Riesenhai – zweitgrößter Fisch der Ozeane

Wer nur die Flossen aus dem Wasser ragen sieht, mag zunächst an einen „gefährlichen“ Hai denken. Doch ein Riesenhai (Cetorhinus maximus) könnte harmloser nicht sein: Er gehört neben Wal- und Riesenmaulhai (Megachasma pelagios) zu den drei Filtrierern unter den Haien und ist die zweitgrößte Fischart. Riesenhaie (engl. basking shark) sind bis zu 12 m lang. Im Durchschnitt sind es etwa 10 m. Ihr Gewicht liegt zwischen 4,5 t und 5 t. Ihre Lebenserwartung wird auf mehr als 50 Jahre geschätzt. Man findet sie weltweit in kühl gemäßigten bis tropischen Gewässern. Oft, aber nicht ausschließlich, halten sie sich küstennah auf. Weltweit gilt der Riesenhai gemäß der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN als stark gefährdet.

Systematik

Cetorhinus maximus ist die einzige Art aus der Familie Cetorhinus, ebenso wie Wal- und Riesenmaulhai jeweils die einzigen Vertreter ihrer unterschiedlichen Familien sind. Riesenhaie gehören wie Riesenmaulhaie und Weiße Haie zur Ordnung der Makrelenhaiartigen (Lamniformes). Während der Walhai zu den Ammenhaiartigen (Orectolobiformes) zählt.

Riesenhai: Nomen est omen

„Riesenhai“ und sein wissenschaftlicher – wenngleich nicht gänzlich korrekter Beiname maximus – erklären sich von selbst. Im Englischen heißt er basking shark, wörtlich „sich sonnender Hai“, weil er beim gemütlichen oberflächennahen Cruisen zur Nahrungsaufnahme aussieht, als sonne er sich.

Riesenhai direkt unter der Wasseroberfläche
© U. Karlowski/DSM

Auf Französisch ist er der „Pilgerhai“, requin pèlerin. Das soll entweder zurückgehen auf die langen Wanderungen oder darauf, dass die Kopfform an eine Pilgerkapuze erinnert.

Wie sieht ein Riesenhai aus?

Sie besitzen ein spitzes Maul, an dem sie leicht zu erkennen sind. Ihre riesigen Kiemen verlaufen fast vollständig um den Kopf. Ihr Körper ist breit und stämmig. Sie besitzen eine große, etwa mittig befindliche Rückenflosse und eine zweite, kleinere in der Nähe der Schwanzflosse sowie breite Brustflossen, zwei Bauchflossen und eine Analflosse. Ihre Färbung variiert von schwärzlich bis graubraun, grau oder blaugrau auf Ober- und Unterseite. Die Unterseite ist gewöhnlich heller. An den Flanken finden sich vereinzelt hellere Streifen oder Flecken.

Ist der Riesenhai für Menschen gefährlich?

Cetorhinus maximus ist zwar von beeindruckender Größe, für Menschen aber vollkommen ungefährlich. Er ist ein friedlicher Zeitgenosse, dessen Beutespektrum ausschließlich Kleinstlebewesen umfasst.

Wie hoch ist der Bestand?

Angaben zum weltweiten Bestand liegen nicht vor. Zwischen 1946 und 1997 sollen im Nordostatlantik mehr als 100.000 erwachsene und zumeist weibliche Riesenhaie in der Fischerei getötet worden sein. Heute soll es nicht mehr als 10.000 Individuen geben.

In Britisch-Kolumbien (kanadische Pazifikküste) wurde der Riesenhai in den 1950er und frühen 1960er Jahren wegen eines Konflikts mit Fischern fast ausgerottet. Da sich die Haie beim oberflächennahen Abschöpfen nach Beute oft in den Lachsnetzen verhedderten und diese dabei zerstörten, ergriff die Fischereibehörde Maßnahmen zur „Schädlingsbekämpfung“. Der Bug ihres Schiffs Comox Post wurde mit einer Riesenklinge ausgestattet. Die senkte man bei Bedarf ab, rammte damit den Hai und teilte ihn so entzwei. Auf dem Höhepunkt dieser perfiden Dezimierung wurden am Tag 34 Riesenhaie getötet.

Wo leben Riesenhaie?

Die Art ist weltweit in kühl gemäßigten bis tropischen Gewässern verbreitet. Oft, aber nicht ausschließlich, halten sie sich küstennah auf.

