Echte Karettschildkröte

Echte Karettschildkröten (Eretmochelys imbricata) leben in den tropischen und subtropischen Gewässern aller großen Ozeane. Ihr englischer Name hawksbill turtle, beschreibt den einzigartigen, habichtartigen Schnabel dieser Meeresreptilien. Er ist hervorragend geeignet zur Nahrungssuche in schwer zugänglichen Ritzen und Spalten. Sie gehören zu den größeren und zu den am stärksten vom Aussterben bedrohten Meeresschildkrötenarten. Die Echte Karettschildkröte wird 60 bis über 90 cm groß und zwischen 50 und 68 kg schwer. Sie sind die einzigen Meeresschildkröten, die sich hauptsächlich von Schwämmen ernähren. Deshalb spielen sie eine Schlüsselrolle für das Funktionieren mariner Ökosysteme.

Systematik

Echte Karettschildkröten sind eine von sechs Arten der Familie Cheloniidae und die einzige Art der Gattung Eretmochelys. Früher wurden sie oft mit einer anderen Art verwechselt. Diese trägt heute den Namen Unechte Karettschildkröte (Caretta caretta). Jedoch ist Caretta caretta näher mit den Bastardschildkröten verwandt ist als mit Eretmochelys.

DER Schildkrötenpanzer

Echte Karettschildkröte, freigestellt
© NOAA Fisheries

Ihr schöner Panzer (Carapax) – der auch als der „Schildkrötenpanzer“ bekannt ist – wurde und wird den Tieren zum Verhängnis. Denn aus ihm fertigen Kunsthandwerker viele Arten von Schmuck, Souvenirs und Gebrauchsgegenständen. Das geht seit der Antike so. Dadurch wurde die Art fast ausgerottet.

Zwar verbietet das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten (Washingtoner Artenschutzübereinkommen/CITES) seit 1973 den Handel mit Schildkrötenprodukten auf dem internationalen Markt. Jedoch geht die illegale Jagd weiter. In vielen Teilen der Welt ist dies weiterhin eine Bedrohung für die Art.

Lebensraum und Verbreitung

Echte Karettschildkröten leben weltweit in allen tropischen und subtropischen Gebieten der großen Ozeane. Die größten Populationen gibt es heute im Westatlantik (Karibik), im Indischen Ozean und im Indopazifik.

Karte Lebensraum
Quelle: NOAA-Fisheries

Wie hoch ist der Bestand?

Auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN ist die Art als vom Aussterben bedroht mit rückläufiger Bestandsentwicklung gelistet. Schätzungen zufolge ist der Bestand weltweit bereits um dramatische 90 % zurückgegangen. Die Anzahl fortpflanzungsfähiger Weibchen soll bei noch 20.000 Exemplaren liegen.

Die größten Nistpopulationen gibt es heute in Australien und auf den Salomonen. Etwa 2.000 Echte Karettschildkröten nisten jährlich an der Nordwestküste Australiens. Zwischen 6.000 und 8.000 in der Nähe des Great Barrier Reef.

Wo leben Echte Karettschildkröten?

Atlantik

Im Atlantik finden sich die meisten Nester in Mexiko, Kuba und Barbados, aber auch in der gesamten Karibik. Die Hauptnistplätze in den Vereinigten Staaten befinden sich in Puerto Rico und auf den Jungferninseln. Auf dem US-amerikanischen Festland dagegen sind Nester selten. Sie beschränken sich hauptsächlich auf die Südostküste Floridas und die Florida Keys.

Pazifik

Im amerikanischen Pazifik nisten Karettschildkröten hauptsächlich auf Hawaii. Allerdings nur wenige. Etwa 10 bis 25 Weibchen kommen jährlich an die Strände entlang der Südküste der Insel Hawaii und der Ostküste der Insel Molokai. Es ist eine der kleinsten Karettschildkrötenpopulationen der Welt. Dennoch ist es die größte im mittleren Nordpazifik.

Im östlichen Pazifik nisten etwa 700 Weibchen von Mexiko bis Peru.

Südpazifik

Im Südpazifik besteht die größte Nistpopulation auf den Arnavon-Inseln der Salomonen. Dort nisten etwa 2.000 Tiere. Sie wurden hier jahrhundertelang wegen ihres Panzers getötet. Doch nach zwei Jahrzehnten Schutz- und Überwachungsmaßnahmen gibt es ermutigende Anzeichen einer Erholung. In Indonesien nisten etwa 2.000 und auf den Seychellen etwa 1.000 Weibchen.

Artensteckbrief Echte Karettschildkröte

Wie sieht eine Echte Karettschildkröte aus?

Ihr auffälliger, schöner Panzer ist gesprenkelt in einer unregelmäßigen Kombination von Bernstein-, Orange-, Rot-, Gelb-, Schwarz- und Brauntönen. Die Panzer haben typischerweise gezackte Ränder mit überlappenden Hornplatten. Sie sind als echtes Schildpatt ein auch heute noch ein begehrter Rohstoff. Ihr Kopf ist schmal und läuft spitz zu. Der V-förmige Unterkiefer verleiht ihnen ihr falkenartiges Aussehen.
Foto: © NOAA Fisheries
Echte Karettschildkröte schwebt im Wasser

Wie alt werden sie?

