Kolumbien: Ökosystem-Design vegetationsreicher Küstenökosysteme
Von April bis Ende Juli 2022 führte die angehende Meeresbiologin Soyla Kraus auf Isla Barú in Kolumbien Feldstudien zu ihrer Masterarbeit „Identifizierung des Einflusses von Eigentumsrechten und Management auf vegetationsreiche Küstenökosysteme“ durch. Wir förderten dieses Masterprojekt der Universität Bremen – Studiengang „International Studies of Aquatic Tropical Ecology“ (ISATEC) – und dem Verbundprojekt sea4soCiety.
Isla Barú
Die Halbinsel Barú liegt südlich der Stadt Cartagena an der kolumbianischen Karibikküste. Es gibt hier noch ausgedehnte Mangrovenwälder sowie weitläufige Sandstrände. Im nördlichen Teil befindet sich der Nationalpark „Corales del Rosario y San Bernardo“. Er erstreckt sich hauptsächlich auf das Meer und die auf der westlichen Seite gelegenen tidebeeinflussten Bereiche der Halbinsel. Die Halbinsel ist bei in- wie ausländischen Touristen ein gefragtes Urlaubsziel in Kolumbien.
sea4soCiety: Für den Klimaschutz – für die Artenvielfalt – für den Küstenschutz
Die Masterarbeit von Soyla Kraus ist Teil des Verbundprojekts sea4soCiety. Hierbei geht es um die Entwicklung innovativer und gesellschaftlich akzeptierter Ansätze zur Verbesserung der CO2-Speicherkapazität vegetationsreicher Küstenökosysteme in tropischen und gemäßigten Breiten wie Mangrovenwäldern, Seegraswiesen, Salzmarschen oder Tangwäldern. Denn sie können für lange Zeiträume gewaltige Mengen Kohlendioxid (CO2) als „blauen Kohlenstoff“ (blue carbon) speichern. Doch viele dieser Küstenökosysteme wurden zerstört oder degradiert. Deshalb sank ihre globale Kapazität zur Verringerung von Treibhausgasemissionen drastisch. Gleichzeitig verloren die Ozeane Hotspots der marinen Artenvielfalt.
Weltweit verlieren Küstenbewohner ihre Nahrungsgrundlage oder wegen des Verlusts der Küstenschutzfunktionen intakter Küstenökosysteme ihre Heimat. Nicht von ungefähr schätzen Experten, dass die Senkung der Gefahren des weltweiten Anstiegs des Meeresspiegels und der damit verbundenen negativen Folgen für die Küstenbevölkerung eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit ist. © pixabay
Forschungsstandorte von sea4soCiety sind die deutsche Nord- und Ostseeküste, die indonesische See und die Karibik. Hauptfokus liegt darin, diese wertvollen Ökosysteme im Einklang mit der lokalen Bevölkerung wiederaufzubauen. Dadurch will man die Kapazität der vor Ort noch vorhandenen CO₂-Senken vergrößern. Damit einher geht die Aufwertung von Lebensräumen und Kinderstuben für unzählige Arten von Meerestieren, die auf vegetationsreiche Küstenökosysteme wie Mangroven angewiesen sind. Zusätzlich werden die Nahrungssicherheit der Küstenbevölkerung und der Küstenschutz gesichert und aufgewertet.
Artenreiche Küstenökosysteme in Kolumbien
Kolumbien hat Zugang zum Pazifischen Ozean und zum Karibischen Meer. Das Land verfügt über umfang- und artenreiche Küstenökosysteme. Allerdings sind sie durch verschiedenste menschliche Aktivitäten und die Klimakrise in Gefahr.
Pelikan im dichten Mangrovenwald auf Isla Barú, Kolumbien. Foto: Carolina Hortua
Kolumbien hat zwar mehr als 10 % seiner Landesfläche und Küsten, die von besonderer Bedeutung für die biologische Vielfalt und für Ökosystemleistungen sind, unter Schutz gestellt. Doch wie erreicht man, dass unter besonderem Nutzungsdruck stehende Schutzgebiete in der Praxis nachhaltig und effizient sind? Dieser Frage geht Soyla Kraus in ihrer Masterarbeit nach. Dazu arbeitete sie im sea4soCiety-Forschungsgebiet auf der südlich von Cartagena gelegenen Halbinsel Isla Barú an der kolumbianischen Karibikküste.
