Bleifarbene Delfine (Sousa plumbea) sind eine von vier anerkannten Arten der Buckeldelfine (Gattung Sousa). Obwohl sie sehr küstennah leben, sind sie nur unzureichend erforscht. Namensgebend für alle Sousa-Arten ist der längs gezogene Rückenbuckel. Er liegt in der Mitte des massigen Körpers dieser Delfine. Außerdem sind sie leicht an ihrer langen, schlanken Schnauze zu erkennen. Ihre abgerundete, dreieckige Finne ist dagegen eher klein. Ein Bleifarbener Delfin (engl. Indian Ocean Humpback Dolphin) ist bleigrau. Daher der lateinische Name: plumbea für Blei.
Systematik
Bleifarbene Delfine (Sousa plumbea) sind seit 2014 als eigenständige Art anerkannt. Bis dahin galten sie als eine von drei Unterarten des Chinesischen Weißen Delfins (Sousa chinensis).
Lebensraum und Verbreitung
Ihr Lebensraum sind küstennahe Gewässer des Indischen Ozeans. Er reicht vom südlichen Südafrika, über das Horn von Afrika ins Rote Meer, entlang der arabischen Halbinsel, über den Persischen Golf (Arabischer Golf) und das Arabische Meer bis hinunter zur Südspitze Indiens.
Ob die Art auch östlich der Südspitze Indiens vorkommt, ist fraglich. Denn die Artzugehörigkeit der im Golf von Bengalen lebenden Buckeldelfine ist weiterhin nicht geklärt.
Bleifarbene Delfine halten sich meist in Mangrovengebieten, Felsenriffen, Lagunen und Flüssen sowie flachen und geschützten Buchten auf. Dabei entfernen sie sich in der Regel weniger als 2 km von der Küste und bevorzugen Wassertiefen von weniger als 25 m. Mitunter schwimmen sie viele Kilometer weit in Flüsse hinein.
Wie viele Bleifarbene Delfine gibt es?
Laut Roter Liste der IUCN ist die Art gefährdet bei rückläufiger Bestandsentwicklung. Für eine Einschätzung der Höhe des Bestands liegen allerdings nicht genügend Daten vor. Die Gesamtzahl dieser Buckeldelfinart dürfte jedoch bei nur wenigen Zehntausenden Exemplaren liegen.
Entlang der Ostküste von Südafrika gibt es noch etwa 500 Bleifarbene Delfine in zwei genetisch leicht unterschiedlichen Populationen. Sie sind vergleichsweise genau erforscht. Die eine lebt von False Bay an der Ostseite am Kap der Guten Hoffnung bis hinauf in die Algoa-Bucht bei Port Elizabeth. Während die zweite, etwa gleich große Population entlang der Küste von KwaZulu-Natal zu finden ist.
Artensteckbrief Bleifarbener Delfin
Buckeldelfine sind durch ihren massigen Körper mit dem charakteristischen Buckel unverkennbar. Eine Verwechslung mit anderen Arten innerhalb ihres Lebensraumes ist daher kaum möglich. Zudem ist ihr Auftauchverhalten ungewöhnlich. Denn sie stoßen im Winkel von 30–45° durch die Wasseroberfläche. Dabei strecken sie ihre lange Schnauze oder den ganzen Kopf aus dem Wasser und krümmen den Rücken. Sousa plumbea sind namensgebend fast durchgehend bleifarben gefärbt.
Ausgewachsene männliche Exemplare erreichen fast 3 m. Weibchen dagegen sind mit 2,5 m Länge etwas kleiner. Männchen können über 280 kg schwer werden, Weibchen etwa 200 kg.
Die Lebenserwartung ist nicht bekannt. Aus Langzeitmonitoring-Projekten südafrikanischer Wissenschaftler kennt man jedoch Individuen, die über 40 Jahre alt sind.
Große Haiarten wie der Weiße Hai, Bullenhaie und Orcas.
Verhalten und Ernährung
Bleifarbene Delfine assoziieren sich regelmäßig mit Indopazifischen Großen Tümmlern. In Gruppen bleiben sie eng zusammen. Trotz ihres massigen Körpers können sie erstaunlich hochspringen. Sogar vollständige Rückwärts- und Vorwärtssaltos beherrschen sie. Jungtiere liegen gerne auf der Seite und „winken“ mit dem Flipper. Diese Delfine können mehrere Minuten lang tauchen, dabei gegen sie selten tiefer als 20 m.
Sie ernähren sich von einer Vielzahl von Fischarten und sind nicht wählerisch. Denn sie nehmen das, was gerade verfügbar ist: allerlei Meeräschen, Makrelen oder Sardinen.
Wanderungen
Meist sind nur wenige Individuen resident (ortstreu). Soweit man das weiß. Wie alle Buckeldelfine sind Sousa plumbea Küstenwanderer, die je nach Nahrungsangebot ihr begrenztes Verbreitungsgebiet durchstreifen. Dabei zeigen sie eine außergewöhnlich ausgeprägte Habitatpräferenz.
Fortpflanzung
Bleifarbene Delfine leben in kleineren Gruppen. Selten sind das mehr als 10 Tiere. Weil sie Booten und Menschen gegenüber jedoch recht scheu sind, ist das Wissen über Sozial- und Fortpflanzungsverhalten nur lückenhaft. Jungtiere sind bei der Geburt ca. 1 m groß und ca. 25 kg schwer. Sie bleiben mindestens 1,5 Jahre bei der Mutter. In Einzelfällen auch länger.
