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Unechte Karettschildkröten (Caretta caretta) leben in den tropischen und subtropischen Gewässern aller großen Ozeane und im Mittelmeer. Die Art wird in 9 oder 10 Subpopulationen unterteilt. Ihr englischer Name loggerhead turtle stammt vom großen Kopf dieser Meeresreptilien. Er unterstützt kräftige Kiefermuskeln. Damit ist es ihnen möglich, auch hartschalige Beute wie Wellhornschnecken und Muscheln zu knacken. Die Unechte Karettschildkröte gehört mit Panzerlängen von etwas über 1 m zu den größeren Meeresschildkröten.
Die Art ist weltweit gefährdet. Jedoch sind die Populationen im Nordpazifik und im Mittelmeer als nicht gefährdet eingestuft (Rote Liste der Weltnaturschutzorganisation/IUCN). Hier nehmen die Bestände jeweils zu, während der Gesamtbestand der Art zurückgeht. Alle Meeresschildkröten-Arten der Familie Cheloniidae stehen seit 1981 auf Anhang I des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES). Damit ist der internationale Handel mit lebenden Tieren oder Produkten verboten.
Systematik
Unechte Karettschildkröten sind eine von sechs Arten der Familie Cheloniidae und die einzige Art der Gattung Caretta. Die Art ist allerdings näher mit den Bastardschildkröten (Lepidochelys olivacea und L. kempii) verwandt als mit der Echten Karettschildkröte (Eretmochelys imbricata). Sie erhielt ihren Namen, weil diese beiden Arten früher oft verwechselt wurden.
Lebensraum und Verbreitung
Die Art ist weltweit in fast allen tropischen und subtropischen Gewässern des Atlantiks, Pazifiks und Indischen Ozeans sowie im Mittelmeer, nicht jedoch im Schwarzen Meer, verbreitet. Ihr Bestand ist stark fragmentiert. Man unterscheidet 9 oder 10 Subpopulationen. Im Atlantik erstreckt sich ihr Verbreitungsgebiet von Neufundland bis Argentinien. Im Ostpazifik kommen Unechte Karettschildkröten von Alaska bis Chile vor. In der kroatischen Adria ist die Unechte Karettschildkröte die häufigste der drei hier vorkommenden Meeresschildkrötenarten.

USA – nordatlantische Subpopulation
In den Vereinigten Staaten nisten Unechte Karettschildkröten hauptsächlich entlang der Atlantikküste von Florida, South Carolina, Georgia und North Carolina sowie im Golf von Mexiko entlang der Küsten Floridas und Alabamas. Die geschätzte Gesamtzahl der Nester in den USA liegt bei über 100.000 jährlich.
Pazifik – nordpazifische und südpazifische Subpopulationen
Die nordpazifische Subpopulation der Unechten Karettschildkröte ist drastisch zurückgegangen. Sie nistet nur an der japanischen Küste. Dort ist der Bestand in den letzten 60 Jahren um 50 bis 90 Prozent gesunken. Jedoch ist hier seit 10 Jahren ein stabiler bis leicht steigender Trend zu beobachten.
Die südpazifische Subpopulation nistet hauptsächlich in Australien und an einigen Stränden in Neukaledonien. 1977 sollen im Südpazifik noch etwa 3.500 Weibchen gebrütet haben – heute sind davon nur noch rund 500 pro Jahr übrig.
Karibik – Atlantischer Ozean – östliches Mittelmeer – Indischer Ozean
Nester von Unechten Karettschildkröten gibt es in der gesamten Karibik, hier allerdings nicht mehr viele. Darüber hinaus nisten sie noch auf den Kapverdischen Inseln und in Brasilien, im östlichen Mittelmeer und im gesamten Indischen Ozean in geringer Zahl (mit Ausnahme von Oman).
Wie hoch ist der Bestand?
Auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN ist die Art als gefährdet mit rückläufiger Bestandsentwicklung gelistet. Nach Angaben der IUCN soll die Anzahl fortpflanzungsfähiger Weibchen zwischen 36.000 und 67.000 Exemplaren mit 200.000 Nestern jährlich liegen.
Nur an zwei Stränden weltweit nisten heute noch mehr als 10.000 Weibchen der Unechten Karettschildkröte pro Jahr: Südflorida und Oman. Oman beherbergt dabei die zweitgrößte Nistpopulation der Welt. Auf Neuere Trendanalysen deuten jedoch darauf hin, dass diese wichtige Nistpopulation abnimmt. Die weltweit drittgrößte Niststätte ist auf den Kapverden.
