Über ein Jahr intensive Planung, über vier Jahre die Idee und dann auf einmal ankommen am ersten ökologischen Flughafen der Welt, Galapagos Baltra. Die Vorstellung, jemals hier sein zu dürfen und die Forschung zu betreiben, die ich geplant habe, war so immens, dass es einige Wochen dauerte, bis ich wirklich realisierte, wo ich bin.
UPDATE: Auszeichnung für Tobias Poprick mit dem „Best Student Poster Presentation Award“ auf der „6th Mangrove Macrobenthos and Management meeting“ in Cartagena, Kolumbien.
Inhaltsverzeichnis
- Raritäten auf Galapagos: unberührte Orte
- Der lange Weg von der Idee zur Studie
- Endlich angekommen auf Galapagos
- Erstbegegnung mit Galapagos-Mangroven
- Daten von über 1.000 Mangrovenblättern
- Galapagos-Mangroven haben viel zu erzählen
- Mangrovenwälder – unverzichtbar für den Klimaschutz und den Erhalt der marinen Artenvielfalt
- Erhalt und Renaturierung von Mangrovenwäldern
Raritäten auf Galapagos: unberührte Orte
Die Idee des Projekts entstand 2019 mit der Initialzündung durch die Publikation von Moity et al. 2019 von der Charles Darwin Foundation (CDF) über die Verbreitung der Mangroven auf den Galapagosinseln. Durch diese Publikation wurde deutlich, dass Mangroven dort enorm unterschiedlich verteilt und entwickelt sind. Außerdem sind sie weitgehend unerforscht, was mich erstaunt und euphorisch zurückließ.

Orte, an denen es nur minimalen menschlichen Einfluss gibt, sind vermutlich mittlerweile so rar wie Orte, an denen es keinen bedrohten Organismus gibt. Foto: Tobias Poprick/CDF
Der lange Weg von der Idee zur Studie
Durch meine Vorerfahrung mit genetischen Ansätzen erschloss sich mir der Gedanke recht schnell, dass die Mangroven auf Galapagos ein idealer Ort für eine populationsgenetische Studie sein könnten. Die Lokalisierung genetischer Verknüpfung zwischen Mangroven auf den verschiedenen Inseln und die Erkundung potenzieller Anpassungsquellen war hierbei zentraler Fokus. Wie lang es von dieser Idee bis zur tatsächlichen Umsetzung dauern sollte, konnte ich mir zu dem Zeitpunkt natürlich nur schwer vorstellen.
Anfang 2022 kontaktierte ich Prof. Dr. Martin Zimmer und Dr. Véronique Helfer mit einer Anfrage für ein Masterarbeitsprojekt in der Mangrovenökologie-Arbeitsgruppe am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung Bremen (ZMT), wo ich auch schon meine Bachelorarbeit absolvierte. Für die Idee, eine genetische Studie über die Mangroven auf Galapagos zu initiieren, erhielt ich Zustimmung und die Bekundung der Betreuung durch Frau Helfer und anschließend ebenfalls durch Dr. Marlis Reich an der Universität Bremen als meine Studiengangsmentorin.
Zentrale Rolle der Charles Darwin Foundation Galapagos
Durch die ZMT-Vergangenheit von Dr. María José Barragan, jetzt wissenschaftliche Direktorin an der Charles Darwin Foundation Galapagos, erschloss sich der Kontakt nach Galapagos recht zügig. Die Euphorie für dieses Projekt wurde auf beiden Seiten mit einer Kooperation zwischen den beiden Instituten geteilt, sodass das Projekt Teil des Mangrovenökologie-Projekts auch an der CDF wurde und Nicolas Moity ebenfalls Teil des Projekts wurde.
Wie finanzieren?
Über das Jahr 2022 entwickelte sich das Projekt in der Theorie immer weiter, sodass sich die Frage stellte, wie es finanziert werden könnte. Neben extrem teuren Flügen, hohen Lebenshaltungskosten, dem innovativen Ansatz und etwaigen noch nicht berücksichtigten unerwarteten Kosten kam in der Planung so einiges an benötigtem Budget zusammen.

