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Der Name des Rundkopfdelfins (Grampus griseus) stammt von seiner charakteristischen runden Kopfform. Man kennt die Art auch als Risso-Delfin (engl. Risso’s dolphin). Sie zählt zu den größeren Delfinarten, ist nicht bedroht und nur wenig erforscht. Die Lebenserwartung liegt bei mindestens 35 Jahren. Ein Rundkopfdelfin kann bis zu 4 m groß und etwa 500 kg schwer werden.
Systematik
Der Rundkopfdelfin ist die einzige Art der Gattung Grampus. Seine wissenschaftliche Erstbeschreibung erfolgte 1812 von Georges Cuvier als Delphinus griseus.
Manche sehen die Art als zu einer Unterfamilie der Schwert- und Grindwale (engl. blackfish) gehörend an. Zu dieser Gruppe zählen Orcas, Kleine Schwertwale, Zwerggrindwale, Breitschnabeldelfine sowie Indischer und Gewöhnlicher Grindwal.
Lebensraum
Risso-Delfine leben in gemäßigten und tropischen Zonen aller Weltmeere. Man findet sie sowohl in tiefen Gewässern als auch in flachen Küstengewässern. Im Allgemeinen bevorzugen sie allerdings tiefere Gewässer, insbesondere in der Nähe der Kontinentalschelfkante. Von dort aus tauchen sie hinab bis in Tiefen von über 1.000 m auf der Jagd nach Tintenfischen. Dabei können sie mindestens 30 Minuten lang unter Wasser bleiben. Meistens dauern Tauchgänge jedoch nur wenige Minuten.
Der Rundkopfdelfin kommet auch im Mittelmeer vor. Gelegentlich sieht man diese großen Delfine noch in der kroatischen Adria. Im Schwarzen Meer fehlen sie dagegen.
Über das Vorkommen von Rundkopfdelfinen im südlichen Ionischen Meer ist nur wenig bekannt. Im Juli 2019 beobachteten italienische Forscher erstmals Rundkopfdelfine in der Gegend. Die Tiere hielten sich in Gewässern zwischen Brancaleone und Botricello in einer Entfernung von etwa 8,3 km zur Küste auf. Hier ist das Meer etwa 720 Meter tief. Die Gruppe bestand aus mindestens 14 Individuen. Ein Rundkopfdelfin hatte eine schwere Verletzung. Ein tiefer Einschnitt hinter seiner Finne ist wahrscheinlich auf eine Schiffskollision zurückzuführen.
Vor der Atlantikküste der Iberischen Halbinsel trifft man Risso-Delfine ganzjährig in größeren Gruppen an.
Risso-Delfine im subarktischen Ozean
Im Juli 2022 strandeten zwei Risso-Delfine, ein erwachsenes Weibchen und ein junges Männchen, im Hrútafjörður-Fjord im Norden Islands. Die beiden waren gemeinsam unterwegs. Niemals zuvor waren Rundkopfdelfine im Atlantik so weit nördlich beobachtet worden. Angesichts der Einzigartigkeit dieser Strandungen, führten isländische Forscher1, eine vollständige Nekropsie der beiden Delfine durch. Das Ergebnis war eindeutig. Beide Rissos starben an als Nahrungsmangel und Erschöpfung. Im Magen des Männchens stießen die Forscher auf ein großes Plastikfragment.
In den vergangenen Jahren tauchen Rundkopfdelfine verstärkt in nördlichen Breitengraden auf. Auf dem 69. nördlichen Breitengrad an der Küste Nordnorwegens, vor den Shetlandinseln, vor Schottland, in der südlichen Nordsee und auf den Färöer-Inseln. Wissenschaftler sehen hierin eine Folge der durch die Klimakatastrophe ausgelösten Meereserhitzung und der damit einhergehenden Artenverschiebung aus südlichen in wärmer werdende nördliche Lebensräume. Die Strandungen an der isländischen Küste sind die erste Beobachtung für die Art in dieser Region des Nordostatlantiks.
Rundkopfdelfine in der Nordsee
An der deutschen Nordseeküste ist der Rundkopfdelfin ein seltener Gast. Von 1604 bis 2017 gab es hier lediglich zwei dokumentierte Strandungen. Sie stammen vom Februar 1873. Damals fand man zwei Individuen innerhalb von zwei Tagen in der Nähe von Büsum.
