Flensburger Förde: Ökosystem-Renaturierung – Clean-ups – Umweltbildung

Seit Juli 2024 unterstützen wir Mission Förde e. V. aus Flensburg. Der junge Naturschutzverein mit meeresschutzbewegten Menschen aus allen Lebensbereichen hat eine ambitionierte Mission: die Renaturierung der Flensburger Förde. Zu den Aktivitäten gehören neben Information und Aufklärung die Beseitigung von Müll aus der Förde und dem Flensburger Hafen – der sogenannte Hafenpütz – sowie Renaturierungsmaßnahmen für Seegraswiesen und Steinriffe.

Bereits heute ist die Bilanz der Mission beeindruckend: Mehr als 3 Tonnen Müll holten sie bei verschiedenen Aktionen aus der Förde. Außerdem halfen Mission-Förde-Taucher im dänischen Vejle Fjord dem dänischen Verein Os om Havet und der Kommune Vejle bei der Anpflanzung von rund 2.500 m² Seegraswiesen.

Im September 2024 wurde Mission Förde als „Hervorragendes Beispiel der UN-Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen“ ausgezeichnet1.

Am Kipppunkt: die Flensburger Förde

Deutschlands nördlichste Ostsee-Förde, die wir uns zur Hälfte mit dem Königreich Dänemark teilen, steht kurz vor dem ökologischen Kollaps. Jahrzehntelanger Raubbau hat das Meeresleben in dem 40 bis 50 km langen Seitenarm der Ostsee fast vollständig vernichtet. Der Flensburger Förde geht es schlecht, sehr schlecht sogar. Das müssen auch das schleswig-holsteinische2 und das dänische3 Umweltministerium unumwunden zugeben.

Zu viele Stressoren

Das Ökosystem Flensburger Förde steht unter enormem Nutzungsdruck:

  • Überfischung
  • Vernichtung von Seegraswiesen durch Grundschleppnetzfischerei
  • hohe Nährstoffeinträge aus der umliegenden Landwirtschaft
  • intensive Steinfischerei (Entfernung von Findlingen und Steinen vom Meeresboden)
  • touristischer Schiffsverkehr

In Kombination mit durch die Klimakrise stetig steigenden Wassertemperaturen hat dies fatale Entwicklungen in Gang gesetzt.

Kaum noch Seegraswiesen in der Flensburger Förde

Immer intensivere Algenblüten raubten den verbliebenen Seegräsern das Licht. Damit verschwand ein für die Sauerstoffversorgung in der Förde entscheidendes Ökosystem. Zudem verlor die Förde damit eine ihrer wichtigsten Kinderstuben für Fische, Krebse, Seesterne, Muscheln und andere Meerestiere.

Todeszonen

Sterben die Algen im Herbst, sinken sie auf den Meeresboden und werden von Bakterien zersetzt. Dieser Prozess verbraucht den letzten, in der unteren Wassersäule noch vorhandenen Sauerstoff. Die Folge sind Sauerstoff-Mangelzonen oder Todeszonen ohne Sauerstoff und ohne Leben.

Steinfischerei in der Förde

Steinfischerei und Grundschleppnetzfischerei wiederum vernichteten die Miesmuschelbänke. Damit verlor die Flensburger Förde nach den Seegraswiesen auch ihr letztes natürliches Wasserfiltersystem. Auf Hartsubstrate wie Steine angewiesene Meerestiere haben in der Förde heute keine Lebensgrundlage mehr.

Ein sich selbst verstärkender Teufelskreis

Von all dem und der seit Jahrzehnten andauernden stetigen Erwärmung der westlichen Ostsee (Tropikalisierung) profitieren wiederum Algen. Und die Fischerei hat Fische, die Algen fressen könnten, weggefangen.

Was macht Mission Förde?

Die Flensburger Naturschützer wollen nicht mehr und nicht weniger als das einst artenreiche und resiliente Ökosystem der Flensburger Förde wiederherstellen. Vorbild ist der etwa 120 km nördlich der Förde liegende Vejle Fjord in Dänemark. Er befand sich lange in einem ähnlich bedrohlichen Zustand wie die Flensburger Förde. Heute jedoch zeigt sich dort, dass die eingeleiteten Renaturierungsmaßnahmen greifen. So gibt es im Vejle Fjord wieder Seegraswiesen.

