Sie ist eine ganz besondere Muschel: Die Edle Steckmuschel (Pinna nobilis) ist mit einem Alter von bis zu 50 Jahren sehr langlebig. Sie kommt nur im Mittelmeer vor und ist mit bis zu 1,20 m Höhe die größte Muschel in Europa. Man findet sie in Küstengewässern in Tiefen von 0,5 bis 60 m auf Sedimentböden und in Seegraswiesen. Pinna nobilis ist unmittelbar vom Aussterben bedroht!
Inhaltsverzeichnis
Muschelseide
Mit dem spitzen Teil ihrer keilförmigen Schale steckt die „Edle“ im Meeresgrund. Zum Halt im sandigen Boden oder in Seegraswiesen, ihren bevorzugten Lebensräumen, verankert sie sich dort mit ihren feinen Fasern (Byssus). Bereits im Altertum nutzte man diese, um daraus Muschelseide herzustellen und zu feinem, goldschimmernden Gewebe weiterzuverarbeiten.
Sammelwut
Schon 1975 beklagten Naturschützer wie Prof. Bernhard Grzimek den durch Sammler verursachten starken Schwund. Und obwohl die Edle Steckmuschel 1992 unter Schutz gestellt wurde, sind ihre Bestände weiter zurückgegangen. Zu den Ursachen zählen Zerstörungen durch Schleppnetzfischerei und Ankerungen sowie illegale Entnahmen zum Verzehr und als Souvenir.
Steckmuschel-Friedhöfe
2016 begann das große Sterben. Zu all den menschengemachten Gefahren kam ein natürlicher Feind hinzu: der tödliche Parasit Haplosporidium pinnae. In wenigen Jahren breitete er sich bis ins östliche Mittelmeer aus und hinterließ bei Sterblichkeitsraten von 80 bis 100 Prozent zum Teil wahre Steckmuschel-Friedhöfe.
Edle Steckmuschel in Kroatien
Im Mai 2019 wurde der Parasit dann erstmals in der kroatischen Adria festgestellt, wo man ebenfalls massive Verluste verzeichnete. Noch im selben Jahr stufte die Weltnaturschutzunion IUCN die Edle Steckmuschel offiziell als vom Aussterben bedroht ein. In der gesamten Adria soll es nach Angaben des kroatischen Umweltministeriums nur noch rund 30 Exemplare geben! (Stand 2023)
Edle Steckmuschel in der kroatischen Adria. Foto: Đani Iglić/DSM
Werden wir die Edle Steckmuschel retten können?
Inzwischen gibt es mehrere Programme, um die selten gewordene Riesenmuschel vor dem Aussterben zu bewahren. Wie das EU-Projekt LIFE PINNARCA oder die Bemühungen des Aquariums Pula in Istrien. Unter anderem werden Muschellarven aus dem Meer gesammelt und in spezielle Tanks im Aquarium Pula umgesiedelt, damit sie unter kontrollierten Bedingungen wachsen können.
Schlüsselrolle im Ökosystem
Wie alle Muscheln spielt Pinna nobilis als Filtrierer eine Schlüsselrolle im marinen Ökosystem. Sie ernährt sich nicht nur von Phyto- und Zooplankton, sondern auch von Detritus (Reste abgestorbener Pflanzen und Tiere). Die Edle Steckmuschel filtert im Durchschnitt rund 6 Liter Wasser pro Stunde.
Steckmuscheln sind streng geschützt!
Edle Steckmuscheln (Pinna nobilis) gehören in der EU zu den besonders und streng geschützten Arten. Sie stehen auf Anhang IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie). Egal, ob tot oder lebendig: Sie dürfen nicht entfernt, mitgenommen oder ausgeführt werden. Das gilt auch für Schalen dieser Art, die man vielleicht am Strand oder am Meeresboden findet. Wie bei allen besonders und streng geschützten Arten sind Besitz sowie Vermarktung (Verkauf) im Grundsatz verboten.
In Kroatien drohen Strafen von bis zu knapp 4.000 Euro. In Italien sogar bis zu 12.000 Euro und zwei Jahre Gefängnis! Verstöße gegen die FFH-Richtlinie Anhang IV unterliegen in Deutschland dem Bundesnaturschutzgesetz. Verstöße gegen das Vermarktungsverbot können mit bis zu fünf Jahren Gefängnis oder Geldstrafe belegt werden. Möglich sind außerdem Bußgelder bis zu 50.000 Euro. Wer eine Edle Steckmuschel illegal besitzt, dem drohen bis zu drei Jahre Haft oder eine Geldstrafe.
Ihre Hilfe ist gefragt: Sichtungen bitte melden
- Um einen Überblick über die Standorte der Edlen Steckmuschel zu bekommen, aber auch um in der Öffentlichkeit „das Bewusstsein für die Bedeutung ihrer Erhaltung zu schärfen“, hat das kroatische Umwelt- und Naturschutzministerium die Kampagne „Jeste li ih vidjeli?“ (Haben Sie sie gesehen?) gestartet. Einheimische und Urlauber sind aufgefordert, Sichtungen von lebenden und toten Exemplaren der Edlen Steckmuschel in der Adria zu melden.
- Die Sichtungsdaten (ggf. mit Fotos) können Sie per E-Mail an vrste@mingor.hr senden oder über ein Sichtungsformular (kroatisch, einfach mit Google übersetzen lassen) melden.
Tot oder lebendig? Das ist hier die Frage.
Bei bloßer Betrachtung einer Edlen Steckmuschel ist dies nicht leicht festzustellen. Auch wenn sie tot ist, steckt sie oft noch fest im Boden. Doch mit einem „Trick“ lässt sie sich von einem lebenden Exemplar unterscheiden.
Trick
Wichtig: Die Muschel NICHT berühren!
Neben der Muschel ganz SANFT das Wasser bewegen. Lebt die Muschel, dann schließt sie sich, wie man auf dem Video der kroatischen Umwelt- und Naturschutzbehörde wunderbar sieht.
Systematik
Die Edle oder auch Große Steckmuschel gehört zur Familie der Steckmuscheln (Pinnidae). Im Mittelmeer gibt es nur eine weitere Pinna: die Stachelige Steckmuschel (Pinna rudis). Sie wird durchschnittlich 40 bis 50 cm groß und ihr Lebensraum erstreckt sich bis in den Atlantik und das Schwarze Meer.
Artensteckbrief Edle Steckmuschel
Das Schalengehäuse kann bis zu 1,2 m hoch werden.
Experten gehen von bis zu 45 oder gar 50 Jahre aus.
Mitunter bildet sie rötliche Perlen ohne kommerziellen Wert.
Edle Steckmuscheln können ihr Geschlecht in unterschiedlichen Lebensphasen binnen weniger Tage wechseln. Echte Zwitter (Hermaphroditen) sind wahrscheinlich selten. In den Sommermonaten bilden sich nach der Befruchtung Larven, die ein paar Tage frei im Wasser schwimmen. Dann siedeln sie sich, soweit sie nicht zur Beute werden, auf dem Meeresgrund an.
Autorin: © Ulrike Kirsch
Titelfoto: Edle Steckmuschel, © iStock.com/Vpommeyrol