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Es gibt nur wenige Schutzprojekte für Rochen. Somit drohen viele Arten in den kommenden Jahren mehr oder weniger unbemerkt auszusterben. Einige Arten sind höchstwahrscheinlich bereits verschwunden. Rochen gehören zu den Knorpelfischen. Mit 633 anerkannten Arten in 26 Familien bilden sie deren artenreichste Gruppe. Es existieren allerdings noch mindestens 50 weitere, bislang nicht vollständig beschriebene und damit wissenschaftlich nicht anerkannte Rochenarten.
Für Rochen
Rochen in Not
Eine alarmierende Studie, die Anfang 2021 in der Fachzeitschrift Nature erschien, zeigt, dass der Bestand nahezu aller Rochen (und der von Hochseehaien) in den vergangenen 50 Jahren im Schnitt um 70 Prozent zurückgegangen ist! Dabei sind sie als unerlässlich für stabile, vielfältige und produktive Meeresökosysteme. Es mangelt vielfach an wirkungsvollen Schutzprojekten.
Besonders dramatisch ist die Situation bei den urtümlichen, haiähnlichen Sägerochen und Geigenrochen. Die meisten der fünf Sägerochenarten, die einst an Küsten, in Flussmündungen und Seen von 90 Ländern lebten, sind heute in mehr als der Hälfte davon ausgestorben. Und 15 von 16 Geigenrochenarten der Familien Rhinidae und Glaucostegidae gehören zu den weltweit am stärksten vom Aussterben bedrohten Knorpelfischen.
Früher nannte man sie „flache Haie“. Denn ihre Körper ähneln denen von Plattfischen. Sie leben weltweit in allen Meeren und vielen Küsten vorwiegend in gemäßigten und tropischen Regionen.
Von uns unterstützte Projekte

Fidschi: Geigenrochen
Haiforscherin Kerstin Glaus auf den Spuren der seltensten Knorpelfische

Indonesien: Teufelsrochen – Mantarochen – Blaupunktrochen
Banda Islands MPA Meeresschutzgebiet, BandaSEA e.V.

Macquarie Harbour, Tasmanien: Maugea-Rochen
Öko-Aquakulturen gefährden lebende Fossilien
Was sind Rochen?
Haie und Rochen entwickelten sich vor etwa 250 Millionen Jahren parallel aus haiähnlichen Vorfahren. Außer in der deutlich unterschiedlichen Körperform sind sie sich in vielem ähnlich. Die fünf Kiemenspaltenpaare, Maul und Nasenlöcher befinden sich bei Rochen allerdings auf der Körperunterseite.
Auf der Körperoberseite haben sie hinter den Augen Spiraculum (Spritzloch) genannte Atemöffnungen. Damit saugen sie Wasser zum Atmen ein und leiten es zu den Kiemen. Dies ist eine Anpassung an die bodennahe Lebensweise vieler Rochenarten, die sich gerne im sandigen Meeresboden eingraben.
Als Knorpelfische besitzen auch Rochen ein sogenanntes Revolvergebiss. Es besteht aus mehreren hintereinanderliegenden Zahnreihen. Fällt einer der vorderen Zähne aus, rückt der nächste nach.
Es gibt Rochenarten, die nur einen kleinen Lebensraum, z. B. in Gebieten mit Seegraswiesen beanspruchen. Andere leben in den Weiten der Tiefsee oder im Brack- und Süßwasser.

Körperunterseite eines Rundkopf-Geigenrochens (Rhina ancylostoma).
© Moazzam Khan/IUCN
Nicht alle Rochen „fliegen“ durchs Wasser
In der Art ihrer Fortbewegung unterscheiden sich die meisten Rochenarten allerdings stark von ihren Cousins. Sie schlagen mit ihren flügelartigen Brustflossen, schweben oder „fliegen“ gleichsam durchs Wasser. Es gibt allerdings auch Rochen, die wie Haie schwimmen. Sie verschaffen sich zusätzlichen Antrieb durch Seitwärtsbewegungen des Körpers und Schläge der Schwanzflosse.
Kleine und große Rochen
Die kleinsten Rochenarten sind nur ca. 25 cm im Durchmesser groß. Zur marinen Megafauna gehörende Arten wie Teufelsrochen oder Riesenmantas erreichen dagegen acht Meter Länge bei Spannweiten von sieben Metern. Sie sind bis zu drei Tonnen schwer. Dennoch können sie gewaltige, bis zu zwei Meter hohe Sprünge vollführen und sich dabei in der Luft drehen. Anschließend lassen sich die schweren Knorpelfische laut klatschend auf die Wasseroberfläche fallen. Damit befreien sie sich vermutlich von lästigen Hautparasiten.

