Korallenriffe gehören neben Seegraswiesen, Mangroven- und Regenwäldern zu den wichtigsten, produktivsten und am stärksten bedrohten Ökosystemen.
Anlässlich der UN-Klimakonferenz in Baku 2024, Aserbaidschan, warnte die Weltnaturschutzorganisation IUCN, dass 44 Prozent der ca. 900 bekannten tropischen Korallenarten (Warmwasserkorallen) bedroht sind. Ein Anstieg um rund 11 Prozent innerhalb von 16 Jahren. Die Hauptursache sind die von der Erderhitzung verursachten, öfter und mit stärkerer Intensität auftretenden marinen Hitzewellen. Sie lösen die gefürchteten Korallenbleichen aus und führen zum Absterben der Riffe.
Wir unterstützen Projekte zum Ökosystem-Management von Riffen, zum Schutz und zur Wiederherstellung (Restauration) geschädigter Riffe, sowie Forschungsvorhaben, die einen besseren Korallenschutz zum Ziel haben.
- DSM-Flyer Korallenriffe in Not (auch als kostenloser Print zum Bestellen)
Von uns unterstützte Projekte
Indonesien: Banda-Inseln
mit BandaSEA und Luminocean
Philippinen, Insel Malapascua
mit People and the sea
Was sind Korallen?
Korallen sind Tierkolonien, gebildet von Korallenpolypen. Man fasst zu dieser Tiergruppe verschiedene, nicht miteinander verwandte Gruppen der Nesseltiere (Cnidaria) zusammen. Man nennt sie auch Blumentiere. Diese kleinen Tiere errichten große Bauwerke im Meer. Dafür lassen sie sich viel Zeit. Tausende Jahre.
Great Barrier Reef
Das größte Korallenriff ist das berühmte, 2.300 Kilometer lange Große Barriereriff (Great Barrier Reef) an der Nordostküste Australiens. Es besteht aus über 2.900 einzelnen Riffen. Die UNESCO erklärte es 1981 zum Weltnaturerbe. Sogar vom Weltraum aus ist es zu sehen.
Belize Barrier Reef
Das zweitgrößte zusammenhängende Korallenriff befindet sich vor der Küste von Belize an der Ostküste Mittelamerikas. Das 10.000 Jahre alte Belize Barrier Reef ist besonders artenreich. Hier befinden sich auch drei Atolle und Mangrovenwälder, die von starker Abholzung bedroht sind. Es ist der Lebensraum von etwa 500 Fischarten, darunter Ammenhaie, Stachelrochen, Meeresschildkröten, Seekühe sowie 70 farbenprächtige Hartkorallen- und 36 Weichkorallenarten.
Das Half Moon Caye Natural Monument bewahrt mehrere wichtige Ökosysteme und beherbergt gefährdete Arten wie die Echte Karettschildkröte und den Nassau-Zackenbarsch sowie Kolonien von Rotfußtölpeln und endemischen Blattgeckos. © travelbelize.og/Finn Partners
Riff-Typen
Grundsätzlich unterscheidet man vier Riff-Typen: Saum-Riffe, Barriere-Riffe, Atolle und Plattformriffe. Von diesen gibt es viele Varianten wie Fleckenriffe oder Flachwasser-Riffe. Die Ausprägung eines Riffs hängt von vielen Faktoren ab, die sich im Laufe der langen Wachstumszeiten von Korallen (mehrere Tausend Jahre) ändern können (Kontinentalverschiebung, Schwankungen des Meeresspiegels, Klimaschwankungen, Beschaffenheit des Meeresbodens).
Korallenriffe sind unverzichtbar
Korallen leben seit über 400 Millionen Jahren in den Ozeanen. Von der Tiefsee bis ins lichtdurchflutete Epipelagial. Heute kennt man über 10.000 Arten. Obwohl sie lediglich 1,2 Prozent der Kontinentalschelfe bedecken, sind sie Kinderstube und Lebensraum für mindestens ein Viertel aller bislang bekannten Meerestierarten.
