Bullenhai

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Er trägt kein „Lächeln“ im Gesicht, ist von bulliger Statur und lässt sich so schnell nicht einschüchtern – der Bullenhai. Man nennt diesen Requiemhai auch Stierhai, Sambesihai oder Gemeinen Grundhai. Wegen ihres äußeren Erscheinungsbildes werden Bullenhaie oft mit Weißen Haien verwechselt. Gelegentlich greifen sie auch Menschen an. Als Top-Prädatoren sind sie bedeutend für die Gesundheit von Meeres- und Süßwasserökosystemen tropischer, subtropischer und warmen-gemäßigter Regionen. Sie müssen nur wenige natürliche Feinde fürchten. Und doch ist ihr Überleben, wie das vieler anderer Haiarten, gefährdet. Bullenhaie leben küstennah. Sie sind die einzige Großhai-Art, die lange Zeit im Süßwasser leben kann. In Flüssen, Flussmündungen und Seen bringen sie auch ihre Jungen zur Welt. Junge Bullenhaie verbringen ihre ersten Lebensjahre meist im Süßwasser.

Systematik

Der Bullenhai (Carcharhinus leucas) ist eine von über 35 Arten der Gattung Carcharhinus, der artenreichsten Gattung der Familie der Requiemhaie (Carcharhinidae). Es gibt weitere, wissenschaftlich bisher nicht beschriebene Carcharhinus-Arten.

Artensteckbrief Bullenhai

Woher kommt der Name?

Die Art verdankt ihren Namen nicht nur ihrem bulligen Aussehen. Bullenhaie stoßen, vorwiegend bei Zwischenfällen mit Menschen, potenzielle Beute erst mit ihrem Kopf an. Mit dieser unberechenbaren Jagdstrategie (bump and bite) prüfen sie blitzschnell, ob es sich um essbare Beute handelt.

Wo leben Bullenhaie?

Man findet sie vor Amerika im Atlantik und Pazifik, südlich der Sahara vor Afrika, vor Indien, Südostasien und Australien.

Wie groß ist ein Bullenhai?

Männchen sind mit bis zu 2,1 m Länge deutlich kleiner als die bis zu 3,5 m großen Weibchen. Während die Weibchen ca. 320 kg erreichen können, sind Männchen um einiges leichter.

Was frisst ein Bullenhai?

Sie fressen im Prinzip alles, was ihren Weg kreuzt: von Wirbellosen über Knochenfische, Knorpelfische, Seevögel, Meeresschildkröten, Delfine oder Innereien von Walen. Aber auch Landsäugetiere stehen auf ihrem Speiseplan.

Wie viel Nachwuchs haben sie?

Die Tragzeit dauert mehr als ein Jahr. Weibchen gebären höchstens alle zwei Jahre, meist nicht mehr als 4 bis 6 lebendgeborene Jungtiere. In seltenen Fällen wurden auch 13 bis 14 Jungtiere nachgewiesen.

Warum können Bullenhaie im Süßwasser leben?

Bullenhaie gehören zu den Tierarten, die große Schwankungen im Salzgehalt tolerieren. Sie sind euryhalin. Das können nur wenige andere Haiarten. Meerwasser hat einen durchschnittlichen Salzgehalt von 3,5 %. Süßwasser dagegen enthält mit durchschnittlich 0,1 % kaum Salz.

Als einzige große Haiart können Bullenhaie dank spezieller Anpassungen lange Zeit auch im Süßwasser leben. So sollen schon Exemplare mehr als 4.000 km landeinwärts im südamerikanischen Amazonas-Flusssystem gesichtet worden sein. Junge Bullenhaie leben viele Jahre im Süßwasser, erwachsene eher im Salzwasser. Wie lange sich erwachsene Tiere in Flüssen aufhalten können, ist nicht bekannt.

Spezielle Anpassungen

Die Anpassung ist ein komplexes Zusammenspiel der Rektaldrüsen mit den Nieren der Haie. Im Salzwasser helfen Drüsen und Nieren überschüssiges Salz auszuscheiden. Im Süßwasser kehrt sich der Prozess um, denn hier liegt die externe Salzkonzentration weit unter der körpereigenen. Dazu verfügen Bullenhaie über veränderte Rektaldrüsen und speziell angepasste Nieren.

Bullenhaie beim Synchronschwimmen.
Bullenhaie beim Synchronschwimmen. Foto: Fiona Ayerst/Marine Photobank

Wenn der Hai vom Meerwasser in einen Fluss schwimmt, passt sich der Stoffwechsel der Nieren kontinuierlich an den veränderten Salzgehalt (Salinität) an.

