur in den tieferen Regionen des Gebiets leben schützenswerte Arten, wenn auch nicht mehr sehr viele.

Der Film zum MareMundi-Projekt GoDeep

Der dramatische Rückgang der noch vor 40 bis 50 Jahren großartigen Diversität und Artendichte des Mittelmeers spiegelt sich natürlich auch in der kroatischen Adria und der Kvarner Bucht wider. Ikonische Arten wie große Haie, Rochen, Thunfische, Steckmuscheln oder Delfine, die dem hohen Nutzungsdruck bis heute standgehalten haben, sind selten geworden. Viele andere trifft man hier gar nicht mehr an.

Knorpelfische – Elasmobranchier

Eine 2018 von MareMundi unterstützte Masterbarbeit zur Artenvielfalt der in der Kvarner Bucht lebenden Knorpelfische fand Nachweise für 15 Hai- und 11 Rochenarten. Die Studie stützte sich auf Auswertungen von Fängen von Grundschleppnetzfischern aus Mali Losinj sowie auf Tauchgänge, Museumsbesuche und Literaturrecherchen. Dabei stellte sich heraus, dass Diversität und Artendichte (Abundanz) von Haien und Rochen in der Kvarner Bucht bereits seit dem 19. Jahrhundert zurückgegangen ist. Wobei die Artenvielfalt der Knorpelfische in der Kvarner Bucht niedriger ist als im übrigen Adriatischen Meer und wesentlich niedriger als im Mittelmeer. Grund hierfür ist der starke, in der Nordadria herrschende Nutzungsdruck.

Haie

Spitzenprädatoren wie der Weiße Hai (Carcharodon carcharias) gelten lokal als ausgestorben. Fehlende Spitzenprädatoren in einem Ökosystem begünstigen Mesoprädatoren. Das spiegelt sich in der Kvarner Bucht im Vorkommen zahlreicher Kleingefleckter Katzenhaie (Scyliorhinus canicula) wider. Nur noch gelegentlich schwimmen Riesenhaie (Cetorhinus maximus) bis in dieses Gebiet der Nordadria.

Überraschend waren zwei Arten von Tiefseehaien, obwohl das Kvarner-Gebiet im Durchschnitt nicht sehr tief ist. Es handelt sich um den Stumpfnasen-Sechskiemerhai (Hexanchus griseus) und die Gefleckte Meersau (Oxynotus centrina), eine bedrohte Art.

Andere gefährdete, bedrohte oder vom Aussterben bedrohte Haiarten in der Kvarner Bucht:

Noch gibt es sogar Blauhaie in der Kvarner Bucht.
Blauhaie sind in Kroatien streng geschützt!
Foto: istock.com/Velvetfish
  • Großgefleckter Katzenhai (Scyliorhinus stellaris)
  • Gewöhnlicher Glatthai (Mustelus mustelus)
  • Schwarzpunkt-Glatthai (Mustelus punctulatus)
  • Dornhai (Squalus acanthias)
  • Gemeiner Fuchshai (Alopias vulpinus)
  • Blauhai (Prionace glauca)

Rochen

Unter den 11 Rochenarten war der nicht bedrohte Spiegelrochen (Raja miraletus) die häufigste Art. Aber auch auf den vom Aussterben bedrohten Gestreiften Adlerrochen (Aetomylaeus bovinus) konnte man 2018 in der Kvarner Bucht noch treffen.

Auffällig war das Vorkommen des Marmor-Zitterrochens (Torpedo marmorata), der zu den elektrischen Fischen zählt. Diese etwa 1 m großen Rochen können eine elektrische Entladung von bis zu 200 Volt erzeugen, mit der sie kleinere Fische lähmen. Die Art gilt laut der Roten Liste der Weltnaturschutzorganisation IUCN als gefährdet. Für Fischer sind sie uninteressant. Sie werden allerdings oft als Beifang in der Grundschleppnetzfischerei mitgefangen.

Meeressäugetiere

In der Kvarner Bucht lebt eine kleine Population von ca. 200 bis 250 Großen Tümmlern (Tursipos truncatus). Sie gehören zur etwa 500 Tiere starken Population der Adria-Delfine. Sie leben das ganze Jahr über nahe der kroatischen Küste und Inseln. Meist trifft man sie weniger als 5 Kilometer vom Land entfernt.

Kleine Schwertwale (Pseudorca crassidens) und Rundkopfdelfine (Grampus griseus) sind dagegen seltene Irrgäste. Das gilt auch für aus dem Mittelmeer in die Adria schwimmende Finnwale (Balaenoptera physalus). Im August 2020 wurde ein Finnwal unter der Krk-Brücke gesichtet.

Gelegentlich schwimmen einzelne Mittelmeer-Mönchsrobben (Monachus monachus) bis in die Nordadria. Die Art gilt in kroatischen Gewässern als lokal ausgestorben.

Kerngebiete im neuen Meeresschutzgebiet in der Kvarner Bucht

Karte mit den beiden Kerngebieten im neuen Meeresschutzgebiet in der Kvarner Bucht.