„HafenPutz“

Sie nennen es die wahrscheinlich kurioseste Schatzsuche, die Flensburg zu bieten hat. Die mehrmals jährlich stattfindenden Reinigungsaktionen der Mission Förde durch Taucher (Sport-, Berufs- und Forschungstaucher) und Landhelfer. „Es gibt nichts, was man in dem trüben Wasser des Hafenbeckens nicht findet“, sagt Lauritz Graf Bülow von Dennewitz, Initiator, Mitgründer und Vorsitzender von Mission Förde.

Renaturierung von Seegraswiesen

Noch bremsen bürokratische Hindernisse die Renaturierung von Seegraswiesen im Küstenmeer (12-Meilen-Zone) der deutschen Ostseeküste. Deshalb sammelte Mission Förde in Dänemark, im Vejle Fjord, erste Erfahrungen. Man will bereit sein, wenn es endlich heißt: In der Förde dürfen Seegraswiesen renaturiert werden.

Taucher von Mission Förde pflanzt Seegras im Vejle Fjord, Dänemark.
Mission-Förde-Taucher pflanzt Seegras im dänischen Vejle Fjord

Steinriff-Renaturierung in der Flensburger Förde

Ohne Hartsubstrate wie Steine verarmt die Artenvielfalt im Meer. Das gilt auch für die Flensburger Förde. Besonders Muscheln, aber auch Korallen, Quallen, substratlaichende Fische wie der Hering und viele andere Meerestiere sind auf feste Untergründe angewiesen. Im schlammigen Boden der Flensburger Förde haben sie keine Chance.

Steinriffe bieten zudem Schutz und Deckung für Jungfische. Wie Seegraswiesen schaffen Steinriffe reich strukturierte dreidimensionale Lebensräume mit hoher Biodiversität. Ohne sie kann das Ökosystem der Flensburger Förde nicht funktionieren. Mission Förde hat deshalb begonnen, kleinere Steinriffe in der Förde aufzubauen.

Renaturierung benötigt einen langen Atem

Mission Förde setzt bereits heute Maßnahmen um, die durch das im Juni 2024 verabschiedete neue europäische Renaturierungsgesetz (Nature Restauration Law/NRL) für Deutschland verpflichtend geworden sind. Darunter fällt unter anderem die Wiederherstellung degradierter Meereslebensräume wie der Flensburger Förde.


  1. Die Vereinten Nationen haben den Zeitraum von 2021 bis 2030 zur UN-Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen erklärt, um das Bewusstsein noch stärker auf den großen Wert intakter Ökosysteme zu lenken. Funktionierende Ökosysteme sind entscheidend für unsere Natur und unsere Gesellschaft. Sie sind wertvoller Lebensraum einer großen Vielfalt von Tieren und Pflanzen sowie Pilzen und Mikroorganismen. Zudem haben sie enormen Einfluss auf die Regulierung der Wasserkreisläufe und der Umgebungstemperatur, auf die Luftreinhaltung und die Produktion von Nahrungsmitteln. Darüber hinaus tragen sie zum Hochwasserschutz und zu einem natürlichen Klimaschutz sowie zur Bereitstellung von Erholungsräumen bei.

    Mit der Würdigung positiver Beispiele demonstriert die UN-Dekade, wie die Erhaltung und Wiederherstellung von Ökosystemen mit ihrer Naturvielfalt in Deutschland erfolgen kann. Es wird verdeutlicht, wie wichtig es ist, sich mit Engagement aktiv für die Ökosysteme einzusetzen. Die Modellprojekte sollen dabei Vorbild und Anregung zugleich sein. ↩︎
  2. Bericht der Landesregierung: Umweltzustand der Flensburger Innen- und Außenförde sowie die Pläne der
    Landesregierung zur Verbesserung der dortigen Wasser- und Umweltqualität – Drucksache 19/3106
    Schleswig_Holsteinischer Landtag (naturfreunde-sh.de) ↩︎
  3. MILJØSTYRELSEN (2023, 15. MÄRZ): Flensborg Fjord. ↩︎

Alle Fotos: © Mission Förde