Die Ostsee – Baltisches Meer – Mare Balticum – Baltic Sea

Noch vor etwa 10.000 Jahren war die Ostsee ein reines Süßwassermeer. Auch danach brach die Verbindung zur Nordsee immer mal wieder ab. Als Brackwassermeer existiert sie erst seit 7.000 Jahren. Die Ostsee ist das jüngste Meer und ähnelt anderen Binnenmeeren wie dem Mittelmeer, dem Schwarzen Meer, dem Asowschen Meer oder dem Marmarameer. Allerdings ist das Baltische Meer als Übergangsmeer zwischen Süß-, Brack- und Salzwasser einzigartig. Dadurch gibt es hier extrem unterschiedliche Umweltbedingungen.

Im Vergleich zur Nordsee und anderen Meeresgebieten ist die Ostsee nicht nur salz-, sondern auch artenarm. Denn evolutionsbiologisch gesehen finden wir hier ein junges Versuchslabor der Evolution mit erschwerten Lebensbedingungen.

Für viele Meerestiere ist das Baltische Meer nicht salzig genug, für die meisten Süßwasserlebewesen bereits zu salzig. Dabei nimmt der Salzgehalt in der Ostsee von Westen nach Osten ab. Deshalb können Salzwasserarten, wie Seesterne, nur im westlichen Teil existieren.

Die Ostsee hat eine Fläche von 412.560 km² (inklusive Kattegat). Ihre tiefste Stelle von 459 m liegt im Gotlandbecken beim Landsorttief. Ihre durchschnittliche Tiefe liegt dagegen bei etwa 52 m. Die maximale Breite des Baltischen Meeres beträgt nur etwa 300 km. Es gilt als eines der am stärksten befahrenen Meere.

Angespülte Seegraspflanze, Baltisches Meer. Hat die Pflanze Wurzeln, eignet sie sich, zum Seegras pflanzen.
Angespültes Seegras an der Ostseeküste. © U. Kirsch/DSM

Landschaftsformen wie die Boddenlandschaft oder die Haffs und Nehrungen oder das Schärenmeer sind einzigartig und sollten wie das Wattenmeer UNESCO-Welterbe-Status erhalten.

Leider befindet sich das Baltische Meer auf bestem Wege, fast sämtliche seiner vielfältigen ökologischen Besonderheiten zu verlieren. Lebensräume wie die Flensburger Förde sind bereits hochgradig degradiert, können ihre ökologischen Funktionen nicht mehr erfüllen.

Kein anderes Meer ist mit derart vielen gleichzeitig wirkenden Stressoren mit gleichermaßen hohem Schadpotenzial konfrontiert.

  • Nährstofflast aus der küstennahen Landwirtschaft
  • Überfischung
  • Bau und Betrieb von Offshore-Windkraftanlagen
  • Vermüllung, Umweltgifte und Ackergifte
  • Übertourismus
  • Schiffsverkehr
  • Küstenbaumaßnahmen (Fehmarnbelt-Tunnel, LNG-Pipelines)
  • Unterwasserschall (Lärm im Meer)
  • sich stetig erhöhende Wassertemperaturen
  • verrottende und gesprengte Munitionsaltlasten
  • erfolgreiche Bioinvasoren
  • Ausbreitung von Sauerstoff-Minimum-Zonen und Todeszonen
  • Infrastrukturmaßnahmen zur Gasversorgung (Betrieb von LNG-Terminals, Pipline-Verlegung, Erhöhter Schiffsverkehr durch LNG-Frachter) in sensiblen Gebieten.
Clean-up-Aktion in der trüben Flensburger Förde.
© Mission Förde

Viele dieser Stressoren sind nicht oder nur langfristig in den Griff zu bekommen. So sind wesentlich niedrigere Nährstoffeinträge für die Ostsee kaum erreichbar. Denn die heutigen Böden tragen eine Last von über 150 Jahren Nährstoffzufuhr in sich. Selbst bei einem Dünge-Stopp für die Landwirtschaft – was mit Blick auf die Nahrungsmittelproduktion unrealistisch ist – werden die Böden noch lange ihre Nährstofflast in das Baltische Meer abgeben.