Ihre Lebenserwartung ist unbekannt. Experten schätzen jedoch, dass sie über 50 Jahre alt werden. Erst mit 20 bis 35 Jahren erreichen sie ihre Geschlechtsreife.

Wie oft und wann nistet eine Echte Karettschildkröte?

In der Regel nisten die Weibchen alle 1 bis 5 Jahre drei- bis fünfmal pro Saison. Sie suchen dabei jeweils die Strände auf, an denen sie Jahrzehnte zuvor geschlüpft sind. Die Nistzeit ist von Ort zu Ort unterschiedlich. Meistens jedoch liegt sie zwischen April und November. Der Nestbau erfolgt in der Regel nachts. Dabei bevorzugen die Weibchen kleine, abgelegene Strände mit wenig oder gar keinem Sand und felsigen Zugang. Sie nisten normalerweise hoch oben am Strand, unter oder in der Vegetation.

Wie viele Eier hat ein Nest?

Ein Nest enthält durchschnittlich 130 bis 160 Eier. Nach etwa zwei Monaten schlüpft der meist braun gefärbte, etwa 5 bis 8 cm große Nachwuchs.

Wer sind die natürlichen Feinde?

Wie bei allen Meeresschildkrötenarten sind geschlüpfte und heranwachsende Jungtiere als Beute beliebt bei allem, was Zähne und Fangarme hat, sowie bei großen Seevögeln. Erwachsene werden von großen Haien wie Tiger- und Bullenhaien erbeutet.

Ernährung

Echte Karettschildkröten sind Allesfresser. Sie ernähren sich sowohl von Pflanzen als auch von anderen Tieren. Ihre bevorzugte Nahrung jedoch sind Meeresschwämme. Ebenso fressen sie auch Meeresalgen, Korallen, Weichtiere, Mollusken, Krebstiere, Seeigel, kleine Fische und Quallen, darunter sogar gitfige Staatsquallen wie die Portugiesische Galeere. Auf Hawaii sind sie angesichts des begrenzten Vorkommens von Schwämmen eher opportunistisch. Die Form ihres Mauls und ihre scharfen Schnäbel ermöglichen es ihnen, in kleine Löcher und Spalten in den Riffen zu gelangen, um Nahrung zu finden.

Verhalten und Fortpflanzung

Echte Karettschildkröten nutzen in den verschiedenen Stadien ihres Lebenszyklus eine Vielzahl von Lebensräumen. Hauptsächlich findet man sie in ihren küstennahen Futtergebieten. Hier insbesondere in gesunden Korallenriffen. Dort regulieren sie die Ausbreitung von Schwämmen, sodass andere Arten im Riff wachsen können. Echte Karettschildkröten fördern die Biodiversität und die Widerstandsfähigkeit (Resilienz) von Riffen. Sie gehören zu den Gärtnern der Korallenriffe.

Echte Karettschildkröte mit Tauchern unter einem Felsen

In Felsvorsprüngen und Höhlen von Korallenriffen finden ruhende Karettschildkröten tagsüber und nachts Schutz. © leonardo lamas/pexels

Im östlichen Pazifik leben sie auch in Mangrovenwäldern. Ebenso sind sie auch in der Nähe von Felsformationen, Sandbänken, in flachem Wasser sowie in Flussmündungen anzutreffen. Dabei bevorzugen sie Habitate, in denen viele Schwämme vorkommen.

Wanderungen – Jungtiere

Junge Karettschildkröten verbringen die ersten etwa 1 bis 5 Jahre ihres Lebens im offenen Meer. Hier assoziieren sie sich mit Algenteppichen oder Treibgut. Schließlich wandern sie in seichtere, küstennahe Nahrungsgebiete, einschließlich ihrer bevorzugten Korallenriffe. Dort werden sie erwachsen und verbringen den Rest ihres Lebens.

Wanderungen – Erwachsene

Wie andere Meeresschildkrötenarten können Echte Karettschildkröten große Entfernungen zwischen Futtergebieten und Niststränden zurücklegen. Das sind dann gut und gerne Strecken von fast 2.000 km. Allerdings gibt es Ausnahmen. So wie die hawaiianischen Karettschildkröten. Sie wandern nur über kürzere Entfernungen und bleiben innerhalb der Inselkette.

Gefahren

Wie alle Meeresschildkrötenarten sehen sich Echte Karettschildkröten heute mit einer Mischung unterschiedlichster Gefahren konfrontiert, denen sie nur schwer standhalten können.

Beifang in der Fischerei

Hauptbedrohung für die Lungenatmer ist heute das Verheddern und Ertrinken in Fischereigerät (Beifang). Außerdem können sie Angelhaken und Schnüre sowie Netzteile verschlucken. Zu den wichtigsten Fanggeräten, die zum Beifang von Echten Karettschildkröten führen, gehören Kiemennetze sowie Haken- und Leinen in Küstengebieten.

