Welttag des Seegrases: ein Meeresökosystem der Superlative in Gefahr

Am 1. März ist der UN-Welttag des Seegrases (UN World Seagrass Day). Dieser besondere Welttag wurde im Mai 2022 von der UN-Generalversammlung unter dem Motto Healthy seagrass, healthy planet ausgerufen. Mit dem jetzt zum dritten Mal stattfindenden Welttag des Seegrases wollen die UN zur Aufklärung über die Bedeutung von Seegraswiesen für die marine Artenvielfalt und den Klimaschutz beitragen. Gleichzeitig will man auf die Gefahren, denen dieses Ökosystem ausgesetzt ist, aufmerksam machen.

„Die Ökosystemleistungen von Seegraswiesen sind phänomenal, werden aber nach wie vor unterschätzt. Seegraswiesen haben eine enorme ökologische und wirtschaftliche Bedeutung. Sie sind die vielleicht potenteste natürliche Kohlenstoffsenke. Für viele Tausend Tierarten sind sie Lebensraum. Für andere, wie Grüne Meeresschildkröten, ist das Seegras Nahrungsgrundlage. Seegraswiesen gehören als Wellenbrecher zum natürlichen Küstenschutzsystem und säubern als Biofilter das Meerwasser auch von pathogenen Keimen. Und das ist lange noch nicht alles“, verdeutlicht der Biologe Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung Meeresschutz.

Blütenpflanzen im Ozean

Seegras ist verwirrend. Das fängt beim Namen an, denn die ca. 60 Arten sehen zwar aus wie Gräser an Land, sind aber keine. Sie sind die einzigen Blütenpflanzen, die ins Meer zurückgekehrt sind. Das geschah vor 110 bis 120 Millionen Jahren in der Kreidezeit. Seegräser wachsen meist in Wassertiefen von 1 bis 10 m an den Küsten fast aller Kontinente. Lediglich in der Antarktis fehlen sie. Man unterscheidet vier Familien.

Wie viele intakte Seegrasflächen es noch gibt, ist unbekannt. Schätzungen gehen davon aus, dass dieses Ökosystem lediglich 0,1 bis 0,2 Prozent des globalen Meeresbodens bedeckt.

Ein Füllhorn an Ökosystemleistungen

Seegraswiesen verwandeln zweidimensionalen sandigen Meeresboden in einen vegetationsreichen, reich strukturierten dreidimensionalen Lebensraum. Hier leben unzählige, hauptsächlich kleinere Meerestiere wie Hummer, Krabben, Seepferdchen und andere kleinere Fischarten, Oktopusse und viele andere mehr. Jungfische finden hier Schutz und Nahrung.

Welttag des Seegrases: Große Krabbe am Meeresgrund in einer Seegraswiese.
© Michie Vos/Ocean Image Bank

Auf den lanzettförmigen Blättern legen Substratlaicher wie der Hering ihre Eier ab. Große Haie wie Tigerhaie patrouillieren auf der Suche nach Nahrung über den Meereswiesen.

Unterschätztes CO₂-Speicherpotenzial – Blue Carbon

Je nach Standort und Art haben Seegraswiesen eine 30- bis 50-mal höhere CO₂-Senkungsrate als Wälder. Je nach Art speichert eine ein Hektar große Seegraswiese dieselbe Menge Kohlenstoff wie zehn Hektar Wald und das auch noch 35-mal schneller.

Experten schätzen, dass Seegraswiesen weltweit bis zu 15 Prozent des von den Ozeanen aufgenommenen Kohlenstoffs binden. Hinzu kommt, dass sie diesen in ihren Wurzelstöcken (Rhizomen) und im umgebenden Meeresboden für viele Tausend Jahre speichern können. Diesen für lange Zeit der Umwelt entzogenen Kohlenstoff nennt man „blauen Kohlenstoff“ oder Blue Carbon.

UN-Welttag des Seegrases und Kampagne #RestoreNature – Seegras speichert Kohlenstoff schneller und länger als tropische Regenwälder.

Außerdem stabilisiert das dichte Wurzelgeflecht der Pflanzen den Meeresboden und verhindert, dass dort eingeschlossener Kohlenstoff entweicht und als CO₂ die Erderhitzung beschleunigt.

