Kegelrobben (Halichoerus grypus), engl. grey seals, bilden mit Seehunden (Phoca vitulina) und Schweinswalen (Phocoena phocoena) die Gruppe unserer heimischen Meeressäugetiere. Die Kegelrobbe ist das größte Raubtier Deutschlands und die seltenste der drei Meeressäugerarten. Im Englischen nennt man sie auch „Horsehead“ (Pferdekopf). Ein Forscherteam der Universität Göteborg warnte im März 2024 vor zu hohen Abschussquoten für Ostsee-Kegelrobben. Nach einer im Wissenschaftsmagazin „Journal of Animal Ecology“ veröffentlichten Langzeitstudie1 gefährdet die offizielle Jagdquote von über 3.000 Tieren in Finnland (1.550) und Schweden (1.500) langfristig das Überleben der Art in der Ostsee. Nach Ansicht der Forscher geht jedoch ein erheblicher Anteil verloren oder wird nicht gemeldet. Im September 2024 erlaubte auch Lettland den Abschuss von jährlich bis zu 60 Kegelrobben.
Viele tote Kegelrobben auf Rügen
Anfang Oktober 2024 begann ein mysteriöses Kelgelrobbensterben an der Südostküste Rügens. Am 1. November waren es 40 tote Robben. Bis zum 5. November stieg die Zahl nach Angaben des BUND Mecklenburg-Vorpommern sogar auf 44. Die meisten von ihnen (23) fand man an einem eng begrenzten Küstenabschnitt. Damit sind mindestens 20 % des Robbenbestands in Mecklenburg-Vorpommern auf einen Schlag ausgelöscht! Denn es gibt sicher eine Dunkelziffer, da nicht alle Tiere gefunden werden.
Die toten Kegelrobben waren bei etwa 2 m Länge und mit 150 kg Gewicht in einem guten Ernährungszustand und wiesen keine äußerlichen Verletzungen auf. Im Zuge erster vom Deutschen Meeresmuseum bekannt gegebener Obduktionsergebnisse fand man keine Organschädigungen, dafür aber Wasser in der Lunge der Tiere. Auch das Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW) in Büsum führt Untersuchungen durch. Man hofft, dass bis zum Jahresende alle Ergebnisse vorliegen. Das Meeresmuseum erstattete Anzeige gegen unbekannt, die Polizei hat Ermittlungen aufgenommen.
Gezielte Tötung?
Experten gehen davon aus, dass die Meeressäuger als Beifang in Fischereigerät (Reusen, Fischernetze) ertranken. Dies bestätigen erste Ergebnisse der histologischen Untersuchungsergebnisse im Meeresmuseum Stralsund vom 1. November. Demnach wiesen die Organe von bislang drei untersuchten Robben Verletzungen auf, wie sie typisch für ertrunkene Tiere seien. Ob die Meeressäuger zufällig in die Fanggeräte gerieten oder gezielt geködert wurden, ist laut eines Berichts des NDR weiterhin offen.
Eine gezielte Vergiftung der Tiere lässt sich anscheinend ausschließen. In Deutschland ist das Vergiften von Nutzerinteressen „störenden“ Beutegreifern wie Raubvögeln, Luchsen oder Wölfen leider keine Seltenheit.
Es ist nicht das erste Massensterben von Kegelrobben in Mecklenburg-Vorpommern. Im Herbst 2017 starb rund ein Viertel des damals in vorpommerschen Gewässern lebenden Bestandes (23 Tiere). Die Staatsanwaltschaft Stralsund stellte ihre Ermittlungen gegen einen verdächtigen Fischer wegen des möglichen Verstoßes gegen das Tierschutz- und das Bundesnaturschutzgesetz im Sommer 2018 ein.
Systematik
Kegelrobben sind Raubtiere (Carnivora) der Unterordnung Robben (Pinnipedia). Sie gehören wie der Seehund zur Überfamilie der Hundsrobben (Phocidae) und der Unterfamilie Phocinae. Man unterscheidet zwei Unterarten. Als Hundsrobben besitzen sie keine Ohrmuscheln.
Lebensraum und Verbreitung
Kegelrobben leben entlang der Küsten der gemäßigten und subarktischen Zonen des Atlantiks und in der Ostsee. Aufgrund unterschiedlicher Fortpflanzungszeiten und wegen der geografischen Isolation unterscheidet man eine west- und eine ostatlantische Population.