Ökosystem-Design vegetationsreicher Küstenökosysteme
Als Ökosystem-Design ist bei sea4soCiety-Projekten die mit menschlichem Einsatz potenziell sicher erfolgende Rehabilitation vegetationsreicher Küstenökosysteme definiert. Das kann allerdings nur funktionieren, wenn man die dort lebenden Menschen und ihre unterschiedlichen Interessen konfliktvermeidend einbezieht, ihre Bedürfnisse und Anforderungen anhört und damit arbeitet.
„Es ist von höchster Wichtigkeit, Einblicke in die lokale Gesellschaft zu bekommen und eng mit ihr zusammenzuarbeiten, um ein Rehabilitierungsdesign zu erstellen, welches nicht nur für die Kohlenstoffspeicherung, sondern ebenfalls für die Gesellschaft, ihre Lebensgrundlagen und ihr Wohlsein nutzbringend ist“.
Soyla Kraus
Positive Effekte auf Umwelt- und Ressourcenschutz und eine nachhaltige Entwicklung
Die lokale Bevölkerung auf Isla Barú wie auch allgemein viele Küstenbevölkerungen weltweit werden bereits durch die Folgen der Klimakatastrophe erheblich beeinträchtigt. Manche Menschen verlassen ihre Heimat noch rechtzeitig. Viele andere verlieren sie auf einen Schlag durch häufiger und stärker auftretende Naturkatastrophen wie Sturmfluten. Um dies zu verhindern, ist es bedeutsam, die Menschen an der Küste zu schützen, ihre Heimat und ihre Lebensgrundlagen zu bewahren.
Ziele des Projekts
Mit dem Projekt sollen mehr Flächen für vulnerable vegetationsreiche Küstenökosysteme gewonnen werden. Daraus soll dann ein „Master-Bauplan“ für das Ökosystem-Design von Küstenökosystemen in anderen Teilen der Welt entstehen. Hierbei werden dann auch die Ergebnisse der Studien aus den anderen Ländern des bis zum 31. Juli 2024 dauernden sea4soCiety-Projekts einfließen.
Positive Wirkungen für den Arten-, Küsten- und Klimaschutz
- Erhöhung der „blue carbon“-CO2-Speicherkapazität von Küstenökosystemen, lokal und global
- Ausweitung von Lebensräumen und Kinderstuben (Biodiversitäts-Hotspots) für unzählige Arten von Meerestieren
- Sicherung der Nahrungsmittelversorgung mit nachhaltigen Fischereimethoden
- Beteiligung der lokalen Bevölkerung am Ökotourismus
- Verbesserter Schutz der Küsten und der Menschen vor steigenden Meeresspiegeln oder unerwarteten Wetterereignissen wie Sturmfluten
- Menschen wird eine neue Lebensgrundlage gegeben
Günstig und effektiv: die Werkzeuge der Natur
Naturbasierte Lösungen (Nature-based Solutions, NbS) gehören heutzutage zu den aussichtsreichsten und kostengünstigsten Ansätzen im Kampf gegen die Klimakatastrophe und das globale Massenaussterben. Darunter versteht man die Wiederherstellung und Erweiterung gesunder Naturräume mit dem Ziel, deren vielfältigen Nutzen zu verbessern (Ökosystemleistungen) und sie nachhaltig zu bewirtschaften.
Quelle: Förderantrag und Abschlussbericht von Soyla Kraus
weniger anzeigenFidschi: Nachhaltige Fischerei
2020 förderten wir die Masterarbeit von Karl Schrader im Studiengang „International Studies of Aquatic Tropical Ecology“ (ISATEC) in Verbindung mit dem Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT), Arbeitsgruppe „Mangroven Ökologie“.
