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Indonesien versinkt seit Jahren in einer selbst gemachten Plastik-Hölle. Mit jährlich schätzungsweise 0,5 bis 1,3 Millionen Tonnen Plastikeintrag in die Ozeane, ist Indonesien der zweitgrößte Meeresverschmutzer. Der größte Inselstaat steht mit seinen mehr als 17.000 Inseln und der viertgrößten Bevölkerung der Welt vor enormen logistischen Herausforderungen bei der Abfallbehandlung und -entsorgung. Daher sind erfolgreiche Abfall-Management-Strategien oft lokaler Natur, insbesondere wenn es sich um kleine und weit abgelegene Inseln handelt.
Inhaltsverzeichnis
Die elf Inseln der Bandas gehören zu den Molukken. Wie in so vielen anderen tropischen Inselnationen auch gibt es hier keine nennenswerte öffentliche Infrastruktur zur Abfallentsorgung. Aus Mangel an Wissen über die damit einhergehenden Gefahren verbrennen die Menschen ihren Müll, werfen ihn in die Umwelt oder ins Meer. Doch auf den Banda-Inseln bekommt man das nun so langsam in den Griff: durch das von uns unterstützte Müllprojekt des Vereins BandaSEA.
BandaSEA will den Gesundheitszustand von Meeres- und Küstenlebensräumen wiederherstellen und nachhaltig schützen. Dadurch sollen konkrete Verbesserungen für Erhalt bedrohter Arten und der Biodiversität in der Bandasee entstehen. Zusätzlich wird die Inselbevölkerung in nachhaltiger Ressourcennutzung und umweltschonender Entsorgung von Abfällen geschult. Auf diese Weise wird direkt verhindert, dass Müll überhaupt erst ins Meer gerät.
UN-Nachhaltigkeitsziele des Projekts
Das Projekt arbeitet nachhaltig. Es verursacht nur einen kleinen CO₂-Fußabdruck, kleine Rohstoff-Rucksäcke und verfolgt die Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals / SDGs) der UN:
- Müll wird von Küsten und Ufern entfernt, bevor er im Ozean landet. Jedes Stück Plastik, das nicht im Meer landet, ist eine Gefahrenquelle weniger für Meerestiere.
- Sinnvolle Arbeit mit Einkommensverbesserung (Cash for Trash / Müllbanken).
- Stärkung des Problembewusstseins in der Bevölkerung.
- Schaffung einer sauberen und damit gesünderen Umwelt für die lokale Bevölkerung.
- Anleitung für die Fertigung von Upcycling-Produkten.
- Erziehung und Aufklärung für Schulklassen mit dem Programm „plastikfreie Schule“.
Bandasee – Hotspot der Biodiversität
Die etwa 5.000 m tiefe Bandasee ist Heimat für eine überwältigende Zahl von Meereslebewesen:
- 64 % der weltweit bekannten Korallenarten
- über 500 Riff-Fischarten, darunter seltene Mandarinfische oder Napoleonwrassen
- große pelagische Arten wie Thunfische oder viele Hai- und Rochenarten
- hier gibt es noch bedeutende Bestände der vom Aussterben bedrohten Bogenstirn-Hammerhaie
Daher hat die indonesische Regierung hier das Meeresschutzgebiet „Banda Island Marine Protected Area“ (Banda Island MPA) eingerichtet. Weniger engagiert zeigte man sich im Kampf gegen Müll im Meer und die auch in das Schutzgebiet driftenden Plastikmüllmengen.
Modellsystem für umweltfreundliche Müllentsorgung
BandaSEA will unmittelbar verhindern, dass Müll überhaupt erst ins Meer gelangt. Damit will man auch beispielhaft für kleine, isolierte Inselgruppen in Indonesien und darüber hinaus zeigen, wie man Meeresmüll in den Griff bekommen kann. Indem er gar nicht erst entsteht!
BandaSEA bietet für jeweils zwei Monate verschiedenen Dörfern eine kostenlose Müllabfuhr an. Dies organisiert Maga Fira, ein einheimischer ehemaliger Englischlehrer. Er bezieht aus Projektmitteln ein kleines Gehalt.
Mülltrennung, Recycling und Upcycling
Die Volontärgruppe „Kelompok Kreativ Anak Banda“ klärt die Bevölkerung über Gesundheitsrisiken auf, wenn man Müll verbrennt oder ins Meer wirft. Flankierend erhalten die Einwohner Informationen zu Mülltrennung, Recycling und Upcycling. Dies geht ganz einfach los mit der Kompostierung organischer Abfälle. Es endet schließlich bei Mülltrennung und Möglichkeiten zu Re- und Upcycling von Blech, Plastik oder Papier.
Von Einheimischen aus Plastikmüll, wie Verpackungen von Nudelsuppen und Instantkaffees, hergestellte Täschchen
Die bei Kindern in Indonesien so beliebten weichen Plastiktrinkbecher zum Beispiel werden zerkleinert, gepresst und schließlich in Surabaya auf Java an einen Recycler verkauft. Eine Frauengruppe verarbeitet Essensverpackungen, wie von Nudelsuppen und Instantkaffees, wiederum zu Taschen, Geldbörsen und anderen Souvenirs. Diese werden dann an Touristen und Einheimische verkauft.
