Kleiner Schwertwal

Der Kleine Schwertwal (Pseudorca crassidens), engl. False Killer Whale, Pseudorca oder False Pilot Whale, ist eine große, aktive und verspielte Delfinart, die unzureichend erforscht ist. Laut IUCN liegen für eine Einschätzung des Weltbestands nicht genügend Daten vor. Mehr als 60.000 Exemplare dürften es allerdings nicht sein. Ein Kleiner Schwertwal kann bis zu 6 m groß werden. Damit zählt Pseudorca crassidens zu den größten unter den Delfinartigen. Diese kräftigen Meeressäuger können bis in die Tiefsee und dort bis in mindestens 1.000 m tief abtauchen. Ihre Lebenserwartung soll bei etwa 60 Jahren liegen.

Systematik

Pseudorca crassidens gehören als Zahnwale (Odontoceti) zur Familie der Delfine (Delphinidae). Die Art ist der einzige Vertreter der Gattung Pseudorca. Trotz des eine Verwandtschaft zum Orca (Orcinus orca) herstellenden Namens ist die Art nicht mit dem Orca, sondern näher mit Grindwalen verwandt. Auch äußerlich besteht kaum Ähnlichkeit mit ihren Namensvettern.

Lebensraum und Verbreitung

Kleine Schwertwale kommen weltweit in tieferen, wärmeren Gewässern vor. Selten nur sieht man sie in tiefen Küstengewässern. Manchmal zieht es sie allerdings auch in kältere Gewässer bis nach Norwegen und Alaska.

Wie sieht ein Kleiner Schwertwal aus?

Sie haben einen schlanken, weitgehend schwarzen Körper. Auffällig sind kurze, schmale Flipper und die nach hinten gebogene Rückenfinne. Dennoch verwechselt man sie leicht mit den kleineren, aber fast gleich aussehenden Zwerggrindwalen und Breitschnabeldelfinen.
Foto: © NOAA/unsplash
Kleiner Schwertwal springt.

Wie groß ist ein Kleiner Schwertwal?

Mit bis zu 6 m Körperlänge sind sie um einiges größer als Große Tümmler, aber deutlich kleiner als Orcas. Dabei sind Weibchen mit etwa 5 m Länge kleiner. Männchen können etwa 2 t schwer sein, Weibchen erreichen nur etwa 1,2 t. Neugeborene wiegen etwa 80 kg und sind zwischen 1,5 und 2,1 m groß.

Wer sind ihre natürlichen Feinde?

Allerhöchstens große Haie und Orcas sind in der Lage, Jungtieren gefährlich zu werden.

Fortpflanzung und Entwicklung

Im Alter von 8 bis 14 Jahren beginnen Kleine Schwertwale mit der Vermehrung. Die Schwangerschaft soll ein Jahr dauern. Anschließend wird der Nachwuchs bis zu zwei Jahre lang gesäugt.

Ernährung

Wie viele andere Meeressäuger auch, sind Kleine Schwertwale gnadenlose Opportunisten. Die geschickten, kräftigen Jäger haben es hauptsächlich auf Fisch und Tintenfisch abgesehen. Dabei schrecken sie vor großer Beute wie Mahi Mahi oder kapitalen Thunfischen nicht zurück. Außerdem greifen auch kleinere Delfine, Schweinswale und Walkälber an. Sogar Attacken auf Pottwale sind bekannt. Manchmal „klauen“ sie Langleinenfischern ihre Beute.

Verhalten

Es handelt sich um sehr lebhafte, akrobatische Delfine. Gerne tummeln sie sich in Bugwellen von Booten. Zudem sind Kleine Schwertwale sehr gesellig. Sie schwimmen gerne eng zusammen im Verband. Da sie locker mit Großen Tümmlern mithalten, dürften sie mindestens 35 km/h schnell schwimmen können.

Ein Kleiner Schwertwal ist ein aggressiver Jäger. Üblicherweise sind sie in Gruppen von 10 bis 60 Individuen unterwegs. Diese wiederum gehören zu Superallianzen, die aus vielen Hundert Tieren bestehen. Ungewöhnlich ist, dass sie teilweise über Jahre stabile Jagdgemeinschaften mit Großen Tümmlern und Rauzahndelfinen bilden.

Kleiner Schwertwal iom Sprung.
© NOAA Photo Library – anim2620, CC BY 2.0

Wanderungen

Kleine Schwertwale sind Reisende ohne Ziel und ohne Heimat. Sie pflügen mit hohem Tempo durch die Ozeane, auf der Suche nach Beute, beschäftigt mit sozialem Austausch. Im Mittelmeer sind diese mächtigen Delfine allerdings seltene Gäste. Zwischen 1988 und 2013 gab es hier nur neun Sichtungen und acht Strandungen. Im Mai 2020 hielt sich eine Gruppe aus etwa fünfzehn Tieren, einschließlich Kälbern, vor der israelischen Küste auf. Eine Gruppe aus fünf Individuen und einem Kalb schwamm im Frühjahr 2021 bis in die Kvarner-Bucht in der nördlichen Adria.