Durch Förderanträge und Gespräche bei vielen verschiedenen Firmen, Umweltverbänden und Stiftungen ergaben sich positive Rückmeldungen der Deutschen Stiftung Meeresschutz, Kellner und Stoll Stiftung, der Brede Stiftung, der Okeanos Stiftung für das Meer, PROMOS und Macherey und Nagel, die zusammen dieses Projekt erst finanziell realisierbar machten.
Ohne diese Art der Unterstützung würde nach wie vor nur die Idee existieren. Diese immens wichtige Unterstützung und Resonanz war der finale Motivationsschub, dass diese Projektidee, die ich hatte, wirklich von Bedeutung sein könnte.
Und dann wären da noch die Formalien …
Meine Euphorie, das Projekt wirklich realisieren zu können, war nun kaum zu stoppen – bis mir bewusst wurde, welche bürokratischen Herausforderungen auf mich warteten. Zollformalitäten, Ausfuhr- und Einfuhrerlaubnis von Proben, Forschungserlaubnis vor Ort, tropenärztliche Untersuchung, Erste-Hilfe-Kurs, Nagoya-Protokoll1 etc.
Bis zu meiner Abreise war in diesem bürokratischen Dschungel kaum ein Ende in Sicht. Doch dann die Durchsage – das Boarding nach Galapagos Baltra beginnt – und das erste Mal seit über einem Jahr realisierte ich: Es passiert wirklich, das Projekt beginnt und der Traum wird wahr.
Endlich angekommen auf Galapagos
Auf Galapagos angekommen wurde mir auch direkt bewusst, dass ich nicht mehr 12 °C und grauem Wetter wie die Tage zuvor in Deutschland ausgesetzt bin, sondern nun direkte Äquatorsonne und rund 80 % Luftfeuchtigkeit abbekomme. Neben klimatischer Anpassung bedurfte es auch einer Anpassung des in der Theorie geplanten Zeitplans – die Nationalpark-Forschungserlaubnisse ließen länger auf sich warten!

Kooperation mit dem Mangroven-Finken-Projekt der Charles Darwin Foundation
Glücklicherweise ergab sich eine Kooperation mit dem Mangroven-Finken-Projekt an der Charles Darwin Foundation. Das Projekt arbeitet für den Schutz und Erhalt der berühmten und akut vom Aussterben bedrohten Darwin-Finken. Nicolas Moity stellte von dort Daten und Mangrovenblätter aus den sehr abgelegenen Gebieten zur Verfügung. Dadurch blieb der Zeitplan der populationsgenetischen Mangrovenstudie weiterhin realisierbar.
Komplexität Nationalparkbehörde zum Schutz einzigartiger Biodiversität

Die Koordinierung der anstehenden Arbeiten in den geplanten Insel-Standorten war hauptsächlich aus Papierarbeit geprägt. Denn für jede Insel gibt es eine andere Nationalparkdirektion, bei welcher Arbeitserlaubnisse für die unterschiedlichen Standorte Tag-genau eingeholt werden müssen.
Für den Transport der Proben zwischen den Inseln musste jeweils ein zusätzlicher Bürokratieberg zur Einfuhr erklommen werden. Durch die hervorragende administrative Arbeit der Charles Darwin Foundation und vor allem Nicolas Moity konnte dennoch alles zeitnah erfolgen und koordiniert vonstattengehen.
Erstbegegnung mit Galapagos-Mangroven
Nun konnte es also losgehen. Dass allererste Mal zu den Mangroven, die ich bis hierhin nur als grüne Pixel auf Satellitenbilder wahrnehmen konnte: Die Aufregung und Vorfreude waren enorm.

Überwältigende Mangrovenvielfalt auf Galapagos
Die ersten Impressionen der Galapagos-Mangroven waren erstaunlich, denn diese imposante Fähigkeit der Mangroven, direkt auf Lavagestein zu wachsen, und viele große, alte Bäume zu sehen, war beeindruckend.
Die Mangroven sind faszinierend geprägt, und selten gibt es Standorte, die sich augenscheinlich ähnelten. An einigen Standorten nur riesige Bäume und Wälder, an anderen nur buschartige Bäumchen, extrem salinen Bedingungen ausgesetzt. Wieder andere Mangroven direkt auf Lavagestein wachsend mit riesigem Stamm und Wurzelwerk – die Ambition, alle geplanten Standorte beproben zu können, war riesig.




Fotos: Tobias Poprick/CDF
Und grau ist alle Theorie …
Dennoch konnte ich im Vorfeld noch so viel in der Theorie planen und rechnen, wie lange es wohl dauern mag, alle Parameter an einem Baum aufzunehmen. Wie lange es wohl dauert, von A nach B zu kommen oder im Nachhinein die Proben zu bearbeiten. Doch in der Praxis ist bekanntlich alles ein wenig anders. Es bedarf sinnvoller Anpassungen, die das Forschungsdesign wiederum nicht gefährden.
Risiken der Feldarbeit: Wann kommt die Flut?

