Projekt Haie in der Karibik – Curaçao

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Die Meeresbiologin Lisa Hübner von der Universität Groningen (Niederlande) wird den Haibestand und Artenreichtum um die Gewässer der zu den Niederlanden gehörenden Insel Curaçao in der Karibik erforschen. Dafür muss man wissen, wie der Bestand in der Vergangenheit aussah und wie er heute aussieht (Baseline). Des Weiteren müssen die Hintergründe des vermeintlichen Verschwindens der Haie vor Curaçao in der Karibik erforscht werden. Zudem will Lisa Hübner den ökologischen Wissensstand von Fischern sowie deren ökonomische Abhängigkeit vom Fischfang untersuchen.

Meeresschutz kann nur funktionieren, wenn lokale Bevölkerungsgruppen in die Maßnahmen eingebunden werden. Deshalb fördern wir die Arbeit von Lisa Hübner auf Curaçao.

Projektziel

Ziel ihrer Forschungsarbeit ist ein dringend nötiger und effektiver Meeres- und Haischutz in Curaçao in Zusammenarbeit mit den einheimischen Fischern. Eine Kombination aus tiefgreifenden, semi-strukturierten Interviews mit einheimischen Fischern und der Installation von Unterwasserkameras (Baited Remote Underwater Video Systems/BRUVS1) bilden eine ganzheitliche Basis dieses Projekts.

Hier der gekürzte Hintergrundbericht von Lisa Hübner:

„A Fisherman‘s Tale“: Wie Fischer uns helfen können, Haie zu schützen

Haie sind weitaus mehr als ikonische Geschöpfe des Meeres – ohne sie steht das marine Ökosystem auf dem Kopf. Sie bilden einen essenziellen Bestandteil der Nahrungskette. Verschwinden sie, löst das einen negativen Kaskadeneffekt auf niedrigere Trophieebenen² aus. Vor allem Korallenriffe, Seegraswiesen und die pelagische Zone sind Ökosysteme, die auf einen gesunden Bestand der Raubtiere angewiesen sind.

Viele Haiarten vom Aussterben bedroht

Umso besorgniserregender ist eine kürzlich veröffentlichte Red-List-Bewertung der Weltnaturschutzunion IUCN, die zeigt, dass 31 % aller Haiarten vom Aussterben bedroht sind. Darunter der Karibische Riffhai (Carcharhinus perezii) und der Atlantische Ammenhai (Ginglymostoma cirratum) – Arten, deren Vorkommen einst die Normalität an karibischen Riffen und Küstenökosystemen widerspiegelten. Eine weitere Studie aus dem Jahr 2020 zeigt, dass Haie von bereits 20 % aller weltweiten Korallenriffe verschwunden sind.

Ein Ammenhai ruht unter Mangroven.

Ein Ammenhai. Diese Haie sieht man in der Karibik nur noch selten. © Amanda Cotton/Ocean Image Bank

Gefahren für Haie in der Karibik

Haie werden gezielt gefischt, verenden als Beifang in den für sie verheerenden Langleinen oder Kiemennetzen oder werden selbst als Köder für den Fang anderer Arten benutzt. Durch ihr relativ langsames Wachstum und die damit zusammenhängende späte Geschlechtsreife können sie sich nur schwer von der stets wachsenden Überfischung erholen.

Fehlender Haischutz vor Curaçao

Aus diesen Gründen entstand im Jahr 2015 das sogenannte „Yarari Shark and Marine Mammal Sanctuary“ um die Gewässer der Inseln Saba und Bonaire in der Niederländischen Karibik. Meeresschutzgebiete (MPAs/Marine Protected Areas), insbesondere mehrere in Verbindung gebrachte MPAs, können die über weite Flächen wandernden Raubtiere effektiv schützen. Leider fehlen solche Schutzgebiete großflächig um die restlichen Inseln wie Curaçao, wo die Knorpelfische bis heute vollständig ungeschützt bleiben. Dabei gibt es gerade auf Curaçao anekdotische Beweise für andauernden Hai-Beifang und einen historisch viel höheren Haibestand. Bisher gibt es allerdings keine ganzheitlichen wissenschaftlichen Bewertungen der Entwicklung des Haibestandes und der Artenvielfalt für diese Region.

