Weißseitendelfin

Weißseitendelfine (Lagenorhynchus acutus) sind akrobatische und schnelle Schwimmer. Sie leben in Schulen von 5 bis zu tausend und mehr Individuen. Oft sieht man die geselligen Tiere in Gesellschaft mit anderen Delfinarten und größeren Bartenwalen. Sie sind lebhaft gemustert. Man kann sie leicht mit Weißschnauzen- oder Gemeinen Delfinen verwechseln. Ihre Lebenserwartung liegt bei mindestens 27 Jahren. Ausgewachsene Exemplare sind zwischen 2,5 bis 2,7 m lang und bis zu 230 kg schwer.

Systematik

Weißseitendelfine sind eine von sechs Arten der Gattung der Kurzschnauzendelfine (Lagenorhynchus).

Grafik Lagenorhynchus acutus
© NOAA Fisheries

Lebensraum und Verbreitung

Weißseitendelfine bevorzugen die tiefen, gemäßigten und kalten Gewässer des nördlichen Atlantiks. Selten nur kommen sie in die Küstennähe. Ihr Lebensraum reicht von der US-Ostküste (North Carolina bis Maine) über Grönland bis in die Nordsee, Norwegen und Island. Zwischen 1968 und 2011 strandeten 7 Weißseitendelfine an der deutschen Nordseeküste.

Laut IUCN liegen für eine Einschätzung des Bestands und seiner Entwicklung nicht genügend Daten vor. Ihre Gesamtzahl dürfte zwischen 150.000 und 300.000 Individuen liegen. Die Population im westlichen Nordatlantik besteht aus etwas über 93.200 Individuen.

Wie sehen Weißseitendelfine aus?

Es handelt sich um kompakt gebaute Delfine mit kurzem Schnabel und einer großen, sichelförmigen Finne. Charakteristisch ist ein weißer Längsstreifen. Er beginnt auf Höhe der Finne und reicht bis zur Schwanzwurzel. Dort geht er in einen gelben bis ockergelben Streifen über. Damit sehen sie Gemeinen Delfinen, die gleichfalls in ihrem Lebensraum vorkommen und in etwa gleich groß sind, recht ähnlich.
Springender Weissseitendelfin
Foto: © Anna (wikimedia/licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International)

Wie tief und wie lange können Weißseitendelfine tauchen?

Weißseitendelfine halten sich meist nahe der Wasseroberfläche auf. Alle 10 bis 15 Sekunden tauchen sie zum Atmen auf. Dabei springen sie entweder komplett aus dem Wasser oder nehmen nur einen kurzen Atemzug. Sie können allerdings auch über 200 m tief tauchen. Denn häufig sterben sie als Beifang in Schleppnetzen, die durch Tiefen von 200 bis 600 m gezogen werden. Die längste bislang bekannte Tauchdauer betrug vier Minuten.

Was fressen Weißseitendelfine?

Sie sind nicht wählerisch. Ihr Beutespektrum umfasst verschiedene kleine pelagische Schwarmfische (Hering, Makrele, Kabeljau, Stint oder Seehecht) sowie Krabben und Tintenfische. Sie jagen gemeinschaftlich. Dabei verdichten sie einen Fischschwarm zu einem „Futterball“.

Wer sind ihre natürlichen Feinde?

Große Haiarten wie der Weiße Hai oder auch Orcas.

Verhalten und Fortpflanzung

Da sie sich überwiegend auf dem offenen Meer aufhalten und Schiffen gegenüber misstrauisch sind, ist das Wissen über Sozial- und Fortpflanzungsverhalten nur lückenhaft. Ihre Geschlechtsreife erreichen sie im Alter zwischen sechs und 12 Jahren.

Die Mütter kalben nach 10- bis 12-monatiger Tragzeit meist im Juni und Juli. Jungtiere sind bei der Geburt etwa 1 m groß, wiegen zwischen 20 und 36 kg und werden mindestens 18 Monate lang gesäugt.

Eine Gruppe Atlantischer Weißseitendelfine schwimmt im Meer.

Weißseitendelfine assoziieren sich oft mit anderen Delfinarten (Grindwalen oder Weißschnauzendelfinen) und mit großen Bartenwalen wie Buckel- oder Finnwalen. In ihren Schulen bleiben sie eng zusammen. Gelegentlich sieht man sie in Bugwellen von Booten reiten. © NOAA Fisheries

Wanderungen

Wanderungen sind an Jahreszeiten gekoppelt. Im Sommer kommen sie näher an die Küste und in den Norden. Im Winter dagegen zieht es Weißseitendelfine weiter in den Süden.

Schutzstatus

Es handelt sich um eine noch häufige Art, die auf der Roten Liste der IUCN als „nicht bedroht“ eingestuft ist.

Weißseitendelfine sind in Europa durch verschiedene Übereinkommen geschützt: etwa die Bonner Konvention (Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden wild lebenden Tierarten/CMS) mit regionalen Abkommen wie ASCOBANS (Abkommen zur Erhaltung der Kleinwale in der Nord- und Ostsee, des Nordostatlantiks und der Irischen See) oder die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie/Natura 2000). Sie stehen auf Anhang II des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES). Auch bei CMS stehen sie auf Anhang II.

Gefahren für Weißseitendelfine

Fischerei

Hauptbedrohung ist das unbeabsichtigte Ertrinken in Fischernetzen. Insbesondere in der Treibnetz-, Schleppnetz– und Grundschleppnetzfischerei. Das Ausmaß der Beifangverluste ist allerdings unbekannt.

Direkte Jagd

Diese Delfinart steht auch unter direktem Jagddruck zur Gewinnung von Delfinfleisch für den menschlichen Verzehr. Die meisten Verluste verursachen Bewohner der Färöer-Inseln. Denn die Inselgruppe fällt nicht unter Schutzabkommen wie die Bonner Konvention (CMS) oder die FFH-Richtlinie. Im September 2021 starben auf den Färöer-Inseln an einem einzigen Tag über 1.400 Weißseitendelfine. Experten gehen davon aus, dass damit etwa zwei Prozent der Nordostatlantik-Population der Art vernichtet wurden.

Zusätzlich werden sie vor Grönland, Norwegen und Kanada in kleiner Zahl gejagt.

Aufgereihte Weißseitendelfine, getötet bei einem Grindadrap auf den Färöer-Inseln

Delfinjagd auf den Färöer-Inseln: Aufgereihte Weißseitendelfine – Foto: Erik Christensen (licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Verschmutzung des Lebensraums

Wie andere Meeressäuger des Nordatlantiks sind Weißseitendelfine mit Organochlor-Insektiziden der „ersten Generation“ und Schwermetallen wie Quecksilber kontaminiert. Wie die meisten Meeressäuger nehmen sie wahrscheinlich auch Plastikmüll auf. Hinzu kommen Gefahren durch das Verheddern und Ertrinken in Geisternetzen oder anderem verloren gegangenem Fischereigerät.

Unterwasserlärm

Unterwasserschall (Schiffsdiesel, Explorationsarbeiten, militärische Sonare) kann zu dauerhaften oder vorübergehenden Hörverlusten führen. Mit der Folge, dass Nahrungsaufnahme, Kommunikation und Orientierung der Tiere gestört sind.

Massenstrandungen

Weißseitendelfine stranden vergleichsweise häufig und in großer Zahl. Derartige Strandungen treten immer wieder nach intensiven Belastungen mit Unterwasserschall auf.

Autor: Ulrich Karlowski

Titelfoto: © Paul Carroll/unsplash


Weiterführende Informationen