Geplant ist ein ca. 952 km2 großes Meeresschutzgebiet (grau eingefärbte Bereiche) in der Kvarner Bucht, das eine 71 km2 große No-take zone im Gurgurov-Kanal (blau eingefärbt) und eine 25 km2 große fischereifreie Zone im Krušija-Kanal (gelb eingefärbt) umfasst. Damit hätte Kroatien die Fläche seiner vollständig geschützten Meeresschutzgebiete von derzeit 22,7 km2 auf dann 96 km2 mehr als vervierfacht!

Außerhalb dieser Kerngebiete können Fischerei und Tourismus kontrolliert ablaufen, um eine nachhaltige und zukunftsorientierte ökologische Entwicklung zu ermöglichen.

Umweltbelastungen in der Kvarner Bucht

Obwohl im Gebiet des geplanten Meeresschutzgebietes die tiefsten Stellen der Nordadria liegen (125 m im Krušija-Kanal), ist das Meer hier insgesamt seicht und das Wasservolumen begrenzt. Da die Kvarner Bucht ein weitgehend abgeschlossenes Meeresgebiet ist, gibt es nur einen begrenzten Wasseraustausch mit der offenen Adria.

Gleichzeitig ist die Umweltbelastung der gesamten Region hoch. Allein schon durch die Abwässer, die bisher größtenteils ungeklärt ins Meer geleitet werden. Die am Projekt beteiligten Wissenschaftler wie Dr. Robert Hofrichter oder Dr. Vladimir Tkalcic aus Rijeka tauchen und schnorcheln hier seit ihrer Kindheit in den 1960ern. Seitdem hat sich das marine Ökosystem enorm verändert. Und das nicht zum Guten!

Auf die Insel Krk kamen im Jahr 2022 etwa 5 Millionen Besucher. Sämtliche Küsten rund um die Kvarner Bucht, sowohl am Festland als auch auf den Inseln, wurden in den vergangenen Jahren signifikant verbaut. Am Festland und auf Krk gibt es bedeutende petrochemische Anlagen.

Alle Experten sind sich einig, dass sich das Mittelmeer und auch die nördliche Adria sowohl hinsichtlich Artenvielfalt und Artendichte zum Teil dramatisch verschlechtert hat. Die Einrichtung von Meeresschutzgebieten ist alternativlos, um dem ökologischen Niedergang etwas entgegenzusetzen.

Projekt „Neues Meeresschutzgebiet in der Kvarner Bucht“: Artenvielfalt im Krušija-Kanal.
Wander-Fadenschnecke (Cratena peregrina) auf einem Meerball (Codium bursa, eine Grünalge), dahinter der Goldschwamm (Aplysina aerophoba). © Robert Hofrichter

Unverzichtbar: lokale Akteure an Bord

Auch für die lokalen Fischer wird das neue Meeresschutzgebiet in der Kvarner Bucht von elementarer Bedeutung sein. Denn durch fischereiliche und touristische Übernutzung gibt es hier immer weniger Fisch. Mit der Folge, dass die Fischer ihre Lebensgrundlage verlieren.

Auf gesellschaftspolitischer Ebene möchte MareMundi daher durch entsprechende Informationsangebote eine verstärkte Akzeptanz für das MPA bei der örtlichen Bevölkerung sowie den relevanten Akteuren wie der Tourismusbranche, der Fischerei und der Gastronomie erreichen.

Mehrere kroatische Umweltschutzorganisationen und weitere lokale Stakeholder haben für das Vorhaben bereits ihre Unterstützung zugesagt.

Für 2024 geplante Aktivitäten von MareMundi

  • Fortführung des GoDeep-Forschungsprojekts zur Absicherung der wissenschaftlichen Grundlagen für die Etablierung eines Meeresschutzgebietes in der Kvarner Bucht.
  • eDNA-Analysen in den zu schützenden Gewässern, um besonders seltene und scheue Arten identifizieren zu können.
  • Foto-Ausstellung in der Meeresforschungsstation in Punat zur Sensibilisierung von Touristen und Einheimischen.
  • Erstellung hochwertiger Infomaterialien für die jeweiligen Stakeholder-Gruppen, um ihnen die Vorteile des Projekts zu verdeutlichen.
  • Öffentlichkeitsarbeit und frühzeitige Einbeziehung der regionalen und nationalen Behörden.
Tec-Diver von MareMundi.

Tec-Diver von MareMundi untersucht in den Tiefen des Krušija-Kanals einen Geweihschwamm der Gattung Axinella. Derartige Tauchgänge mit speziellen Gasgemischen sind technisch und finanziell aufwendig. © Chris Hölzl

basierend auf Informationen von MareMundi

  1. Der MareMundi-Gründer und Meeresbiologe Robert Hofrichter befasst sich seit vielen Jahren mit dem Ökosystem des Mittelmeers. Er ist Herausgeber, Mitautor und Initiator des zweibändigen Standardwerks „Das Mittelmeer“. ↩︎
  2. Mit dem 30×30-Ziel des UN-Abkommens zur biologischen Vielfalt (Convention on Biological Diversity/CBD) verpflichtete sich die Staatengemeinschaft Ende Dezember 2022, dass bis zum Ende der Dekade 30 Prozent der Land- und 30 Prozent der Meeresflächen unter Schutz stehen. Damit beabsichtigt man das vom Menschen verursachte sechste globale Massenaussterben (Biodiversitätskrise) aufzuhalten. ↩︎

Artenvielfalt in der Adria