Amazonas-Sotalia oder Tucuxi

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Amazonas-Sotalia (Sotalia fluviatilis) oder Tucuxi leben im Amazonasbecken und im Orinoco in Südamerika. Sie sind verspielt und lebhaft. Auch wenn Tucuxis in allen drei Gewässertypen (Weißwasser, Klarwasser und Schwarzwasser) des Amazonasbeckens und nicht im Salzwasser leben, gehören sie nicht zu den Flussdelfinen. Hierzu zählt in Südamerika der Amazonas-Flussdelfin (Inia geoffrensis), auch bekannt als Boto. Dagegen sind die Bolivianischen Amazonasdelfine von der Weltnaturschutzorganisation (IUCN) bisher nicht als eigenständige Art anerkannt. Tucuxi sehen aus wie eine kleine Version des Großen Tümmlers. Von diesem unterscheiden sie sich aber auch durch ihre helle, meist rosa bis weiß oder grau gefärbte Unterseite.

Systematik

Sie sind eine von zwei Arten der Gattung Sotalia. Hierzu gehören noch die Guyana-Delfine. Diese jedoch leben vornehmlich in Küstengewässern. Beide Arten sind kaum auseinanderzuhalten.

Genetische und morphologische Studien zeigten jedoch, dass es sich um zwei unterschiedliche Arten handelt. Lange galten sie als voneinander isolierte Populationen einer Art.

Lebensraum und Verbreitung

Amazonas-Sotalias leben im Orinoco und im gesamten Amazonasgebiet bis ins Landesinnere von Südperu, Ost-Ecuador und Südost-Kolumbien und Brasilien. Es gibt keine Hinweise auf Überschneidungen mit dem Lebensraum der eng verwandten Guyana-Delfine. Laut IUCN liegen für eine Einschätzung des Bestands nicht genügend Daten vor.

Wie sieht ein Amazonas-Sotalia aus?

In ihrem Lebensraum gibt es außer dem Amazonas-Flussdelfin (Boto) keine weitere Delfinart. Zwar sieht man beide Arten oft zusammen. Aufgrund ihres deutlich unterschiedlichen Aussehens ist eine Verwechslung jedoch unmöglich. Ausgewachsene Exemplare sind bei einem Körpergewicht zwischen 47 und 53 kg mit etwa 1,50 m etwas kleiner als Guyana-Delfine. Weibchen und Männchen sind gleich groß.

Wie alt werden Amazonas-Sotalias?

Ob sich die Lebenserwartung der Tucuxis von der der Küsten-Sotalias (Männchen rund 29, Weibchen bis zu 30 Jahre) unterscheidet, ist unklar.

Wovon ernähren sie sich?

Tucuxis ernähren sich von einer Vielzahl kleinerer Schwarmfischarten.

Wer sind die natürlichen Feinde?

Als Top-Prädator in seinem Lebensraum hat der Amazonas-Sotalia keine natürlichen Feinde (außer dem Menschen).

Fortpflanzung

Die Lebensweise der Tucuxis ist nur lückenhaft erforscht. Im brasilianischen Amazonasgebiet kommen Jungtiere meist zwischen Oktober und November nach etwa zehnmonatiger Trächtigkeit zur Welt. Sie sind ca. 70 cm groß.

Verhalten

Im Gegensatz zu Küsten-Sotalias leben Amazonas-Sotalia vornehmlich in Kleingruppen von 2 bis 4 Individuen. Selten nur finden sie zu größeren Einheiten von über 25 Tieren zusammen. Sie sind sehr sozial, beeindrucken mit ihrer Akrobatik. Dabei tauchen sie selten länger 30 Sekunden und kaum tiefer als 3 m.

Einzelner Amazonas-Sotalia

© Fundacion Omacha/ Facebookseite

Sotalias können sehr hoch springen. Häufig schwimmen sie oberflächennah und schnellen dabei übers Wasser. Sie klatschen mit Fluke oder Flippern auf die Wasseroberfläche. Mitunter begeben sie sich in die vertikale Spähstellung, bei der sie den Kopf und Teile des Körpers aus dem Wasser strecken, um sich umzusehen. Sie schwimmen, soweit bekannt, nicht in Bugwellen. Tucuxis sind vergleichsweise scheu und lassen Annäherungen kaum zu.