Wie viele Kegelrobben gibt es?
Laut IUCN liegt der Weltbestand erwachsener Individuen bei etwa 316.000 Individuen. Mit etwa 250.000 Tieren ist die Population im Nordwestatlantik mit Abstand dabei die größte. Laut der Bestandszählung des Wattenmeer-Sekretariats in Wilhelmshaven wurden 2023 in der Nordsee (Wattenmeer und Helgoland) 10.500 erwachsene Kegelrobben gezählt. Das ist ein erfreulicher Zuwachs. Im Jahr zuvor gab es etwa 9.000 Kegelrobben.
In der Ostsee leben über 40.000 Kegelrobben, davon aber nur wenige in der deutschen Ostsee.
Kegelrobben in der Ostsee (Baltische Kegelrobben)
Die Population in der Ostsee bildet eine eigene Unterart (Halichoerus grypus grypus). Sie ist genetisch isoliert von den nächstgelegenen atlantischen Populationen. Baltische Kegelrobben sind etwas kleiner als ihre atlantischen Verwandten. Im Gegensatz zu diesen bringen Baltische Kegelrobben ihren Nachwuchs nicht nur an Land, sondern auch auf Treibeis zu Welt.
Baltic Seal Disease Complex
Um 1900 soll es etwa 100.000 Exemplare in der gesamten Ostsee gegeben haben. Anfang der 1990er-Jahre standen sie dann bereits am Rande der Ausrottung. In den 1940er-Jahren gab es in der gesamten Ostsee noch rund 20.000 Exemplare. Bis 1980 sank der Ostsee-Bestand weiter auf 3.000 Tiere. Ursachen waren Umweltgifte wie polychlorierte Biphenyle (PCBs) und Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT). Diese lösten den sogenannten Baltic Seal Disease Complex (BSDC) aus, der eine deutlich geringere Geburtenrate bei Ostsee-Kegelrobben zur Folge hatte. Etwa 80 % aller Kegelrobben-Weibchen konnten wegen Unfruchtbarkeit keine Jungen mehr bekommen.
Seit den 1990er-Jahren wieder mehr Kegelrobben in der Ostsee
Seit den 1990er-Jahren wächst der Bestand kontinuierlich. Ursachen sind verbesserte internationale Schutzmaßnahmen, insbesondere ein striktes Jagdverbot sowie das Produktionsverbot von PCB und DDT. Für 2021 schätzte die Helsinki-Kommission HELCOM (Baltic Marine Environment Protection Commission) die Gesamtpopulation in der Ostsee auf rund 60.000 Tiere. Gezählt wurden allerdings nur rund 42 000 Kegelrobben. Von diesem Wert rechnete man auf den wahrscheinlichen Gesamtbestand hoch.
Infolge dieser Entwicklung gibt es auch wieder mehr Kegelrobben in der südlichen Ostsee, der dänischen Meerenge und dem Kattegat. Von 150 im Jahr 2003 auf etwa 2.500 im Jahr 2020. Jedoch sank die Geburtenrate im gleichen Zeitraum von 2 auf 0,5 Prozent.
2020 registrierte ein internationales Forscherteam des Deutschen Meeresmuseums Stralsund, der Universität Aarhus und des Museums für Naturkunde Kopenhagen, der Marine Forschungsstation in Polen und des Stockholmer Naturkundemuseums hier lediglich acht Kegelrobbengeburten.
Bewertung des Kegelrobben-Bestands in der Ostsee
HELCOM bewertet den Status der Kegelrobben in der Ostsee als gut in Bezug auf ihre Häufigkeit. Bei der Vermehrungsrate und damit der Populationsentwicklung erreicht die Art allerdings keinen guten Status.
Insgesamt erreichen die Kegelrobben in der Ostsee laut HELCOM keinen guten Umweltzustand.
Kegelrobben in der deutschen Ostsee
In der deutschen Ostsee starb die Ostsee-Kegelrobbe durch systematische Jagd und Umweltverschmutzung um 1920 lokal aus. Seit 2005 jedoch tauchen sie wieder häufiger bei uns auf. Im März/April 2019 zählte man über 300 Tiere im Greifswalder Bodden.