Etwa 385 km2 Mangrovenwälder säumen die Küste der Fidschi-Inseln. Eines der größten zusammenhängenden Mangrovengebiete auf Fidschi liegt im Südosten Viti Levus bei Suva im Rewa-Delta. Circa 20 % der Existenz- und Kleinfischerei der Bevölkerung finden in Küstennähe in den Mangroven statt. Eine der dabei mit am intensivsten genutzten Arten ist die Mangrovenkrabbe (Scylla serrata). Ausgestattet mit mächtigen Scheren kann sie gut und gerne über 20 cm groß werden. Es handelt sich um eine fischereilich und ökologisch bedeutende Krabbenart. In vielen ihrer Lebensräume steht sie unter starkem Überfischungsdruck. Doch nicht nur deshalb ist es wichtig, Möglichkeiten zur nachhaltigen Fischerei in Mangrovenwäldern zu erforschen.
Masterprojekt „Einfluss von Fischereidruck auf Mangrovenkrabben (Crustacea) in Fidschi – Eine Fallstudie im Rewa-Delta“
Im Rahmen seines Masterstudiums führte Karl Schrader eine Feldstudie über den Einfluss des Fischereidrucks auf mehrere Mangrovenkrabben-Arten durch, die für Subsistenzwirtschaft und kleingewerbliche Fischerei in Mangrovenwäldern von Bedeutung sind. Bei seiner Studie bekam er großartige Unterstützung und Mithilfe von der lokalen Bevölkerung. Die Ergebnisse der Studie werden auch an die Partner auf Fidschi weitergegeben und an die in die Studie involvierten Dörfer.
Von Mitte Oktober 2019 bis Mitte März 2020 untersuchte ich, ob und wie sich der Fischereidruck auf die Abundanz (Menge) und durchschnittliche Größe der Krabbenfänge auswirkt. Dazu fand, unter Berücksichtigung lokaler Interessen, in einem Teilbereich des Untersuchungsgebietes zwei Monate lang keine Krabbenfischerei statt. Als Test einer Schutzmaßnahme.
Intensive Vorbereitung und Überwindung vieler bürokratischer Hürden
Die Zeit zwischen der Anreise im Oktober 2019 und dem Jahresende floss in eine intensive Vorbereitung, Überwindung bürokratischer Hürden und das Kennenlernen des Untersuchungsgebiets sowie der Dörfer der Region.
Research Team Fidschi (von links nach rechts), vorne: Peniasi Naimoso (Bezirksrepräsentant des Bezirks Vutia in der Provinz Rewa, Fidschi) – Kontaktperson im Dorf Muaniaira und unermüdliche Hilfe im Projekt –, Karl Schrader (Masterstudent der Universität Bremen), Simione Naivalu (Student der USP in Suva, zeitweise Hilfe für Feldarbeit). Hinten: Peniasis Frau und Tochter (herzliche Gastgeber während der Zeit im Feld)
Um ein besseres Bild der Gesamtsituation zu bekommen, führte ich dann im Dezember 2019 und Januar 2020 Interviews mit den Fischern und Fischerinnen der betroffenen Dörfer durch und unternahm mehrere kleine Exkursionen ins Untersuchungsgebiet. Diese waren auch sehr hilfreich, um das notwendige Vertrauen für eine intensive und gute Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung aufzubauen.
Nachdem im Januar alle Probestellen, Methoden und weiteren Vorgehensweisen besprochen und festgelegt waren, begann die eigentliche Feldarbeit über nachhaltige Fischerei in Mangrovenwäldern.
Mangrovenkrabben „Qari“ und „Kuka“
Der Fokus dieser Studie liegt auf zwei fischereilich wichtigen Taxa. Einmal Scylla serrata oder „Qari“, einer weitverbreiteten Schwimmkrabbenart mit hohem Marktwert. Und zum anderen auf „Kuka“, einer Gruppe kleinerer Mangrovenkrabben aus der Familie Sesarmidae. Auf Fidschi werden beide Taxa ganzjährig befischt, lokal verwertet oder auf Märkten in größeren Orten verkauft.