Wanderungen

Amazonas-Sotalia sind ortstreu, auch wenn sie wahrscheinlich keine Reviere haben. Wanderungen sind jedoch nicht bekannt.

Schutzstatus

Die Gattung Sotalia steht auf Anhang I des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES), der höchsten Schutzstufe. Deshalb ist der internationale Handel mit lebenden Tieren oder Produkten verboten. Auf der Roten Liste der IUCN sind Amazonas-Sotalia seit 2020 als „stark gefährdet“ eingestuft. Kolumbien, Brasilien, Peru und Ecuador stellten 2020 dem Wissenschaftlichen Komitee der Internationalen Walfangkommission (IWC) einen Managementplan für die Erhaltung der südamerikanischen Flussdelfine vor.

Gefahren

Laut IUCN ist der Bestand in den vergangenen 20 Jahren stark gesunken, bei anhaltend fallender Tendenz.

Fischerei

Hauptbedrohung für Flussdelfine, einschließlich des Tucuxi in seinem gesamten Verbreitungsgebiet, ist das unbeabsichtigte Ertrinken in aller Art von Fischernetzen. Darunter Ringwadennetze, pelagische Stellnetze und Grundstellnetze. Das Ausmaß der Beifangverluste für die Art ist allerdings unbekannt. Laut einer Studie aus dem zentralen Amazonasgebiet Brasiliens starben 74 % von 34 untersuchten Delfinen in Stellnetzen und 15 % in Ringwadennetzen.

Dynamitfischerei

Das illegale Fischen mit Sprengstoff ist in einigen Gebieten des Amazonasbeckens noch üblich. Bei den Detonationen sterben auch in der Nähe schwimmende Botos und Tucuxis. Berichten zufolge töten Fischer auch Delfine, die von der Dynamitfischerei angelockt werden und wissen, dass es hier betäubte oder tote Fische zu fressen gibt.

Direkte Jagd

In Peru töten Fischer Delfine, indem sie Gift in lebende Beutefische injizieren. Denn Fischer betrachten sie häufig als Nahrungskonkurrenten. Teile der einheimischen Bevölkerung im Amazonasgebiet nutzen Augen und Genitalien von Delfinen außerdem als Aphrodisiakum.

Immer mehr Tucuxis fallen der seit 2000 in Brasilien um sich greifenden Praxis, Delfinfleisch als Fischköder zu nutzen, zum Opfer. Auch wenn die meisten der hierfür getöteten Delfine bislang Botos sind.

Fragmentierung von Lebensräumen durch Staudämme

Der Bau von Staudämmen ist eine zunehmende Bedrohung für Delfine im Amazonasbecken. Denn allein im brasilianischen Amazonasgebiet sind nach Angaben der IUCN an die 100 Dämme geplant. Sollten sie gebaut werden, würden sie anschließend etwa 10 Millionen Hektar überfluten. Das entspricht etwa 2 % der gesamten und etwa 3 % des brasilianischen Teils der Amazonasregion. Hinzu kommen 74 bereits fertiggestellte und 31 im Bau befindliche Dämme.

Insgesamt könnten, laut IUCN, im Amazonasbecken über 400 Dämme entstehen. Staudämme verschlechtern und fragmentieren den Lebensraum und die Population der Tiere.

Verschmutzung des Lebensraums

Botos aus dem brasilianischen Amazonasgebiet sind mit hohen Konzentrationen krebserregender und hormonell wirksamer Organochlorpestizide wie DDT oder PCB und durch Schwermetalle belastet. Außerdem gefährden hohe Konzentrationen bromhaltiger organischer Chemikalien (Polybromierte Diphenylether) wie PBDE die Delfine. Diese wurden jahrzehntelang als Flammschutzmittel in Kunststoffen und Textilien eingesetzt.

Da Amazonas-Sotalias in denselben Gebieten vorkommen und sich ausschließlich von Fisch ernähren, ist es wahrscheinlich, dass sie ähnlich hohe Schadstoffbelastungen aufweisen.

Autor: Ulrich Karlowski

Foto oben: © Fundacion Omacha/Facebookseite


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