Kleine Schwertwale in der Aegiis.

Im Januar 2020 wurde eine achtköpfige Gruppe Kleiner Schwertwale erstmals in der nördlichen Ägäis nahe der türkischen Küste gesichtet. Das war seit 25 Jahren auch die erste verlässliche Sichtung der Art in der gesamten Ägäis. © Uğur Özdemir

Gelegentlich schwimmen Kleine Schwertwale auch ins Rote Meer. Das außergewöhnliche Video zeigt eine sechsköpfige Schule, darunter 2 Jungtiere, vor Hurghada vom Herbst 2023. Ein herzliches Dankeschön an den Videospender!

Residente Populationen

Hawaii

In hawaiianischen Gewässern lebt eine kleine Population von etwa 500 Pseudorca crassidens. Sie hat die Inselgruppe zu ihrem ständigen Lebensraum auserkoren. Die Population ist durch Langleinenfischerei gefährdet und gilt seit 2012 im Rahmen des U.S. Endangered Species Act als gefährdet.

Nordaustralien

Im Januar 2023 veröffentlichten Forscher aus Australien und den USA eine Studie1, die zeigt, dass Pseudorca crassidens auch in den Küstengewässern vor Nordaustralien resident ist. Es könnten eine oder mehrere Populationen sein, die ständig hier leben. Wahrscheinlich haben sie keinen Kontakt zu ozeanischen Kleinen Schwertwalen.

Die meisten Tiere fand man dabei in Meeresschutzgebieten: Coburg Marine Park, Groote Archipelago Indigenous Protected Area (IPA), Yawuru Nagulagun Roebuck Bay Marine Park und im Lalang-Gaddam Marine Park. Genetische Analysen der Wissenschaftler zeigen, dass diese Tiere enger mit den vor Hawaii lebenden Kleinen Schwertwalen verwandt sind als mit allen bisher bekannten ozeanischen Offshore-Populationen.

Die beobachteten Gruppengrößen reichten von einzelnen Tieren bis zu einer Gruppe von 200 Tieren. In der Mehrzahl waren es allerdings 20 oder weniger.

  1. Palmer, C., K.K. Martien, H. Raudino, K.M. Robertson, A. Withers, E. Withers, R. Risk, D. Cooper, E. D’Cruz, E. Jungine, D. Barrow, N. Cuff, A. Lane, D. Keynes, K. Waples, A. Malpartida, and S. Banks. 2023. Evidence of resident coastal population(s) of false killer whales (Pseudorca crassidens) in northern Australian waters. Frontiers in Marine Sciencehttps://doi.org/10.3389/fmars.2022.1067660 ↩︎

Gefahren

In Indonesien und bei den Westindischen Inseln macht man gelegentlich Jagd auf Kleine Schwertwale. Einige sterben als Beifang in der Ringwaden– und der Langleinenfischerei. Auch für die spätere Haltung in Delfinarien wird die Art gejagt.

Meeresverschmutzung

Da der Kleine Schwertwal zu den marinen Top-Prädatoren gehört, akkumuliert er Schadstoffe wie PCB, DDT oder Quecksilber. Diese nehmen die Tiere mit ihrer Nahrung auf. Auf die Dauer führt dies zu Schädigungen des Immunsystems und zur Unfruchtbarkeit. Zusätzlich leiden Kleine Schwertwale – wie alle sich akustisch orientierenden Meerestiere – unter der zunehmenden Lärmverschmutzung der Ozeane. Dies ist vielleicht eine Erklärung, dass diese Art vergleichsweise stark anfällig für Massenstrandungen ist.

Strandungen

1947 strandeten bei einer der größten bislang dokumentierten Delfin-Massenstrandungen überhaupt in Mar del Plata (Argentinien) 835 Kleine Schwertwale und starben. Bei einer wesentlich kleineren Massenstrandung 1986 in Flinders Bay (Westaustralien) gelang es, 96 der 114 gestrandeten Tiere zu retten.

Ende Februar 2025 strandeten 157 Kleine Schwertwale, darunter auch Jungtiere, an einem Strand nahe dem Ort Arthur River in Tasmanien. Sie hatten keine Chance. Sämtliche Rettungsversuche schlugen wegen der unzugänglichen Lage des Strandes fehl. Daher entschieden die Verantwortlichen des Tasmania Parks and Wildlife Service (PWS), sie von ihrem Leid zu erlösen.

Schutzstatus Kleiner Schwertwal

Die Art gilt als nicht bedroht und ist auf der Roten Liste der IUCN als „potenziell gefährdet“ eingestuft. Wobei für eine genauere Bewertung nicht genügend Daten zur Verfügung stehen. Der Kleine Schwertwal steht auf CITES Anhang II (Washingtoner Artenschutzübereinkommen) und auf Anhang II des Übereinkommens zur Erhaltung der wandernden wild lebenden Tierarten (CMS).

Autor: Ulrich Karlowski

Titelfoto: Kleiner Schwertwal, © Juan Ortega, CC BY 3.0


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