EU-Renaturierungsgesetz: aktueller Stand

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Am Vormittag des 29. November 2023 stimmte der Umweltausschuss des EU-Parlaments (ENVI Committee) mit 53 Ja-Stimmen bei 28 Gegenstimmen und 4 Enthaltungen für das neue europäische Naturschutzgesetz (Renaturierungsgesetz/Nature Restauration Law, NRL).

Der Umweltausschuss des EU-Parlaments (ENVI Committee) stimmt für das neue europäische Naturschutzgesetz (EU-Renaturierungsgesetz).

Vorausgegangen waren intensive und harte Trilog-Verhandlungen zwischen Parlament, Kommission und Europäischem Rat, die am späten Abend des 9. November 2023 mit einer gemeinsamen Position endeten. Problematisch dabei war, dass das Europaparlament deutlich schwächere Renaturierungsregeln durchsetzen wollte als der Rat und die Kommission.

„Man muss es als großen Erfolg sehen, dass Europa jetzt kurz davorsteht, erstmals ein Gesetz zur Wiederherstellung geschädigter natürlicher Lebensräume auf den Weg zu bringen. Auch wenn der ambitionierte Vorschlag der EU-Kommission das Gesetzgebungsverfahren nur in abgeschwächter Form überstanden hat“, sagt Ulrich Karlowski, Biologe von der Deutschen Stiftung Meeresschutz.

Natürliche Lebensräume: entscheidend für die Artenvielfalt

Etwa 80 % der natürlichen Lebensräume in Europa sind in einem schlechten Zustand oder bereits zerstört. Die wenigen Reste stehen unter starkem Nutzungsdruck. Doch ohne intakte Lebensräume lassen sich weder das in Europa intensiv voranschreitende Artensterben noch die Klimakatastrophe aufhalten.

Das Renaturierungsgesetz öffnet die Tür, dass Europa das auf der UN-Biodiversitätskonferenz (Convention on Biological Diversity/CBD) vereinbarte 30×30-Ziel zum Erhalt der natürlichen Artenvielfalt erreichen kann. Auf der UN-Konferenz vereinbarten die Vertragsstaaten im Dezember 2022 in Montreal, mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen bis 2030 unter Schutz zu stellen.

Der ursprüngliche Kommissionsentwurf sah vor, dass die Mitgliedsstaaten unverzüglich und verpflichtend Maßnahmen zur Wiederherstellung von Land-, Küsten-, Süßwasser- und Meeresökosystemen, die sich in einem schlechten Zustand befinden, ergreifen. Und zwar bis 2030 auf mindestens 20 Prozent, bis 2040 auf 60 Prozent, bis 2050 auf 90 Prozent der betroffenen Flächen. Auf Flächen, wo diese Ökosysteme bereits verschwunden sind, sollten die EU-Mitgliedsstaaten verpflichtend Wiederherstellungsmaßnahmen ergreifen.

Manfred Weber gegen Ursula von der Leyen

Als Hauptgegner des Renaturierungsgesetzes erwies sich ausgerechnet die konservative Europäische Volkspartei unter Führung des deutschen Europaabgeordneten Manfred Weber. Der CSU-Politiker bekämpft vehement einen der wichtigsten Inhalte des European Green Deal von EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen (CDU).

Aus den ursprünglich harten verpflichtenden Maßnahmen des Renaturierungsgesetzes wurden im Zuge der Verhandlungen weiche Absichtserklärungen mit Ausnahmeregelungen für die Landwirtschaft. Auch Regelungen zur Wiederherstellung landwirtschaftlicher Flächen entfielen. Hierzu gehören entwässerte Moore. Das ist besonders schmerzlich. Denn sie binden kein CO₂ mehr, sondern setzen es frei. Etwa 7 Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland stammen aus entwässerten Mooren (ohne Berechnung der Emissionen aus der landwirtschaftlichen Nutzung).

Totalblockade der Europäischen Volkspartei scheitert knapp

Angeführt von Manfred Weber wollte die Europäische Volkspartei (EVP) das EU-Renaturierungsgesetz im Europaparlament stoppen, ohne darüber zu verhandeln. Dazu führte sie eine aggressive Desinformationskampagne durch, die in Teilen Erfolg hatte.

Mehr als 1.116.000 Bürgerinnen und Bürger hatten sich für das EU-Renaturierungsgesetz (NRL) eingesetzt.

Zuletzt hatten mehr als 1.116.000 Bürgerinnen und Bürger, 200 Umweltorganisationen aus der EU, darunter auch die Deutsche Stiftung Meeresschutz, 6.000 Wissenschaftler, die Weltnaturschutzorganisation IUCN, und viele andere mehr sich für das Renaturierungsgesetz eingesetzt und um Zustimmung im EU-Parlament geworben.

Bei der Verabschiedung im Europarlament am 12. Juli 2023 mussten die Abgeordneten dennoch viele Kompromisse und Zugeständnisse machen, damit das Renaturierungsgesetz überhaupt die parlamentarische Hürde überspringt. Schließlich stimmte das Parlament knapp mit 324 gegen 312 Stimmen bei zwölf Enthaltungen gegen die Blockadepolitik der EVP.

Wie geht es weiter?

Im letzten Schritt vor der offiziellen Veröffentlichung wird das EU-Renaturierungsgesetz (NRL) wahrscheinlich im Februar 2024 im Europaparlament zur Abstimmung gestellt. Dann muss der Europäische Rat (die Staats- und Regierungschefs der EU) noch seine endgültige Zustimmung erteilen. Dies wird voraussichtlich im März 2024 der Fall sein.

EU-Biodiversitätsstrategie

Die EU-Biodiversitätsstrategie mit dem Nature Restauration Law ist ein umfassender, ehrgeiziger und langfristiger Plan zum Schutz der Natur und zur Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme. Sie ist der Kern des European Green Deal von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die Biodiversitätsstrategie zielt darauf ab, die Natur in Europa zu revitalisieren. Dazu sieht sie eine Reihe konkreter Maßnahmen und Verpflichtungen vor. Denn um Ökosysteme wiederherzustellen, braucht es rechtliche Rahmenbedingungen.

Update: erweiterter und überarbeiteter Beitrag. Mit neuem Datum wieder veröffentlicht.


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