Im März 2018 gab es an der Küste von Rügen nach etwa 100 Jahren wieder eine Kegelrobbengeburt an der deutschen Ostseeküste. Seitdem ist klar, dass Kegelrobben sich bei uns wieder ansiedeln. Sie sind gekommen, um zu bleiben. Im Greifswalder Bodden, in den Gewässern um Rügen, Usedom und Darß, leben sie mittlerweile ganzjährig. Ihre Bestandsdichte ist allerdings gering. Dennoch fordern Fischereilobbyverbände die Festlegung einer Bestandsobergrenze mit Abschussquote.
Die Rückkehr der gewandten Meeressäuger stößt nicht überall auf Begeisterung. Zwar freuen sich Touristen und Naturfreunde über ein echtes Wildtierhighlight. Doch ein oder mehrere deutsche Fischer töteten im Herbst 2017 rund ein Viertel des in vorpommerschen Gewässern lebenden Bestandes. Mindestens 23 Tiere starben. Die Staatsanwaltschaft Stralsund stellte ihre Ermittlungen gegen einen verdächtigen Fischer wegen des möglichen Verstoßes gegen das Tierschutz- und das Bundesnaturschutzgesetz im Sommer 2018 ein.
Kegelrobben in der deutschen Nordsee
Seit Jahren verzeichnet man bei den Kegelrobben in der deutschen Nordsee einen Geburtenrekord nach dem anderen. Jedes Jahr, meist ab Ende November bis Anfang Januar, kommen trächtige Kegelrobbenweibchen nach Helgoland und zu Liegeplätzen auf dem Jungnamensand und den Knobsänden zwischen Amrum und Sylt. Auf Helgoland bringen sie auf einer kleinen Nebeninsel – der sogenannten Düne – ihre Jungen zur Welt.
Während der Wurfsaison 2023/2024 gab es im Wattenmeer erneut einen Geburtenrekord. Insgesamt zählten Experten des Gemeinsamen Wattenmeersekretariats in Schleswig-Holstein, Helgoland, Niedersachsen, Hamburg sowie den Niederlanden 2.547 Jungtiere. Das ist geringfügige Steigerung gegenüber der vorherigen Saison, in der man auf 2.515 Jungtiere kam. Im Winter 2020/21 lag die Zahl bei nur 632 Geburten und davor bei 531.
Erneut erwies sich Helgoland als Kegelrobben-Hotspot. Nach Angaben des Vereins Jordsand zählte man kurz vor dem Ende der Wurfsaison allein auf den drei Stränden der Helgoländer Düne an nur einem Tag 793 Jungtiere. Rekord und ein Anstieg von 16 Prozent bei den Kegelrobbengeburten. In der Wurfsaison 2022/2023 zählte man auf der Düne an einem Tag 684 Jungtiere.
Artensteckbrief Kegelrobbe
Am einfachsten erkennt man sie an ihrer Körpergröße und ihrer Kopfform. Ihr Kopf ist namensgebend, kegelförmig und spitz zulaufend. Im Profil erinnert er bei Männchen an eine „römische Hakennase“. Weibchen dagegen zeichnen sich eher durch eine gestreckte „Stupsnase“ aus. An ihrem Fleckenmuster kann man einzelne Tiere individuell erkennen.
Foto: Wolfgang Vogt/pixabay
Kommt nichts dazwischen, werden Weibchen unter optimalen Bedingungen 45 Jahre alt. Männchen dagegen haben eine Lebenserwartung von etwa 30 Jahren.
Es handelt sich um mächtige Raubtiere. Männchen sind bei bis zu 300 kg fast 2,5 m groß. Weibchen sind mit rund 150 kg und bis zu 1,9 m Länge deutlich kleiner und damit kaum größer als männliche Seehunde. Neugeborene sind zwischen 85 und 105 cm groß und bei der Geburt ca. 15 kg schwer.
Mit ihren bis zu 35 km/h handelt es sich um schnelle und gewandte Unterwasserjäger. Da ihre zum Klettern auf unwegsamen Felsküsten mit langen gekrümmten Krallen gut ausgestatteten Vorderflossen klein sind, setzen sie beim Schwimmen hauptsächlich ihre Hinterflossen ein. Sie können bis zu 140 m tief tauchen und mindestens 30 Minuten lang unter Wasser bleiben. Ihre Rekordtauchtiefe soll bei 400 m liegen.
