Überraschend übernahm Österreich die Vorreiterrolle beim Haischutz in der EU. Klima- und Umweltschutzministerin Leonore Gewessler erließ im April 2024 eine Verordnung, die den Handel mit Haiprodukten stark einschränkt. Aufgrund der strengen Auflagen ist die Einfuhr von Haiflossen oder -gebissen als Jagdtrophäen und anderen Haiprodukten damit de facto verboten. Im Gegensatz dazu bremst die EU-Kommission die erfolgreiche EU-Bürgerinitiative „Stop Finning – Stop the Trade“ aus. Dabei drängt die Zeit. EU-Fischer gehen immer rücksichtsloser gegen Haie vor. So konfiszierte die nationale Gendarmerie Portugals am 19. Juni 2024 im Hafen von Leixões im Bezirk Porto 53 Tonnen wahrscheinlich illegal gefangenem Blauhai (Fleisch und abgetrennte Flossen)!
Inhaltsverzeichnis
Österreich handelt entschlossen
Es dauerte nicht einmal anderthalb Jahre, bis Österreich ein nationales Stop Finning EU auf den Weg brachte. Im Dezember 2022 forderten die im Nationalrat vertretenen Parteien ein nationales Einfuhr- und Handelsverbot von Haiprodukten. Auf dieser Basis entwickelte Leonore Gewessler, Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie der Republik Österreich, die neue Verordnung1. „Die leider immer noch weitverbreitete Haifischflossensuppe gehört somit in Österreich der Vergangenheit an“, freut sich Lukas Hammer, Klimasprecher der österreichischen Grünen und Vorsitzender des Umweltausschusses, der Sharkproject Austria für die Unterstützung dankt.
Öffentliche Anhörung zu Stop Finning EU als Verzögerungstaktik
„Statt zu handeln, wie Österreich es getan hat, veranlasste die Kommission eine langwierige Folgenabschätzung (Impact Assessment). Doch den Haien läuft die Zeit davon“, erklärt Ulrich Karlowski, Biologe bei der Deutschen Stiftung Meeresschutz. Eine Entscheidung der Kommission zu den Forderungen von Stop Finning EU ist frühestens im vierten Quartal 2025 zu erwarten!
Das Impact Assessment bestand aus zwei Modulen, einer öffentlichen Anhörung (Public consultation) und einer Expertenanhörung (Call for evidence). Während letztere am 22. Februar startete und am 16. Mai mit 209 Teilnahmen zu Ende ging, begann die öffentliche Anhörung am 12. März und endete am 4. Juni. Sie ergab eine ungewöhnlich hohe Resonanz von 3.455 Einreichungen. Spitzenreiter waren Menschen aus Deutschland (27 % der Einreichungen) und Frankreich (23 %).
Der lange Weg der Europäischen Bürgerinitiative Stop Finning
Die Europäische Bürgerinitiative Stop Finning – Stop the Trade2 endete nach zwei Jahren erfolgreich am 31. Januar 2022. Ein starkes europäisches Bündnis von Hai- und Meeresschutzorganisationen motivierte 1.119.996 Menschen, ihre Stimme für besseren Haischutz abzugeben. Damit war die notwendige Zielmarke übertroffen.
Wir unterstützten Stop Finning – Stop the Trade von Beginn an.
Nach Abschluss der Gültigkeitsprüfung der abgegebenen Stimmen folgte Anfang 2023 eine Anhörung von Vertretern der Initiative im EU-Parlament. Anschließend veröffentlichte die EU-Kommission am 5. Juli 2023 ihre Antwort auf die Forderung der Bürgerinitiative. Darin wird die Bedeutung der Haie und ihres Schutzes zwar anerkannt, konkrete Schritte folgten jedoch nicht.
Dafür startete die Kommission eine umfangreiche Folgenabschätzung (Impact Assessment) über die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen eines Handelsverbots für Haiflossen. Das Impact Assessment bestand aus einer öffentlichen Konsultation sowie einer Expertenanhörung.
Kommission ignoriert Votum der Bürgerinitiative Stop Finning – Stop the Trade
Schlüsselrolle der EU beim Haiflossen-Handel
Die EU nimmt eine Schlüsselrolle im globalen Handel mit Hai- und Rochenprodukten ein.
Shark Finning ist in der EU seit 2013 durch die sogenannte „Fins Naturally Attached“-Verordnung (Ganzkörperanlandung) verboten. Dies wird aber kaum kontrolliert. Deshalb kann niemand sagen, wie viele Haiflossen illegal angelandet werden. Und solange der Handel mit Haiflossen erlaubt ist, floriert auch die Haiflossenfischerei.
Typisch für die Hilflosigkeit der Behörden gegenüber der industriellen Haifischerei von EU-Fischern war der Fund von wahrscheinlich illegal gefischten 53 Tonnen Blauhai-Fleisch und Blauhai-Flossen am 19. Juni 2024 im Hafen von Leixões im Bezirk Porto in Portugal. Die aus Kap Verde stammende Lieferung wurde durch die nationale Gendarmerie Portugals GNR – Comando Territorial do Porto über den Natur- und Umweltschutzdienst (SEPNA) in Zusammenarbeit mit dem Institut für Naturschutz und Wälder (ICNF) vorsorglich konfisziert.
Nach Angaben der Fischereigenossenschaft Viana Pesca aus Viana do Castelo, der mehr als 560 Fischereien angehören, musste die Ladung jedoch zurückgegeben werden. Anschließend gelangten Haifleisch und -flossen legal in den freien Verkauf.
- Neue Artenschutz-Verordnung der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation in Kraft. (107. Verordnung, 18. April 2024, https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/II/2024/107) ↩︎
- Die EU-Bürgerinitiative stand unter Federführung von Stop Finning EU. Mehr als 100 Umwelt- und Meeresschutzorganisationen und viele Prominente zählen zu den Unterstützern. Darunter Meeresbiologe und Tierfilmer Robert Marc Lehmann oder der bekannte Naturfilmer Hugo Clement aus Frankreich. Auch Sportler wie Tennisspieler Dominic Thiem und Nationalspieler Kai Havertz machten sich für die Haie stark. ↩︎
ECI: European Citizen’s Initiative (Europäische Bürgerinitiative)
Seit 2012 können Bürgerinnen und Bürger der EU sich mit einer Europäischen Bürgerinitiative direkt an die Europäische Kommission wenden. Mindestens eine Million Unterschriften werden dazu benötigt. Zudem bedarf es einer Mindestanzahl in mindestens einem Viertel der EU-Staaten. In Deutschland sind das 72.000 Unterschriften. Die Abstimmung findet sowohl schriftlich als auch online statt.
Beispiele für erfolgreiche EU-Bürgerinitiativen:
- Verbot von Glyphosat und Schutz von Menschen und Umwelt vor giftigen Pestiziden
- Stop Vivisection
- Wasser und sanitäre Grundversorgung sind ein Menschenrecht! Wasser ist ein öffentliches Gut und keine Handelsware!
Update: überarbeiteter und mit neuem Datum veröffentlichter Beitrag