Mittelmeer und nördliche Adria

Im Mittelmeer werden sie häufig gesichtet, hauptsächlich im Frühjahr im Nordwesten. Bei Sardinien sind sie saisonal regelmäßige Besucher.

Die gewaltigen Haie schwimmen sogar bis in die nördliche Adria, meist im Frühjahr und Sommer in die Kvarner Bucht oder auch in den Golf von Triest. Hauptgrund für ihr Auftauchen dürfte ihre favorisierte Beute sein, die Ruderfußkrebsart Calanus helgolandicus.

Die jüngste Sichtung machte ein Fischer Mitte April 2025 bei Brestova in der Kvarner Bucht. Und auch im Dezember 2024 hatte es einen Riesenhai in die Kvarner Bucht bei Medveja verschlagen. Im März 2024 wurde ein etwa 8 m großer Riesenhai im Golf von Triest gesichtet.

Nord- und Ostsee

In der Nordsee trifft man sie nur gelegentlich an. Etwa im September 2019 rund 240 km westlich vom dänischen Esbjerg. Im Februar 2016 wurde einer bei der Doggerbank gesichtet, im Juni 2016 am Sylter Außenriff. Eine Verbreitung bis in die westliche Ostsee ist nur aus Museumssammlungen und historischer Literatur bekannt, laut einer Studie des BfN aus dem Jahr 2017. Unter Umständen kann man ihnen aber im Skagerrak und Kattegat begegnen.

In britischen Gewässern sind sie zwischen Mai und Oktober häufige Gäste.

Ernährung

Der Riesenhai ist ein Planktonfresser. Favorit auf dem Speiseplan sind die bis zu knapp 3 mm großen Krebstierchen der Art Calanus helgolandicus.

Riesenhai mit gehöffentem Maul
© David Mark/Pixabay

Mit weit aufgesperrtem Maul schwimmen sie durchs oberflächennahe Wasser und seihen die Beute durch ihre Kiemenreusen. Riesenhaie sind passive Filtrierer. Sie lassen Wasser einströmen, anstatt es anzusaugen.

Pro Stunde können sie auf diese Weise 1,5 Millionen Liter Wasser durchseihen. Ihre Kiemenreusen werfen sie regelmäßig ab. Anschließend erneuern sich diese.

Riesenhaie sind partiell warmblütig

Forscher des Trinity College aus Dublin1, Irland, fanden 2023 heraus, dass der Riesenhai eine partiell warmblütige Fischart ist. Das überrascht. Denn bisher war die Fähigkeit, dass Fische ihre Körpertemperatur, über der des umgebenden Wassers halten können, ausschließlich von flinken Räubern wie Roten Thunfischen, Weißen Haien, Makohaien oder Bogenstirn-Hammerhaien bekannt. Hier ergibt es Sinn. Eine partielle Warmblütigkeit ermöglicht es den Raubfischen, auch bei kalten Wassertemperaturen mit hoher Geschwindigkeit zu schwimmen und zu jagen. Doch wozu benötigt ein gemütlicher Planktonfresser diese Fähigkeit?

Die Forscher vermuten, dass es den Riesenfischen dadurch möglich ist, auch in kalten Gewässern als Filtrierer zu überleben. Denn sie müssen bei der Nahrungsaufnahme immerhin einen andauernden Wasserwiderstand von durchschnittlich 0,9 Metern pro Sekunde überwinden. Da hilft es, wenn man, unabhängig von der Wassertemperatur, jederzeit gut vorankommen kann.

In Zeiten der Klimakrise mit steigenden Meerestemperaturen könnte die partielle Warmblütigkeit Riesenhaie heute allerdings auch vor Probleme stellen und neue Fragen für ihren Schutz aufwerfen. Denn um die Körpertemperatur über die Umgebungstemperatur anzuheben, wird viel Nahrung benötigt. Das könnte Riesenhaien jetzt zu schaffen machen.

Wissenschaftler entdecken, dass Riesenhaie partiell warmblütig sind

Fortpflanzung

Über die Fortpflanzung weiß man bislang nur wenig. Die Art vermehrt sich vivipar lebendgebärend. Bislang gibt es nur einen dokumentierten Wurf mit 6 kurz vor der Geburt stehenden Jungen. Die Tragzeit wird auf 12 bis 16 Monate geschätzt.

Verhalten

Der Riesenhai ist ein Langstreckenwanderer. Die Tiere legen Tausende Kilometer über die Weltmeere zurück und wechseln auch von der Nord- auf die Südhalbkugel und umgekehrt. In tropischen Gewässern schwimmen sie in den tieferen, kälteren Wasserschichten. Sie tauchen bis zu 1264 m tief.