In der Ostsee haben Kegelrobben keine natürlichen Feinde. Im Atlantik müssen sie vor großen Haien, Kleinen Schwertwalen und Orcas auf der Hut sein.
Ernährung
Kegelrobben sind gnadenlose Opportunisten. Grundsätzlich versuchen sie, alles, was sie finden, zu fressen, bevorzugen allerdings Fisch. Und davon eine ganze Menge. Täglich etwa 5 bis 7 kg. Hauptsächlich Scholle, Hering, Flunder oder Kabeljau. Gelegentlich erbeuten sie Krebse und Weichtiere am Meeresboden. Auch Angriffe auf Seehunde, Schweinswale und andere Kegelrobben (Kannibalismus) kommen vor. Dank ihrer Barthaare, auch „Vibrissen“ genannt, können sie selbst bei völliger Dunkelheit gezielt Nahrung finden.
Fortpflanzung und Entwicklung
Weibchen paaren sich mit mehreren Männchen. Während der Fortpflanzungszeit gehen die Männchen kaum auf Nahrungssuche und nehmen stark ab. Die Paarung findet fast zeitgleich mit der Geburt der Jungen statt. Männchen grenzen dann Territorien mit sechs bis sieben Weibchen ab, die sie gegen Nebenbuhler verteidigen. Es gibt allerdings auch monogame Paare. Zum Ende der Fortpflanzungszeit kommt dann der jährliche Fellwechsel. Auch dafür benötigen Kegelrobben hochwassersichere Liegeplätze.
Kegelrobbenwelpen
Kegelrobbenwelpen kommen im Winter zur Welt. Das variiert je nach Lebensraum, in der Ostsee z. B. von Mitte Februar bis März. In England dagegen von September bis Oktober. Mit vier bis sieben Jahren erreichen sie ihre Geschlechtsreife. Nach gut 11 Monaten bringen die Weibchen jährlich ein Jungtier zur Welt, das sie bis zu drei Wochen lang säugen. Dank der sehr fettreichen Milch (ca. 50 %) nimmt das Kleine täglich bis zu 2 kg am Tag zu, während die Mutter bis zu einem Drittel ihres Körpergewichts verliert. Denn sie geht in dieser Zeit nicht auf die Jagd.
Im Gegensatz zum Seehund benötigen Kegelrobben hochwassergeschützte Wurfplätze. Zwar können die Jungtiere schwimmen. Doch kommen sie mit einem weißen, nicht wasserdichten, aber sehr warmen Fell (Lanugofell) auf die Welt. Dieses verlieren sie nach der Entwöhnung. Erst dann können sie das Land verlassen und beginnen, selbstständig zu jagen. Neugeborene können von Felsküsten abstürzen, bei Hochwasser ertrinken oder ihre Mutter verlieren.
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Welpen der Baltischen Kegelrobbe, die auf Meereis geboren werden, haben eine größere Überlebenschance als Welpen, die auf Land geboren wurden. Auf Eisschollen ist für Mütter und Jungtiere ein größeres Areal verfügbar. Dadurch sind die Welpen weniger Risiken durch andere Raubtiere, Menschen oder Infektionen ausgesetzt als in eng besetzten Robbenkolonien an Land. Die Ostsee-Kegelrobben könnten diesen Selektionsvorteil durch den von der Klimakatastrophe verursachten Rückgang des Meereises jedoch bald verlieren.
Kegelrobbenwelpen müssen nach der Entwöhnung eine längere Fastenzeit durchstehen. Das können mehrere Wochen sein. Währenddessen bleiben sie in der Regel am Ort ihrer Geburt und haben keinen Kontakt zu ihrer Mutter. Denn diese ist bereits weit draußen auf See, oft mehrere hundert Kilometer vom Aufzuchtort entfernt. Es ist nicht bekannt, dass die Mütter jemals wieder zu ihren Jungen zurückkehren. Nur gelegentlich begeben sich Kegelrobbenwelpen während der Fastenzeit an einen anderen Aufenthaltsort.
Verhalten
Rund 20 Prozent ihres Lebens verbringen Kegelrobben an Land mit Ruhen, Sonnen und Entspannen oder zur Paarung und Jungenaufzucht. Dann kann man die Meeresjäger auch richtig beobachten, z. B. im Winter auf der Helgoland vorgelagerten Insel „Robbenland“.
