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Am 3. März ist der UN-Tag des Artenschutzes (UN World Wildlife Day). Er geht zurück auf einen Beschluss der UN-Generalversammlung aus dem Jahr 2013. Der Tag des Artenschutzes erinnert an die Unterzeichnung des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES, Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora) am 3. März 1973. Gleichzeitig macht er auf die prekäre Überlebenssituation von Tier- und Pflanzenarten in Zeiten des sechsten globalen Massenaussterbens aufmerksam.
„Ohne CITES hätte das Artensterben heute weitaus größere Ausmaße. Dennoch hat CITES die vom Menschen ausgelöste globale Biodiversitätskrise nur verlangsamen, aber nicht aufhalten können. Nach wie vor verschwinden unzählige Tier- und Pflanzenarten mit alarmierender Geschwindigkeit“, warnt der Biologe Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung Meeresschutz.
Mehr als ein Viertel aller Arten auf der Roten Liste sind vom Aussterben bedroht
Auf der Roten Liste der Weltnaturschutzorganisation IUCN (International Union for Conservation of Nature) sind aktuell mehr als 44.000 Tier- und Pflanzenarten als vom Aussterben bedroht gelistet. Das sind 28 % von mehr als 157.000 von der IUCN bewerteten Arten. „Der Zustand der globalen Biodiversität und die derzeitigen Aussterbeszenarien werden damit jedoch nur unzureichend beschrieben, denn für viele Arten gibt es keine Daten, um ihre Überlebenssituation beurteilen zu können“, macht Ulrich Karlowski deutlich.
Zum UN-Tag des Artenschutzes: Dunkle Biodiversität weitet sich aus
Von dunkler Diversität (dark diversity/versteckter Artenvielfalt) spricht man in der Biodiversitätsforschung, wenn Arten, die es in einem Biotop eigentlich geben sollte, dort nicht gefunden werden können.
Besonders betroffen von mangelnder Datenlage sind insbesondere Rochen. Für die meisten der 633 anerkannten Arten gibt es keine ausreichenden Bestandsdaten. Sie gelten als die „vergessenen Haie“. Viele dieser Arten sind wahrscheinlich bereits unbemerkt ausgestorben.
Typisches Beispiel für dunkle Biodiversität bei Rochen ist der Clown- oder Raunasen-Geigenrochen (Rhynchobatus cooki). Lebendig gesehen wurde der etwas über 80 cm große Fisch noch nie.
Die Art ist nur durch einige in Südostasien auf Fischmärkten entdeckte Exemplare bekannt. Laut IUCN gab es in den vergangenen 23 Jahren nur einen einzigen Nachweis. Das war 2019.
Anlässlich des Internationalen Tag des Artenschutzes weist die Deutsche Stiftung Meeresschutz auf einige der von ihr unterstützten Artenschutzprojekte hin. Diese arbeiten unmittelbar an der unsichtbaren Grenzlinie des sechsten globalen Massenaussterbens:
- eDNA-Untersuchungen zum Vorkommen von Geigenrochen in Fidschi. Diese urtümlichen Rochen gehören zu den weltweit am stärksten vom Aussterben bedrohten Knorpelfischen.
- Schaffung neuer Lebensräume für Mittelmeer-Mönchsrobben, dem am stärksten vom Aussterben bedrohten europäischen Meeressäugetier, an der israelischen Küste.
- Projekte zum Schutz von fünf der sieben Arten von Meeresschildkröten, darunter auch die größte Schildkrötenart, die Lederschildkröte. Die sieben Arten sind laut Roter Liste der IUCN entweder gefährdet, stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht.
Biodiversitätskrise gefährdet die Gesundheit von Milliarden von Menschen
Die vom Menschen befeuerte Biodiversitätskrise gefährdet die Ernährung und Gesundheit von Milliarden von Menschen. Zu diesem Schluss kam der Weltbiodiversitätsrat IPBES in seiner bislang umfangreichsten Analyse zur Nutzung wild lebender Tiere und Pflanzen, die er im Juli 2022 vorstellte. Demnach nutzt der Mensch rund 50.000 verschiedene Arten für seine Zwecke. Davon allein 10.000 Arten unmittelbar zur Ernährung.
Laut IPBES liegt das Tempo des weltweiten Artensterbens schon jetzt zehn- bis 100-mal höher als im Durchschnitt der letzten 10 Millionen Jahre.
„Es ist also in unserem ureigensten Interesse, die hemmungslose Nutzung natürlicher Ressourcen zu stoppen, Schutzzonen einzurichten und die Transformation unserer Gesellschaft und Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit konsequent voranzutreiben. Nur dann gibt es eine Chance, die Auswirkungen der globalen Biodiversitätskrise abzufedern“, so Ulrich Karlowski.
Titelbild: Ein Geigenrochen (auch Gitarrenrochen genannt) liegt auf dem sandigen Meeresboden vor Kokomo Private Island, Fidschi-Inseln. © Kerstin Glaus