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Weder sehen sie aus wie Haie noch wie Rochen. Eher wie etwas dazwischen. Eine Übergangsform. Ihre Namen sind vielfältig, kurios. Geigenrochen, Gitarrenrochen, Riesengeigenrochen oder im Englischen wedgefish, guitarfish, shovelnose shark und andere mehr. Sonderlich viel ist über das Leben dieser Knorpelfische mit dem an ein Saiteninstrument erinnernden Körper nicht bekannt. Die haiähnlichen Rochen sind mit ihrem abgeflachten Körper perfekt an ein Leben auf dem Meeresboden angepasst. Ihre Heimat sind Küstengewässer der tropischen und subtropischen Zonen. Damit geraten sie unweigerlich in Konflikt mit allerlei menschlichen Aktivitäten, wie Eingriffen in den Lebensraum oder intensiver Küstenfischerei. Arten wie Weißfleck-Geigenrochen können bis zu 3 m erreichen. Sie gehören damit zur marinen Megafauna.
Inhaltsverzeichnis
Bioturbatoren, Prädatoren und Mesoprädatoren
Geigenrochen sind einzigartig in der Evolution und lebenswichtiger Bestandteil küstennaher Meeresökosysteme. Als relativ große benthische (am Meeresboden lebende) Bioturbatoren und Prädatoren übernehmen sie wichtige Funktionen für die Strukturierung der Nahrungsnetze in Weichsediment-Ökosystemen. Viele Geigenrochenarten leben in Seegraswiesen. Auch hier spielen sie eine entscheidende ökologische Rolle im Nahrungsnetz der „Meeresgärten“.
Geigenrochen bei Natadola Bay, Fidschi – © K. Glaus
Je nach Art, Habitat und Alter nehmen Geigenrochen unterschiedliche Positionen im Nahrungsnetz der von ihnen bewohnten Ökosysteme ein. Wie die meisten der am Boden lebende Rochenarten sind Geigenrochen bedeutende Bioturbatoren. Sie wühlen im Meeresboden nach Nahrung und graben sie aus. Gerne verbuddeln sie sich zur Tarnung ganz oder teilweise im Meeresboden. Bei all diesen Aktivitäten wirbeln sie viel anorganische und organische Materialien auf, durchmischen und durchlüften den Boden. Das fördert den Stoffaustausch im Sediment, was wiederum das Ökosystem des Meeresbodens stärkt.
Dann wiederum können sie als Prädatoren oder auf der Ebene von Mesoprädatoren agieren. Einige ernähren sich hauptsächlich von Weich,- und Krustentieren, andere von Knochenfischen. Damit besetzen sie jeweils unterschiedliche Position im Nahrungsnetz. Hinzu kommt, dass es auch einen Wechsel in der Ernährung vom juvenilen zum adulten Tier gibt (ontogenetische Verschiebung).
In ihrer Funktion als Mesoprädatoren sind Geigenrochen wiederum Beutetiere für küstennah lebende Spitzenprädatoren wie Bullenhaie, Breitnasen-Siebenkiemerhaie oder große Hammerhaie wie den Bogenstirn-Hammerhai.
Geigenrochen schwimmen mit zwei Antriebsarten
Geigenrochen schwimmen weder wie richtige Rochen noch wie Haie. Haben sie es nicht sonderlich eilig, dann benutzen sie ihre Brustflossen – wie es typisch für Rochen ist. Beim schnellen Schwimmen dagegen, auf der Flucht oder im freien Wasser, führen sie zusätzlich Wellenschläge mit ihrem Hinterkörper und der Schwanzflosse aus, wie es typisch für Haie, insbesondere Walhaie, ist.