Das fast 300 m lange LNG-Terminal „Energos Power“ im Fährhafen von Sassnitz (Mukran) auf Rügen. © Ursula Karlowski/DSM
Das fast 300 m lange LNG-Terminal „Energos Power“ im Fährhafen von Sassnitz (Mukran) auf Rügen. © Ursula Karlowski/DSM

Bereits seit Jahren findet im größten Brackwassermeer eine umfangreiche Transformation statt. Das Baltische Meer der Zukunft wird wärmer und noch salzärmer sein.

Wie in anderen Meeresgebieten auch verändert sich die Artenzusammensetzung. Ikonische Arten wie die kleine Schweinswalpopulation in der zentralen Ostsee, Seehunde, Kegelrobben, Dorsch und Hering, Stör, Aal, Lachs, fast sämtliche Hai- und Rochenarten und viele Seevogelarten werden sich nur schwer oder in geringerer Zahl halten können.

Der Umwandlungsprozess betrifft aber auch unzählige weniger auffällige Arten des Phyto- und Zooplanktons, kleinere Fischarten, Krebstiere, Seesterne oder Algen. Besser an die neuen Lebensbedingungen in der Ostsee angepasste Arten, wie die Meerwalnuss, Rotalgen oder Cyanobakterien (Blaualgen), besetzen frei werdende und neu entstehende ökologische Nischen.

Massenhaftes Auftreten von Rotalgen und anderer Algen sorgen regelmäßig für die Ausbildung sauerstoffarmer Todeszonen. So bedeckten Cyanobakterien (Blaualgen) im Sommer 2010 im Baltischen Meer eine Fläche, die in etwa der Landfläche ganz Deutschlands entsprach. Für Deutschland gibt es ein Algenfrüherkennungssystem (AlgFES) mit dem regelmäßig aktualisierten „Algenreport“.

In der Folge wird auch die kommerzielle Fischerei in der Ostsee zum Erliegen kommen.

Flache Küstengewässer der Ostsee sind Gewässertyp des Jahres 2024

Im März 2024 kürte das Umweltbundesamt (UBA) das „flache Küstengewässer der Ostsee“ zum Gewässertyp des Jahres. Diesen speziellen Gewässertyp findet man entlang der Küsten von Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern in bis zu einer Seemeile (1,852 km) Entfernung von der Küste oder in bis zu 15 Metern Wassertiefe. Er hat einen Anteil von etwa 20 Prozent an der deutschen Meeresfläche im Baltischen Meer.

Flache Küstengewässer stehen in der Ostsee unter besonders intensivem Nutzungsdruck (Fischerei, Tourismus, Nährstoffeinträge, Munitionsaltlasten, u.a.m.). Gleichzeitig gibt es hier (noch) wichtige Lebensräume wie Seegraswiesen, dichte Algenwälder, Steinriffe und Muschelbänke. Hier leben Fische, Krebse oder Seesterne, während sie für Wasservögel, Schweinswale oder Robben zur Nahrungssuche dienen.

Damit diese Artenvielfalt besser geschützt wird, lenkte das UBA zum internationalen Tag des Wassers (22. März) mit der Auszeichnung als Gewässertyp des Jahres die Aufmerksamkeit auf das „flache Küstengewässer der Ostsee“. Denn das beliebte Urlaubsgewässer ist in keinem guten Zustand.

Neben wirksamem politischem Willen für besseren Schutz der Ostsee – an dem es in Deutschland weitgehend fehlt – bieten insbesondere Renaturierungsmaßnahmen eine vielversprechende Chance für das Erreichen eines guten Zustands auf lokaler Ebene. Hier liegen viele Hoffnungen in der nationalen Umsetzung des neuen EU-Renaturierungsgesetzes (Nature Restauration Law/NRL).

Wenige Tage, bevor das EU-Renaturierungsgesetz in Kraft trat, kündigte das Königreich Dänemark an, 15 % der landwirtschaftlich genutzten Flächen des Landes stillzulegen und zu renaturieren (Wälder, Moore, Salzwiesen).

Grund für den zur allgemeinen Verwunderung gesellschaftlich akzeptierten Schritt ist der beklagenswerte Zustand der dänischen Ostsee-Fjorde. Sie sind biologisch weitgehend tot und sollen, wie die Flensburger Förde, wieder zu neuem Leben erweckt werden. Dazu benötigt man zum einen eine Senkung der Zufuhr von Nährstoffen aus der Landwirtschaft, zum anderen Verbotszonen für die Grundschleppnetzfischerei.

Titelfoto: Salzmarsch an der Geltinger Bucht von U. Karlowski/DSM