Projekt Haie in der Karbik: Angelandete Haie in Curacao.

Angelandete Haie in Curaçao © Van Beek et al

Haie in der Karibik vor Curaçao gestern und heute

Eine historische Baseline ist essenziell für effektives, zukünftiges Schutzmanagement, da sie als Referenzpunkt für Zielsetzungen dient. Selbstverständlich ist die komplementierende Erforschung des gegenwärtigen Bestandes hier unumgänglich. Es müssen Brücken zwischen den gewünschten, historischen und den momentan vorhandenen Beständen gebaut werden. Brücken, die sich nicht nur auf die biologischen Hintergründe, aber auch auf sozio-ökonomische Entwicklungen stützen, die zu einer vermeintlichen Reduzierung des Haivorkommens beigetragen haben. Nur so kann ein zukünftig ganzheitlicher und nachhaltiger Plan zum Schutz der Haie vor Curaçao entwickelt werden.

Haie in der Karibik vor Curacao: Darstellung der Zusammenhänge zwischen Teilzielen des Projekts.

Vereinfachte grafische Darstellung der Zusammenhänge zwischen Teilzielen des Projekts. Hier wird die Komplementierung von Teilzielen zum geschlossenen Kreislauf sichtbar. © Lisa Hübner

Hierfür soll eine Zusammenarbeit mit den Menschen entstehen, deren Lebensunterhalt nicht nur von einem gesunden Ozean abhängt, sondern deren gezieltes Handeln die Gesundheit des Ozeans bestimmt: einheimische Fischer. Ihre Erfahrungsberichte haben enormes Potenzial, zur Aufbereitung des Haibestandes beizutragen. Ein weiterer, entscheidender Vorteil der aktiven Einbeziehung von Fischern ist die enorme Stärkung des Wertschätzungsgefühls und des damit verbundenen Pflichtbewusstseins.

Projekt für Haie in der Karibik vor Curacao: Beköderte Hai Kamerafalle.
Links: Ein einheimischer Student im Interview mit einem lokalen Fischer während der Pilotstudie in Guinea-Bissau, um den historischen Haibestand zu bestimmen. Rechts: Skizze eines Baited Remote Underwater Systems (aus Watson et al., 2010), das zur Bestimmung des gegenwärtigen Haibestands eingesetzt werden soll. © Lisa Hübner

1 Baited Remote Underwater Video Systems (BRUVS) werden regelmäßig in Studien zur Bestandsbestimmung von Raubtieren eingesetzt. Haie werden durch den für sie attraktiven Köder angelockt und so von der angebrachten Kamera gefilmt. Die Filmaufnahmen werden im Nachhinein ausgewertet, um Anzahl und Artenvielfalt einer Region zu bestimmen.

2 Stellung eines Tiers oder einer Pflanze in der Nahrungskette

Foto oben: Karibischer Riffhai, © Guido Leurs


Haischutzgebiete in der Karibik

Im Juni 2016 verhängten die Regierungen der Karibik-Inseln St. Maarten und der Kaimaninseln ein Fangverbot für die kommerzielle Haifischerei in ihren Hoheitsgewässern. Gleichzeitig gaben Curaçao und Grenada bekannt, noch im Laufe des Jahres gleichfalls den kommerziellen Fang von Haien verbieten zu wollen. Damit erhöhte sich die Zahl von Haischutzgebieten zum damaligen Stand auf weltweit 17, mit einer Fläche von etwa 20 Millionen Quadratkilometern.

Die karibischen Haischutzgebiete sind Ergebnis wachsenden Engagements von Karibischen und Pazifischen Staaten. Sie wollen die Ausrottung der Haie in der Karibik verhindern. Dieses gründet sich auch auf den Ergebnissen eines internationalen Karibischen Haischutz-Symposiums. Es fand im Juni 2016 auf St. Maarten statt. An dem Treffen von Regierungsvertretern und nicht staatlichen Haischutzorganisation nahm auch der engagierte Haischützer Sir Richard Branson teil.

Sterben die Haie, stirbt das Meer!

Toter Hai hängt in einem Fischernetz, Fidschi

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