Ohne diese spezifischen Anpassungen würde durch den Prozess des osmotischen Drucks viel Süßwasser in die Körperzellen gelangen, um den Konzentrationsunterschied auszugleichen. In der Folge blähen die Zellen sich auf, verlieren zu viele Mineralien. Dies führt schließlich zum Tod des betroffenen Organismus. Nicht jedoch beim Bullenhai.

Ihre ungewöhnlichen länglichen Nieren sind darauf spezialisiert, körpereigenes Salz zu recyceln und im Körper zu halten. Sie filtrieren im Süßwasser umgehend weniger Salze und im Gegenzug vermehrt Harnstoff aus dem Blut. Dazu produzieren sie sehr viel wässrigen Urin. Daher sind Bullenhaie in Flüssen konstant am Urinieren.

Zudem können sie ihre Rektaldrüse „abschalten“ und dadurch Salze im Körper einschließen. Diese befindet sich direkt vor der Schwanzflosse. Sie hilft bei der Osmoregulation (Aufrechterhaltung des richtigen Wasser-Salz-Gleichgewichts).

Mit diesen Anpassungen ist es Bullenhaien möglich, problemlos sowohl im Salz- als auch im Süßwasser zu leben. Das macht sie einzigartig unter den Haien.

Gefahren

Ihre Lebensraumnutzung macht die Art anfällig für die Folgen von Zerstörung und Veränderung von Küstengebieten und Flussläufen. Zudem stehen Bullenhaie unter enormem Fischereidruck. Auch Jungtiere werden gezielt befischt. Begehrt sind ihr Fleisch und die Flossen.

Hohe Beifangverluste treten aber auch in der Stell- oder Treibnetzfischerei, in Schleppnetzen und in der Langleinenfischerei auf. Eine weitere Gefahr droht den kräftigen Haien zudem von der sogenannten Sportfischerei. Dort müssen sie als beliebte Trophäe herhalten. Andere wiederum sterben in Hainetzen, mit denen zahlreiche südafrikanische Badestrände ausgerüstet sind.

Tod im Hainetz, Provinz KwaZulu-Natal, Südafrika.

Tod im Hainetz – Foto: Fiona Ayerst/Marine Photobank.

Lebensraumverluste und fischereiliche Ausbeutung setzen dieser Haiart hart zu. In der Folge sind die Bestände in den vergangenen Jahrzehnten um 30–49 % zurückgegangen.


Junge Bullenhaie mit roten Augen

Von 2015 bis 2019 förderten wir die Dissertation1Unverzichtbare Gewässer: Junge Bullenhaie im größten Flusssystem der Fidschi-Inseln“ der Schweizer Meeresbiologin Kerstin Glaus von der Universität Basel. Zu ihrer großen Überraschung hatte fast jeder (80 %) kleine Bullenhai, den sie in der Rewa zu Markierungszwecken kurzzeitig einfing, beidseitig rote Augen. Wir unterstützten die Haiforscherin bei der Suche nach den Ursachen.

Junge Bullenhaie aus dem Fluss Rewa (Fidschi) mit roten Augen.
Letztlich konnte nicht geklärt werden, warum junge Bullenhaie in der Rewa rote Augen haben. © K.Glaus
  1. Glaus KBJ, Brunnschweiler JM, Piovano S, et al., Essential waters: Young bull sharks in Fiji’s largest riverine system, Ecol Evol. 2019;00:1–12. https ://doi. org/10.1002/ece3.5304 ↩︎

Schutzstatus

Auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tierarten der Weltnaturschutzorganisation IUCN ist der Bullenhai als gefährdet mit abnehmender Bestandsentwicklung gelistet.

Im November 2022 nahm die 19. Vertragsstaatenkonferenz des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES) 54 Arten der Requiemhaie, darunter den Bullenhai, in CITES-Anhang II auf. Damit unterliegt der Handel mit Produkten dieser Arten (Fleisch, Knorpel, Flossen) unter der Kontrolle nationaler Artenschutzbehörden und des Zolls. Für Haischützer ist diese Entscheidung ein Meilenstein.

Unser Einsatz für Bullenhaie

Seit Januar 2022 führen wir gemeinsam mit der Schweizer Meeresbiologin und Haiforscherin Dr. Kerstin Glaus das Projekt „Ein Herz für Bullenhaie“ in Fidschi durch. Hierbei geht es darum, die Kinderstuben junger Bullenhaie mittels der Analyse von Umwelt-DNA (eDNA) aufzuspüren, damit diese geschützt werden können.

Autor: Ulrich Karlowski

Titelfoto: © Michael J. Lawrence/Marine Photobank

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Spendenurkunde Projekt „Ein Herz für Bullenhaie“

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