Seegras – Renaturierung und Ökosystemmanagement

Ist Seegras die „Wunderwaffe aus dem Meer“ gegen die Erderhitzung und das Artensterben in den Ozeanen? Bislang vielfach unterschätzt, häufen sich mittlerweile die Erkenntnisse zur überragenden Bedeutung von Seegraswiesen als CO₂-Senken und Biodiversitäts-Hotspots.

Pflanzenschutz steht meist weniger stark im Fokus als der Schutz von Tieren. Seegras jedoch könnte ein Beispiel dafür werden, wie sich die sogenannte „Pflanzenblindheit“ überwinden lässt.

Je nach Standort haben die Meereswiesen eine 30- bis 50-mal höhere CO₂-Senkungsrate als Wälder. Je nach Art speichert eine ein Hektar große Seegraswiese dieselbe Menge Kohlenstoff wie zehn Hektar Wald und das auch noch 35-mal schneller. Schätzungen sprechen sogar davon, dass sie weltweit bis zu 15 Prozent des vom Ozean aufgenommenen CO₂ binden.

Die Wiesen produzieren Unmengen an lebenswichtigem Sauerstoff, sind unverzichtbar für die Artenvielfalt, für den Küstenschutz und als Biofilter. Zudem dämpfen sie lokal die Meeres-Versauerung.

Seegraswiesen bedecken schätzungsweise nur etwa 0,2 Prozent des Meeresbodens. Zur aktuellen weltweiten Ausbreitung gibt es Schätzungen von 160.387 bis 266.562 km2. Allein dies zeigt, wie wenig man über diese Ökosysteme weiß.

Weniger als 20 % aller Bestände sollen bislang vollständig kartiert sein. Man weiß nicht einmal, wie eine „unberührte“ Seegraswiese aussieht, was dazu führt, dass wir ihre wahre ökologische Rolle nur unzureichend verstehen. Es besteht ein enormes Forschungsdefizit.

Für den Erhalt der Artenvielfalt in den Ozeanen und den Kampf gegen die Klimakrise muss die Zerstörung dieser Ökosysteme gestoppt und dort, wo es möglich ist, müssen sie wiederhergestellt werden. Dabei hat Priorität, die Renaturierung vorrangig dort durchzuführen, wo es sie einmal gegeben hat.

Infoflyer Renaturierung von Seegraswiesen – Die Meeresgärtner.
Seegras-Flyer der kroatischen Meeresschutzorganisation SUNCE: Posidonia – the Mediterranean’s 'super plant’
Von der kroatischen NGO Sunce.

Projekte

Meeresgärtner mit einer Seegraspflanze (Posidonia oceanica), Malta.

Mittelmeer:
Die Meeresgärtner
mit Project Manaia

Taucher von Mission Förde pflanzt Seegras im Vejle Fjord, Dänemark.

Ostsee:
Flensburger Förde
mit Mission Förde e.V.

Lokale Dorfgemeinschaften pflegen Seegras, Malapascua, Philippinen.

Philippinen:
Insel Malapascua
mit people and the sea

Hotspots der Artenvielfalt

Seegraswiesen sind wie Mangrovenwälder und Korallenriffe unverzichtbar für die marine Biodiversität.1 Sie sind Lebensraum und Kinderstube für unzählige Knochenfische, Krebstiere, Tintenfische oder Rochen, Haie, Meeresschildkröten und andere Meerestiere.

Da eine Seegraswiese den Wellengang dämpft, können hier zahlreiche kleinere Meerestiere wie Seepferdchen leben, die ansonsten von der Strömung weggetragen würden. Andere ernähren sich vom Algenbewuchs auf der Oberfläche der Blätter. In den Meereswiesen finden Jungfische Schutz vor Feinden und Nahrung. Verschiedene Fischarten (Hering) legen ihre Eier direkt an Seegraspflanzen ab.

Seegras ist wie die Serengeti des Meeres

Emmett Duffy, Ökologe an der Smithsonian Institution, Hakai Magazine

Überdies ist Seegras eine bedeutende Nahrung für Zugvögel – beispielsweise für die Ringelgänse während ihres Herbstzuges durch das westeuropäische Wattenmeer.

