Grüne Meeresschildkröte (Chelonia mydas)

Die Grüne Meeresschildkröte (Chelonia mydas) ist nach der Lederschildkröte die zweitgrößte Schildkrötenart und die größte der gepanzerten Meeresschildkröten. Sie können Panzerlängen von bis zu 1,5 m erreichen und 300 kg schwer werden. Rekordhalter ist ein Exemplar, das bei 153 cm Panzerlänge 395 kg auf die Waage brachte. Im Deutschen sind sie auch unter dem Namen Suppenschildkröte, im Englischen als Green Turtle bekannt. Grüne Meeresschildkröten wurden über Jahrhunderte intensiv bejagt. Ihr Fleisch diente dabei u. a. als lebender Schiffsproviant und zur Zubereitung von Schildkrötensuppe.

Seit der Aktualisierung der Roten Liste der Weltnaturschutzorganisation IUCN vom 10.10.2025 gilt Chelonia mydas als nicht mehr gefährdet (least concern). Ein großartiger Erfolg im internationalen Artenschutz!

Systematik

Grüne Meeresschildkröten sind eine von sechs Arten der Familie Cheloniidae.

Unter den Meeresschildkröten ist die Grüne Meeresschildkröte einzigartig. Denn die erwachsenen Tiere ernähren sich hauptsächlich von Seegras und Algen. Ihre vorwiegend vegetarische Diät verleiht Fett und Knorpel – aber nicht dem Panzer – eine grünliche Farbe. Daher rührt ihr Name. In Mexiko allerdings werden sie „Tortuga Blanca“ („weiße Schildkröte“), genannt, während im englischen Sprachraum wiederum der bekannte Name „Green Turtle“ verwendet wird.

Lebensraum und Verbreitung

Weltkarte zur Verbreitung der Art
Quelle: NOAA Fisheries

Ihr Verbreitungsgebiet umfasst alle subtropischen und gemäßigten Meere und das Mittelmeer. Sie nisten in über 80 Ländern, leben in den Küstengebieten von mehr als 140 Ländern und unternehmen weite Wanderungen zu ihren Niststränden. Es gibt mindestens 11 Subpopulationen.

Wie hoch ist der Bestand?

1988 wurde der Handel mit Fleisch, Eiern, lebenden oder toten Grünen Meeresschildkröten und Teilen (z. B. Panzer) von ihnen durch das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) verboten. Dort ist sie in Anhang I gelistet.

Auf der Roten Liste der IUCN ist die Art seit dem 10.10.2025 als nicht gefährdet mit zunehmender Bestandsentwicklung gelistet. Insbesondere die nordatlantische Subpopulation ist seit den 1980er Jahren laut IUCN um mehr als 130 % angewachsen.

Die Zahl der Nester an Stränden im Mittelmeerraum liegt laut neuesten Schätzungen bei ca. 6.000.

Die weltweit größte Nistpopulationen gibt es in Tortuguero an der Karibikküste Costa Ricas mit über 100.000 nistenden Weibchen pro Jahr.

Forscher des Raine Island Recovery Project untersuchen, wie man am besten Schildkröten zählen kann.
Wie sieht eine Grüne Meeresschildkröte aus?

Der Panzer ist an der Oberseite in verschiedenen, meist hellen Brauntönen mit gelblich grünen oder schwarzbraunen Zonen gefärbt. An der Unterseite sind sie teilweise hellgelb.
Foto: P. Lindgren, CC BY-SA 3.0
Grüne Meeresschildkröte frisst Seegras.

Wie alt werden Grüne Meeresschildkröten?

Die Lebenserwartung beträgt mindestens 70 Jahre. Erst mit 25 bis 35 Jahren erreichen die Weibchen ihre Geschlechtsreife.

Wer sind die natürlichen Feinde?

Wie bei allen Meeresschildkrötenarten sind geschlüpfte und heranwachsende Jungtiere als Beute beliebt bei allem, was Zähne und Fangarme hat, sowie bei großen Seevögeln. Als Erwachsene haben sie, außer großen Haien, praktisch keine Feinde.

Ernährung

Erwachsene Tiere fressen hauptsächlich Seegras und Algen. Gelegentlich aber auch Schwämme, Wirbellose sowie weggeworfenen Fisch. Ihre pflanzliche Nahrung zerschneiden sie mit den mit Haken und Zacken besetzten Hornleisten ihrer Kiefer.

Überschüssig aufgenommenes Salz scheiden sie über eine „Salzdrüse“ aus. Da sich diese in der Nähe der Augen befindet, sieht es aus, als ob sie weinten. Jungtiere dagegen sind Fleischfresser (carnivor). Sie ernähren sich ausschließlich von Krebsen, Muscheln, Würmern, Fischeiern, Quallen oder Schwämmen.