Artensteckbrief Rundkopfdelfin
Risso-Delfine haben einen grauen Körper mit hellem bis weißem Bauch. Aus der Ferne kann man sie aufgrund ihrer Kopfform mit Grindwalen (Globicephala spp.) und farblich mit Orcas (Orcinus orca) verwechseln. Denn das wohl charakteristischste Merkmal ist der mit Narben übersäte Körper. Keine andere Delfinart ist derart vernarbt. Die Narben stammen zumeist von innerartlichen Auseinandersetzungen oder von Neunaugen und Zitronenhaien. Manchmal auch von den Saugnäpfen von Tintenfischen. Bei der Geburt sind sie einheitlich grau mit weißem Bauch. Jungtiere sind oliv- oder schokoladenbraun, Erwachsene grau bis fast weiß.
Die Maullinie ist leicht nach oben gebogen, die Stirn fast vertikal abfallend, die Melone deutlich ausgeprägt. Die Finne ist groß und sichelförmig, die Flipper lang und spitz. Auch die pfeilförmige Fluke hat spitze Enden.
Grafik: NOAA Fisheries
Es handelt sich um eine häufige, nicht bedrohte Art. Jedoch gilt die Population im Mittelmeer als gefährdet, trotz ungenügender Datenlage. Generell gibt es nicht genügend Daten, um den Bestand und seine Populationsentwicklung bewerten zu können. Laut Weltnaturschutzorganisation IUCN kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Bestand seit drei Generationen um 30 Prozent oder mehr gesunken ist.
Ernährung und Verhalten
Risso-Delfine jagen hauptsächlich nachts Kalmare und andere Tintenfische. Zum Nahrungsspektrum gehören auch Fische (z. B. Sardellen) und Krill. Der Rundkopfdelfin verfügt, im Vergleich zu anderen Delfinarten, über ungewöhnlich wenige Zähne. Es gibt nur zwei bis sieben Paar stiftartige Zähne an der Vorderseite des Unterkiefers. Dagegen ist der Oberkiefer normalerweise zahnlos.
Normalerweise leben Risso-Delfine in Gruppen von bis zu 30 Tieren. Es gibt jedoch auch allein umherziehende Individuen, Paare sowie Ansammlungen von Hunderten und Tausenden. Es sind sehr aktive Delfine. Sie springen oft und hoch, schlagen mit Flippern und Fluke aufs Wasser, stellen sich häufig senkrecht. Dabei heben sie den Kopf aus dem Wasser, wie zum Ausschauhalten (im Englischen bekannt als spyhopping).
Rundkopfdelfine assoziieren sich auch mit anderen Arten wie Grauwalen, Nordkapern oder Weißstreifendelfinen. Sie haben kaum natürliche Feinde. Orcas oder Weiße Haie können Jungtiere erbeuten. Man sieht sie nur selten in Küstennähe. Normalerweise meiden sie die Nähe von Schiffen.
Trauerverhalten – Epimeletisches Verhalten
Im September 2020 beobachten Wissenschaftler des Bottlenose Dolphin Research Institute (BDRI)2 aus Pontevedra (Spanien) erstmals Trauerverhalten (epimeletisches Verhalten) bei einem weiblichen Rundkopfdelfin.
Entlang der Südküste von Galicien in Nordwestspanien trafen sie einen ausgewachsenen Risso-Delfin mit einem toten neugeborenen Kalb. Es gelang ihnen, seine Reise 5 Tage lang zu verfolgen. In dieser Zeit transportierte das Weibchen ihr totes Jungtier über eine Strecke von mehr als 40 km. Sie schob es vor sich her. Sie lagerte den Körper auf ihrer Melone, hob ihn sogar aus dem Wasser. Während ihrer Reise wich sie Motorbooten weiträumig aus. Sie selbst tauchte während der Beobachtungen nur kurz und nicht tiefer als 1 m ab. Vermutlich nahm das Weibchen, während sie um ihr Kalb trauerte, keine Nahrung zu sich. Am sechsten Tag sichtete das BDRI-Forschungsteam den Rundkopfdelfin zusammen mit sechs erwachsenen Artgenossen. Das verstorbene Kalb war verschwunden.
Bisher gibt es nur zwei Berichte über Sichtungen weiblicher Rundkopfdelfine mit toten Kälbern aus dem Pazifik und dem Indischen Ozean. Diese Beobachtungen waren jedoch nur von kurzer Dauer. In beiden Fällen befanden sich die Körper der Kälber bereits in einem fortgeschrittenen Stadium der Zersetzung. Von epimeletischem Verhalten spricht man, wenn sich ein Tier um einen kranken, verletzten oder toten Artgenossen kümmert.
Wanderungen
Über die Wanderungen von Rundkopfdelfinen weiß man nicht viel. Man vermutet aber, dass sie ihr Verhalten den Wanderungen ihrer Beute und ozeanografischen Bedingungen anpassen.