Riffe sind Hotspots der Artenvielfalt. Man schätzt, dass etwa 1 bis 3 Millionen Meerestierarten, darunter Meeresschildkröten, Haie, Rochen und andere Fische, Krebstiere, Seesterne, Muscheln oder Bakterien hier beheimatet sind. Sie beeinflussen Biodiversität und Biomasse der Ozeane weit über ihr Verbreitungsgebiet hinaus.
Innerhalb weniger Jahrzehnte hat es der Mensch geschafft, dass die Existenz von tropischen Korallenriffen infrage steht. Nach Berechnungen von Experten der UNEP (Umweltprogramm der Vereinten Nationen) sind zwischen 1870 und 2019 bereits 50 % aller Warmwasserkorallenriffe verloren gegangen (UNEP-Plattform „Oceans and seas“). Es besteht die akute Gefahr, dass dieses Meeresökosystem bald aus den Ozeanen verschwindet.
Riffbildende Korallen
Riffbildende tropische Korallen (u. a. Steinkorallen, Feuerkorallen oder die Blaue Koralle) sind eine symbiotische Lebensgemeinschaft aus koloniebildenden, festsitzenden Nesseltieren (Cnidarien) und einzelligen, Fotosynthese betreibenden Algen (Zooxanthellen).
Die Zooxanthellen versorgen die Korallenpolypen (Blumentiere) mit Energie in Form von Zucker und erhalten im Gegenzug Schutz und mineralische Nährstoffe. Außerdem sind sie verantwortlich für das farbenprächtige Spektakel, das man in einem intakten Riff bewundern kann.
Ökosystemleistungen von Korallenriffen
Die skurrilen, ungemein kreativen Baumeister der Ozeane sind nicht nur von überragender Bedeutung für die Biodiversität. Sie dienen darüber hinaus in vielfältiger Weise auch uns Menschen, versorgen uns mit „Dienstleistungen“ (Ökosystemleistungen) von enormem Wert. So spült etwa der Tourismus jedes Jahr große Summen in die Kassen der Länder, die noch über halbwegs intakte Riffstrukturen verfügen. Etwa 600 Millionen Menschen sind wirtschaftlich direkt von funktionierenden Korallenriffen abhängig.
Küstenschutz, Erholung, Tourismus sowie Fischerei profitieren von intakten Korallenriffen. Dies gilt in besonderem Maße für ärmere Länder. Das Verschwinden von Korallenriffen ist für Bewohner von Inselstaaten und Küstenregionen in den Tropen eine existenzielle Bedrohung.
Gleichzeitig sind die Blumentiere eine (noch) unerschöpfliche Quelle für Arzneimittel wie neue Antibiotika. Weiterhin sind sie Symbolorte kultureller und spiritueller Werte.
Die weltweite Korallenkrise
Tropische Korallenriffe sind heute mit einer Vielzahl von Stressoren konfrontiert, allen voran marine Hitzewellen. Vielen Arten fällt es zunehmend schwerer, diesen negativen Umweltbedingungen standzuhalten.
- Destruktive Fischerei wie Dynamit- oder bodenberührende Fischerei
- Plastikvermüllung
- Meeresverschmutzung durch Chemikalien, z. B. aus Sonnenschutzmitteln
- Baumaßnahmen an Küsten
- Abholzung von sedimentfilternden Mangrovenwäldern
- Suche nach Rohstoffen
- Gezielte Befischung von Raubfischen
- Überdüngung durch Abwässer aus der Landwirtschaft
- Massentourismus
- Massenauftreten von Fressfeinden wie dem Dornenkronenseestern
- Sedimentierung und Verschlammung durch Baumaßnahmen an der Küste
Noch schwerwiegender sind jedoch die Folgen der Klimakatastrophe. Dem hiervon ausgelösten tödlichen Trio aus zunehmender Ozeanversauerung, sinkender Sauerstoffkonzentration und steigenden Wassertemperaturen haben die kleinen Baumeister langfristig nicht viel entgegenzusetzen.
Bei längeren Phasen mit Wassertemperaturen oberhalb von 29 Grad beginnen tropische Korallen ihre Mitbewohner, die Zooxanthellen, abzustoßen. Dadurch verlieren sie ihre Farbe. Sie bleichen aus, verhungern und sterben, wenn die Wassertemperatur nicht rechtzeitig wieder sinkt.