Für Seekühe oder Grüne Meeresschildkröten sind diese Meerespflanzen die Hauptnahrungsgrundlage. Es gibt sogar einen Hai, der nicht nur Tintenfische, sondern auch gerne mal Seegras frisst: der Schaufelnasen-Hammerhai (Sphyrna tiburo), auch Kleiner Hammerhai genannt.

Experten gehen davon aus, dass 4.000 Quadratmeter Seegraswiese etwa 40.000 Fischen und rund 50 Millionen wirbellosen Tieren Lebensraum und Nahrung bieten.

Große Krabbe am Meeresgrund in einer Seegraswiese.
© OceanImageBank/Michie Vos

Seegräser sind ökologisch einzigartig. Sie wachsen länglich und krautartig, sowohl vertikal als auch horizontal. Sie sehen zwar aus wie Gräser an Land, sind mit diesen aber nicht näher verwandt. Seegräser gehören zur Ordnung der Froschlöffelartigen (Alismatales). Man vermutet, dass sie vor 110 bis 120 Millionen Jahren in der Kreidezeit entstanden.

Weltweit gibt es ca. 72 Arten, aufgeteilt in vier Familien. Darunter ca. 20 Arten in der Familie der Seegrasgewächse (Zosteraceae) und wahrscheinlich 9 Arten aus der Familie der Neptungrasgewächse (Posidoniaceae).

Seegräser vornehmlich auf sandigen Meeresböden im flachen Küstenbereich dichte Bestände als Pflanzengesellschaften. In den Blättern der Pflanzen befinden sich luftgefüllte Kanäle. Sie sorgen für den notwendigen Auftrieb unter Wasser. Bei Ebbe, wie in der Nordsee im Wattenmeer, liegen die Wiesen schlaff auf dem Wattboden.

An deutschen Küsten leben zwei Arten: Großes Seegras (Zostera marina) und Zwergseegras (Zostera noltei). Beide gelten als nicht gefährdet.

Zum Leben benötigen die Meeresgräser viel Sonnenlicht. Per Fotosynthese entziehen sie dem Meerwasser Kohlendioxid und produzieren im Gegenzug Sauerstoff. Daher findet man Seegras auch meist in Wassertiefen von 1 m bis 10 m.

Manche Arten kommen allerdings auch in tieferen Regionen vor. Karibisches Seegras (Halophila decipiens) aus der Familie der Froschbissgewächse (Hydrocharitaceae) mit seinen gestielten, paddelförmigen Blättern lebt in Wassertiefen von bis zu 85 m. Seegraswiesen gibt es an den Küsten fast aller Kontinente. Nur in der Antarktis fehlen sie.

Das Neptungras ist eine besondere Meerespflanze. Es kann Stickstoff mithilfe einer symbiotischen Beziehung zu stickstofffixierenden Bakterien binden. Ganz so, wie Hülsenfrüchte an Land (Bohnen oder Erbsen). Das ist im Ozean außergewöhnlich. Erst vor wenigen Jahren entdeckte ein Forscherteam des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen diese Symbiose.

Seegräser sind die einzigen Blütenpflanzen im Meer. Wobei sie sich hauptsächlich ungeschlechtlich vermehren und über unterirdische Ausläufer verbreiten.

Neptungras (Posidonia oceanica) produziert nur alle 7 Jahre Samen. Meist zwischen Mai und Juni. Eine Vielzahl von Unterwasser-Bestäubern wie Krebstieren unterstützt diese Art der Fortpflanzung.

Seegrassamen von Posidonia oceanica (Neptungras).
© OceanImageBank/Dimitris Poursanidis

Neptungras-Samen sehen aus wie kleine Nussfrüchte oder Oliven. Ihr Vermehrungserfolg liegt allerdings weit unter dem der vegetativen Ausbreitung. Im Mittelmeer produzierten viele Wiesen 2022 synchron Unmengen von Samen. Das hatte es vorher noch nie gegeben.

