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Wer nur die Flossen aus dem Wasser ragen sieht, mag zunächst an einen „gefährlichen“ Hai denken. Doch ein Riesenhai (Cetorhinus maximus) könnte harmloser nicht sein: Er gehört neben Wal- und Riesenmaulhai (Megachasma pelagios) zu den drei Filtrierern unter den Haien. Mit bis zu 12 m Länge ist der Riesenhai (engl. basking shark) nach dem Walhai (Rhincodon typus) die zweitgrößte Fischart.
Systematik
Cetorhinus maximus ist die einzige Art aus der Familie Cetorhinus, ebenso wie Wal- und Riesenmaulhai jeweils die einzigen Vertreter ihrer unterschiedlichen Familien sind.
Riesenhaie gehören wie Riesenmaulhaie und Weiße Haie zur Ordnung der Makrelenhaiartigen (Lamniformes). Während der Walhai zu den Ammenhaiartigen (Orectolobiformes) zählt.
Nomen est omen
„Riesenhai“ und sein wissenschaftlicher – wenngleich nicht völlig korrekter Beiname maximus – erklären sich von selbst. Im Englischen heißt er basking shark, wörtlich „sich sonnender Hai“, weil er beim gemütlichen oberflächennahen Cruisen zur Nahrungsaufnahme aussieht, als sonne er sich.
Auf Französisch ist er der „Pilgerhai“, requin pèlerin. Das soll entweder zurückgehen auf die langen Wanderungen oder weil die Kopfform an eine Pilgerkapuze erinnert.

Charakteristisch für den Riesenhai ist sein spitzes Maul – Foto: U. Karlowski/DSM
Wie hoch ist der Bestand?
Angaben zum weltweiten Bestand liegen nicht vor. Zwischen 1946 und 1997 sollen im Nordostatlantik mehr als 100.000 erwachsene und zumeist weibliche Riesenhaie in der Fischerei getötet worden sein. Heute soll es nicht mehr als 10.000 Individuen geben.
In Britisch-Kolumbien (kanadische Pazifikküste) wurde der Riesenhai in den 1950er- und frühen 1960er-Jahren wegen eines Konflikts mit Fischern fast ausgerottet. Da sich die Haie beim oberflächennahen Abschöpfen nach Beute oft in den Lachsnetzen verhedderten und diese dabei zerstörten, ergriff die Fischereibehörde Maßnahmen zur „Schädlingsbekämpfung“. Der Bug ihres Schiffs Comox Post wurde mit einer Riesenklinge ausgestattet. Die senkte man bei Bedarf ab, rammte damit den Hai und teilte ihn so entzwei. Auf dem Höhepunkt dieser perfiden Dezimierung wurden am Tag 34 Riesenhaie getötet.
Artensteckbrief Riesenhai
Sie besitzen ein spitzes Maul, an dem sie leicht zu erkennen sind. Ihre riesigen Kiemen verlaufen fast vollständig um den Kopf. Ihr Körper ist breit und stämmig. Sie besitzen eine große etwa mittig befindliche Rückenflosse und eine zweite kleinere in Nähe der Schwanzflosse sowie breite Brustflossen, zwei Bauchflossen und eine Analflosse. Ihre Färbung variiert von schwärzlich bis graubraun, grau oder blaugrau auf Ober- und Unterseite. Die Unterseite ist gewöhnlich heller. An den Flanken finden sich vereinzelt hellere Streifen oder Flecken.
Foto: NOAA/Corey Accardo
Man findet sie weltweit in kühlgemäßigten bis tropischen Gewässern. Oft, aber nicht ausschließlich, halten sie sich küstennah auf.
Riesenhaie sind bis zu 12 m lang. Im Durchschnitt sind es etwa 10 m. Ihr Gewicht liegt zwischen von 4,5 t und 5 t.
Cetorhinus maximus ist zwar von beeindruckender Größe, für Menschen aber völlig ungefährlich. Er ist ein friedlicher Zeitgenosse, dessen Beutespektrum ausschließlich Kleinstlebewesen umfasst.
Ihre Lebenserwartung wird auf mehr als 50 Jahre geschätzt.
Ernährung
Der Riesenhai ist ein Planktonfresser. Favorit auf dem Speiseplan sind die bis zu knapp 3 mm großen Krebstierchen der Art Calanus helgolandicus. Mit weit aufgesperrtem Maul schwimmen sie durchs oberflächennahe Wasser und seihen die Beute durch ihre Kiemenreusen. Riesenhaie sind passive Filtrierer. Sie lassen Wasser einströmen, anstatt es anzusaugen. Pro Stunde können sie auf diese Weise 1,5 Millionen Liter Wasser durchseihen. Ihre Kiemenreusen werfen sie regelmäßig ab. Anschließend erneuern sich diese.
Fortpflanzung
Über die Fortpflanzung weiß man bislang nur wenig. Die Art vermehrt sich ovovivipar. Das ist eine Form des Lebendgebärens, bei dem lebende Junge geboren werden, die zuvor aus einem Ei mit Schale im Körper der Haimutter geschlüpft sind. Bislang gibt es nur einen dokumentierten Wurf mit 6 kurz vor der Geburt stehenden Jungen. Die Tragzeit wird auf 12 bis 16 Monate geschätzt.
Riesenhaie in der Adria
Im Mittelmeer werden sie häufig gesichtet, vor allem im Frühjahr im Nordwesten. Bei Sardinien sind sie saisonal regelmäßige Besucher. Und sie schwimmen sogar bis in die nördliche Adria. Im Mai 2017 beobachtete nach Informationen der kroatischen Naturschutzbehörde HAOP ein Fährangestellter auf der Strecke von Prizna zur Insel Pag ein etwa 5 m großes Jungtier. Von 2010 bis 2015 wurden in der Adria neun Riesenhaie dokumentiert, darunter fünf Lebendsichtungen und vier Beifangopfer. Denn häufig verheddern sich die riesigen Fische in Netzen, insbesondere Stellnetzen.