Wanderungen
Von gelegentlichen Streifzügen einzelner Jungtiere abgesehen, unternehmen Kegelrobben keine größeren Wanderungen. Wenn sie nicht an Land sind, treiben sie sich weit verstreut in ihrem Verbreitungsgebiet herum. An einem Tag können sie bis zu 100 Kilometer weit schwimmen.
Gefahren für Kegelrobben
Ausrottungskampagnen
Ihr guter Appetit machte sie bei Fischern nicht sonderlich beliebt. Um 1910 hatte man den gesamten Bestand des Wattenmeers ausgelöscht. Erst mit dem Jagdverbot in den 1970er-Jahren eroberte sich die Kegelrobbe allmählich diesen Lebensraum wieder zurück.
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Quotenjagd auf Ostsee-Kegelrobben
Im September 2024 erteilte Lettland erstmals die Genehmigung, dass Kegelrobben an der Küste des Landes von Fischern gejagt werden dürfen, berichtet das Online-Magazin Nordisch.info. Damit will man Schäden an Fanggeräten und das Plündern der Netze durch die großen Robben verringern. Die festgesetzte Quote liegt bei 60 Tieren. Die Jagdsaison dauert vom 1. September bis zum 31. Dezember.
Finnland (1.550 Tiere) und Schweden (1.500) erlauben bereits seit Längerem den jährlichen Abschuss von Kegelrobben (Quotenjagd). Jäger können die Robben in einem bestimmten Gebiet erschießen, auch ohne dafür eine Lizenz zu besitzen. Ziel ist die Entnahme von jüngeren Männchen.
Daten aus Schweden (39 %) und Finnland (47 %) zeigen jedoch einen hohen Anteil von erschossenen weiblichen Kegelrobben. Untersuchungen von 1008 zwischen 2003 und 2021 erlegten Kegelrobbenweibchen zeigten, dass 53 % der Tiere älter als 4 Jahre waren. Die Entnahme vermehrungsfähiger Weibchen ist bei sich langsam entwickelnden Großraubtieren wie Kegelrobben kritisch für das langfristige Überleben der Population.
Meeresverschmutzung
Die Kegelrobbe gehört zu den marinen Top-Prädatoren. Daher sammeln sich in ihrem Körper Giftstoffe aus Industrie und Landwirtschaft, wie Quecksilber, DDT oder PCB.
Fischerei
Erst das Jagdverbot, bessere Schutzmaßnahmen und die langsame Verbesserung der Umweltbedingungen in der Ostsee führten zu einer allmählichen Erholung der Population. Dies jedoch sorgte für Unmut unter Fischern. Denn die Raubtiere verursachen Schäden an Fang und Fischereigerät. Seit 2020 können Fischer aus Mecklenburg-Vorpommern allerdings Entschädigungszahlungen für Robbenschäden beantragen.
Kegelrobben sterben als Beifang in der Stell- und Schleppnetzfischerei, in Geisternetzen und durch Wilderei. Im Wattenmeer verheddern sich Kegelrobben in immer größerer Zahl in herumtreibendem Fischereigerät.
Seehundjäger
In Deutschland sind sogenannte Seehundjäger oder Wattenjagdaufseher (unzureichend ausgebildete Hobbyjäger mit Zusatzschulung) zuständig fürs Management verletzter, kranker oder verlassener Robben. „Management“ an der Nordseeküste bedeutet allerdings oft den Tod des Tieres. Denn die Jäger dürfen unkontrolliert und ohne weitere Rückfragen eine spontane Entscheidung über Leben und Tod treffen. Letzteres vollziehen sie mit einem Pistolenschuss in den Hinterkopf des Tieres.
Schutzstatus
Die Art gilt als nicht bedroht. Allerdings steht es nicht gut um die Ostsee-Kegelrobbe. Sie steht auf der Roten Liste mit der Gefährdungskategorie „stark gefährdet“. Gründe hierfür sind die geringe Anzahl an nachgewiesenen Geburten, der kleine Bestand sowie hohe Verluste durch Beifang in Reusen und Stellnetzen.