Seegraspflanzen bestehen aus oberirdischen Trieben, Blättern, Wurzeln und Wurzelstöcken, sogenannten Rhizomen unter dem Meeresboden. Auf nur einem Quadratmeter einer Wiese können 1.000 oder mehr Sprosse wachsen. Die Rhizome bilden mit der Zeit dichte Matten. Bei einem Wachstum von 1 bis 2 cm im Jahr können sie in 250 bis 500 Jahren mitunter bis zu 5 m dick werden.

Die CO₂-Speicherfunktion von Seegraswiesen entsteht also nicht nur in den Blättern, sondern vor allem in unterirdischen Teilen der Pflanzen. Zusätzlich stabilisiert und festigt ihr dichtes und stabiles Wurzelgeflecht den Meeresboden und verhindert, dass dort eingeschlossener Kohlenstoff (Blue Carbon) entweicht.

Seegras wird seit Jahrhunderten von Küstenvölkern traditionell genutzt. Als Nahrungsmittel, Füll- und Dichtmaterial, für Tierfutter und Dünger oder für medizinische Anwendungen. Außerdem haben die Wiesen eine wichtige Küstenschutzfunktion und verbessern als natürlicher Meeresfilter die Wasserqualität. Überragend ist ihre Funktion als natürliche CO₂-Senke. Seegraswiesen schaffen eine dreidimensionale Umgebung mit hoher Biodiversität. Zudem schützen sie angrenzende Küstenökosysteme wie Mangrovenwälder und Korallenriffe und deren Artenvielfalt.

Die derzeitige globale Kohlenstoff-Speicherkapazität von Seegraswiesen soll bei jährlich bis zu 300 Millionen Tonnen liegen2. Vorteilhaft dabei ist, dass sie ihre Speichertätigkeit größtenteils unterirdisch entfalten. Für lange Zeit der Umwelt entzogenen Kohlenstoff nennt man „blauen Kohlenstoff“ oder Blue Carbon.

Seegraswiesen sind als Kohlenstoffspeicher unterschiedlich effektiv. In einer Bucht bei der Insel Thurø vor Dänemark speichern sie pro Quadratmeter etwa 27 Kilogramm Kohlenstoff im Meeresboden. Damit sind die dänischen Meereswiesen zehnmal so effektiv wie vergleichbare Wiesen bei uns an der Ostseeküste.

Dennoch zeigt ein Forschungsprojekt um die Meeresforscherin Angela Stevenson des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, dass die Seegrasflächen in der Ostsee zwei- bis sechzigmal so reich an organischem Kohlenstoff sind wie Meeresböden ohne Seegrasbedeckung. Die Forscher haben berechnet, dass allein die 285 km² Seegrasflächen in der Ostsee, von deren Existenz man weiß, pro Jahr unglaubliche 29 bis 56 Tonnen CO₂ speichern.

Zum Kohlenstoff-Speicherpotenzial von Posidonia (Neptungras) im Mittelmeer gibt es noch keine vergleichbaren Berechnungen. Es ist in jedem Fall pro Quadratmeter mehr als ein Regenwald und ein Vielfaches dessen, was ein europäischer Mischwald schafft.

Im Mai 2022 veröffentlichten Forscher vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie (MPIMM) in Bremen eine Studie3, die zeigt, dass Seegräser überschüssigen Kohlenstoff in Form von Zucker im umgebenden Meeresboden speichern können. Die Konzentration von Zucker (Saccharose) in den untersuchten Wurzelstöcken vor Elba, in der Karibik und in der Ostsee war mindestens 80-mal so hoch wie alles, was bisher im Meer gemessen wurde.

Der Clou daran ist: Die Meereswiesen schützen ihre Zuckervorräte vor dem Abbau durch Mikroben. Sie geben zusätzlich Phenole ins Sediment, das hält Mikroben ab. Die Bremer Forscher schätzen, dass im Wurzelbereich von Seegraswiesen weltweit ca. 600.000 bis 1,3 Millionen Tonnen Zucker lagern – so viel wie in 32 Milliarden Dosen Cola.

Erst seit wenigen Jahren hat man begonnen, die Bedeutung von Seegraswiesen für den Küstenschutz zu erkennen. Deutlich wird dies jeweils dann, wenn ihre Schutzfunktion ausbleibt. Entweder, weil sie abgestorben sind oder zerstört wurden.