Die nordwestindischen und nordostindischen Subpopulationen und die des Südpazifiks gelten als vom Aussterben bedroht, die Subpopulation im Nordostatlantik als bedroht.
Artensteckbrief Unechte Karettschildkröte
Außer an ihrem markanten Kopf kann man erwachsene Unechte Karettschildkröten gut an ihrem leicht herzförmigen und rötlich braunen Panzer erkennen. Von unten betrachtet sind sie blassgelb. Hals und Flossen sind in der Regel oben matt- bis rotbraun und an den Seiten und unten mittel- bis blassgelb gefärbt. Jungtiere sind meist dunkelbraun. Ihre Flossen haben weiße bis weißgraue Ränder.
Foto: © U.Karlowski/DSM
Ihre Lebenserwartung ist unbekannt. Experten schätzen, dass sie 70 bis 80 Jahre oder älter werden können. Erst mit etwa 35 bis 39 Jahren erreichen sie ihre Geschlechtsreife.
Ausgewachsene Exemplare sind zwischen 80 cm und 1,0 m groß..
Ausgewachsen können sie zwischen 90 und 160 kg erreichen.
In der Regel nisten die Weibchen alle 2 bis 3 Jahre drei bis fünfmal pro Saison, manchmal auch öfter.
In der nördlichen Hemisphäre findet die Paarung Ende März bis Anfang Juni statt. Die Nistzeit liegt dann meist zwischen Ende April und Anfang September. Unechte Karettschildkröten nisten einzeln und immer nachts. Sie bevorzugen relativ schmale, steil abfallende und grobsandige Strände. Sie suchen dabei jeweils Strände des Gebietes auf, wo sie Jahrzehnte zuvor geschlüpft sind.
Die Nester enthalten durchschnittlich 100 Eier. Nach etwa zwei Monaten beginnen die Nistlinge zu schlüpfen und krabbeln auf dem kürzesten Weg ins Meer.
Wie bei allen Meeresschildkrötenarten sind geschlüpfte und heranwachsende Jungtiere als Beute beliebt bei allem, was Zähne und Fangarme hat, sowie bei großen Seevögeln. Schlüpflinge können auch Landraubtieren zum Opfer fallen. Erwachsene werden von großen Haien wie Tiger- und Bullenhaien erbeutet.
Unechte Karettschildkröten sind wie die meisten Meeresschildkröten Fleischfresser. Nur gelegentlich ernähren sie sich auch von Seegras oder größeren Algen. Jungtiere und Erwachsene in Küstengewässern fressen hauptsächlich am Boden lebende wirbellose Tiere wie Wellhornschnecken, andere Weichtiere, Pfeilschwanzkrebse und Krabben. Mit ihren mächtigen Kiefern sind sie in der Lage, auch sehr hartschalige Beute zu zerquetschen.
Verhalten und Fortpflanzung
Unechte Karettschildkröten durchlaufen eine Reihe von Entwicklungsstadien vom Schlüpfling bis zum Erwachsenen. Dabei nutzen sie unterschiedliche Lebensräume. Schlüpflinge und Jungtiere verbringen die ersten 7 bis 15 Jahre ihres Lebens im offenen Ozean. Dann wandern sie in küstennahe Küstengebiete, wo sie nach Futter suchen und noch einige Jahre weiter heranwachsen.
Wanderungen
Erwachsene Unechte Karettschildkröten wandern Hunderte bis Tausende von Kilometern von ihren Futtergründen zu ihren Niststränden. Einige schwimmen dabei extrem weit.

Durch Satellitenverfolgung haben Forscher herausgefunden, dass Unechte Karettschildkröten der beiden pazifischen Subpopulationen eine transpazifische Migration unternehmen. © Barbara Schroeder, NOAA Fisheries
Jungtiere von den Niststränden in Japan und Australien durchschwimmen dabei den gesamten Pazifik zu ihren Nahrungsgründen an den Küsten der Baja California, von Mexiko, Peru und Chile. Das sind fast 13.000 Kilometer! Hier verbringen sie viele Jahre (möglicherweise bis zu 20), bis sie erwachsen sind. Anschließend wandern sie wieder zu den Stränden zurück, an denen sie im Westpazifik geschlüpft sind. Dort angekommen paaren sie sich schließlich, nisten und verbringen hier den Rest ihres Lebens.
