10 Minuten
Die Lederschildkröte (Dermochelys coriacea) ist die größte aller Schildkröten. Zugleich sind sie die am weitesten verbreiteten und mit 35 km/h schnellsten Reptilien. Im Gegensatz zu allen anderen Meeresschildkröten haben Lederschildkröten keinen starren Knochenpanzer. Eine ledrige Haut schützt ihren aus einer dünnen Knorpelschicht mit eingelagerten Knochenplättchen gebildeten Panzer.
Die Meeresreptilien verfügen zudem über einen ungewöhnlich biegsamen Brustkorb. Ihr langer blauschwarzer Körper läuft nach hinten spitz zu. Somit sind sie bestens gerüstet für die extremen Tauchgänge, zu denen diese Lungenatmer in der Lage sind.
Außer an ihrer Größe erkennt man Lederschildkröten auch gut an sieben auf ihrem Rücken verlaufenden Längskielen und den zu sehr langen Paddeln umgebildeten Vorderextremitäten. Recht untypisch für Schildkröten ist zudem, dass sie keine Krallen haben.
Systematik
Lederschildkröten sind die einzigen Angehörigen der Familie Dermochelyidae. Es sind Meeresschildkröten, auch wenn sie systematisch nicht zu deren Familie (Cheloniidae) gehören. Hierzu wurde die Überfamilie Chelonioidea (Meeresschildkröten) gebildet.
Lebensraum und Verbreitung
Ihr Verbreitungsgebiet umfasst alle Weltmeere bis auf die Arktis und Antarktis. Da sie extrem tief tauchen können, zählt auch die Tiefsee zu ihrem Lebensraum. Lederschildkröten unternehmen weite Wanderungen von mehreren Tausend Kilometern. Meist schwimmen sie fernab von Küsten. Nur gelegentlich sieht man eine Lederschildkröte in Landnähe, wie in der kroatischen Adria.

Wie viele Lederschildkröten gibt es?
Auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN ist die Art als gefährdet mit rückläufiger Bestandsentwicklung gelistet. Einschätzungen zur Populationsgröße sind wegen fehlender Daten nicht möglich. Man muss allerdings davon ausgehen, dass die weltweite Population in den letzten drei Generationen um 40 Prozent zurückgegangen ist. So gab es in Malaysia 1953 noch etwa 10.000 Nester, seit 2003 nur noch ein bis zwei im Jahr. Damit ist die malaysische Lederschildkröten-Population im Grunde erloschen. Die Art steht auf Anhang I des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES), der höchsten Schutzstufe. Damit ist der internationale Handel mit lebenden Tieren oder Produkten von Lederschildkröten verboten.
Am stärksten vom Aussterben bedroht sind die Populationen im Pazifik. Dies liegt hauptsächlich an fehlenden Nistmöglichkeiten. So sank der Nisterfolg in den wichtigsten Gebieten in Mexiko und Costa Rica sowie isolierten Nistplätzen in Panama und Nicaragua in den letzten drei Generationen um über 90 Prozent. Auch in Indonesien gibt es dramatische Einbußen um über 80 Prozent.
Endothermie
Im Gegensatz zu allen anderen Meeresschildkröten-Arten kann die Lederschildkröte ihre Körpertemperatur selbständig regulieren (Endothermie). Dadurch können die Meeresreptilien kältere Gewässer gefahrlos durchschwimmen. Bei Lederschildkröten gibt es also kein cold stunning. Dafür können sie an Hitzschlag oder Überhitzung sterben, wenn sie sich zu lange in zu warmen Umgebungstemperaturen aufhalten.
Artensteckbrief Lederschildkröte
Das durchschnittliche Gewicht liegt bei etwa 500 kg. Besonders große Exemplare können allerdings über 900 kg schwer sein.
Experten gehen von einer Lebenserwartung von mindestens 50 Jahren aus. Genau weiß man das nicht.
Meist erreichen sie eine Körperlänge von 1,5 m bis 1,8 m. Manche Exemplare werden allerdings bis zu 2,5 m groß. Die größte dokumentierte Lederschildkröte war von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze fast 3,05 m lang (Sea Turtle Conservancy) und 916 kg schwer.
Mit ihren scharfkantigen Kiefern und deren spitzen, zahnähnlichen Höckern sind sie perfekt an das Erbeuten weicher und glibberiger Beutetiere wie Quallen und Salpen angepasst. Hiervon benötigen sie viele Kilogramm, um satt zu werden. Dabei verspeisen sie auch problemlos die bei Menschen gefürchteten, weil giftigen Portugiesischen Galeeren, eine Staatsquallenart.
Wie bei allen Meeresschildkrötenarten sind geschlüpfte und heranwachsende Jungtiere als Beute beliebt bei allem, was Zähne und Fangarme hat, sowie bei großen Seevögeln. Als Erwachsene haben sie praktisch keine Feinde.
Die exzellenten Schwimmer können über 1.300 m tief tauchen und dabei über 80 Minuten lang unter Wasser bleiben. Während der Tauchgänge machen die Meeresreptilien erst Strecke mit kräftigen Schlägen ihrer langen Vorderpaddel. Damit schaffen sie einen halben Meter pro Sekunde. Dann lassen sie ihre Lunge kollabieren, werden damit schwerer als das sie umgebende Wasser und können gemächlich in die Tiefe gleiten. Während des Tauchgangs greifen sie auf Sauerstoffvorräte in Blut und Muskeln zurück. Das Auftauchen allerdings ist recht mühsam.
Verhalten
Die Art ist nur unzureichend erforscht, sodass über das Leben der erwachsenen Tiere, insbesondere der ihr Leben lang im Meer bleibenden Männchen, nur wenig bekannt ist. Lederschildkröten wachsen am schnellsten von allen Meeresschildkröten. Jedoch weiß man nicht, wann sie die Geschlechtsreife erreichen. Schätzungen gehen weit auseinander und reichen von 9 bis 20 Jahren.
Die Paarung findet in den Weiten der Ozeane statt. Wie die Tiere dabei zueinanderfinden, ob Männchen um Weibchen kämpfen oder ob es bestimmte Paarungsgebiete gibt, das alles ist unbekannt.
Fortpflanzung
Alle 2 bis 4 Jahre kommen die Weibchen an Land. Auf Sandstränden graben sie große Nisthöhlen, in die sie 60 bis 90 Eier legen. Hierbei allerdings ist ein gutes Viertel zusätzlich produzierter Eier unfruchtbar. Nach etwas über 50 Tagen beginnen die Jungtiere zu schlüpfen.
Die Nistsaison variiert je nach Lebensraum. So dauert sie in den USA und der Karibik von März bis Juli, während in indonesischen Gewässern die Monate November bis Februar bevorzugt werden. Ein Weibchen kann dabei mehrere Nester anlegen. Im Gegensatz zu anderen Meeresschildkröten zeigt die Lederschildkröte keine ausgeprägte Standorttreue bei der Auswahl ihrer Niststrände und wechselt diese.