Erste Untersuchungen zeigen, dass die Unterwasserwiesen ein erhebliches Potenzial bei der Dämpfung von Wellen und für die Stabilisierung des Meeresbodens haben. Je nach Situation vor Ort können Seegraswiesen Wellen um mindestens 25 bis 45 Prozent dämpfen, bevor diese auf die Küste treffen.

Mittlerweile halten Seegraswiesen verstärkt Einzug in Konzepte zu ökosystembasierten, „weichen“ Küstenschutzlösungen. Diese können auch in Kombination mit „harten“ Küstenschutzmaßnahmen wie Wellenbrechern oder Deichen wesentlich zu einem kosteneffizienten und langfristig wirksamen Küstenschutz beitragen. Abgesehen von den vielen Vorteilen für den Klimaschutz und die Artenvielfalt.

Im Januar 2021 gesellte sich zu den bis dahin bekannten Ökosystemleistungen eine weitere hinzu. Seegräser des im Mittelmeer endemischen Neptungrases sind eine potente biologische Senke für Plastikmüll. Denn sie filtern und fixieren beträchtliche Mengen am Meeresboden treibender, kleinteiliger Plastikabfälle sowie Mikroplastik.

An Stränden auf Mallorca fanden Wissenschaftler der Universität Barcelona4 bis zu 1.470 Kunststoffartikel pro kg Posidonia-Pflanzenmaterial. Vor Mallorca treibt nicht nur der meiste Plastikmüll im Mittelmeerraum im Meer, es gibt hier auch ausgedehnte Seegraswiesen.

Posidonia fängt am Meeresboden treibende Plastikfragmente. Wenn das Seegras dann im Herbst seine Blätter abwirft, werden die Kunststoffreste vom Wellengang in die Blätter gewebt. Nach diesem Prozess landen große Mengen von abgeworfenem Seegras auch in Form der berühmten Seebälle oder Neptunkugeln an den Stränden. Sie enthalten kleine Kunststoffabfälle, Fasern, Pellets und Mikroplastik.

Bis 2021 wusste man nur wenig über das Schicksal von auf dem Meeresboden lagernden Abfällen aus Mikroplastik und kleinteiligen Kunststoffresten. Nach Berechnungen der spanischen Wissenschaftler könnten allein die Neptunkugeln im Mittelmeer jedes Jahr bis zu 867 Millionen Plastikteile aus dem Meer filtern und zurück an Land transportieren.

Posidonia-Seegraswiesen sind ein potenter Faktor bei der Säuberung des Meeres von kleinteiligem Plastikmüll und Mikroplastik.

Posidonia-Seegraswiesen im Mittelmeer sind eine bedeutende Senke für Plastikmüll.
Auffangen von Plastikmüll in einer Posidonia-Seegraswiese, © https://doi.org/10.1038/s41598-020-79370-3

Wie man mit den plastikbelastenden Neptunkugeln adäquat umgehen soll, bedarf allerdings noch weiterer Untersuchungen.

Heutzutage wird Seegras auch in großem Stil in Aquakultur gezüchtet. Führend sind hier China und Indonesien mit 85 Prozent der weltweiten Produktionsmenge. Die Zucht gilt als umweltfreundlich, hat aber ein eher schwaches Klimapotenzial.

Seegras hat eine entscheidende Funktion bei der Filterung von Küstengewässern. Intakte Seegraswiesen halten Partikel (einschließlich Mikroplastik) zurück, absorbieren Stickstoff aus der Wassersäule, recyceln Nährstoffe und beseitigen Bakterien und Viren. Damit tragen sie auch zu einer besseren Hygiene im Meerwasser und zur Gesundheit und zum Wohlbefinden des Menschen bei.

In Seegraswiesen in der Ostsee finden sich 63 Prozent weniger gefährliche Vibrionen-Bakterien (Vibrio vulnificus und Vibrio cholerae) als im Vergleich zu Flächen, auf denen es kein Seegras mehr gibt.

Seegraswiesen verringern mit ihrer CO₂-Speicherfähigkeit außerdem die lokale Versauerung des Meeres – vor der Küste von Kalifornien zum Beispiel um bis zu 30 Prozent.

