Nordsee: Viele tote Schweinswale stranden an Stränden der Westfriesischen Inseln

Ende August 2021 strandeten innerhalb von nur zehn Tagen 190 tote Schweinswale an Stränden der vor der niederländischen Küste gelegenen Westfriesischen Inseln oder Nederlandse Waddeneilanden (Wattinseln). Auf Schiermonnikoog waren es etwa 20, teils schon stark verweste Körper. Auf Ameland mehr als 50. Ein tagelang herrschender Nordwind in der Nordsee trieb die überwiegend erwachsenen Tiere offenbar in großer Zahl an die Strände. Anfang September lag die Todeszahl bereits bei 120, später bei 190. Damit starb in kurzer Zeit fast ein Drittel der rund 600 Schweinswale, die im Jahresdurchschnitt an der niederländischen Küste stranden. Laut den Ergebnissen der Sektionen, die Forscher der Universität Utrecht durchführten, könnte eine bakterielle Infektion Ursache für die auffällig vielen toten Schweinswale in der Nordsee gewesen sein.

Warum gab es so viele tote Schweinswale in kurzer Zeit?

Forscher der Universität Utrecht und Wageningen University & Research untersuchten im Auftrag des Ministeriums für Landwirtschaft, Natur und Lebensmittelqualität 22 der bei der Massenstrandung in der Nordsee gestorbenen Tiere. 16 von ihnen waren erwachsene Weibchen. „Alle befanden sich in einem ähnlichen Verwesungszustand. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass sie ungefähr zur gleichen Zeit starben“, erklärt die Biologin Lonneke IJsseldijk von der Universität Utrecht.

„Insgesamt können wir aufgrund unserer Untersuchungen etliche mögliche Todesursachen ausschließen“, erklärt der Meeresbiologe Mardik Leopold von der Wageningen University & Research. So etwa Unterwasserexplosionen, Offshore-Windparks, Auswirkungen der Meereserhitzung oder Fischerei-Beifänge. „Allerdings haben wohl besondere Wetterverhältnisse dazu beigetragen, dass die Tiere, die weit draußen auf See gestorben sein müssen, massenweise angespült wurden.“

Löste eine Infektion mit Rotlauf-Bakterien eine Blutvergiftung aus?

Der auffälligste Befund der Autopsien: der Rotlauf-Erreger Erysipelothrix rhusiopathiae. Das Bakterium kann bei Walen und Delfinen eine Blutvergiftung verursachen. Die Forscher führten auch Untersuchungen zur körperlichen Verfassung und auf Parasitenbefall durch. Außerdem entnahmen sie Blutproben. Des Weiteren untersuchte man den Mageninhalt und ob Algengifte und möglicherweise tödliche Mikroorganismen für die vielen toten Schweinswale verantwortlich gewesen sein könnten.

Schweinswal-Massenstrandung an der holländischen Küste: Abtransport toter Tieren

Nach der Massenstrandung auf den Westfriesischen Inseln wurden die toten Schweinswale geborgen und abtransportiert. Foto: © Stichting Reddings Team Zeedieren/RTZ und Dierenambulance Ameland

Die Meeressäuger befanden sich in einem allgemein mittelmäßigen bis guten Gesundheitszustand, erklärt IJsseldijk: „Sie besaßen eine gesunde Fettschicht, relativ wenige Parasiten, und viele der erwachsenen Weibchen waren in den vergangenen Wochen trächtig. Daher ist der Tod offensichtlich plötzlich eingetreten.“ Einige Weibchen hatten anscheinend noch Junge gesäugt.

Trotz ihres relativ guten Gesundheitszustands entdeckten die Wissenschaftler bei elf der toten Schweinswale keine Beutereste im Magen. Bei den übrigen fand man nur geringe Nahrungsmengen. „Die bei dieser Massenstrandung involvierten Tiere hatten bereits einige Zeit vor ihrem Tod nichts mehr gefressen“, erklärt der Meeresbiologe Mardik Leopold von der Wageningen University & Research. „Das ist ein Zeichen für eine schwere, akute Erkrankung.“

Blutvergiftung durch Rotlauf-Bakterien?

Bei über drei Vierteln der untersuchten Tiere wurde ein besonderer Bakterienstamm gefunden: der Rotlauferreger Erysipelothrix rhusiopathiae. Diese Bakterien kommen bei fast allen Tierarten vor und können die Hautkrankheit Rotlauf – beim Menschen als Wundrose bekannt – verursachen. Sie tritt häufig bei Schweinen und Puten auf, aber auch bei Reptilien, Fischen und Menschen. Die Wissenschaftler entdeckten sie in mehreren Organen der toten Schweinswale, was auf eine Blutvergiftung hinweist.

Die Meeressäuger könnten sich über infiziertes Wasser, infizierte Fische oder durch gegenseitige Übertragung mit Erysipelothrix infiziert haben. Aber ob und wie dies zum Tod der knapp 200 Tiere geführt hat, ist laut IJsseldijk unklar: „In der verfügbaren Literatur gibt es keine Beschreibung eines Schweinswal-Massensterbens infolge einer Erysipelothrix-Infektion, sondern nur vereinzelte Fälle bei Individuen. Wir wissen nicht, ob dieses Bakterium normalerweise bei Schweinswalen vorkommt. Doch es ist schon auffällig, dass wir es bisher noch nie bei einer Autopsie entdeckt haben.“

Untersuchung eines Schweinswals

Die Biologin Lonneke IJsseldijk von der Uni Utrecht untersucht einen der an der niederländischen Küste gestrandeten toten Schweinswale. Foto: Bas Niemans/Utrecht University

Offene Fragen

Da es noch offene Fragen gibt, untersuchen Forscher der Erasmus-Universität die Tiere auf Viren. Außerdem hatte man in den toten Schweinswalen auch Saxitoxin (STX) in geringer Menge entdeckt. STX ist ein von Algen produziertes starkes Toxin, das die Funktion des Nervensystems beeinträchtigt. Aufgrund des fortgeschrittenen Verwesungszustands der Tiere ist noch unklar, wie hoch die STX-Konzentration kurz vor deren Tod war und ob sie ausreichte, um bei der Massenstrandung möglicherweise eine Rolle gespielt zu haben.

Untersuchung von Gewebeproben an der Universität Utrecht.

Bei der Autopsie entdeckte man auch das von Algen produzierte Toxin STX. Foto: Bas Niemans/Utrecht University

Quelle: Universität Utrecht

Titelfoto: Die Biologin Lonneke IJsseldijk von der Uni Utrecht untersucht, warum so viele tote Schweinswale in kurzer Zeit an Stränden der vor der niederländischen Küste gelegenen Westfriesischen Inseln strandeten. Foto: Bas Niemans/Utrecht University


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