Indonesien versinkt seit Jahren in einer selbst gemachten Plastik-Hölle. Mit jährlich schätzungsweise 0,5 bis 1,3 Millionen Tonnen Plastikeintrag in die Ozeane rangiert das Land auf der Rangliste der Plastikverschmutzer auf Platz zwei. Das ist nicht verwunderlich, denn der größte Inselstaat steht mit seinen mehr als 17.000 Inseln und der viertgrößten Bevölkerung der Welt vor enormen logistischen Herausforderungen bei der Abfallbehandlung und -entsorgung. Daher sind erfolgreiche Abfall-Management-Strategien oft lokaler Natur, insbesondere wenn es sich um kleine und weit abgelegene Inseln handelt.
Die elf Inseln der Bandas gehören zu den Molukken. Wie in so vielen anderen tropischen Inselnationen auch gibt es hier keine nennenswerte öffentliche Infrastruktur zur Abfallentsorgung. Aus Mangel an Wissen über die damit einhergehenden Gefahren verbrennen die Menschen ihren Müll, werfen ihn in die Umwelt oder ins Meer. Doch auf den Banda-Inseln bekommt man das nun so langsam in den Griff: durch das von uns unterstützte Müll-Projekt von BandaSEA.
Im Jahr 2024 konnte das Müll-Projekt alle zwei Monate 2,5 bis 3 Tonnen Plastikmüll zum Recycling senden.
Projektinhalte
BandaSEA will den Gesundheitszustand von Meeres- und Küstenlebensräumen wiederherstellen und nachhaltig schützen. Dadurch sollen konkrete Verbesserungen für den Erhalt bedrohter Arten und der Biodiversität in der Bandasee entstehen. Zusätzlich wird die Inselbevölkerung in nachhaltiger Ressourcennutzung und umweltschonender Entsorgung von Abfällen geschult. Auf diese Weise wird direkt verhindert, dass Müll überhaupt erst ins Meer gerät.
- Müll wird von Küsten und Ufern entfernt, bevor er im Ozean landet. Jedes Stück Plastik, das nicht im Meer landet, ist eine Gefahrenquelle weniger für Meerestiere.
- Sinnvolle Arbeit mit Einkommensverbesserung (Cash for Trash / Müllbanken).
- Stärkung des Problembewusstseins in der Bevölkerung.
- Schaffung einer sauberen und damit gesünderen Umwelt für die lokale Bevölkerung.
- Anleitung für die Fertigung von Upcycling-Produkten.
- Erziehung und Aufklärung für Schulklassen mit dem Programm „plastikfreie Schule“.
Die etwa 5.000 m tiefe Bandasee ist Heimat für eine überwältigende Zahl von Meereslebewesen:
- 64 % der weltweit bekannten Korallenarten.
- über 500 Riff-Fischarten, darunter seltene Mandarinfische oder Napoleon-Lippfische.
- große pelagische Arten wie Thunfische oder viele Hai- und Rochenarten.
- bedeutende Bestände der vom Aussterben bedrohten Bogenstirn-Hammerhaie.
Zwar hat die indonesische Regierung das Meeresschutzgebiet „Banda Island Marine Protected Area“ (Banda Island MPA) eingerichtet. Weniger engagiert zeigt man sich jedoch im Kampf gegen Müll im Meer und die auch in das Schutzgebiet driftenden Plastikmüllmengen.
Müllmanagement-Modellsystem für abgelegene Inseln
Das Müll-Projekt will beispielhaft für kleine, isolierte Inselgruppen in Indonesien und darüber hinaus zeigen, wie man das Entstehen von Meeresmüll lokal in den Griff bekommen kann.

