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Mittelmeer-Mönchsrobben (Monachus monachus) gehören zu den am stärksten vom Aussterben bedrohten Meeressäugetieren Europas. Man nennt die Art auch Lobo de Mar oder Meerwolf. Es gibt nur noch rund 700 Individuen, davon geschätzt 350 bis 450 erwachsene Tiere. Der Lebensraum der Art ist stark fragmentiert. Außerhalb des Mittelmeers leben kleinere Subpopulationen an den Küsten der Westsahara, Mauretaniens und bei der Inselgruppe Madeira. Gemeinsam mit ihrer nächsten Verwandten, der Hawaii- oder Laysan-Mönchsrobbe (Neomonachus schauinslandi) gehören diese großen Hundsrobben zu den seltensten Flossenfüßern (Pinnipedia). Sporadische Vorkommen und Sichtungen sind auch aus Albanien, Kroatien, Ägypten, Libanon, Israel, Spanien und Syrien bekannt. Im Mai 2023 sorgte Yulia, eine reiselustige Mönchsrobbe aus der Türkei, für große Aufmerksamkeit und Begeisterung in Israel.
Inhaltsverzeichnis
Wo leben Mittelmeer-Mönchsrobben?
Vom einstigen Verbreitungsgebiet der Mittelmeer-Mönchsrobbe ist nicht mehr viel übrig. Einst lebte Monachus monachus im Schwarzen Meer, verteilt über das gesamte Mittelmeer, im Atlantik vor Portugal bis zu den Azoren, Madeira und den Kanaren bis hinunter nach Senegal. Heute sind ihre Bestände auf kleine und voneinander isolierte Reste geschrumpft. Die größte Population ist rund 400 Individuen stark. Sie lebt in griechischen Gewässern. Der in türkischen Küstengewässern lebende Bestand wird auf 100 Individuen geschätzt, die sich auf drei Kolonien verteilen.
Auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tierarten der IUCN ist die Mittelmeer-Mönchsrobbe als gefährdet eingestuft (Stand Juni 2023). Über ihre Biologie weiß man wenig. Das Leben von Lobo de Mar ist geheimnisvoll. Und könnte es auch für immer bleiben, denn heute geht es um die letzten Überlebenden der Art.
Artensteckbrief Mittelmeer-Mönchsrobbe
Nein!
Wie bei Kegelrobben sind die Weibchen etwas kleiner als die Männchen. Ihr kurzes Fell ist schattiert, kann dunkel, braun oder grau sein. Meist ist die Bauchseite heller und hat einen großen weißen Fleck. Hauptcharakteristika sind, wie bei allen Hundsrobben, die breite, hochgestellte Hinterflosse sowie der jährliche Fellwechsel.
Mit bis zu 300 kg Körpergewicht und 2,8 m Länge ist der Meerwolf ähnlich schwer und groß wie unsere heimische Kegelrobbe und die größere der beiden Mönchsrobbenarten.
Typisch für Robben steht als Lieblingsspeise bei Monachus monachus Fisch ganz oben auf der Speisekarte. Daneben jagen sie auch Tintenfische und Krebse. Meerwölfe jagen allein und überwiegend nachts.
Als maximale Tauchtiefe können sie 200 m erreichen und dabei etwa 15 Minuten lang unter Wasser bleiben.
Verhalten
Viel ist nicht bekannt. Meistens verstecken sie sich tagsüber vor Menschen in geschützten Höhlen oder auf abgelegenen Stränden. Es sind standorttreue Säugetiere. Ihnen vertraute Küstenabschnitte verlassen sie nur selten. Jungtiere dagegen erkunden gerne entlegenere Gebiete. Die Lebenserwartung liegt wahrscheinlich bei bis zu 30 Jahren.
Nächster noch lebender Verwandter ist die Hawaii-Mönchsrobbe (Neomonachus schauinslandi). Foto: Rosel Eckstein by pixelio.de
Vermehrung
Jungtiere können das ganze Jahr über zur Welt kommen. Doch die meisten erblicken im September und Oktober nach einer Tragzeit von neun bis elf Monaten das Licht der Welt. Zur Geburt der etwa ein Meter großen Welpen suchen die Weibchen einen geschützten Platz. Oft ist dies eine Höhle, die nur tauchend erreicht werden kann. Erst nach zwei bis sechs Wochen an Land gehen die Jungtiere ins Wasser und bleiben dann bis zu drei Jahre lang bei ihrer Mutter.
Gefahren
Gnadenlose Jagd auf Lobo de Mar
Früher waren die großen Robben begehrt – wegen ihres Fleisches. Ihr Fett nutzte man als Lampenbrennstoff. Das Fell verarbeitete man zu Pelzmänteln. Robbenschicksal. Bereits im 15. Jahrhundert sollen Portugiesen schätzungsweise 5.000 Mittelmeer-Mönchsrobben erlegt haben.