Damit wandern Unechte Karettschildkröten weiter als einige der westpazifischen Lederschildkröten. Allerdings begeben sich diese mehrmals in ihrem Leben auf eine über 22.000 km weite Rundreise zwischen den Nahrungsgründen vor der US-Westküste und den Niststränden in Indonesien.
Gefahren für Unechte Karettschildkröten
Wie alle Meeresschildkrötenarten sehen sich Unechte Karettschildkröten heute mit einer Mischung unterschiedlichster Gefahren konfrontiert, denen sie nur schwer standhalten können.
Beifang in der Fischerei
Hauptbedrohung für die Lungenatmer ist das Verheddern und Ertrinken in Fischereigerät (Beifang). Beifang ist ein weltweites Problem für alle Meeresschildkrötenarten. Außerdem können sie Angelhaken und –schnüre sowie Netzteile verschlucken. Zu den wichtigsten Fanggeräten, die zum Beifang von Unechten Karettschildkröten führen, gehören Schleppnetze, Langleinen, Kiemennetze, Haken und Leinen, aber auch Fischfallen, Reusen und Grundschleppnetze.
Plünderung der Nester und Wilderei
In vielen Ländern sind Unechte Karettschildkröten geschützt. An einigen Niststränden jedoch werden immer noch Weibchen für ihr Fleisch bei der Eiablage getötet und Nester geplündert.
Verlust, Zerstörung und Störung der Niststrände
Eine große Bedrohung für Unechte Karettschildkröten ist der Verlust von Nistmöglichkeiten. Diese gehen in zunehmendem Maße durch Küstenentwicklung, Meeresverschmutzung sowie dem infolge der Klimakrise steigenden Meeresspiegel verloren. Künstliche Beleuchtung an und in der Nähe von Niststränden kann nistende Weibchen davon abhalten, an Land zu kommen. Zudem führt sie Jungtiere nach dem Schlupf in die Irre. Denn sie orientieren sich am hellsten für sie sichtbaren Horizont, um den Weg ins Meer zu finden.
Schiffs- und Bootskollisionen
Wie bei anderen Meeresschildkrötenarten besteht auch bei Unechten Karettschildkröten die Gefahr, dass sie mit aller Art von Wasserfahrzeugen kollidieren können, wenn sie sich an oder nahe der Oberfläche befinden. Diese Kollisionen verletzen oder töten die Tiere. Im Atlantik und im Golf von Mexiko steigt die Zahl der Todesfälle durch Schiffskollisionen. Insbesondere in der Nähe von Häfen, Wasserstraßen und erschlossenen Küstenabschnitten ist die Kollisionsgefahr hoch.
Meeresverschmutzung/Meeresmüll
Zunehmende Meeresverschmutzung bedroht alle Meeresschildkrötenarten und beeinträchtigt ihre Lebensräume.
Unechte Karettschildkröten können alle Arten von herumtreibendem Meeresmüll wie Angelschnüre, Luftballons, Plastiktüten, schwimmenden Teer oder Öl und andere vom Menschen weggeworfene Materialien aufnehmen, die sie für Nahrung halten. Zudem ist das Verheddern in herumtreibenden Müllansammlungen einschließlich verlorenem oder weggeworfenem Fischereigerät für die Tiere gefährlich.
Klimakrise
Meeresschildkröten stehen unter starkem Klimastress. Höhere Temperaturen verändern die Strandmorphologie und führen zu höheren Sandtemperaturen. Das kann zum Absterben der Eier führen oder dazu, dass nur noch Weibchen zur Welt kommen. Denn die Geschlechterzuordnung steuert sich bei Reptilien über die Nisttemperatur.
Steigende Meeresspiegel und Stürme führen zu Stranderosion, die Nester überfluten oder wegspülen kann. Zusätzlich wird die Erwärmung der Meeresumwelt die Menge und Verteilung von Nahrungsressourcen verändern. In der Folge dürfte es zu Verschiebungen im Wanderverhalten, im Nahrungsspektrum und in der Nistzeit von Unechten Karettschildkröten kommen.
Wie Sie im Urlaub Meeresschildkröten helfen können ↗
Empfehlungen der Fischereiabteilung der Wetter- und Ozeanografiebehörde der Vereinigten Staaten (NOAA Fisheries).
Titelfoto: iStock.com/LFPuntel
Artenliste
Weitere Informationen
- Nomaden der Ozeane – Buch von Frauke Bagusche
- Meeresschildkröten in der Adria
- Todesfalle Corona-Einwegplastik
- Beifänge in der Langleinenfischerei