BandaSEA bietet für jeweils zwei Monate verschiedenen Dörfern eine kostenlose Müllabfuhr an. Dies organisiert Maga Fira, ein einheimischer ehemaliger Englischlehrer. Er bezieht aus Projektmitteln ein kleines Gehalt.
Hilfe zur Selbsthilfe
Das Konzept gegen Müll im Meer geht auf. So sind heute alle sieben Dörfer auf Banda Naira und drei weitere Dörfer auf Banda Besar an ein Müllabfuhrsystem angeschlossen. Und das Beste daran ist, dass nach den zwei Projektmonaten mit kostenloser Müllabfuhr fast jede der Kommunen ein System entwickelte, um die Kosten selbst zu tragen, und dies erfolgreich weiterführt. Langfristig soll das Müllentsorgungs- und -vermeidungskonzept auf alle Inselgemeinden ausgeweitet werden.
Tag für Tag sind einheimische Müllsammler an Stränden und entlang von Flüssen unterwegs. Vor dem Weitertransport ins Zentrallager, wo der Schredder steht, kommt der Müll in eigens hierzu gebaute Zwischenlager. Gesammelt wird in ausrangierten Reissäcken. Vor dem Schreddern sortieren einheimische Helfer die Abfälle.

Es gilt, bis zu 26 verschiedene Plastiksorten sortenrein zu sortieren. Je nach Plastiksorte landet der Müll später in einer Recyclinganlage oder, wenn er dafür nicht geeignet ist, in einer Pyrolyseanlage. Mit dem hier erzeugten Dieselkraftstoff aus Plastikabfällen wird wiederum die Schredderanlage und das Müllsammelschiff Tirta Intan betrieben.
Vormals wertloser Abfall erhält für die einheimische Bevölkerung einen Wert. Denn das sorgsam sortierte, geschredderte und verpackte Plastik wird zum Wertstoff. Im Ergebnis gelangt sehr viel weniger Müll im Meer.

Jeder Plastiksammler erhält, je nach Plastiksorte, für den Anfang umgerechnet zwischen 4 und 8 Cent pro Kilo. Im Ergebnis wandelt sich das Bewusstsein der Menschen für ihre jetzt viel saubere Umwelt. Für die Inselbevölkerung eröffnen sich zudem neue Verdienstchancen.
Mülltrennung, Recycling und Upcycling
Die Volontärgruppe „Kelompok Kreativ Anak Banda“ klärt die Bevölkerung über Gesundheitsrisiken auf, wenn man Müll verbrennt oder ins Meer wirft. Flankierend erhalten die Einwohner Informationen zu Mülltrennung, Recycling und Upcycling. Dies geht ganz einfach los mit der Kompostierung organischer Abfälle. Es endet schließlich bei Mülltrennung und Möglichkeiten zu Re- und Upcycling von Blech, Plastik oder Papier.

Von Einheimischen aus Plastikmüll, wie Verpackungen von Nudelsuppen und Instantkaffees, hergestellte Täschchen
Die bei Kindern in Indonesien so beliebten weichen Plastiktrinkbecher zum Beispiel werden zerkleinert, gepresst und schließlich in Surabaya auf Java an einen Recycler verkauft. Eine Frauengruppe verarbeitet Essensverpackungen (Nudelsuppen, Instantkaffees und andere Produkte), wiederum zu Taschen, Geldbörsen und Souvenirs. Diese verkaufen sie an Touristen und Einheimische.

Meilensteine
Das Bank-Sampah-Konzept – Müllbanken
Bei Bank Sampah (indonesisch für Müllbanken) handelt es sich um ein sozio-ökologisches Konzept zur Bekämpfung der Müllproblematik in Indonesien.