Neben diesen Krabben sind noch andere Krebstiere aus den Mangroven von saisonaler Bedeutung. Insbesondere die Landkrabbe „Lairo“, aus dem terrestrischen Randbereich der Mangroven, und ein Maulwurfkrebs „Mana“, welcher in Gangsystemen im Sediment der Mangrovenwälder lebt.
„Mana“-Maulwurfskrebs in der Schlinge einer traditionellen Falle.
Auf Schwimmkrabbenfang mit Netzkäfigen im Delta des Rewa-Flusses
Die Untersuchungen zur Mangroven-Schwimmkrabbe Scylla serrata fanden an acht verschiedenen Orten im Delta des Rewa-Flusses statt. Die Wahl fiel dabei auf Bereiche mit hohem Fischereidruck, mit geringem Fischereidruck und Gebiete ohne Fischerei. Zum Lebendfang der Krabben setzte ich beköderte Netzkäfige ein. Jede Krabbe wurde anschließend markiert, vermessen und wieder freigelassen.
Diese box traps sind spezifisch für den Fang von Scylla serrata ausgelegt.
Auf Fidschi setzte ich zum Fang der als „Kuka“ bekannten Gruppe von Mangrovenkrabben-Arten sogenannte „pit fall traps“ ein. „Pit falls“ sind kleine Fallgruben, welche man aus Eimern, Blumentöpfen oder Rohren herstellt. Ihre Öffnung ist in der Regel mit einem Trichter versehen. Mit dieser Methode untersuchte ich vier Orte im Delta, aufgeteilt in Bereiche mit hohem und mit geringem Fischereidruck. Zusätzlich zu biologischen Daten (Größe und Geschlecht) der Individuen erfasste ich Umweltfaktoren wie Salinität, Temperatur und Gewässertrübung.
Deutliche Ergebnisse trotz coronabedingtem Projektabbruch
Trotz der Verkürzung des Projektes durch einen COVID-19 bedingten Abbruch im März war es möglich, deutliche Ergebnisse aus den Daten zu entwickeln.
Markiertes adultes Exemplar der Mangrovenkrabbenart Scylla serrata.
Die aus den Daten entwickelten statistischen Modelle setzen Umweltfaktoren und Fischerei-Intensität miteinander in Bezug. So konnten Faktoren ermittelt werden, welche die Variationen in Fangmenge und der Durchschnittsgröße der gefangenen Krabben am besten erklären. So wirkt sich hoher Fischereidruck zwar negativ auf die durchschnittliche Größe der Scylla serrata Fänge aus, hat aber kurzfristig keinen negativen Einfluss auf die Fangmenge.
Es wird allerdings vermutet – gestützt auf Berichte der lokalen Fischer und Fischerinnen und den Lebenszyklus dieser Krabbenart –, dass die Fischerei einen deutlichen Langzeiteinfluss auf das gesamte Gebiet hat.
Bislang vernachlässigt: Langzeitfolgen von starkem Fischereidruck
Aussagen der Bevölkerung zufolge ist die Zahl der gefangenen Scylla serrata Krabben in den letzten 30 Jahren sehr stark zurückgegangen. Der Umkehrschluss, dass eine Verminderung des Fischereidruckes sich positiv auf die Population(en) der Krabben auswirkt, wird durch die Untersuchungen in den Orten unter Ausschluss der Fischerei unterstützt.
Wie Umweltfaktoren zusammenwirken
Nur für eine der drei untersuchten „Kuka“-Arten (Sesarmidae) konnte ein Modell zur Abundanz entwickelt werden. Dies lag an den sehr unterschiedlichen Fangzahlen. Aus diesem Modell kann man eine komplexe Mischung aus Umweltfaktoren, Fischereidruck und der Untersuchungsmethode als Erklärung der Daten lesen. Im Gegensatz zur großen Scylla serrata Mangrovenkrabbe sind „Kuka“-Arten sehr standortreu und bewegen sich in verhältnismäßig kleinen Bereichen.