Schutzstatus Bleifarbener Delfin (Sousa plumbea)
Die Gattung Sousa steht auf Anhang I des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES), der höchsten Schutzstufe. Deshalb ist der internationale Handel mit lebenden Tieren oder Produkten verboten.
In Südafrika sind Buckeldelfine die am stärksten vom Aussterben bedrohte Meeressäuger. In vielen Regionen ihres Verbreitungsgebiets weiß man allerdings nur wenig über die Höhe des Bestands und seine Entwicklung. Zudem gibt es in den meisten Ländern und nur wenige wirksame Schutzmaßnahmen.
Gefahren
Die bislang bekannten Teilpopulationen der Art sind klein. Denn oft leben nicht mehr als 500 Individuen in einem Gebiet. In der Regel sind es jedoch weniger als 100. Das erhöht, verbunden mit ihrer spezifischen Habitatpräferenz, ihr Aussterberisiko bei Umweltveränderungen.
Fischerei
Hauptbedrohung für Bleifarbene Delfine ist das unbeabsichtigte Ertrinken in Fischernetzen. Durch ihr küstennahes Leben sind sie zwangsläufig mit einer Unzahl von Netzen lokaler Kleinfischer konfrontiert. Das Ausmaß der Beifangverluste für Sousa plumbea ist unbekannt.
Hainetze
Als Strandschutz gegen Haiangriffe eingesetzte Stellnetze sind eine Sonderform der Fischerei (der Fang wird dabei nicht genutzt) zur Haibekämpfung. Eine große Zahl der 200 m langen und 6 m hohen, knapp unter der Wasseroberfläche verankerten Stellnetze ist an der Ostküste Südafrikas (Provinz KwaZulu-Natal) im Einsatz. Sie verursachen immer wieder Beifänge. So starben zwischen 1980 und 2009 mindestens 203 Delfine in Hainetzen. Das waren durchschnittlich 6,8 Tiere im Jahr.
Dynamitfischerei
Das illegale Fischen mit Dynamit oder anderen Sprengstoffen ist eine tödliche Gefahr für alle Meerestiere, so auch für Bleifarbene Delfine. Denn in den wenigen Ländern, in denen dies noch häufig vorkommt, Tansania und Sri Lanka, konzentrieren sich Dynamitfischer auf küstennahe Gebiete.
Direkte Jagd
Alle Buckeldelfine stehen unter direktem Jagddruck zur Gewinnung von Delfinfleisch für den menschlichen Verzehr. Über das Ausmaß der direkten Jagd ist allerdings kaum etwas bekannt.
Verschmutzung des Lebensraumes
Durch ihre küstennahe Lebensweise geraten Bleifarbene Delfine über lange Zeiträume mit ungeklärten oder nur unzureichend geklärten städtischen und industriellen Abwässern in Kontakt. Forscher aus Südafrika berichten von einer Zunahme von Hautkrankheiten. Die Delfine leiden hier unter der tattoo skin disease und Lobomycosis, verursacht von Pockenviren und Pilzen. Das sind typische Erkrankungen bei Meeressäugern, wenn sie einer zu hohen, anhaltenden Belastung mit Umweltgiften und Stress ausgesetzt sind.
Bleifarbener Delfin mit tattoo skin disease.
Von den sechs Delfinarten in Südafrika waren Bleifarbene Delfine am stärksten mit Organochlor-Insektiziden der „ersten Generation“ belastet. Darunter Chlordan, DDT, Dieldrin oder PCB. Die bei ihnen gefundenen Werte gehörten zu den höchsten, die weltweit je bei Delfinartigen festgestellt wurden.
Hinzu kommen Gefahren durch das Verschlucken von herumtreibendem Plastikmüll oder Verheddern und Ertrinken in Geisternetzen oder anderem verloren gegangenem Fischereigerät.
Zerstörung der Lebensräume
Buckeldelfine sind sehr empfindlich gegenüber Veränderungen ihrer Lebensräume. Hierzu zählen unter anderem die Rodung von Mangrovenwäldern, Hafenausbauten, Urbanisierung von Küsten oder Bau von Ölförderanlagen.
Schiffs- und Bootskollisionen
Die küsten- und oberflächennahen Lebensräume von Buckeldelfinen decken sich mit den am intensivsten von Schiffen und Booten befahrenen Meeresgebieten. Daher können sie mit aller Art von Wasserfahrzeugen kollidieren. Sie enden fast immer tödlich. Insbesondere in der Nähe von Häfen, Wasserstraßen und erschlossenen Küstenabschnitten besteht eine erhebliche Kollisionsgefahr.
HuDoNet – Indian Ocean Humpback Dolphin Conservation Network
Im September 2024 gründete sich das Netzwerk HuDoNet (Indian Ocean Humpback Dolphin Conservation Network), um das Aussterben der Bleifarbenen Delfine zu verhindern.
Meereswissenschaftler und Naturschützer aus 17 Ländern des westlichen Indischen Ozeans und des Arabischen Meeres arbeiten unter dem Dach von HuDoNet zusammen. Mit dem Motto „Connect – Share – Inspire“ wollen sie Forschung und Aufklärung über die scheuen Delfine vorantreiben.
Ihr Ziel ist es, Schutzmaßnahmen in den beteiligten Küstenstaaten für diese zunehmend gefährdete Buckeldelfinart im Indischen Ozean umzusetzen. Koordinatorin von HuDoNet ist Dr. Shanan Atkins.
Autor: Ulrich Karlowski
Alle Fotos: Brett Atkins