Im März 2019 ging istrischen Fischern ein rund 8 m langer Riesenhai ins Netz. Zwar wurde er in einer mehrstündigen Aktion von Netz und Seilen befreit und wieder freigelassen, doch er soll später leider gestorben sein. Im März 2021 wurde ein Riesenhai von einem Fischer zwischen der Insel Cres und Istrien bei Koromačno gesichtet.Bislang sollen mehr als 35 Sichtungen in der Adria dokumentiert worden sein. Am häufigsten sah man sie im Frühjahr und Sommer in der Bucht von Rijeka und im Golf von Triest.
Riesenhaie in Nord- und Ostsee
In der Nordsee trifft man sie nur gelegentlich an. Etwa im September 2019 rund 240 km westlich vom dänischen Esbjerg. Im Februar 2016 wurde einer bei der Doggerbank gesichtet, im Juni 2016 am Sylter Außenriff. Eine Verbreitung bis in die westliche Ostsee ist nur aus Museumssammlungen und historischer Literatur bekannt, laut einer Studie des BfN aus dem Jahr 2017. Unter Umständen kann man ihnen aber im Skagerrak und Kattegat begegnen.
In britischen Gewässern sind sie zwischen Mai und Oktober häufige Gäste.
Verhalten
Der Riesenhai ist ein Langstreckenwanderer. Die Tiere legen Tausende von Kilometern über die Weltmeere zurück und wechseln auch von der Nord- auf die Südhalbkugel und umgekehrt. In tropischen Gewässern schwimmen sie in den tieferen, kälteren Wasserschichten. Sie tauchen bis zu 1264 m tief.

Mit geöffnetem Maul schwimmt ein Riesenhai umher und lässt Wasser einströmen, aus dem er Zooplankton durch die Kiemenreusen herausfiltert – Foto: David Mark/Pixabay
Riesenhai-Ansammlungen
Oft sieht man größere Riesenhai-Ansammlungen beim gemeinsamen Fressen, mitunter mehr als 100 Tiere. Vor Kalifornien beobachteten Forscher sogar Ansammlungen mit knapp 1.400 Tieren.
Forscher entdeckten, dass diese riesigen Fische in der Adria ein ähnliches Verhalten wie ihre Artgenossen in südenglischen Gewässern aufweisen. Von März bis Mai verbringen demnach größere Exemplare ihre Zeit an der Oberfläche und verschwinden danach wieder in tiefere Gewässer. Im Zeitraum Juni–Juli verweilen dann im selben Gebiet kleinere, juvenile Haie an der Oberfläche.
Die normalerweise gemächlichen Schwimmer sind in der Lage, erstaunlich schnelle Sprints hinzulegen und sogar Luftsprünge zu vollführen. Dabei können sie es in Bezug auf Schnelligkeit und Höhe mit Weißen Haien aufnehmen, wie Forscher um Emmett M. Johnston herausfanden. So beschleunigten sie vertikal mit 5,1 m/sec und sprangen 1,20 m hoch aus dem Wasser.
Gefährdungsstatus
Weltweit gilt der Riesenhai gemäß der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN als stark gefährdet.
Gefahren
Außer dem Menschen hat der Riesenhai keine Feinde.
Jagd
Leider werden sie aber in manchen Teilen der Welt noch immer bejagt: zum einen wegen ihres Fleischs und Öls. Zum anderen sind ihre Flossen in Asien in der traditionellen chinesischen Medizin oder auch als Aphrodisiakum begehrt. So kann eine Brustflosse sage und schreibe 45.000 Euro bringen, wie der Haiforscher Andrej Gajić berichtet.
Früher wurde der Riesenhai auch in Europa gejagt, vor allem wegen des Lebertrans, denn ihre Leber kann bis zu einem Viertel ihres Gesamtgewichts ausmachen! Es diente damals ähnlich wie der Tran von Walen als Brennstoff für Lampen, später als Schmieröl und fand dann sogar in Kosmetik Verwendung.
Mikroplastik
Als Filtrierer sind Riesenhaie zudem einer großen Belastung durch Mikroplastik ausgesetzt. Sie nehmen bei der Nahrungsaufnahme Unmengen von Wasser auf, aus dem sie sich ihre Beutetierchen herausseihen. Auf diese Weise verschlucken sie auch jede Menge der synthetischen Partikeln.
Verhaltenstipps
Bei einer Begegnung sollte ein Abstand von 100 m eingehalten und der Motor ausgeschaltet werden, empfiehlt Haiexperte Andrej Gajić im Nachrichtenportal Morski.hr. Außerdem soll man nur ohne Blitz fotografieren.
Ihre Mithilfe ist gefragt
Sie haben einen Riesenhai gesichtet? Dann teilen Sie uns Ihre Sichtung mit oder melden Sie sie mit diesem Formular direkt bei der Organisation Shark Trust. Ihre Angaben ermöglichen Forschern Einblicke in Verhalten und Biologie dieser bislang nur wenig erforschten sanften Riesen.
Auch über Fotos freuen wir uns!
Ähnlich wie Delfine können auch Riesenhaie anhand ihrer Rückenflosse identifiziert werden. Auf diese Weise sind einzelne Tiere wiederzuerkennen. Die sogenannte Foto-ID ermöglicht Forschern Rückschlüsse auf das Leben der Haie in ihrem natürlichen Lebensraum.
Autorin: Ulrike Kirsch
Titelfoto: David Mark/Pixabay