Daher haben Umweltfaktoren wie Sediment- und Baumstrukturen sowie Salinität hier einen großen Einfluss auf die Vorkommen. So entsteht bei variierendem Terrain ein feines Mosaik verschiedener Artzusammensetzungen und unterschiedlicher Häufigkeiten der einzelnen Arten. Meist sind es Frauen, die diese Krabben per Hand sammeln. Sie wissen genau, wo sie welche Krabben finden, und steuern diese gezielt an. In stark genutzten Gebieten konnte ich einen tendenziell negativen Einfluss der Fischerei auf die Krabbenpopulationen feststellen.
Eine „Kuka“-Mangrovenkrabbe.
Fischer zeigen viel Interesse an Schutzmaßnahmen
Die Ergebnisse unterstützen das lokale Interesse an Schutzmaßnahmen und legen nahe, dass sich ein lokaler Stopp der Fischerei, primär für Scylla serrata, positiv auf das gesamte Delta auswirken könnte. Für die verschiedenen Sesarmiden-Krabben in den Mangrovenwäldern wären weitere Studien von großem Vorteil, um den anthropogenen Einfluss besser beurteilen zu können. Die Ergebnisse der Studie werden nun mit den Partnern auf Fidschi kommuniziert und an die in die Studie involvierten Dörfer weitergeleitet.
Danksagung
Vielen Dank für die finanzielle Unterstützung der involvierten Stiftungen (Deutsche Stiftung Meeresschutz, Brede Stiftung), an alle helfenden Hände im Feld und vor allem an die lokale Bevölkerung des Rewa-Deltas für ihre Unterstützung und unersetzliche Kooperation über die gesamte Projektzeit. Ohne diese Zusammenarbeit wäre das Projekt nicht möglich gewesen.
Karl Gustav Thor Schrader, im Dezember 2020
Fotos: Karl Schrader
CAMPUS PREIS 2021
Im April 2021 erhielt Kar Schrader für seine Forschungsarbeit den renommierten „CAMPUS PREIS: Forschen für nachhaltige Zukunft“ der Universität Bremen. Sein Preisgeld in Höhe von 1.000 € nahm er auf einer digitalen Preisverleihung am 15. April entgegen. Damit erhielt zum zweiten Mal hintereinander erhält ein von uns gefördertes meeresbiologisches Masterprojekt den CAMPUS PREIS.
2020 wurde Julian Engel damit ausgezeichnet. Für seine von uns unterstützte Masterarbeit auf der philippinischen Insel Malapascua. Dort hatte er Alternativen zu Haifang und Haiflossenfischerei durch nachhaltigen Haitourismus entwickelt. Als Folge seiner Studie entstand ein Meeresschutzgebiet im Südwesten der Insel.
Verbesserte Nahrungssicherheit durch nachhaltige Fischerei in Mangrovenwäldern
Jury-Mitglied Fabio Nicoletti vom Verein Alumni der Universität Bremen sagte in seiner Laudatio: „Karl Schrader erforscht in seiner Arbeit ein drängendes ökologisches Problem, das sich negativ auf die Nahrungssicherheit auf den Fidschi-Inseln auswirkt. Durch die enge Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung gelingt es ihm, gemeinsam mit den Betroffenen die Situation besser zu verstehen und mögliche Lösungsansätze zu formulieren. Beide Aspekte leisten einen wichtigen Beitrag für den Erhalt wertvoller Ressourcen für zukünftige Generationen.“
Für Karl Schrader ist der Preis in erster Linie eine hohe Wertschätzung seiner Arbeit. „Häufig ist es schwer, die eigene Forschung distanziert zu betrachten oder zu werten“, sagt er. „Schon die Nominierung für den Preis war eine schöne und motivierende Rückmeldung zu der investierten Zeit und Arbeit. Den Preis nun auch tatsächlich zu gewinnen, übertrifft die Erwartungen, ist eine sehr angenehme Überraschung und untermalt den Abschluss dieses Lebensabschnittes sehr positiv.“
weniger anzeigenSüdafrika: Schnecken und Mangroven
2020 förderten wir die Masterarbeit von Niklas Reinhardt im Studiengang „International Studies of Aquatic Tropical Ecology“ (ISATEC) in Verbindung mit dem Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT). Er ging der Frage nach, welche Auswirkungen Schnecken, wie die Kegel-Mangrovenschnecke, auf Sedimente in Mangroven haben und wie ihr Verbreitungsgebiet entlang der Ostküste von KwaZulu-Natal in Südafrika aussieht.