Die Atlantische Kegelrobbe (Halichoerus grypus atlanticus) in der Nordsee dagegen steht auf der Roten Liste mit der Gefährdungskategorie „gefährdet“. Langfristig wird für sie bei uns ein starker Rückgang erwartet. Kegelrobben sind nach dem Bundesnaturschutzgesetz und der FFH-Richtlinie streng geschützt. Auch nach der Helsinki-Konvention (HELCOM) unterliegt die Art einem besonderen Schutz.
Kegelrobbe in Not?
Wie verhalte ich mich richtig?
Neugeborene Robben werden nur kurz, dafür intensiv von ihren Müttern betreut. Bei der Geburt sind sie bereits relativ groß. Dann bekommen sie für kurze Zeit viel energiereiche Milch. Kegelrobbenwelpen werden bereits nach etwa 18 Tagen entwöhnt. Bei Seehunden dauert dies 10 Tage länger.
Jungtiere sind daher im Rahmen ihres normalen Lebenszyklus schon sehr früh unabhängig von ihren Müttern. Vor allem in den hochsensiblen Lebensphasen (Fortpflanzung, Fellwechsel) sollten die Tiere unbedingt ungestört bleiben. Andernfalls könnten sie von ihren Liegeplätzen vertrieben werden.
Beobachter sollen sich daher an fünf einfache Regeln halten:
- Versperren Sie den Tieren niemals den Fluchtweg ins Wasser.
- Halten Sie einen Mindestabstand von 100 Metern.
- Auf keinen Fall die Tiere berühren, füttern oder bewerfen.
- Halten Sie Ihren Hund unbedingt an der Leine!
- Stellen Sie sich niemals zwischen Mutter und Jungtier.
Empfehlungen des Deutschen Meeresmuseums
Wenn Sie auf ein verletztes oder geschwächtes, offensichtlich krankes Tier treffen, versuchen Sie keinesfalls, selbst Hilfe zu leisten! Halten Sie Abstand! Die Tiere beißen und das blitzschnell! Ein Biss ist äußerst schmerzhaft und heilt nur langsam. Informieren Sie umgehend eines der Nationalpark-Häuser und -Zentren, Feuerwehr, Wasserschutzpolizei, Gemeinde- oder Kurverwaltungen, den Amtsveterinär oder am besten direkt eine Robbenstation.
Tipp: Wenn ein Seehundjäger das Tier birgt, dokumentieren Sie dies. Wenn möglich, versuchen Sie seinen Namen in Erfahrung zu bringen. Informieren Sie die örtliche Polizei über den Vorfall.
- Carroll, D., Ahola, M. P., Carlsson, A. M., Sköld, M., & Harding, K. C. (2024). 120-years of ecological monitoring data shows that the risk of overhunting is increased by environmental degradation for an isolated marine mammal population: The Baltic grey seal. Journal of Animal Ecology, 00, 1–15. https://doi.org/10.1111/1365-2656.14065 ↩︎
Halten Sie unbedingt Ihren Hund von einer ruhenden Kegelrobbe fern!
Titelfoto: © A_Different_Perspective/pixabay
Robbenzentren in Deutschland
Robbenzentrum Föhr
Achtern Diek 5 – 25938 Wyk auf Föhr
Tel: 04681 – 57 03 54
Mobil: 01577 – 505 4219
24Std. Notruf: 0177 – 3300 077
www.robbenzentrum-foehr.de
Seehundstation Nationalpark-Haus in Norddeich
Dörper Weg 22 – 26506 Norden,
Tel.: 04931 – 8919
www.seehundstation-norddeich.de
Seehundstation Friedrichskoog
An der Seeschleuse 4 – 25718 Friedrichskoog
Tel: 048 54 – 13 72
www.seehundstation-friedrichskoog.de
Für die Ostsee:
Deutsches Meeresmuseum
Katharinenberg 14-20 – 18439 Stralsund
Tel.: 03831 – 2650 210
Sie können Sichtungen online melden oder per E-Mail: sichtungen[at]meeresmuseum.de
Bei Totfunden machen Sie bitte zusätzlich eine Meldung unter 03831 – 2650 3333, damit das Tier so schnell wie möglich abgeholt werden kann. Bei Lebendstrandungen melden Sie sich bitte außerdem unter 0173 – 9688 267 beim Kurator für Meeressäugetiere!