Die spektakuläre Spiegeleiqualle (Cotylorhiza tuberculata) sieht aus wie ein übergroßes gebratenes Ei. Die auffälligen, wunderschönen Wurzelmundquallen leben hauptsächlich im Mittelmeer. Nur selten sieht man sie im Atlantik oder im Roten Meer. Ihr pilzförmiger Schirm kann Durchmesser von bis zu 40 cm erreichen. Sie sind typische Vertreter des mediterranen Planktons, leben meist knapp unter der Wasseroberfläche bis in 7 m Tiefe. Im Gegensatz zu driftendem Plankton können sich Spiegeleiquallen zwar gemächlich, aber aktiv fortbewegen. Das macht sie unabhängig von leichteren Meeresströmungen. Die Art ist von erheblicher ökologischer Bedeutung. Einerseits als Lebensraum für Jungfische und kleinere Krebstiere. Andererseits neigt sie zur Massenvermehrung (Quallenplage), was enorme wirtschaftliche Schäden für Tourismus und Fischerei mit sich bringen kann.
Übersicht
Systematik
Spiegeleiquallen zählen zur Ordnung der Wurzelmundquallen (Rhizostomae) in der Klasse der Scheiben- oder Schirmquallen (Scyphozoa/Echte Quallen). In der etwa 13 Arten umfassenden Familie der Cepheidae gehören sie zur artenarmen Gattung Cotylorhiza.
Artensteckbrief Spiegeleiqualle
Der weißliche, in der Mitte kuppelförmige Schirm kann maximal bis zu 40 cm im Durchmesser erreichen. Normalerweise sind es bis ca. 35 cm. Die Kuppel in der Schirmmitte ist braungelb gefärbt. Die Farbe stammt von einzelligen Algen (Zooxanthellen), mit denen diese Quallen in Symbiose leben. Von oben betrachtet erinnert eine Cotylorhiza dadurch an ein überdimensionales, in der Pfanne gebratenes Ei. Daher der Name. Dies und ihre acht zentralen und viele kleineren in violetten knopfartigen Verdickungen endenden Arme machen diese Meerestiere unverkennbar.
Es handelt sich um eine schnelllebige Art mit einem jährlichen Lebenszyklus. Daher dürften die ausgewachsenen Spiegelei-Medusen höchstens ein halbes Jahr alt werden.
Cotylorhiza tuberculata ernährt sich wahrscheinlich hauptsächlich von Zooplankton (u. a. Fischlarven) und vielleicht kleineren Quallen.
Welche Tiere sich von diesen großen Quallen ernähren, ist nicht genau bekannt. Für die nur noch sporadisch ins Mittelmeer schwimmenden Lederschildkröten dürften Spiegeleiquallen sicher eine willkommene Beute sein. Auch für junge Grüne Meeresschildkröten und Mondfische könnten sie allein schon wegen ihrer Größe als Nahrung attraktiv sein.
Sind Spiegeleiquallen für Menschen gefährlich?
Das schwache Nesselgift dieser Quallen ist für Menschen harmlos. Man soll diese Quallenart (nach entsprechender Zubereitung) sogar essen können.
Verhalten
Spiegeleiquallen können sich gut aktiv fortbewegen. Das macht sie unabhängig von leichteren Meeresströmungen. Meist trifft man sie auf dem offenen Meer. Im September 2020 entdeckten türkische Wissenschaftler1 vier Exemplare in der Nähe der Prinzeninseln im Nordosten des Marmarameers in der Türkei. Es war der erste Nachweis für Cotylorhiza tuberculata im Marmarameer. Manchmal allerdings tauchen diese Quallen – mitunter in großer Zahl (Quallenplage) – auch in der Nähe von Küsten auf.
Fortpflanzung
Wie andere Quallen hat die Art mehrere Entwicklungsstadien mit schwimmenden Larven und festsitzenden (sessilen) Polypen. Es gibt männliche und weibliche Medusen. Die Männchen setzen ihre Gameten (Spermien) in großer Zahl frei, die Befruchtung findet im Körper der Weibchen statt. Die Larven verbleiben einige Zeit im Körper der Mutter. Nach der Freisetzung entwickeln sich aus ihnen sesshafte Polypen.
Was man sonst noch über die Spiegeleiqualle wissen muss
Die großen Quallen bieten für viele andere Arten einen geschützten und strukturierten Lebensraum. Gerne suchen unter anderem junge Stachelmakrelen in und um eine Spiegeleiqualle Zuflucht vor potenziellen Fressfeinden. Kleine Krebstiere halten sich sogar im Inneren der Qualle und im Quallenschirm auf.
Es ist nicht bekannt, ob die Qualle Vorteile von der Anwesenheit der anderen Tiere hat.
Massenvermehrung – Quallenplage
Wie bei anderen Quallenarten kommt es auch bei Cotylorhiza tuberculata zur unregelmäßigen Massenvermehrung2 (Quallenplage, Qualleninvasion). So treffen unsere Partner von Project Manaia im Mittelmeer seit 2022 wiederholt auf derartige Massenansammlungen. Neben Segelquallen (Velella velella) sind darunter auch Massen von Leuchtquallen (Pelagia noctiluca) sowie Spiegeleiquallen.
„Während der Überfahrt von Sardinien nach Sizilien im August 2023 sind wir durch Spiegeleiquallen-Gelee gesegelt. Es waren Unmengen. Wir reden von Hunderten innerhalb einer Minute. Das hielt den ganzen September über an, auch rund um Messina und Malta“, berichtet der Meeresbiologe Manuel Marinelli von unseren Partnern von Project Manaia.
Experten erwarten im Zuge der von der Klimakrise verursachten „Tropikalisierung“ des Mittelmeers eine stetige Zunahme der Massenvermehrung von Algen (Algenschleim) und Quallen. Besonders zur Hauptreisesaison im Sommer müssen sich Urlauber auf unliebsame und unappetitliche Überraschungen einstellen.
Es wird zudem erwartet, dass häufigere Qualleninvasionen die Fischbestände im Mittelmeer zusätzlich gefährden. Dabei stehen diese bereits durch Bio-Invasoren wie die Blaukrabbe, den Laicherfolg beeinträchtigende steigende Wassertemperaturen, Überdüngung und Überfischung unter erheblichem Druck.
- İsinibilir, M. Yuksel, E., & Dalyan, C. (2021). First record of Cotylorhiza tuberculata (Macri, 1778) from the sea of Marmara. Aquatic Sciences and Engineering, 36(1), 38-41. 1325945 (dergipark.org.tr) ↩︎
- Astorga, D., Ruiz, J. & Prieto, L. Ecological aspects of early life stages of Cotylorhiza tuberculata (Scyphozoa: Rhizostomae) affecting its pelagic population success. Hydrobiologia 690, 141–155 (2012). https://doi.org/10.1007/s10750-012-1036-x ↩︎
Titelfoto: U. Kirsch/DSM