Schnecken und Mangroven
Welche Auswirkungen haben Schnecken, wie die Kegel-Mangrovenschnecke, auf Sedimente in Mangroven und wie sieht ihr Verbreitungsgebiet entlang der Ostküste von KwaZulu-Natal in Südafrika aus? Diesen zwei zentralen Forschungsfragen bin ich im Rahmen meiner Masterarbeit nachgegangen. Während meines – auch von der DSM unterstützten – sechsmonatigen Aufenthalts in Südafrika hatte ich die Gelegenheit, vier verschiedene Mangrovenstandorte (Durban Bay, Beachwood, Isipingo und Umlalazi) entlang der Ostküste von KwaZulu-Natal zu untersuchen.
Kegel-Mangrovenschnecken (Cerithidea decollata).
Es wurden die Artenvielfalt und Verbreitung von Schnecken in Beständen der Grauen Mangrove (Avicennia marina) und der Schwarzen Mangrove (Bruguiera gymnorhiza) quantifiziert. Ein Feldexperiment in einem Avicennia-marina-Bestand in Umlalazi ermöglichte es, die Auswirkungen von Schnecken auf die Sedimentatmung in Mangrovenwäldern, den Gehalt an organischen Substanzen und die Korngrößenverteilung über einen Zeitraum von 10 Wochen zu analysieren.
Artenarmut durch menschengemachte Stressoren?
Die zwischen Boden und Mangrovenstämmen kletternde Kegel-Mangrovenschnecke (Cerithidea decollata) konnte als einzige Schneckenart identifiziert werden. Im Naturschutzgebiet Umlalazi waren Kegel-Mangrovenschnecken am häufigsten. Wohingegen in Beachwood und Durban Bay nur relativ kleine Populationen dokumentiert wurden.
Schnecken in den Mangroven in Isipingo konnten nicht nachgewiesen werden. Die genauen Ursachen für die beobachtete Artenarmut bleiben ungeklärt. Allerdings dürfte die unmittelbare Nähe der drei Standorte Durban Bay, Beachwood und Isipingo zur Großstadt Durban einen Einfluss auf die Artenvielfalt in den Mangroven haben. Eine Verschmutzung (u. a. durch urbane und industrielle Abwässer) und Zerstörung der Lebensräume war an allen drei Standorten zu beobachten.
Kegel-Mangrovenschnecken
Die Kegel-Mangrovenschnecke gilt als eine relativ widerstands- und anpassungsfähige Art und kann daher trotz anthropogener Störfaktoren existieren. Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass Populationen, die menschengemachten Stressoren ausgesetzt sind, deutlich kleiner sind im Vergleich zu Populationen in streng geschützten Mangroven. Dies war z. B. in Umlalazi der Fall.
Schneckenschleim mit Klebefunktion
Das Feldexperiment in Umlalazi konnte nach 10 Wochen Laufzeit mit einer sehr interessanten Erkenntnis abgeschlossen werden: Schneckenschleim klebt!
Eine Analyse der Kerngrößenverteilung verdeutlichte, dass der Anteil der Sedimentpartikel der Größenklasse Sand (0.063 – 2 mm) unter dem Einfluss von Kegel-Mangrovenschnecken am Ende des Experiments signifikant angestiegen war. Dieses Ergebnis zeigt, dass der Schneckenschleim feinere Partikel zu größeren Partikeln zusammenfügt. Der ansteigende Sandanteil kann der Erosion entgegenwirken – der Abtransport von feinen Partikeln durch die Gezeiten ist geringer. Darüber hinaus wird möglicherweise die Sedimentation von sehr feinen Partikeln dadurch begünstigt, dass Partikel am Schleim haften bleiben.