Korallenbleiche
Hitzewellen
Nach einer hitzebedingten Korallenbleiche benötigen tropische Korallenriffe eine mindestens zehnjährige Erholungsphase im Normbereich, um sich zu regenerieren. Doch allein das Great Barrier Reef, musste seit dem Jahr 2000 sechs große Korallenbleichen verkraften. Vier davon trafen das riesige Riff-System kurz hintereinander in den Jahren 2016 bis 2022.
Besonders die dritte Hitzewelle im Sommer 2019/20 richtete verheerende Schäden an. Erstmals starben Korallen in allen drei Teilbereichen des Riff-Systems. Dieses Mal erwischte es auch den bislang weitgehend intakt gebliebenen, kühleren, südlichen Teil des Barriereriffs. Niemals zuvor starben so viele Korallen.
Selbst unter La-Niña-Bedingungen, bei denen das Meerwasser vor Ost-Australien normalerweise kühler ist, gab es im australischen Sommer 2021/22 eine marine Hitzewelle. Es war die erste La-Niña-Bleiche. Sie setzte 91 Prozent der Korallen des Great Barrier Reef unter großen Hitzestress.
Da Hitzewellen durch die Erderhitzung in immer kürzeren Intervallen und in steigender Intensität auftreten, bleibt den Blumentieren kaum Zeit zur natürlichen Regeneration.
Auf dem Weltkorallenriffkongress (International Coral Reef Symposium/ICRS) 2021 warnte Professor Christian Wild von der Universität Bremen gemeinsam mit vielen anderen internationalen Wissenschaftlern: „Wir befinden uns in einer weltweiten Korallenriffkrise. Global sind 30 Prozent aller Korallenriffe schon verloren, 40 Prozent massiv bedroht und nur noch weniger als 30 Prozent in einem vergleichsweise guten Zustand.“
Selbst das Erreichen des 1,5-Grad-Ziels könnte für viele Korallenriffe nicht genug sein. Ihre Zukunft hängt in der Schwebe.
Makroalgen – Überdüngung
Im Jahre 2020 waren in der mexikanischen Karibik etwa 80 % der Korallenriffe bereits nicht mehr intakt. In den vergangenen vier Jahrzehnten ging die Korallenbedeckung drastisch zurück. Obwohl sich einige Riffe teilweise wieder erholt hatten, waren 80 % der über 100 untersuchten Riffe durch Algen dominiert. Das ergaben Untersuchungen der Universität Bremen und der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko.
Noch Ende der 1970er-Jahre betrug die durchschnittliche Korallenbedeckung in der mexikanischen Karibik im Durchschnitt noch 26 %. Dann, im Jahr 2005, kam es zum historischen Minimum von 12 %. Es war das Jahr, welches durch eine große Korallenbleiche in der Karibik gekennzeichnet war. Anschließend, von 2005 bis 2016, konnten sich die Riffe teilweise – aber sehr langsam – erholen. Bis 2016 schafften sie eine Bedeckung von ca. 16 %.
Doch Makroalgen wuchsen unaufhaltsam weiter. In der Folge überstieg ihre Zuwachsrate die Erholung der Korallen bei Weitem. Und dieser Verdrängungswettbewerb unterbindet wichtige Funktionen, wie Küstenschutz oder Fischereiertrag. Eine Entwicklung, die inzwischen in vielen Riffen stattfindet, so auch im Großen Barriere Riff (Great Barrier Reef).
Forscher sehen in Abwässern aus der intensiven, küstennahen Landwirtschaft die Hauptursache für das übermäßige Wachstum der Makroalgen. Denn diese düngt ungewollt auch küstennahe Riffe, sodass diese im Wettbewerb mit Algen keine Chance mehr haben. Schließlich verlieren die Riffe das ungleiche Ringen. Sie werden überwachsen und sterben.
Kaltwasserkorallen: Juwelen in der Tiefe
Korallen leben nicht nur in warmen, lichtdurchfluteten, tropischen Küstengewässern. Auch dort, wo es stockdunkel und sehr kalt ist, an den Rändern der Kontinentalschelfe, zwischen 40 und 3.000 Metern Tiefe, gibt es Riffe. Hier bauen Kaltwasserkorallen. Sehr langsam zwar, aber sie haben Zeit. Bisher sind sie kaum erforscht.