„Seegraswiesen sind extrem starke natürliche Kohlenstoffsenken. Sie könnten entscheidend für die erfolgreiche Dämpfung des Klimawandels sein, wenn man ihre Zerstörung stoppen und sie renaturieren würde“, verdeutlicht Karlowski. „Wir müssen sie schützen. Auch weil sie im Zuge ihrer Zerstörung zu einer gefährlichen Kohlenstoff-Quelle werden, ähnlich wie entwässerte Moore an Land.“

Superwiesen in Not

Fast so zahlreich wie ihre Ökosystemleistungen sind die Gefahren, denen die Meereswiesen ausgesetzt sind. Auch darauf macht der UN-Welttag des Seegrases aufmerksam. Laut UNEP (Umweltprogramm der Vereinten Nationen) sind zwischen 1970 und 2000 weltweit bereits 30 Prozent aller Seegraswiesen verloren gegangen.

Vor allem direkte Zerstörungen wie die Grundschleppnetzfischerei, Ankern in Seegraswiesen, Entfernung aus optischen Gründen zur Schaffung eines touristisch vermeintlich ansprechenderen Meeresbodens haben weltweit viele Flächen vernichtet.

Ausgeworfener Anker in einer Seegraswiese.
© Dimitris Poursanidis/Ocean Image Bank

Wie alle anderen Meeresökosysteme auch stehen Seegraswiesen zusätzlich unter Druck durch eine Kombination aus den Folgen der Klimakrise und intensiver Landwirtschaft. Die Überdüngung mit landwirtschaftlichen Abwässern in Verbindung mit steigenden Wassertemperaturen führt zu übermäßigem Algenwachstum und Überwucherung (Lichtkonkurrenz).

Auch sind Seegräser nur bedingt hitzetolerant. Liegt die Temperatur des umgebenden Meerwassers mehrere Tage lang bei über 30 Grad, bleichen die Blätter der Pflanzen aus und werden abgeworfen.

Auch an unseren Küsten in Nord- und Ostsee sind Seegraswiesen seit vielen Jahren auf dem Rückzug. Doch inzwischen hat ein Umdenken eingesetzt. Erste Renaturierungsprojekte wurden in Angriff genommen.

Zum UN-Welttag des Seegrases: Schutz und Renaturierung von Seegraswiesen

Die Deutsche Stiftung Meeresschutz fördert verschiedene Projekte für den Erhalt und die Renaturierung von Seegraswiesen.

Vorbereitungen, um Seegras zu pflanzen: Meeresgärtner über Seegraswiese im Mittelmeer.
  • Das „Meeresgärtner-Projekt“ mit Project Manaia unter Leitung des Meeresbiologen Manuel Marinelli zur Renaturierung von Neptungraswiesen (Posidonia oceanica) im Mittelmeer.
Mission Förde – Aktiver Meeresschutz in Flensburg.
  • Erstmalig 2025 sollen durch den Verein Mission Förde aus Flensburg an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste Seegraswiesen in der Flensburger Förde neu angepflanzt werden. Das Vorhaben ist eingebettet in das multidisziplinäre Verbundprojekt Seastore aus Kiel.
Seegrasfischerei in Malapascua.
  • Etablierung selbstverwalteter Schutzzonen für Seegraswiesen mit People and the sea auf der philippinischen Insel Malapascua. Das Programm fördert insbesondere die Beteiligung von Fischerinnen. Damit sollen Frauen in die Entscheidungsfindung der lokalen Fischereikooperativen über die Bewirtschaftung von Meeresressourcen eingebunden werden.

„Wir müssen Seegraswiesen schützen und sie dort, wo sie zerstört wurden, renaturieren. Für gesunde Meere, für den Klimaschutz und für die vielen Millionen Menschen, die auf gesunde und resiliente Küstenmeere angewiesen sind zur Nahrungsversorgung, Erholung, für ihren Lebensunterhalt oder als kostenloser Küstenschutz“, betont Karlowski die globale Bedeutung des UN-Welttags des Seegrases (UN World Seagrass Day).

Titelfoto: OceanImageBank/UmeedMistry


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