Blick in einen Untersuchungskäfig.
Schnecken und Mangroven: Klebrige Erkenntnis
Auswirkungen auf die Sedimentatmung und den Gehalt an organischen Substanzen ließen sich nicht nachweisen. Allerdings bedeutet dies nicht, dass Schnecken keinen Einfluss darauf haben. Dadurch, dass Kegel-Mangrovenschnecken sehr mobil sind und auf der Sedimentoberfläche regelmäßig nach Nahrung suchen, ist es wahrscheinlich, dass sie bei der Verwertung organischer Stoffe eine wichtige Rolle spielen. Zudem beeinflussen sie die mikrobielle Aktivität in den Sedimenten. Möglicherweise jedoch war die experimentelle Laufzeit nicht lang genug, um diese Prozesse erfassen zu können.
Am Ende bleibt die klebrige Erkenntnis, dass Kegel-Mangrovenschnecken eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung von Sedimenten in Mangrovenwäldern spielen. Vielleicht offenbaren diese auf den ersten Blick recht unscheinbaren Tiere noch weitere Talente, wenn wir ihnen in Zukunft mehr Aufmerksamkeit schenken.
Fotos: Niklas Reinhardt
weniger anzeigenFidschi: Mangroven auf Riffdächern
Manchmal wachsen Mangroven auch dort, wo man sie am wenigsten erwartet. In Fidschi sogar auf Riffdächern! Theresa-Marie Fett und Hannah von Hammerstein, Studentinnen der Universität Bremen, Fachbereich 2 (Biologie), gingen diesem Phänomen im Rahmen ihrer von uns 2018 geförderten Masterarbeit nach. Denn man weiß so gut wie nichts darüber. Wissenschaftliche Partner sind die Arbeitsgruppe Mangrovenökologie und die Arbeitsgruppe Riffsysteme des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung in Bremen (ZMT) sowie Dr. Stuart Kininmonth von der University of the South Pacific (USP) auf Fidschi.
Was machen Mangroven auf dem Riff?
Auf einem Riffdach in der Nähe von Suva, Fidschi, hat man relativ junge Mangrovenbäume entdeckt. Und sie scheinen sich dort auszubreiten. Doch ein derartiges Vorkommen an dieser Stelle einer Riffstruktur ist nicht nur sehr ungewöhnlich, sondern wurde in der Literatur noch nie erwähnt. Im Rahmen ihrer Masterarbeit im Studiengang „International Studies of Aquatic Tropical Ecology“ erforschten die jungen Biologinnen die ungewöhnliche Lebensgemeinschaft. Dabei hofften sie auch, neue, bislang nicht bekannte Möglichkeiten für Aufforstungsprogramme für Mangrovenwälder zu finden.
Bedeutung der ungewöhnlichen Koexistenz aus ökologischer und ökonomischer Sicht
Theresa-Marie Fett und Hannah von Hammerstein nahmen die ökologische Bedeutung der ungewöhnlichen Koexistenz von Riff und Mangroven unter ihre wissenschaftlichen Lupen.
Layout des Versuchsaufbaus an einem Mangrovenbaum.
Denn Mangroven auf Riffdächern können als Kinderstube für ökologisch und wirtschaftlich wichtige Arten nicht nur das Habitat verändern und bereichern. Zusätzlich beugen sie durch Steigerung der Sedimentationsraten der lokalen Küstenerosion vor. Somit wäre diese Lebensgemeinschaft besonders schützenswert. Die Resultate der Forschungsarbeit teilten die jungen Biologinnen mit lokalen Interessenvertretern. Damit sollte ein Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung des Gebietes geleistet werden.