Plünderung der Nester und Wilderei

Obwohl die Art national und international geschützt ist, sind das absichtliche Töten der Tiere für den Wildtierhandel wegen ihres Fleisches und ihrer Panzer sowie die Plünderung von Nestern immer noch die Hauptgefahren. Aus dem Schildpatt der Panzer werden Haarspangen, Kämme, Schmuck und vieles anderes geschnitzt. Ausgestopfte Schildkröten landen im illegalen Wildtierhandel. Die Eier werden verzehrt oder auf lokalen und städtischen Märkten verkauft.

Auch das Fleisch von Echten Karettschildkröten ist in vielen Ländern beliebt. Obwohl es oft weniger als Delikatesse angesehen wird, wie das Fleisch anderer Meeresschildkrötenarten. Da Schwämme zur Hauptnahrung von Karettschildkröten zählen, kann das Fleisch allerdings giftig sein. Dies führte schon zu Massenvergiftungen, Krankheiten und dem Tod von Gruppen oder Einzelpersonen.

Verlust, Zerstörung und Störung der Niststrände

Eine große Bedrohung für Echte Karettschildkröten ist der Verlust von Nisthabitaten und Korallenriffen. Diese gehen in zunehmendem Maße durch Küstenentwicklung, Meeresverschmutzung sowie infolge der Klimakrise verloren. Echte Karettschildkröten sind auf Korallenriffe als Nahrungsquelle und Lebensraum angewiesen.

Echte Karettschildkröte im Roten Meer: schwimmendes Männchen.
Eine männliche Echte Karettschildkröte im Roten Meer. © Kai Detlefsen

Künstliche Beleuchtung an und in der Nähe von Niststränden kann nistende Weibchen davon abhalten, an Land zu kommen. Zudem führt sie Jungtiere nach dem Schlupf in die Irre. Denn sie orientieren sich am hellsten für sie sichtbaren Horizont, um den Weg ins Meer zu finden.

Verluste durch Landraubtiere

Zerstörung der Nester und Verzehr von Eiern und Jungtieren durch nicht einheimische und einheimische Raubtiere (insbesondere Wildschweine, Ratten, Waschbären, Mungos, wilde Katzen und Hunde) ist eine große Bedrohung für Meeresschildkröten auf der ganzen Welt. Speziell die wachsenden Populationen verwilderter und halbdomestizierter Hunde sind ein zunehmendes Problem. Denn mit der Entwicklung menschlicher Küstengemeinden hat ihre Zahl zugenommen. Dies führte dazu, dass Karettschildkröteneier und –nistlinge weltweit in immer größerem Umfang gefressen werden.

Schiffs- und Bootskollisionen

Wie bei anderen Meeresschildkrötenarten besteht auch bei Echten Karettschildkröten die Gefahr, dass sie mit aller Art von Wasserfahrzeugen kollidieren können, wenn sie sich an oder nahe der Oberfläche befinden. Diese Kollisionen verletzen oder töten die Tiere. Besonders in der Nähe von Häfen, Wasserstraßen und erschlossenen Küstenabschnitten ist die Kollisionsgefahr hoch.

Meeresverschmutzung/Meeresmüll

Zunehmende Meeresverschmutzung bedroht alle Meeresschildkrötenarten und beeinträchtigt ihre Lebensräume. Echte Karettschildkröten können Meeresmüll wie Angelschnüre, Luftballons, Plastiktüten, schwimmenden Teer oder Öl und andere vom Menschen weggeworfene Materialien aufnehmen, die sie für Nahrung halten. Zudem ist das Verheddern in herumtreibenden Müllansammlungen, einschließlich verlorenem oder weggeworfenem Fischereigerät für die Tiere gefährlich.

Klimakrise

Meeresschildkröten stehen unter starkem Klimastress. Höhere Temperaturen verändern die Strandmorphologie und führen zu höheren Sandtemperaturen. Das kann zum Absterben der Eier führen. Oder dazu, dass nur noch Weibchen zur Welt kommen. Denn die Geschlechterzuordnung steuert sich bei Reptilien über die Nisttemperatur.

Steigende Meeresspiegel und Stürme führen zur Stranderosion, die Nester überfluten oder wegspülen kann. Außerdem wird die Erwärmung der Meeresumwelt die Menge und Verteilung von Nahrungsressourcen verändern. In der Folge dürfte es zu Verschiebungen im Wanderverhalten, im Nahrungsspektrum und in der Nistzeit von Echten Karettschildkröten kommen.

Wie Sie im Urlaub Meeresschildkröten helfen können ↗
Empfehlungen der Fischereiabteilung der Wetter- und Ozeanografiebehörde der Vereinigten Staaten (NOAA Fisheries).

Autor: Ulrich Karlowski

Titelfoto: © Olga Tsai/unsplash


Meeresschildkröten in Not

Kleine Grüne Meeresschildkröte auf dem Weg ins Meer.

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