Verhalten

Grüne Meeresschildkröten sind Einzelgänger und Nachtbrüter. Jungtiere, die es nach dem Schlupf bis ins Meer schaffen, verbringen ihre ersten Jahre im offenen Ozean. Die Erwachsenen verbringen die meiste Zeit ihres Lebens in üppigen Seegraswiesen flacher, küstennaher Regionen.

Grüne Meeresschildkröte schwebt knapp unter der Wasseroberfläche

Mit ihren flossenförmigen Paddeln können Grüne Meeresschildkröten unter Wasser hohe Geschwindigkeiten von bis zu 24 km/h erreichen. Ihre Hinterbeine setzen sie als Ruder ein. Sie scheinen dabei durchs Wasser zu „fliegen“. Foto: NOAA Pacific Islands Fisheries Science Center

Fortpflanzung

Alle 2 bis 5 Jahre begeben sich die geschlechtsreifen Tiere auf weite Wanderungen, um zu ihren Eiablageplätzen zu gelangen. Einige von ihnen legen dabei Strecken von mehr als 2.600 Kilometern zurück. Die Weibchen kehren Jahr für Jahr jeweils an einen Strand in der Umgebung zurück, wo sie Jahrzehnte zuvor geschlüpft sind.

Grüne Meeresschildkröten paaren sich sowohl in den Nahrungsgründen als auch entlang von Wanderpfaden und an Niststränden. Sie können etwa alle 2 Wochen ein neues Nest graben und das über mehrere Monate, bevor sie wieder zu ihren Nahrungsgründen zurückkehren. Die Nistsaison variiert je nach Lebensraum. So beginnt diese in den USA im späten Frühjahr.

Ein Nest kann bis zu 110 Eier enthalten. Nach etwa 2 Monaten schlüpfen die Jungtiere aus ihrer sandigen Nisthöhle. Dann krabbeln sie auf dem schnellsten Weg ins Wasser.

Gefahren

Wie alle Meeresschildkrötenarten sehen sich Grüne Meeresschildkröten heute mit einer Mischung unterschiedlichster Gefahren konfrontiert.

Fibropapillomatose

Erkrankt ein Tier an Fibropapillomatose, bilden sich äußere und innere Tumore. Diese Tumore beeinträchtigen die Schwimmfähigkeit und die Nahrungsaufnahme erheblich. Unbehandelt kann die Krankheit zum Tod der Tiere führen. Allerdings bilden sich die Tumore bei 30 bis 60 % der betroffenen Tiere auch wieder zurück. Grüne Meeresschildkröten sind am häufigsten unter allen Meeresschildkrötenarten betroffen. Die meisten Tumore finden sich bei ihnen um die Flossen, den Hals und die Augen.

Was die Krankheit verursacht, ist bislang nicht vollständig geklärt. Man geht von mehreren Faktoren aus, die das Tumorwachstum verursachen. Neben einem Herpes-Virus soll auch Meeresverschmutzung eine wichtige Rolle spielen. Tierärzte des Turtle Hospital (Marathon Beach, Florida, USA) haben Techniken entwickelt, Fibropapillomatose-Tumore erfolgreich operativ zu entfernen. Das Verfahren ist schwierig. Es dauert etwa ein Jahr, bis behandelte Tiere Antikörper gegen das Virus entwickelt haben und wieder ausgewildert werden können.

Fischerei

Hauptbedrohung für die Lungenatmer ist das Verheddern und Ertrinken in Fischereigerät (Beifang). Außerdem können sie Angelhaken und -schnüre sowie Netzteile verschlucken. Zu den wichtigsten Arten von Beifang verursachendem Fanggerät zählen Schleppnetze, Kiemennetze, Langleinen, Haken und Leinen sowie Reusen.

Plünderung der Nester und Wilderei

Früher wurden Grüne Meeresschildkröten in großer Zahl wegen ihres Fettes, ihres Fleisches und ihrer Eier getötet. Dies führte zu einem katastrophalen weltweiten Rückgang der Art. Nach wie vor sind das Töten von grünen Meeresschildkröten und das Sammeln ihrer Eier in einigen Ländern legal. Das erschwert Schutzbemühungen für die Art.

Verlust und Zerstörung der Niststrände

Durch Baumaßnahmen an Stränden und deren intensive touristische Nutzung sowie steigende Meeresspiegel sind viele Niststrände für die Art verloren gegangen. Künstliche Beleuchtung an und in der Nähe von Niststränden bereitet Jungtieren nach dem Schlupf zudem große Probleme, das Meer zu finden. Denn sie orientieren sich dabei nach dem hellsten für sie sichtbaren Horizont.

Schiffskollisionen

Fast alle Wasserfahrzeuge können Grüne Schildkröten treffen, wenn sie an oder nahe der Oberfläche schwimmen. Diese Kollisionen verletzen oder töten die Tiere. Schiffskollisionen sind eine große Gefahr, besonders für große Jungtiere und ausgewachsene Grüne Meeresschildkröten, da sie küstennah leben und sich dabei auch in der Nähe von Häfen, Wasserstraßen und stark befahrenen Küsten aufhalten.

