Im März 2024 machte ein kommerzieller Trawler in der Südadria rund 5 Seemeilen vor der albanischen Insel Sazan in 200 m Tiefe einen außergewöhnlichen Fang. Zufällig ging den Fischern eine leuzistische Gefleckte Meersau (Oxynotus centrina), ein „weißer“ Hai, als Beifang ins Netz. Aufgrund einer Pigmentstörung besaß das Tier einen hellen Körper mit weißgrauen Flecken.

Im Oktober 2024 veröffentlichte der renommierte Haiexperte Andrej Gajić eine Erstbeschreibung1 dieses leuzistischen Exemplars im Fachmagazin Journal of Fish Biology1. Bei dem „weißen“ Gefleckten Meersauhai handelte es sich um ein erwachsenes, knapp 65 cm großes Männchen. Untersuchungen zeigten, dass es gesund und gut genährt war.
„Dies legt nahe, dass sich Pigmentstörungen (Albinismus, Leuzismus) nicht unbedingt negativ auf Gesundheit und Überlebenschance von Gefleckten Meersauhaien und anderen Tiefseehaien auswirken“, erklärt Andrej Gajić. Denn normalerweise macht das dunkle Tarnkleid Tiefseehaie für Fressfeinde und Beute weniger sichtbar, wie manche Forschungen nahelegen. Folglich würde umgekehrt eine Pigmentstörung zu größerer Sichtbarkeit für Feinde und Beute führen und somit zu geringeren Überlebenschancen.
Albinismus und Leuzismus bei Knorpelfischen

Albinismus und Leuzismus sind bei Hai- und Rochenartigen extrem selten, bislang wurden diese Pigmentstörungen in weniger als 5 Prozent der existierenden Arten dokumentiert, heißt es in dem Paper.
Im Gegensatz zu Albinos (Lebewesen mit einem Mangel an dunklen Melanin-Hautpigmenten) weisen von Leuzismus betroffene Tiere eine reduzierte Pigmentierung auf und haben vor allen Dingen noch Pigmente in den Augen (Albinos nicht, daher haben sie rote Augen).
Artensteckbrief Gefleckte Meersau

Auf diesen Tiefseehai aus der Gattung der Schweinshaie (Ordnung Dornhaiartige) trifft man als Tourist eher nicht. Der Gefleckte Meersauhai lebt bodennah meist in Tiefen von 100 bis 750 m. Als Vertikalwanderer steigt er nachts zur Nahrungssuche auf 30 bis 100 m Meerestiefe.
Die Lebensräume der Art sind der äußere Rand des Kontinentalschelfs im Ostatlantik und Mittelmeer. Im Mittelmeer ist sie selten und steht auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN als vom Aussterben bedroht. Hauptgefahr ist der Beifang in der Fischerei. Nur selten wird die Art kommerziell befischt.
Zufallsfänge von Gefleckten Meersauhaien werfen einheimische Fischer in der Adria oft zurück ins Wasser aus Aberglaube, sie würden für den nächsten Fang Unheil bringen, erzählt Gajić in seinem Referenzwerk2 über Haie und Rochen in der Ostadria.
Wie sieht ein Gefleckter Meersauhai aus?
Diese wenig erforschten, sonderbar aussehenden Schweinshaie werden durchschnittlich 50 bis 70 cm groß und 4 bis 5 kg schwer. Ihr Körper ist meist graubraun gefärbt, mit helleren Stellen an Kopf und Seiten. Charakteristisch sind zwei segelartige Rückenflossen, die fehlende Analflosse, der gedrungene Körper und die sehr raue Haut.

- Gajic, A. A., de Loose, E., Martin, A. G., Neuman, E., & Karalic, E. (2024). First description of leucism in the deep-sea angular rough shark (Oxynotus centrina) and the first documented pigment disorder in family Oxynotidae Gill, 1912. Journal of Fish Biology, 1–5. https://doi.org/10.1111/jfb 15962 ↩︎
- GAJIĆ, Andrej A.: Ajkule i raže istočnog Jadrana sa bazičnom biologijom, osvrtom na stepen ugroženosti i mjerama zaštite pojedinih vrsta (Haie und Rochen in der Ostadria mit Basisangaben zu Biologie, einem Überblick über den Gefährdungsgrad sowie Schutzmaßnahmen zu den einzelnen Arten) – Sarajevo: Centar za marinsku i slatkovodnu biologiju, Sharklab Adria, 2019. – 321 str. : fotogr. ; 25 cm, Bibliografija: str. 296-310. ISBN 978-9926-8360-0-9 ↩︎ ↩︎
Titelfoto: Gefleckter Meersauhai, iStock.com/atese
Autorin: Ulrike Kirsch