Tourismus
Heute ist es weniger die Jagd, die die scheu gewordenen Meeressäuger bedroht. Vielmehr werden sie in ihren Lebensräumen durch ausufernden Tourismus gestört. Denn geschützte Strände und Wurf- und Ruhehöhlen sind im Mare Nostrum mittlerweile eine Rarität. Heute dringen Sporttaucher, Touristen und Fischer bis in die abgelegensten Bereiche vor. Das gefährdet die Aufzucht der Jungen, nimmt den Tieren ihre wichtigen Ruheplätze. Trifft man auf eine Mönchsrobbe an Land, ist es ratsam, sich vorsichtig zurückzuziehen.
Fischerei und Meeresverschmutzung
Weitere Bestandsverluste erleiden die Meerwölfe auch als unabsichtlicher Fang in aktiven Fischernetzen und in Geisternetzen. Nahrungsmangel, Meeresverschmutzung, Krankheiten und Vergiftungen setzen ihnen zusätzlich zu.
Perspektiven für Mittelmeer-Mönchsrobben
Israel
Im Mai 2023 tauchte die wenig menschenscheue Mönchsrobbe Yulia an einem Strand in der Nähe bei Jaffa südlich von Tel Aviv auf. Sie stammt aus der türkischen Mönchsrobben-Population und blieb zum Fellwechsel eine Weile an verschiedenen Plätzen an der Küste Israels. Ihre Ankunft befeuerte die Pläne der Meeresschutzorganisation Delphis, Monachus monachus zurück nach Israel zu bringen. Denn nach 50 Jahren Abwesenheit gab es seit 2010 immer wieder Sichtungen an der israelischen Küste. Doch die Tiere blieben nie lang, bis auf Yulia.
Wir unterstützen Delphis seit August 2023 bei ihrem Projekt „Schaffung von Lebensräumen für die Rückkehr von Mittelmeer-Mönchsrobben an die Küste Israels“. Ziel ist es, eingestürzte oder teil-zerstörte Höhlen, die gute Mönchsrobben-Höhlen sein könnten, wiederherzustellen. So sollen die seltenen Meeressäuger langfristig wieder an der israelischen Mittelmeerküste heimisch werden.
Inselgruppe Madeira
Die zu Portugal gehörende Inselgruppe Madeira liegt etwa 800 km südwestlich des europäischen Kontinents und 700 km westlich der afrikanischen Küste. Das Madeira-Archipel besteht aus zwei bewohnten Inseln: Madeira und Porto Santo sowie den kleinen unbewohnten und unter Naturschutz stehenden Desertas-Inseln (18 km südöstlich der Hauptinsel Madeira) und den Selvagens-Inseln (fast 300 km südlich von Madeira).
Mittelmeer-Mönchsrobben nutzen hauptsächlich die Gewässer und Küstenhöhlen um die Desertas-Inseln und die Hauptinsel Madeira. Ihr Bestand hat sich seit 2013 von 19 auf 27 Exemplare im Jahr 2021 erhöht. Dies ist ein Erfolg der 1988 begonnenen Schutzmaßnahmen. Trotzdem ist die kleine und isolierte Population des Madeira-Archipels stark gefährdet. Sie ist außerdem isoliert. Die nächsten Meerwölfe leben auf der Cabo-Blanco-Halbinsel in Mauretanien. Mehr als 1.000 km entfernt. Noch weiter weg leben die Mönchsrobben im Mittelmeer. Bisher konnten keine Nachweise dafür gefunden werden, dass Madeira-Mönchsrobben Kontakt zu einer der anderen Populationen haben.
Die Gewässer rund um Madeira sind nicht so fischreich wie die mauretanischen Küstengewässer. Deshalb vermehren sie sich langsam. Erst mit 6 Jahren gebären die Weibchen auf Madeira. Mönchsrobben-Weibchen der Cabo Blanco Population dagegen bekommen viel früher im Alter von 3 Jahren Nachwuchs.
Ein internationales Forscherteam aus Portugal, Spanien und den USA veröffentlichte zu diesem Thema im Jahr 2023 eine Studie. Das Team führte die erste Bestandserfassung1 der Madeira-Mönchsrobben durch. Die Forscher erwarten nicht, dass es im Madeira-Archipel jemals besonders viele Meerwölfe geben wird.
Kroatien
In kroatischen Territorialgewässern gilt Monachus monachus als lokal ausgestorben. Jedoch gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Sichtungen vereinzelter Mönchsrobben. Wie im Oktober 2021 als ein Lobo de Mar vor der Insel Pag schwamm. Später tauchten sogar zwei Tiere vor Pula in Istrien auf. Man nimmt an, dass einzelne abenteuerlustige Jungtiere aus der griechischen Population bis in die kroatische Adria schwimmen.
Kanarische Inseln
Der Plan, 36 mauretanische Mönchsrobben im Naturpark Jandía auf Fuerteventura anzusiedeln, stimmt zunächst optimistisch. Denn einst lebte Lobo de Mar in großer Zahl auch in den Gewässern der Kanarischen Inseln. Allerdings stößt der Plan bei den Fischern der Kanaren auf heftigen Widerstand. Deshalb konnte er bislang nicht umgesetzt werden.
- Pires R, Aparicio F, Baker JD, Pereira S and others (2023) First demographic parameter estimates for the Mediterranean monk seal population at Madeira, Portugal. Endang Species Res 51:269-283. https://doi.org/10.3354/esr01260 ↩︎
Titelfoto: Jürgen und Edith Fleissner