Leitstudie zur Anwendung neuer Technologien für Riffforschungs-Projekte
Für ihre Studie zogen die Biologinnen gekonnt alle Register moderner Technik. So installierten sie zu Vergleichsstudien Mangrovenimitate aus PVC-Rohren auf einem Riffdach. Sie ähneln in ihrer Struktur Mangrovenbäumen. Jedoch geben sie keinerlei organische Stoffe in die Umgebung ab.
Modell eines Mangrovenimitats aus PVC-Rohren.
Auf Backsteinen mit wasserfestem Kleber befestigte Gipswürfel dienten zur Berechnung der Wellendämpfungseigenschaften. Zusätzlich wurden Einträge von organischem Kohlenstoff, Sauerstoffgehalt und Nährstoffkonzentration gemessen, analysiert und verglichen. Auch Häufigkeit und Verhaltensmuster von Jungfischen in beiden Habitaten werden ausgewertet.
Von Drohnen aufgenommene Luftbilder runden die Studie durch ein zweidimensionales Modell des Forschungsgebiets ab. „Die technologischen Fortschritte der letzten Jahre, insbesondere auf dem Gebiet der Fernerkundung, bieten spannende Möglichkeiten, um die Habitat- und Ökosystemforschung effektiver und präziser zu machen. Zum Beispiel durch das Erstellen detaillierter bathymetrischer Karten. Wir erwarten, dass die Anwendung der Luftbildmessung in Riffsystemen das Management dieses Gebietes verbessern und vereinfachen kann“, hoffen Theresa-Marie Fett und Hannah von Hammerstein.
Resultate von globaler Relevanz
Auf Fidschi gibt es bereits Mangroven-Aufforstungsprogramme. Diese können nun mit den positiven Effekten der Ausbreitung von Pionier-Mangrovenbäumen in einem Riffgebiet ergänzt und aufgewertet werden. Das wird nicht nur in Fidschi auf großes Interesse stoßen. Wahrscheinlich existieren auch in anderen tropischen Gebieten diese seltsamen Lebensgemeinschaften. Somit sind die Resultate des Projekts von globaler Relevanz. Daher suchten die beiden Forscherinnen parallel weltweit mit Satellitenbildern nach ähnlichen Vorkommen von Mangroven auf Riffdächern.
Positive Effekte, wohin man blickt
Es gibt zahlreiche Studien, die sich mit Mangroven oder Korallenriffen befassen. Doch die Kombination beider Ökosysteme – Mangroven auf Riffdächern – ist kaum erforscht.
Als natürliche Barriere gegen Wellengang und Stürme haben Mangrovenwälder eine herausragende Küstenschutzfunktion.
Jedoch ist das Verständnis für diese Ökosysteme besonders in der heutigen Zeit wichtig. Überfischung hat das ökologische Gleichgewicht der Meere ins Wanken gebracht. Die Klimakrise gefährdet durch den Anstieg des Meeresspiegels und fördert Intensität und Häufigkeit von Stürmen insbesondere in Küstenregionen. Zusätzlich dienen Mangrovenwälder wie ein Biodiversitäts-Hotspot unzähligen Fisch- und Wirbellosearten, Vögeln und Reptilien als sichere Aufwuchs- und Schutzrefugien.
„Mangrovenbestände gehen weltweit zurück. Daher ist es von großer Dringlichkeit, weitere dieser wertvollen Gebiete auf globaler Ebene zu identifizieren. Sowie das Verständnis ihrer ökologischen Dynamiken zu ergänzen und dieses Wissen auch weiterzuvermitteln. Dazu wollen wir mit unserem Projekt beitragen“, betonen die beiden engagierten Biologinnen.
Nach Informationen aus dem Förderantrag „Das Vorkommen und die Rolle von Mangrovenbäumen auf Riffdachbereichen“ von Theresa-Marie Fett und Hannah von Hammerstein, Universität Bremen, Fachbereich 2 (Biologie), aus dem auch die Grafiken und Illustrationen stammen.
Fotos, soweit nicht anders angegeben: Pixabay
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Projektseite Schutz von Mangrovenwäldern