Cuvier-Schnabelwal

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Der Cuvier-Schnabelwal (Ziphius cavirostris) ist der am weitesten verbreitete und häufigste aller Schnabelwale. Ihre Lebenserwartung soll bei 60 Jahren liegen. Die Art zeigt eine schon notorische Scheu vor Booten. Cuvier-Schnabelwale sind Extremtaucher. Sie sind Rekordhalter für den tiefsten (2.992 m) und längsten (fast 4 Stunden) Tauchgang bei Meeressäugern. Die Gründe derartiger Extremtauchgänge sind unklar. Bislang gehen die Vermutungen von besonders reichhaltiger Nahrung hin zu Spätfolgen von Unterwasserlärm.

Systematik

Der Cuvier-Schnabelwal gehört zur wahrscheinlich 24 Arten umfassenden, weitgehend unbekannten Familie der Schnabelwale (Ziphiidae).

Cuvier-Schnabelwal, Zeichnung.
Cuvier-Schnabelwal. Quelle: NOAA Fisheries.

Lebensraum und Verbreitung

Sie leben in den tiefen Gewässern der großen Ozeane und im Mittelmeer, im östlichen Mittelmeer allerdings nur im Hellenischen Graben. Polare Gewässer scheinen sie zu meiden. Häufig trifft man sie vor ozeanischen Inseln, z. B. Hawaii. Dort sind sie sogar ortstreu.

Wie hoch ist der Bestand?

Im tropischen Ostpazifik soll es einen Bestand von 20.000 Tieren geben, im östlichen Nordpazifik über 90.000. In den Gewässern bei Hawaii wird der Bestand auf über 12.000 geschätzt, der vor der Küste Kaliforniens auf 1.600. Die Gesamtzahl ist unbekannt.

Artensteckbrief Cuvier-Schnabelwal

Wie sieht ein Cuvier-Schnabelwal aus?

Der kräftige Körper ist torpedoförmig mit kegelförmigem Kopf. Dieser ist besonders bei älteren Exemplaren fast weiß. Markant sind dunkle Ringe um die Augen, der stumpfe Schnabel und die nach oben gekrümmte Mundlinie. Die Körperfarbe variiert stark. Je nach Ort, Alter und Geschlecht von Braun bis gänzlich Weiß bei älteren Tieren. Finne und Flipper sind klein. Die Fluke ist dagegen recht groß. Zahlreiche Narben auf dem Körper zeugen von Bissen von Zigarrenhaien oder bei Männchen wahrscheinlich von innerartlichen Auseinandersetzungen. Bei erwachsenen Männchen kann man die beiden kleinen, an der Spitze des Unterkiefers sitzenden Zähne sehen. Bei Weibchen und Jungtieren sind sie nicht sichtbar.

Wie groß ist ein Cuvier-Schnabelwal?

Mit ihrer Länge von durchschnittlich 7 m (selten bis zu 10 m) und bis zu 3 Tonnen Gewicht gehören sie zu den größeren Arten der Familie der Schnabelwale. Neugeborene wiegen etwa 250 bis 300 kg und sind ca. 2,7 m groß.

Was fressen Cuvier-Schnabelwale?

Leibspeise von Schnabelwalen sind Tintenfische. Und die begehrtesten Exemplare kann man wohl nur in Tiefseeregionen von 200 Metern bis 3 Kilometern Tiefe erbeuten. In dieser Hinsicht stehen sie den wesentlich größeren Pottwalen in nichts nach. Nur gelegentlich fressen sie auch Fische und Krustentiere. Man nimmt an, dass sie Beute auch in ihren Schnabel hineinsaugen können.

Wie tief tauchen Cuvier-Schnabelwale?

Cuvier-Schnabelwale gehen nicht nur extrem tief runter, sie tun dies auch extrem lang.

Doch die fast vier Stunden, die sich ein Cuvier 2017 vor der Küste des US-Bundesstaates North Carolina bei Cape Hatteras tief unten im Ozean aufhielt, verblüffen selbst Experten. Den neuen Meeressäuger-Tauchrekord dokumentierte die Biologin Nicola Quick1 von der Duke University. Bisheriger Rekordhalter war ebenfalls ein Cuvier-Schnabelwal. Er begab sich 2014 auf einen Tauchgang von zwei Stunden, siebzehn Minuten und erreichte dabei 2.992 Tiefenmeter.

Nicola Quick und ihrem Team gelang es vor der Küste von North Carolina, bei 23 an der Wasseroberfläche ruhenden Schnabelwalen Sensoren anzubringen. Kamen die Tiere nach einem ihrer Tauchgänge zu einer der überraschend kurzen Erholungszeiten an die Wasseroberfläche, begann die Datenübertragung via Satellit. Auf diese Weise dokumentierten die Wissenschaftler schließlich Daten von 3.600 Tauchgängen – darunter der neue Tauchrekord. Er wurde 2017 aufgestellt.

Wie sind derartige Tauchrekorde überhaupt möglich?

Auch mit ihren unerklärlich kurzen und uneinheitlich langen Erholungsphasen verblüfften die Tiere. Selbst nach einem zweistündigen Tauchgang genügten einem Cuvier-Schnabelwal 20 Minuten. Dann machte er sich schon wieder auf den Weg in die Tiefe. Ein anderer dagegen trödelte nach einem „nur“ 78 Minuten dauernden Tauchgang fast vier Stunden – unterbrochen von kürzeren Abstechern – an der Wasseroberfläche herum.