Meeresverschmutzung

Die zunehmende Verschmutzung und Überdüngung küstennaher Lebensräume bedroht alle Meeresschildkröten und beeinträchtigt ihre Lebensräume. So starben im Januar 2020 vor der Küste des mexikanischen Bundesstaates Oaxaca mindestens 300 Grüne Meeresschildkröten in den sicheren Tod. Ihnen wurde eine Red Tide (Rote Flut) zum Verhängnis. Tiere, die es bis an die Küste nahe dem Küstenort Huatulco schafften, hatten große Schwierigkeiten beim Atmen. Kaum konnten sie noch ihren Kopf aus dem Wasser heben. Verzweifelte Helfer versuchten, die Meeresreptilien vor dem Ersticken zu bewahren. Meist vergeblich. Denn nur 27 von ihnen konnte man retten.

Meeresmüll

Zusätzlich laufen sie Gefahr, herumtreibenden Müll aufzunehmen. Im Magen von Grünen Meeresschildkröten findet man regelmäßig z. B. kleinteiligen Plastikabfall aller Art, Angelschnüre, Ballons, Plastiktüten, Teer und anderen Müll. Auch ist das Verheddern in herumtreibenden Müllansammlungen gefährlich.

Angetriener Müll wird zum Hinderniss für diese Grüne Meeresschildkröte
Angetriebener Meeresmüll wird zum Hindernis für diese Grüne Meeresschildkröte. © Turtle Foundation

Klimakrise

Meeresschildkröten stehen unter starkem Klimastress. Höhere Temperaturen verändern die Strandmorphologie und führen zu höheren Sandtemperaturen. Das kann zum Absterben der Eier führen oder dass nur noch Weibchen zur Welt kommen. Denn die Geschlechterzuordnung steuert sich bei Reptilien über die Temperatur im Nest.

Kälteeinbrüche – cold stun events

Plötzliche Kälteeinbrüche oder intensive, lang anhaltende Kälte können für Meeresreptilien sehr gefährlich sein. Denn sie sind wechselwarm. Zur Aufrechterhaltung ihrer Körpertemperatur sind sie von der Umgebungstemperatur abhängig. Normalerweise kontrollieren Meeresschildkröten ihre Körpertemperatur, indem sie sich zwischen Wasserbereichen mit unterschiedlichen Temperaturen bewegen. Außerdem wärmen sie sich gerne an der Wasseroberfläche oder am Strand in der Sonne auf.

Kommt es jedoch zu einem plötzlichen Kälteeinbruch, können sie nicht schnell genug in wärmere Gewässer schwimmen. Sie unterkühlen, fallen in Kältestarre (cold stun). Dies kann tödlich sein. Die Tiere werden lethargisch, sämtliche Körperfunktionen verlangsamen sich. Meeresschildkröten in Kältestarre sind einem hohen Risiko durch Schiffs- und Bootskollisionen ausgesetzt. Sie sind zudem leichte Beute für Raubtiere, werden krank und sterben.

Ab Wassertemperaturen von unter 10 Grad Celsius wird es sehr kritisch, besonders wenn sich die Tiere gerade in Flachwasserbereichen aufhalten. Denn diese werden bei sinkenden Lufttemperaturen dann sehr schnell sehr kalt.

Rettungsnetzwerke

Plötzliche Kälteeinbrüche (cold stun events) sind kein Phänomen der Klimakrise. Man kennt sie z. B. aus Texas und Florida seit den späten 1800er-Jahren. Forscher sehen allerdings einen Zusammenhang zwischen häufigeren cold stun events und der Ozeanerhitzung. So ist die Anzahl kältestarrer Meeresschildkröten, die entlang der US-Ostküste gefunden werden, in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen.

Entlang der Ostküste der USA, von Massachusetts bis hinunter in den Golf von Mexiko, existieren Rettungsnetzwerke aus freiwilligen Helfern, Hilfsorganisationen, der US-Küstenwache und der US-Meeresfischereibehörde NOAA Fisheries. Jedes Jahr werden dadurch mehrere Tausend kältestarrer Meeresschildkröten gerettet. Die bewegungslos an der Wasseroberfläche treibenden oder an Land gespülten Tiere lagert man in großen Hallen. Dort können sie sich langsam aufwärmen. Anschließend findet so schnell wie möglich, die Auswilderung in wärmere Gewässer statt. Je früher dies geschieht, desto höher sind die Chancen, dass die Meeresschildkröten sich vom Kälteschock erholen.

Wie Sie im Urlaub Meeresschildkröten helfen können ↗
Empfehlungen der Fischereiabteilung der Wetter- und Ozeanografiebehörde der Vereinigten Staaten (NOAA Fisheries).

Grüne Meeresschildkröte nach der Eiablage auf dem Weg zurück ins Meer
© Turtle Foundation

Autor: Ulrich Karlowski

Zuletzt aktualisiert:

Titelfoto: Grüne Meeresschildkröte. © Olga Tsai/Unsplash