Wanderungen
Ein Teil der Tiere der westpazifischen Population schwimmt von den Niststränden in Indonesien über den gesamten Pazifik fast 11.300 km weit zu ihren Nahrungsgründen vor der US-Westküste. Sie benötigen dafür bis zu einem Jahr und bleiben dort etwa fünf Jahre. Dann schwimmen sie wieder zurück. Diese langen Rundreisen unternehmen sie mehrfach in ihrem Leben.

Während die riesigen Meeresschildkröten vor der US-Küste und an einigen Niststränden in Indonesien gut geschützt sind, erleidet die westpazifische Population während ihrer Wanderungen auf der Hochsee schreckliche Verluste. Hauptsächlich durch die Fischerei.
Gefahren für Lederschildkröten
Die großen Reptilien sehen sich heute mit einer Mischung unterschiedlichster Gefahren konfrontiert, denen sie nur schwer standhalten können.
Fischerei
Hauptbedrohung für die Lungenatmer ist das Verheddern und Ertrinken in Fischereigerät sowie beköderte Langleinen-Haken.
Plünderung der Nester und Wilderei
An vielen Niststränden wurden in der Vergangenheit Lederschildkröten wegen ihres Fleisches getötet und ihre Eier zum Verzehr gesammelt. Die Lage hat sich dank der Unterschutzstellung der Art in vielen Ländern und aktiver Schutzprogramme mittlerweile etwas entspannt.
Verlust und Zerstörung der Niststrände
Durch Baumaßnahmen an Stränden und deren intensive touristische Nutzung sowie steigende Meeresspiegel sind viele Niststrände für die Art verloren gegangen. Künstliche Beleuchtung an und in der Nähe von Niststränden bereitet Jungtieren nach dem Schlupf große Probleme, das Meer zu finden. Denn sie orientieren sich dabei nach dem hellsten für sie sichtbaren Horizont.
Schiffskollisionen
Wie andere Meeresschildkrötenarten auch, sterben viele Lederschildkröten bei Kollisionen mit Booten oder Schiffen, wenn sie sich an der Wasseroberfläche aufhalten.
Meeresverschmutzung/Meeresmüll
2019 sind nach Informationen des Forschungs- und Rehabilitationszentrum für Meeresschildkröten in La Rochelle 68 Lederschildkröten an der französischen Atlantikküste angespült worden. In 50 % der Fälle hatten die Tiere Plastikmüll im Verdauungstrakt. Die zunehmende Verschmutzung küstennaher Lebensräume bedroht alle Meeresschildkröten und beeinträchtigt ihre Lebensräume. Zusätzlich laufen sie Gefahr, herumtreibenden Plastikmüll mit Beute (Quallen) zu verwechseln.

Tote Lederschildkröte im Kariner Meer (Kroatien). Sie hatte Plastiktüten als vermeintliche Beute verschluckt. Diese verstopften den Verdauungstrakt, sodass sie schließlich starb. Foto: Martina Duras
Im Magen toter Tiere finden sich z. B. Angelschnüre, Ballons, Plastiktüten, Teer und anderer Müll. Auch das Verheddern in herumtreibenden Müllansammlungen ist für die Tiere gefährlich.
Klimakrise
Meeresschildkröten stehen unter starkem Klimastress. Höhere Temperaturen verändern die Strandmorphologie und führen zu höheren Temperaturen des Sandes. Das kann zum Absterben der Eier führen oder dass nur noch Weibchen zur Welt kommen. Denn die Geschlechterzuordnung steuert sich bei Reptilien über die Temperatur, mit der die Eier ausgebrütet werden. Einen Vorteil gibt es dabei allerdings für die größten Schildkröten: Wärmere Meere begünstigen Quallenplagen.
Wie Sie im Urlaub Meeresschildkröten helfen können ↗
Empfehlungen der Fischereiabteilung der Wetter- und Ozeanografiebehörde der Vereinigten Staaten (NOAA Fisheries).
Titelfoto: Ranger vom Sipora-Projekt mit einer Lederschildkröte nach der Eiablage. © Turtle Foundation
Foto Lederschildkröten-Schlüpflinge am Strand: © Turtle Foundation
Meeresschildkröten in Not

Helfen Sie mit, Meeresschildkröten zu retten!
Artenliste
Weitere Informationen
- Nomaden der Ozeane – Buch von Frauke Bagusche
- Meeresschildkröten in der Adria
- Todesfalle Corona-Einwegplastik
- Beifänge in der Langleinenfischerei