Innerhalb der Standorte wurden daher Höhe und Umfang des Baumes vermessen, Blätter gesammelt, Koordinaten jedes Baumes gespeichert und Umweltfaktoren wie Salinität und pH-Werte aufgenommen.
Die Arbeiten im Feld waren vor allem gezeichnet von Hitze, rutschigem Lavagestein, Wurzelklettern und dauernder Kalkulierung der Tide, um nicht zurückschwimmen zu müssen.
Direkt im Anschluss an jede Feldarbeit standen dann Vermessen des Blattareals, Aufnahme von Blattstrukturdichte und Gewicht der Blätter an. Die Arbeitstage zogen sich folglich in die Länge.
Forschen auf Galapagos: ein Privileg

Im gewohnten Alltag realisierte ich nach einer Weile, wie schnell es doch geht auszublenden, an welch einem Ort ich doch bin, und dass jegliche Anstrengungen eigentlich nur Luxusprobleme darstellen, wenn man das Privileg besitzt, auf Galapagos sein zu dürfen und hier auch Forschung betreiben zu können.
Diese Realisierung gekoppelt mit der Passion für Mangroven war der Motor, der mich antrieb, jegliche Strapazen überwinden zu können und zu wollen.
Daten von über 1.000 Mangrovenblättern
Innerhalb des Masterprojekts zur genetischen Fitness der Galapagos-Mangroven beprobte ich in 2 Monaten 14 verschiedene Standorte auf fünf verschiedenen Inseln. Dabei kamen Daten von über 1.000 Mangrovenblättern zusammen. Diese warten nun auf ihre statistische Auswertung.
Zusätzlich ergab sich innerhalb der Kooperation mit der Charles Darwin Foundation die Bereitschaft, Blattmaterial von zwei weiteren Inseln und Standorten für die genetische Analyse zur Verfügung zu stellen.
Die aufgenommenen Parameter im Feld sollen bestmöglich Aufschluss über Unterschiede innerhalb der Mangrovenarten und des Standorts geben und dann anschließend mit den genetisch gewonnenen Daten gekoppelt werden.

Die für die genetische Analyse bestimmten Proben kommen mit zurück nach Deutschland. Dort, in den Laboren des ZMT, wird die DNA der einzelnen Blätter extrahiert und anschließend sequenziert. Foto: Tobias Poprick/CDF
Galapagos-Mangroven haben viel zu erzählen
Die Zeit auf Galapagos war prall gefüllt mit atemberaubender Natur, prägenden Erfahrungen, Herausforderungen und Abenteuern, die mich als Mensch und vor allem als Wissenschaftler nachhaltig beeinflussen werden. Ich bin mir sicher, dass die Mangroven von Galapagos noch einige Geschichten bereithalten.

Ich bin dankbar für jede einzelne Person, die die Bereitschaft gezeigt hat, dieses Projekt unterstützen zu wollen und zu ermöglichen.
Foto: Tobias Poprick/CDF
1: Das „Nagoya-Protokoll über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt“ ist ein Instrument für den internationalen Naturschutz, das einerseits Regelungen über den Zugang zu genetischen Ressourcen enthält und andererseits eine Beteiligung an den Ergebnissen, die aus der Nutzung der genetischen Ressourcen entstehen, vorsieht.
Titelfoto: Tobias Poprick/CDF
Mangrovenwälder – unverzichtbar für den Klimaschutz und den Erhalt der marinen Artenvielfalt
Mit ihrer atemberaubenden Artenvielfalt gehören Mangrovenwälder neben Korallenriffen, Seegraswiesen und tropischen Regenwäldern zu den produktivsten Ökosystemen der Erde. Sie sind unvergleichlich.

Die Küstenwälder haben eine herausragende Funktion im Küsten- und Klimaschutz und für die Ernährungssicherung der Küstenbevölkerung. Sie speichern, ähnlich wie Seegraswiesen, langfristig und effektiv große Mengen des Treibhausgases CO₂ als „blauen Kohlenstoff“ oder Blue Carbon.
Derzeit verlieren wir Mangrovenwälder schneller als tropische Regenwälder. Experten befürchten, dass diese Küstenwälder innerhalb der kommenden 100 Jahre gänzlich verschwinden könnten. Wir setzen uns dafür ein, dass das nicht passiert!
Genetische Vielfalt der Arten bestimmt ihre Widerstandsfähigkeit
Für den Erfolg von Projekten zur Wiederherstellung von Mangrovenwäldern als unverzichtbare, naturbasierte CO₂-Speicher (Nature-based Solutions, NbS) und Hotspots der Artenvielfalt sollte man deren genetische Fitness kennen. Welche Varianten einer Mangrovenart kommen besser mit bestimmten Umweltbedingungen klar und haben daher Wachstumsvorteile?
Diesen spannenden Fragen geht Meeresökologe Tobias Poprick in seiner Masterarbeit nach. Er betritt hier wissenschaftliches Neuland. Seine Arbeit hat einen direkten Bezug für ein verbessertes Ökosystem-Management von Mangrovenwäldern.
Erhalt und Renaturierung von Mangrovenwäldern

Engagieren Sie sich für den Erhalt unverzichtbarer Küstenökosysteme. Für den Klimaschutz! Für den Küstenschutz! Für die Artenvielfalt!