Riesenhai-Ansammlungen

Oft sieht man größere Riesenhai-Ansammlungen beim gemeinsamen Fressen, mitunter mehr als 100 Tiere. Vor Kalifornien beobachteten Forscher sogar Ansammlungen mit knapp 1.400 Tieren.

Forscher entdeckten, dass diese riesigen Fische in der Adria ein ähnliches Verhalten wie ihre Artgenossen in südenglischen Gewässern aufweisen. Von März bis Mai verbringen demnach größere Exemplare ihre Zeit an der Oberfläche und verschwinden danach wieder in tiefere Gewässer. Im Zeitraum Juni–Juli verweilen dann im selben Gebiet kleinere, juvenile Haie an der Oberfläche.

Die normalerweise gemächlichen Schwimmer sind in der Lage, erstaunlich schnelle Sprints hinzulegen und sogar Luftsprünge zu vollführen. Dabei können sie es in Bezug auf Schnelligkeit und Höhe mit Weißen Haien aufnehmen, wie Forscher um Emmett M. Johnston herausfanden. So beschleunigten sie vertikal mit 5,1 m/sec und sprangen 1,20 m hoch aus dem Wasser.

Gefahren

Außer dem Menschen hat der Riesenhai keine Feinde.

Fischerei

Die großen und eher langsam schwimmenden Haie können leicht in Schleppnetze, besonders die von Supertrawlern gezogenen Riesennetze, geraten. Andere verheddern sich in herumtreibendem Fischereigerät und Befestigungsleinen. So strandete am 30. Juni 2024 an der schottischen Westküste nahe der Ortschaft Maidens ein 7 m großer Riesenhai. Das Tier hatte sich offenbar in einem Seil verheddert.

Jagd

Leider werden sie aber in manchen Teilen der Welt noch immer bejagt: zum einen wegen ihres Fleisches und Öls. Zum anderen sind ihre Flossen in Asien in der traditionellen chinesischen Medizin oder auch als Aphrodisiakum begehrt. So kann eine Brustflosse sage und schreibe 45.000 € bringen, wie der Haiforscher Andrej Gajić berichtet.

Früher wurde der Riesenhai auch in Europa gejagt, hauptsächlich wegen des Lebertrans, denn seine Leber kann bis zu einem Viertel des Gesamtgewichts ausmachen! Haitran diente damals ähnlich wie der Tran von Walen als Brennstoff für Lampen, später als Schmieröl, und fand dann sogar in Kosmetik Verwendung.

Mikroplastik

Als Filtrierer sind Riesenhaie zudem einer großen Belastung durch Mikroplastik ausgesetzt. Sie nehmen bei der Nahrungsaufnahme Unmengen von Wasser auf, aus dem sie sich ihre Beutetierchen herausseihen. Auf diese Weise verschlucken sie auch jede Menge der synthetischen Partikel.

Verhaltenstipps

Bei einer Begegnung sollte ein Abstand von 100 m eingehalten und der Motor ausgeschaltet werden, empfiehlt Haiexperte Andrej Gajić im Nachrichtenportal Morski.hr. Außerdem soll man nur ohne Blitz fotografieren.

Ihre Mithilfe ist gefragt

Sie haben einen Riesenhai gesichtet? Dann teilen Sie uns Ihre Sichtung mit oder melden Sie sie mit diesem Formular direkt bei der Organisation Shark Trust. Ihre Angaben ermöglichen Forschern Einblicke in Verhalten und Biologie dieser bislang nur wenig erforschten sanften Riesen.

Auch über Fotos freuen wir uns!

Sichtungskarte: Map Basking Shark Sightings around the UK and Ireland since 2003 by Shark Trust
Auf dieser (nicht vollständigen) Karte sehen sie einige Sichtungsorte. © Shark Trust

Ähnlich wie Delfine können auch Riesenhaie anhand ihrer Rückenflosse identifiziert werden. Auf diese Weise sind einzelne Tiere wiederzuerkennen. Die sogenannte Foto-ID ermöglicht Forschern Rückschlüsse auf das Leben der Haie in ihrem natürlichen Lebensraum.

  1. Trinity College Dublin, Regionally endothermic traits in planktivorous basking sharks Cetorhinus maximus ↩︎

Autorin: Ulrike Kirsch

Titelfoto: © Lars von Ritter Zahony/Ocean Image Bank


Weiterführende Informationen