Im ersten Schritt erhält die lokale Bevölkerung eine Schulung, ihren anorganischen Müll korrekt zu sortieren. Anschließend wird dieser Abfall gewogen. Dafür erhalten die Einwohner ein Guthaben auf ihrem „Plastiksparbuch“ – als monetären Gegenwert für recycelbaren Abfall. Es kann monatlich ausgezahlt oder angespart werden. Zwei lokale Bankfilialen haben sich bereit erklärt, die Auszahlungen zu übernehmen.
So soll vermieden werden, dass der Müll verbrannt oder als Meeresmüll endet. Bislang hat das Plastikbank-Konzept erfreulich viel Zulauf aus der Bevölkerung. Jetzt sollen noch mehr Haushalte auf den Banda-Inseln für die „Plastikbank“ begeistert werden.
Gegen Ende 2024 hatten sich 400 Haushalte bei der „Plastikbank“ registriert!
Pulau Pisang
Die kleine Insel Pulau Pisang liegt wenige Kilometer östlich von Banda Naira. Hier lebt eine kleine, hauptsächlich vom Fischfang abhängige Dorfgemeinschaft. Im Winter 2022 konnte das Projekt die Insel an das Plastiksammelsystem anschließen. Das Engagement der Menschen, die ihre Umwelt nicht in einer Plastikflut versinken sehen wollen, ist beeindruckend. Gleichzeitig erarbeiten sie sich die Möglichkeit, mit dem Müllsammeln ein kleines Einkommen zu erwirtschaften.

Bapak Mira, einer der älteren Dorfbewohner von Pulau Pisang (im Foto rechts), fährt zwei- bis dreimal pro Woche mit dem Kanu rund 20 km um die Insel und sammelt herumtreibenden Meeresmüll. Er allein lieferte 50 kg Plastikmüll bei der Müllbank ab!

Im Laufe des Jahres 2023 konnte das Projekt der Dorfgemeinschaft von Pulau Pisang mit der Errichtung eines kleinen Gebäudes mit einem Plastikschredder noch weiter unter die Arme greifen. Die Eröffnung der Schredderstation war im November 2023.
Seitdem schreddern die Bewohner ihre sortierten Plastikabfälle selbst und verpacken sie in Reissäcke. Das vereinfacht den Weitertransport zum Recycler deutlich.
Müll-Lagerhäuschen auf Pulau Rhun
Im Januar 2022 feierte BandaSEA die Eröffnung des ersten Lagerhäuschens für gesammelten Meeresmüll aus Plastik auf Rhun. Die entlegene Insel ist damit an das Recycling-System angeschlossen. „Auf Rhun hat sich eine Gruppe Frauen zusammengefunden, um Plastik zu sammeln, zu sortieren und zu schreddern. Es läuft spitze! Da gleichzeitig auf der Insel ein Kulturfestival stattfand, hatten wir die Ehre, dass die Frau des Gouverneurs der Molukken das Häuschen eröffnen konnte“, freut sich Meeresbiologin Mareike Huhn von BandaSEA.
Mittlerweile organisieren die Frauen eigenständig das Trennen und Schreddern des Plastiks, das sie anschließend an das Müll-Projekt verkaufen. Gelegentlich erhalten sie auch Unkostenzuschüsse.

Eröffnung des Lagerhäuschens für Plastik auf der Insel Rhun. Jetzt fährt die „Tirta Intan“ auch diese entlegene Banda-Insel an
Schwimmende Müllabfuhr
Seit Mitte 2021 pendelt die erste schwimmende Müllabfuhr in Indonesien, die „Tirta Intan“ (Diamantwasser), zwischen den Banda-Inseln. Da der CO₂-Fußabdruck hier denkbar klein bleibt, setzt das Projekt zusätzlich positive Signale für den Klimaschutz.

UN-Nachhaltigkeitsziele
Das Projekt arbeitet nachhaltig. Es verursacht nur einen kleinen CO₂-Fußabdruck, kleine Rohstoff-Rucksäcke und verfolgt die Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals / SDGs) der UN:
Informationen und Fotos von BandaSEA
Lesetipp:
Fishing for Rubbish – Villagers in Indonesia’s Banda Islands are trying to cut the plastic waste littering their beaches and spilling into their coral reefs. Von CATHERINE LAMOUREUX, Earth Island Journal, July 13, 2020
Update: überarbeiteter und mit neuem Datum veröffentlichter Beitrag