Wie bei Mangrovenwäldern und Korallenriffen sind auch die Meereswiesen auf dem Rückzug. Seit 1980 sollen jährlich ein bis sieben Prozent verloren gehen. Das ist allerdings nur eine grobe und umstrittene Schätzung. Nach Berechnungen von Experten der UNEP (Umweltprogramm der Vereinten Nationen) sind zwischen 1970 und 2000 weltweit etwa 30 % Seegraswiesen verloren gegangen (UNEP-Plattform „Oceans and seas“).

Mittlerweile ist circa ein Viertel aller Seegrasarten bedroht und steht auf der Roten Liste. Die Gründe hierfür sind vielfältig.

Durch den Eintrag von Stickstoff und Phosphat aus der industriellen Landwirtschaft kommt es in küstennahen Regionen zu starkem Algenwachstum. Die Algen überwuchern das Seegras. Zudem verschlechtert Meeresverschmutzung durch ausgeschwemmte Mutterböden die Lichtdurchlässigkeit des Meerwassers.

Seegräser sind nur bedingt hitzetolerant. Nach einer Hitzewelle 2010 bis 2011 waren im Shark Bay Marine Park in Westaustralien bis zu 699 km2 Meereswiesen verloren oder beschädigt. Es dauerte drei Jahre, bis sie begannen, nachzuwachsen.

Grundschleppnetzfischer vernichten Seegraswiesen in großem Stil.

Seegraswiesen werden auch aus touristischen Gründen zerstört, in der Annahme, dass Urlaubsgäste unbewachsenen, sandigen Meeresgrund bevorzugen. Hinzu kommen Schäden durch fahrlässiges Ankern oder schlechte Bootsführung durch Fahren über zu flachem Grund.

Ausgeworfener Anker in einer Seegraswiese.
© Dimitris Poursanidis/Ocean Image Bank

Die Seegraswiesen in der Ostsee sind laut Einschätzung der Helsinki-Kommission zum Schutz der Ostsee (HELCOM) stark gefährdet. Dies liegt an der starken Nährstoffzufuhr, die einerseits das Wasser trübt (Küstenverdunklung), andererseits zur Überwucherung durch Algen führt. In Deutschland sind die Unterwasserwiesen als gefährdete Biotope der Roten Liste gesetzlich geschützt.

Posidonia-Renaturierung vor Malta, Einpflanzen von Seegrassamen.
Posidonia-Renaturierung vor Malta, © Maria Feck

Theoretisch können Seegräser unendlich alt werden.

  • Die Wiesen bei den zwischen Schweden und Dänemark liegenden Åland-Inseln: zwischen 800 und 1.600 Jahre.
  • Im Juni 2024 entdeckten Forscher vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel einen 1.403 Jahre alten Klon von Zosterea marina (Gewöhnliches Seegras) an der finnischen Ostseeküste.5
  • Zwischen Ibiza und Formentera leben zwei Neptungraswiesen (Posidonia oceanica), die wahrscheinlich 80.000 und 200.000 Jahre alt sind.6 Es sind Klone und die wahrscheinlich ältesten Lebewesen. Die Wiesen nehmen im Naturschutzgebiet Parc Natural de Ses Salines eine Meeresfläche von ca. 136 km2 ein. Hier sind gewaltige Mengen an blauem Kohlenstoff (Blue Carbon) gespeichert. Seit 1999 zählt das Gebiet zum UNESCO-Welterbe Ibiza.

Das größte Lebewesen

Mitte 2022 verloren die zwischen Ibiza und Formentera lebenden Neptungraswiesen den Titel der „größten bekannten Pflanzen“ an einen mindestens 4.500 Jahre alten, polyploiden Seegras-Klon von Posidonia australis, der sich in der Shark Bay vor Westaustralien auf einer Fläche von über 200 km² ausgebreitet hat.6

Untersuhcte Seegraswiesen in der Shark Bay, Westaustralien.
© The Royal Society Publishing

Im Oktober 2022 veröffentlichte ein Wissenschaftler-Team in der Fachzeitschrift nature eine Studie7 zur Kartierung eines riesigen Seegraswiesen-Ökosystems vor den Bahamas. Es ist gigantisch und umfasst bis zu 92.000 km2. Das ist in etwa die Fläche von Portugal.