Die vorherrschende Riff bildende Art im Nordostatlantik ist die zu den Blumentieren (Anthozoa) gehörende Steinkoralle Desmophyllum pertusum (früher Lophelia pertusa genannt).
Trotz magerer Wachstumsraten von 4 bis 25 Millimetern pro Jahr errichteten Kaltwasser-Korallen in Tausenden Jahren vor Norwegen ein Unterwasserbauwerk mit einer Fläche von über 130 Quadratkilometern. Das Riff ist damit größer als Manhattan.
Riesiges Kaltwasser-Riff vor der US-Küste
Auch bei Experten war die Verblüffung groß, dass das bislang größte Kaltwasser-Korallenriff so lange unentdeckt blieb. Laut einer Anfang 2024 veröffentlichten Studie1 erstreckt es sich von Miami in Florida bis in den US-Bundesstaat South Carolina. Das riesige Riff ist etwa 500 km lang und stellenweise bis zu 110 km breit!
Insgesamt soll es eine Fläche von gut 26.000 Quadratkilometern umfassen. Dies entspricht einer Fläche, die größenmäßig zwischen den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg liegt.
Vorausgegangen war eine 10 Jahre dauernde systematische Kartierung dieses Gebiets (Blake Plateau). Und es zeigte sich, dass das Blake Plateau weit mehr aufwies, als nur vereinzelte Korallen, wie man bislang angenommen hatte. Riff bildend ist auch hier wieder Desmophyllum pertusum.
Zerstörung von Kaltwasser-Riffen
Über 8.500 Jahre verbringen Kaltwasserkorallen damit, ein wundervolles Riff zu bauen. Ein Grundschleppnetzfischer benötigt nur wenige Stunden, um es komplett und unwiederbringlich zu vernichten.
Dort, wo Kaltwasser-Riffe zerstört wurden, wachsen sie nicht mehr nach. Ein Lebensraum für unzählige Meeresbewohner verschwindet. Über das Ausmaß der bereits angerichteten Zerstörungen ist wenig bekannt. In norwegischen Gewässern, so schätzen Wissenschaftler, sollen bereits 30 bis 50 Prozent aller bekannten Kaltwasserkorallenriffe zerstört sein. Eine Tragödie. Sie spielt sich im Verborgenen ab.
- Sowers, D.C.; Mayer, L.A.; Masetti, G.; Cordes, E.; Gasbarro, R.; Lobecker, E.; Cantwell, K.; Candio, S.; Hoy, S.; Malik, M.; et al. Mapping and Geomorphic Characterization of the Vast Cold-Water Coral Mounds of the Blake Plateau. Geomatics 2024, 4, 17-47. https://doi.org/10.3390/geomatics4010002 ↩︎
Kaltwasserkorallen können keine Symbiose mit Fotosynthese betreibenden Zooxanthellen bilden. Sie sind bei der Ernährung ganz auf sich allein gestellt. Image courtesy of Lophelia II 2009: Reefs, Rigs, & Wrecks
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Abgeschlossene Förderungen
- Wo siedeln sich Korallenlarven besonders gerne an?
Bachelorarbeit von Joshua Berg (Universität Bochum) mit Teilnahme am European Coral Reef Symposium 2024 in Neapel - Anti-Biofouling Beschichtungen für die Korallenriff-Restauration
Doktorarbeit von Lisa Röpke, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung ZMT, Bremen – WG Ecophysiology, Coral Reproduction & Restoration, Anti-Biofouling - Können Korallenriffe der Klimakrise widerstehen?
Vorstellung der Forschungsarbeit von Laura Niewendick auf dem „International Coral Reef Symposium (ICRS)“ 2021 - Palau: Riffschutz mit Drohnen
Masterarbeit von Pia Lewin im Studiengang „International Studies of Aquatic Tropical Ecology“ (ISATEC) in Verbindung mit dem Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) & Universität Bremen, Fachbereich 2 (Biologie).