Manta- oder Teufelsrochen (Mobulidae) durchstreifen als filtrierende Planktonfresser die Weiten der Ozeane. Die meisten Rochen jedoch ernähren sich von wirbellosen Tieren wie Muscheln, Krebsen und Stachelhäutern, aber auch von Fischen. Foto: © Theresa Fett
Sonderbare Rochen
In ihrem Grundbauplan sind sich zwar alle Rochen ähnlich, es gibt allerdings Sonderformen. Neben Riesenmantas gehören die fünf Arten von Sägerochen, bekannt auch als Sägefische, sicherlich zu den spektakulärsten Vertretern. Schmalzahn-Sägerochen etwa kommen mit ihrer 1,7 m langen heckenscherenartigen Kopfverlängerung auf 8 m Körperlänge und ein Gewicht von über 350 kg. Leider gibt es nur wenige aktive Schutzprojekte.
Geigen- und Sägerochen sehen dabei aus wie eine Übergangsform zwischen Haien und Rochen. Ihr Körperbau erinnert noch an ihre haiähnlichen Vorfahren. Zwar sind sie relativ flach, besitzen aber Rücken- und Schwanzflossen. Wie es für Haie typisch ist.
Adlerrochen haben eine schnabelartige Schnauze, Zitterrochen sind elektrisch geladen. Sie betäuben ihre Beute mit Stromstößen von bis zu 220 Volt. Andere Arten, wie der Amerikanische Stechrochen, besitzen einen Giftstachel am Schwanz. Sowohl Zitter- als auch Stech- und Stachelrochen können Menschen gefährlich werden.
Saws and the City
Ausgerechnet in der dicht besiedelten Biscayne Bay können Einwohner von Miami und Miami Beach beim Blick aus dem Fenster wieder Schmalzahn-Sägerochen sehen.
Langsame Vermehrung
Wie alle Knorpelfische vermehren sich auch die „flachen Haie“ nur sehr langsam. Erst nach vielen Jahren erreichen Rochen ihre Geschlechtsreife. Die Tragzeit kann über ein Jahr dauern. Der Nachwuchs ist bei den meisten Arten zwar bereits voll entwickelt (ovovivipar – lebend gebärend). Doch es sind nur wenige.
Ein Weibchen der bis zu 3 m großen Weißfleck-Geigenrochen hat durchschnittlich nur 14 Jungtiere.
Fast ausgestorben: Rochen in Nord- und Ostsee
Ende 2018 wies das Bundesamt für Naturschutz (BfN) in deutlichen Worten auf die kritische Bestandssituation fast aller unserer heimischen Hai- und Rochenarten hin. Ausgestorben oder verschollen sind bereits Gewöhnlicher Stechrochen und Glattrochen. Vom Aussterben bedroht ist der Nagelrochen. Andere Arten wie der Sternrochen sind gefährdet, Fleckrochen und Kuckucksrochen extrem selten.
Gefahren
Rochen sind beliebte Speisefische. Viele Arten leben sehr küstennah und sind daher leicht zu befischen. Ihre Bestände brechen unter hohem Fischereidruck schnell zusammen. Sägerochen kamen einst an Küsten, in Flussmündungen und Seen von 90 Ländern vor. Heute sind sie in mehr als der Hälfte davon ausgestorben.
Hinzu kommt die gezielte Flossenfischerei auf große Arten. Denn deren helle Flossen gelten als die hochwertigsten und teuersten Flossen für den menschlichen Verzehr, kosten etwa 1.000 US-Dollar pro Kilogramm. Flossen von Geigenrochen eignen sich perfekt für Haifischflossensuppe, eine Delikatesse, die von wohlhabenden ostasiatischen Fischliebhabern geschätzt wird.
In der traditionellen asiatischen Medizin begehrt sind auch die Kiemenreusen („gill plates“). Hier sind die Gewinnspannen enorm. Um die 500 € werden für ein Kilogramm gezahlt. Folglich verzeichnet der Handel mit Kiemenreusen in den letzten beiden Jahrzehnten enorme Zuwachsraten.
Ein großes Manko im Rochenschutz sind fehlende Bestandsdaten. Somit kann weder ihre Überlebenschance beurteilt werden, noch lassen sich Schutzkonzepte aufstellen. Daher könnte eine ganze Reihe, der derzeit anerkannten Arten bereits ausgestorben sein.
Clown- oder Raunasen-Geigenrochen
Diese Rochenart ist nur durch eine Handvoll in Südostasien auf Fischmärkten gesammelter Exemplare bekannt. Laut IUCN gab es in den vergangenen 23 Jahren nur einen einzigen Nachweis. Das war 2019. Wissenschaftler kennen nicht einmal die Lebensraumansprüche des Tieres. Lebend gesehen, wurden Clown-Geigenrochen, die etwa so lang wie ein Baseballschläger sind, noch nie.

Clown- oder Raunasen-Geigenrochen (Rhynchobatus cooki) auf einem Fischmarkt in Singapur – Foto: Naomi Clark-Shen/IUCN SSC
Detective McDavitt and the Curious Case of the Clown Wedgefish ↗
Wissenschaftler schrieben bereits den Nachruf auf diese Rochenart, als ein Anwalt, der zum Internet-Detektiv wurde, an einem unwahrscheinlichen Ort Beweise für ihre Existenz fand (Text auf hakaimagazine.com).
Titelfoto: Mantarochen – © OceanImageBank/Amanda Cotton