Zur Erfassung des gewaltigen Gebiets kamen auch mit Kameras „ausgestattete“ Tigerhaie (Galeocerdo cuvier) zum Einsatz. Dabei machten die Forscher nebenbei noch eine weitere Entdeckung.

Offensichtlich sind Seegraswiesen für Tigerhaie, die zu den Top-Prädatoren tropischer Meere zählen, ein bedeutender Lebensraum, in dem sie viel Zeit verbringen.

„Indem wir sowohl Tigerhaie als auch Taucher für die Vermessungen einsetzten, konnten wir eine der umfangreichsten und innovativsten Seegras-Untersuchungen durchführen, die jemals unternommen wurden. Die Daten sind belastbar und unterstützen die Bezeichnung der Bahamas Bank als größtes Seegras-Ökosystem der Erde“, schreiben die Forscher.

Kartierung von Seegraswiesen auf den Bahamas Banks mit Tauchern und Tigerhaien. © https://doi.org/10.1038/s41467-022-33926-1
© Tiger Shark from study

Laut des „Emissions Gap Report 2024“ des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep) gelangten 2023 so viele Treibhausgase in die Atmosphäre wie niemals zuvor. Mit einer Zunahme um 1,3 Prozent stiegen die Emissionen besonders stark an und erreichten 57,1 Milliarden Tonnen CO₂-Äquivalente.

Natürliche Senken nehmen davon ca. 22,9 Milliarden Tonnen CO₂ wieder auf. Wobei die Ozeane 10,5 Milliarden Tonnen Kohlendioxid schaffen. Mehr als die Hälfte der globalen CO₂-Emissionen sowie Methan und Lachgas verbleiben hingegen in der Atmosphäre und heizen diese immer weiter auf.

Mit Seegraswiesen allein lassen sich diese Mengen nicht abfangen. Dennoch sind die Meereswiesen ein entscheidender Baustein mit großen, teilweise noch unbekannten Potenzialen im globalen Maßnahmenmix zur Eindämmung der Klimakatastrophe.

  1. Die 14. Vertragsstaatenkonferenz der Bonner Konvention zum Schutz wandernder Tierarten (Convention on Migratory Species; CMS) betonte im Februar 2024 die Bedeutung von Seegräsern als Ökosystembildner für wandernde Arten. Die Mitgliedstaaten des Übereinkommens sind aufgefordert, die Erhaltung von Seegraswiesen sicherzustellen. 86 CMS-Unterzeichnerstaaten haben Seegraswiesen in ihren Gewässern. ↩︎
  2. Fourqurean, J., Duarte, C., Kennedy, H. et al. Seagrass ecosystems as a globally significant carbon stock. Nature Geosci 5, 505–509 (2012). https://doi.org/10.1038/ngeo1477 ↩︎
  3. Sogin, E.M., Michellod, D., Gruber-Vodicka, H.R. et al. Sugars dominate the seagrass rhizosphere. Nat Ecol Evol 6, 866–877 (2022). https://doi.org/10.1038/s41559-022-01740-z ↩︎
  4. Sanchez-Vidal, A., Canals, M., de Haan, W.P. et al. Seagrasses provide a novel ecosystem service by trapping marine plastics. Sci Rep 11, 254 (2021). https://doi.org/10.1038/s41598-020-79370-3 ↩︎
  5. Yu, L., Renton, J., Burian, A. et al. A somatic genetic clock for clonal species. Nat Ecol Evol (2024). DOI: 10.1038/s41559-024-02439-z ↩︎
  6. Extensive polyploid clonality was a successful strategy for seagrass to expand into a newly submerged environment Published: 01 June 2022https://doi.org/10.1098/rspb.2022.0538 ↩︎
  7. Gallagher, A.J., Brownscombe, J.W., Alsudairy, N.A. et al. Tiger sharks support the characterization of the world’s largest seagrass ecosystem. Nat Commun 13, 6328 (2022). https://doi.org/10.1038/s41467-022-33926-1 ↩︎

Titelfoto: © Maria Feck


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