Lebensräume
Im Gegensatz zu den meisten der gleichfalls stark bedrohten Arten der Sägerochen leben Geigenrochen in vergleichsweise kleinen Lebensräumen. So kennt man den erst vor wenigen Jahren entdeckten Falschen Haifischrochen (Rhynchorhina mauritaniensis) nur von einer Handvoll Exemplare aus einem begrenzten Gebiet vor Mauretanien. Erschwerend ist, dass Geigenrochen überwiegend in Entwicklungsländern oder wenig entwickelten Ländern leben. Artenschutz-Programme sucht man hier größtenteils vergeblich. Außerdem ist die Artbestimmung oft problematisch.
Sägefische und Geigenrochen verbindet zudem, dass die überwiegende Mehrheit der Arten in flachen Weichbodenhabitaten leben. Überwiegend findet man sie in Flachwasserbereichen von deutlich unter 50 m Wassertiefe. Gerade diese Bereiche sind aber leicht zu befischen und folglich einer intensiven und expandierenden Fischerei ausgesetzt. 15 von 16 Geigenrochen-Arten der Familien Rhinidae und Glaucostegidae gehören heute zu den weltweit am stärksten vom Aussterben bedrohten Knorpelfischen.
Fortpflanzung
Wie alle zu den Rays (engl.) zählenden Rochen sind Geigenrochen lebend gebärend (ovovivipar). Die Jungtiere schlüpfen im Körper der Mutter aus einem Ei mit Schale und kommen dann vollständig entwickelt zur Welt.
Geigenrochen wachsen langsam und erreichen erst spät ihre Geschlechtsreife. Die meisten Arten haben wenig Nachwuchs. Daher brechen befischte Bestände in kurzer Zeit zusammen.
Weißfleck-Geigenrochen zum Verkauf auf lokalem Fischmarkt in Malaysia. © IUCN/SSC Peter Kyne
Begehrte Geigenrochen-Flossen
Wie alle größeren Hai- und Rochenarten sind Geigenrochen bei Fischern nicht nur als Speisefisch, sondern auch wegen ihrer Flossen begehrt. Ein Kilogramm kann über 840 € einbringen. Ausgerechnet die hellen Flossen von den vom Aussterben bedrohten großen Arten wie Riesengeigenrochen und Sägerochen gelten als die hochwertigsten Flossen für den menschlichen Verzehr. Sie gehören zu den wertvollsten im internationalen Haiflossenhandel.
Mehr als zwei Drittel aller Arten sind vom Aussterben bedroht
Für fast 60 % aller Geigenrochen-Arten fand vor 10 oder mehr Jahren zuletzt eine Bestandsbewertung für die Rote Liste der bedrohten Arten der Weltnaturschutzorganisation (IUCN) statt. Bereits damals befanden sich über 70 % der Geigenrochen-Arten entweder in kritischen oder sehr kritischen Bestandskategorien.
Bei anderen wiederum gab es nicht genügend Daten, um ihre Überlebenschance beurteilen zu können. Die gibt es bis heute nicht. Hinzu kommen seitdem neu beschriebene, bisher nicht bewertete Arten, die wahrscheinlich ebenfalls vom Aussterben bedroht sind.
Bereits ausgestorben?
In Indonesien führte der extreme Wert der Flossen von Rhynchobatus-Geigenrochenflossen seit den 1970er-Jahren zu einer intensiven, gezielten Flossenfischerei. In der Folge verschwanden Rhynchobatus-Arten aus den Gewässern um Java, Sumatra, Kalimantan und Sulawesi. Es ist zu befürchten, dass sie lokal ausgestorben sind.
Andere Arten von Geigenrochen sind vielleicht bereits ausgestorben. Wie der Clown- oder Raunasen-Geigenrochen (Rhynchobatus cooki), der nur von einer Handvoll in Südostasien gesammelter Exemplare bekannt ist. Laut IUCN gab es in den vergangenen 23 Jahren nur einen einzigen Nachweis. Das war 2019.
Titelfoto: Weißfleck-Geigenrochen (Rhynchobatus australiae) werden über 3 m groß und sind vom Aussterben bedroht. © Matthew D. Potenski/IUCN