Ihr Name ist Programm, wie leicht zu erkennen ist. Die tiefblau violettfarbene Segelqualle (Velella velella) – von lateinisch „Velum“ für Segel – driftet mithilfe ihres fast durchscheinenden, gallertartigen Segels durch die Meere. Das bis 4 cm lange S-förmige Segel befindet sich circa 40 Grad quer zur Körperachse auf einem länglichen, abgeflachten Floß. Dieses ist bis zu 6 cm lang und besteht aus 20 bis 30 luftgefüllten Chitinringen. An der Unterseite hängen Tentakeln mit Nesselzellen. Die auch „Segler vor dem Wind“ genannte Quallenart ist weltweit in warmen bis warm-gemäßigten Meeresregionen zu finden. Die Art ist bekannt für periodisches massenhaftes Auftreten (Quallenplage) und gehört zum Pleuston (halb eingetaucht oder an der Wasseroberfläche lebende planktonische Meerestiere).
Systematik
Velella velella gehört zur etwa 3.800 Arten umfassenden Klasse der Hydrozoa (Wassertiere). Die weitere Klassifizierung ist noch umstritten. Unstrittig ist, dass die Segelqualle zur artenarmen Familie Porpitidae gehört und dort monotypisch ist. Also die einzige bekannte Art der Gattung Velella.
Artensteckbrief Segelqualle
Umstritten ist auch, ob der Segler vor dem Wind ein einzelnes Tier ist oder eine Polypenkolonie (Staatsqualle) aus vielen spezialisierten, miteinander verbundenen Individuen, die zusammen als ein Lebewesen agieren. Jede Einheit einer Staatsqualle übernimmt eine spezifische Funktion, wie Fortbewegung, Nahrungsaufnahme, Nesselzellen, Verdauung oder Fortpflanzung. Bekanntester Vertreter der Staatsquallen ist die berüchtigte und giftige Portugiesische Galeere (Physalia physalis, engl. Portuguese man o‘ war).
Andererseits könnte es sich auch um einen einzelnen, komplex ausdifferenzierten, kopfüber schwimmenden Polypen handeln, dessen Münder und Tentakeln in der oberen Wasserschicht baumeln.
Die intensive Färbung der kleinen Quallen stammt von mit der Beute aufgenommenen und verarbeiteten Carotinoid-Pigmenten. Dabei nutzen die Tiere die Farbe als natürlichen Sonnenschutz vor der direkt an der Meeresoberfläche besonders starken Sonneneinstrahlung.
Sie sind weltweit verbreitet und leben an der Wasseroberfläche in tropischen und subtropischen Meeren und im westlichen Mittelmeer. Mitunter bilden sie kilometerlange Schwärme.
Velella velella ernährt sich unter anderem von Fischeiern und Krebslarven. Segelquallen leben, wie tropische Korallen, in Symbiose mit einzelligen Algen, sogenannten Zooxanthellen. Diese tragen durch Fotosynthese zur Ernährung der Quallen bei.
Sie selbst werden unter anderem von Albatrossen, Meeresschildkröten, Mondfischen und vor allem von der Veilchenschneckenart Janthina prolongata verspeist.
Die Segler vor dem Wind sind bei Berührung für den Menschen ungefährlich.
Bei Windstärke 2 soll eine Segelqualle bis zu 0,37 km/h schnell werden können. Bei guten Winden können die Tiere mehrere Kilometer am Tag schaffen.
Verhalten
Winden und Strömungen ausgeliefert treiben Segelquallen auf der Meeresoberfläche und suchen dort nach Nahrung. Es gibt rechts- und linksegelnde Kolonien. Ein gleich gerichteter Wind zerteilt einen gemischten Schwarm je nach Stellung des Segels in nach links und nach rechts „segelnden“ Teilschwärme.
Velella velella ist ein außerordentlich stabiler Segler. Das dreieckige, an der Basis etwas dickere Segel ist zwar durch oberflächliche Rippen versteift, aber unter Last biegsam. Kentert ein Segler vor dem Wind dennoch einmal, dann kann er sich wieder aufrichten. Dabei setzen die Tiere den rund um ihr Floß reichenden, umschlagbaren Mantelsaum ein.
Strandet ein Segelquallen-Schwarm, dann liegen unzählige der sterbenden Tiere als blaue Schicht auf dem Strand. So wie Ende April 2024, als Tausende Segelquallen an der Südostküste Mallorcas angespült wurden. Quallenschicksal.
Fortpflanzung
Der Fortpflanzungszyklus von Velella velella ist bisher nicht vollständig bekannt, da wesentliche Entwicklungsstadien in der Tiefsee leben. Segelquallen sind entweder männlich oder weiblich. Sie vermehren sich aber nicht direkt, sondern schnüren winzige, etwa 1 mm große, kugelförmige Geschlechtsmedusen ab. Diese sinken in große Tiefen in über 1.000 Meter und laichen dort am Meeresgrund. Im Zuge der weiteren Entwicklung bilden sich dann zur Wasseroberfläche aufsteigende Larven, die sich zu vollständigen Segelquallen entwickeln.
Im Mittelmeer vermutet man in den tiefen und strömungsintensiven Gewässern von Messina eine Brutstätte der Segelqualle. Seit 2022 stoßen unsere Partner von Project Manaia im Mittelmeer wiederholt auf Massenansammlungen von Velella velella.
Diese bedecken über Quadratkilometer ganze Meeresbereiche. Die Ursachen für die Massenvermehrung sind unklar.
Titelfoto: Segelquallen erinnern an Optis.
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