Immerhin weiß man von einigen Anpassungen bei diesen besonderen Meeressäugern. So kollabiert ein Teil ihrer Lunge. Organe und Gewebe, die jetzt nicht zum Tauchen und Beutemachen gebraucht werden, werden nur noch schwach durchblutet. Der Stoffwechsel sinkt auf ein absolutes Minimum, der Herzschlag verlangsamt sich. Dennoch ist noch lange nicht geklärt, was genau dort unten eigentlich passiert.

Meist bleiben sie eine Stunde unter Wasser

Bislang ging man davon aus, dass Cuvier-Schnabelwale im Schnitt Tauchgänge von etwa 30 Minuten schaffen, bis ihnen der Sauerstoff ausgeht.

Vier Cuvier-Schnabelwale.
© NOAA Fisheries/Anne Simonis

Jetzt wurde diese Grenze um einiges nach oben versetzt. Denn die Daten von Nicola Quick zeigen, dass die Schnabelwale meist eine Stunde unter Wasser bleiben. Doch immer wieder gibt es auch sehr viel längere Tauchzeiten. „Cuvier-Schnabelwale sind außergewöhnlich, aber diese Tauchgänge übertrafen bei Weitem alles, was wir bisher gesehen hatten“, sagt Quick.

Verhalten

Sie leben in kleineren Gruppen (2 bis 7 Tiere) oder sind allein unterwegs. Ansonsten weiß man bisher nicht sehr viel über diese scheuen Extremtaucher.

Fortpflanzung und Entwicklung

Ihre Geschlechtsreife soll ab einer Größe von 6,2 m erreicht sein. Männchen kämpfen anscheinend um die Gunst der Weibchen (beobachtet wurde diese allerdings noch nie).

Gefahren für den Cuvier-Schnabelwal

Natürliche Feinde sind Große Haie und nicht ansässige Orcas, auch Biggs-Orcas genannt, die sich auf Säugetiere als Beute spezialisiert haben.

Fischerei, direkte Jagd und Plastikmüll

Fischereien in Indonesien, der Karibik, Taiwan, Peru, Chile und Japan machten früher in geringer Zahl Jagd auf diese Schnabelwale. Auch der Tiefseefischerei fallen Cuviers als Beifang zum Opfer. Ein weiteres Problem ist die Plastikverschmutzung. Sie verwechseln Plastiktüten mit Beute und sterben schließlich qualvoll an verstopftem Magen.

Marinemanöver und Einsatz militärischer Sonare

Die größte Gefahr für die Tieftaucher geht jedoch von militärischen Sonaren aus. Die Art scheint hier besonders empfindlich zu sein. Man vermutet, dass sie, überrascht von starken Unterwasser-Schalldrücken, zu schnell aus großer Tiefe aufsteigen und dadurch der Taucherkrankheit (Gasembolie) zum Opfer fallen.

Vom 9. bis 13. Februar 2023 strandeten an der Westküste Zyperns 12 Cuvier-Schnabelwale, sieben im südlichen und fünf im nördlichen Teil der Mittelmeerinsel. Die meisten waren bereits tot, als man sie fand. Doch auch von den zunächst geretteten Schnabelwalen überlebte keiner.

Laut vorläufigen Untersuchungsergebnissen von Arda M. Tonay2 von der Abteilung für Meeresbiologie der Universität Istanbul an fünf Cuviers führte eine Gasembolie als Folge eines akustischen Traumas zum Tod der Tiere. In dem betroffenen Lebensraum der Schnabelwale fanden zum Zeitpunkt der Strandungen Marineübungen statt. Die damit verbundenen Schallemissionen zwangen die Schnabelwale offensichtlich zum schnellen und für sie tödlichen Auftauchen aus großer Tiefe. Die Wissenschaftler appellieren an alle Länder, sämtliche Marineübungen im östlichen Mittelmeer einzustellen. Ansonsten sei eine Zunahme von Strandungen von Cuvier-Schnabelwalen zu befürchten.

Schutzstatus

Die Art gilt als nicht bedroht. Laut Roter Liste der IUCN liegen keine ausreichenden Daten für eine genauere Einschätzung vor (data deficient).

Autor: Ulrich Karlowski

Titelfoto: Rekordhalter unter den Tauchern: der Cuvier-Schnabelwal
Danielle Waples, under NOAA/NMFS permit 14809-03 and NOAA General Authorization 16185

  1. Extreme Diving in Mammals: First Estimates of Behavioral Aerobic Dive Limits in Cuvier’s Beaked Whales, N.J. Quick, W.R. Cioffi, J.M. Shearer, A. Fahlman and A.J. Read; Sept. 23, 2020, Journal of Experimental Biology. DOI: 10.1242/jeb.234187 ↩︎
  2. Cuvier’s Beaked Whale Mass Stranding Event Preliminary Report; 21 February 2023; Faculty of Aquatic Sciences, Istanbul University; Turkish Marine Research Foundation (TUDAV) ↩︎

Weiterführende Informationen