Gefahren
Beifang
Wie bei vielen anderen Meerestieren auch, ist die Fischerei die Hauptgefahr für diese Delfine. Sie sterben als Beifang in Stellnetzen, Langleinen und Schleppnetzen.
Jagd
In einigen Ländern und Regionen, wie Japan, Indonesien, der Karibik (den Kleinen Antillen), Sri Lanka, auf den Färöern und den Salomonen wird der Rundkopfdelfin direkt gejagt. Man nutzt das Fleisch entweder als Nahrungsmittel, Fischköder oder zur Ölherstellung.
Lärm
Unterwasserlärm gefährdet auch Risso-Delfine und vertreibt sie aus ihren Lebensräumen. Es gibt zudem Hinweise, dass Unterwasserschall Strandungen auslöst.
Meeresverschmutzung
Als langlebiger Top-Prädator der marinen Nahrungsnetze akkumuliert ein Rundkopfdelfin im Laufe seines Lebens Schadstoffe über die Nahrungsaufnahme. Darunter hochtoxische bioakkumulierende chlorierte Kohlenwasserstoffe wie PCBs und DDT (persistent organic pollutants; langlebige organische Schadstoffe; POPs). Diese Giftfracht schädigt das Immunsystem und senkt den Fortpflanzungserfolg. Doch es gibt kaum Untersuchungen über Risso-Delfine und ihre Belastung mit Umweltgiften.
Eine der wenigen Studien dazu veröffentlichte ein italienisches Forscherteam3 im Januar 2023. Sie stießen auf erhebliche Mengen an Hexachlorbenzol (HCB), polychlorierten Biphenylen (PCBs) sowie Dichlordiphenyltrichlorethan und seine Metaboliten (DDT). Diese fanden sich im Blubber, in der Leber, im Muskel und im Gehirn der Delfine. Und das, obwohl Produktion und Verwendung dieser POPs durch die Stockholm-Konvention oder POP-Konvention seit vielen Jahren weltweit geächtet sind.
Die Forscher sehen in der festgestellten Belastung mit Umweltgiften eine Gefährdung für das Überleben aller Wal- und Delfinarten im Mittelmeer. Sie fordern weitere Untersuchungen über das Ausmaß der Umweltbelastung durch POPs im Mittelmeer.
Schutzstatus
Die in den Küstengewässern und der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der USA lebenden Populationen stehen durch den Marine Mammal Protection Act unter Schutz. Der Rundkopfdelfin ist auf Anhang II des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES) gelistet. Das ermöglicht den Handel mit lebenden Exemplaren, Fleisch und anderen Körperteilen bei Vorlage entsprechender Ein- und Ausfuhrgenehmigungen. Im Mittelmeer gibt es bislang keine Erhaltungsmaßnahmen für Risso-Delfine.
Einen Rundkopfdelfin erkennt man an den vielen Hautkratzern, die ihn fast weiß erscheinen lassen. Foto: Wayne Hoggard/NOAA
Einzelgänger
Es gibt einige wenige Risso-Delfine, die zu Einzelgänger-Delfinen wurden und sich Menschen anschlossen. Einer der ersten bekannten einzelgängerischen Delfine überhaupt war der Rundkopfdelfin Pelorus Jack.
Autor: Ulrich Karlowski
- Chosson, V., Randhawa, H. S., Sigurðsson, G. M., Halldórsson, S. D., Björnsson, Þ. Þ., Svansson, V., Granquist, S. M., Gunnarsson, K., Samarra, F. I. P., & Pampoulie, C. (2023). First record of Risso’s dolphin Grampus griseus (Cuvier, 1812) in Icelandic waters. Ecology and Evolution, 13, e10477. https://doi.org/10.1002/ece3.10477 ↩︎
- Methion S, Mosca O, Diaz Lopez B (2023). Epimeletic behavior in a free-ranging female Risso’s dolphin (Grampus griseus). acta ethologica. Doi.org/10.1007/s10211-023-00417 ↩︎
- L. Minoia, G. Consales, S. Mazzariol, C. Mancusi, G. Terracciano, I. Ceciarini, F. Capanni, A. Neri, A. D’Agostino, L. Marsili, Preliminary assessment of persistent organic pollutants (POPs) in tissues of Risso’s dolphin (Grampus griseus) specimens stranded along the Italian coasts, Marine Pollution Bulletin, Volume 186, 2023, 114470, ISSN 0025-326X, doi.org/10.1016/j.marpolbul.2022. ↩︎