Müll im Meer: Hilfe zur Selbsthilfe
Das Konzept gegen Müll im Meer geht auf. So sind heute alle sieben Dörfer auf Banda Naira und drei weitere Kommunen auf Banda Besar an ein Müllabfuhrsystem angeschlossen. Und das Beste daran ist, dass nach den zwei Projektmonaten mit kostenloser Müllabfuhr fast jede der Kommunen ein System entwickelte, um die Kosten selbst zu tragen, und dies erfolgreich weiterführt. Jetzt will man das Müllentsorgungs- und -vermeidungskonzept auf weitere Kommunen und Inseln ausweiten. Außerdem wird eine Müll-Bank oder „Bank Sampah“, bei der man recycelbare Abfälle im Austausch für eine kleine Entlohnung abgeben kann, errichtet.
Tag für Tag sind nun einheimische Müllsammler an Stränden und entlang von Flüssen unterwegs. Vor dem Weitertransport ins Zentrallager, wo der Schredder steht, kommt der Müll in eigens hierzu gebaute Zwischenlager. Gesammelt wird in ausrangierten Reissäcken. Vor dem Schreddern sortieren einheimische Helfer die Abfälle. Es gilt, bis zu 26 verschiedene Plastiksorten sortenrein zu sortieren. Je nach Plastiksorte landet der Müll später in einer Recyclinganlage oder, wenn er dafür nicht geeignet ist, in einer Pyrolyseanlage. Mit dem hier erzeugten Dieselkraftstoff aus Plastikabfällen wird wiederum die Schredderanlage und das Müllsammelschiff Tirta Intan betrieben.
Vormals wertloser Abfall erhält für die einheimische Bevölkerung einen Wert. Denn das sorgsam sortierte, geschredderte und verpackte Plastik wird zum Wertstoff. Im Ergebnis gelangt sehr viel weniger Müll im Meer.
Jeder Plastiksammler erhält, je nach Plastiksorte, für den Anfang umgerechnet zwischen 4 und 8 Cent pro Kilo. Im Ergebnis wandelt sich das Bewusstsein der Menschen für ihre jetzt viel saubere Umwelt. Für die Inselbevölkerung eröffnen sich zudem neue Verdienstchancen
Meilensteine
Das Bank-Sampah-Konzept – Müllbanken
Bei Bank Sampah (indonesisch für Müllbanken) handelt es sich um ein sozio-ökologisches Konzept zur Bekämpfung der Müllproblematik in Indonesien. Im ersten Schritt erhält die lokale Bevölkerung eine Schulung, ihren anorganischen Müll korrekt zu sortieren. Anschließend wird dieser Abfall gewogen. Dafür erhalten die Einwohner ein Guthaben auf ihrem „Plastiksparbuch“ – als monetären Gegenwert für recycelbaren Abfall.
So soll vermieden werden, dass der Müll verbrannt oder als Meeresmüll endet. Jetzt sollen noch mehr Haushalte auf den Banda-Inseln für die „Plastikbank“ begeistert werden.
Zwei lokale Bankfilialen haben sich bereit erklärt, die Auszahlungen auf die Konten zu übernehmen. Somit können Plastik-Guthaben künftig über richtige Sparbücher laufen.
Insel Pulau Pisang
Die kleine Insel Pulau Pisang liegt wenige Kilometer östlich von Banda Naira. Hier lebt eine kleine, hauptsächlich vom Fischfang abhängige Dorfgemeinschaft. Im Winter 2022 konnte das Projekt die Insel an das Plastiksammelsystem anschließen. Mit großem Erfolg! Immer mehr Haushalte schließen sich an die von BandaSEA organisierte Müllbank („Plastikbank“) an. Von der „Plastikbank“ erhalten die Sammler einen Kilogramm-Preis, der ihnen auf ihrem „Plastiksparbuch“ gutgeschrieben wird.
Das Engagement der Menschen, die ihre Umwelt nicht in einer Plastikflut versinken sehen wollen, ist beeindruckend. Gleichzeitig erarbeiten sie sich die Möglichkeit, mit dem Müllsammeln ein kleines Einkommen zu erwirtschaften.
Bapak Mira, einer der älteren Dorfbewohner von Pulau Pisang (im Foto rechts), fährt 2– bis 3-mal pro Woche mit dem Kanu rund 20 km um die Insel und sammelt herumtreibenden Meeresmüll. Er allein lieferte 50 kg Plastikmüll bei der Müllbank ab!
Neues Gebäude für den neuen Plastikschredder
Im Laufe des Jahres 2023 konnte das Projekt der Dorfgemeinschaft von Pulau Pisang dann noch weiter unter die Arme greifen.
In einem neu errichteten kleinen Gebäude steht jetzt ein neuer Plastikschredder. Im März erfolgte die Grundsteinlegung für das Gebäude. Im November wurde die Schredderstation dann offiziell eröffnet.
Ab sofort können die Bewohner sortierte Plastikabfälle selbst schreddern und in Reissäcke verpacken. So wird der Transport deutlich einfacher.
Insel Rhun: neues Müll-Lagerhäuschen
Im Januar 2022 feierte BandaSEA die Eröffnung des ersten Lagerhäuschens für gesammelten Meeresmüll aus Plastik auf Rhun. Die entlegene Insel ist damit an das Recycling-System angeschlossen. „Auf Rhun hat sich eine Gruppe Frauen zusammengefunden, um Plastik zu sammeln, zu sortieren und zu schreddern. Es läuft spitze! Da gleichzeitig auf der Insel ein Kulturfestival stattfand, hatten wir die Ehre, dass die Frau des Gouverneurs der Molukken das Häuschen eröffnen konnte“, freut sich Meeresbiologin Mareike Huhn von BandaSEA.
Eröffnung des Lagerhäuschens für Plastik auf der Insel Rhun. Jetzt fährt die „Tirta Intan“ auch diese entlegene Banda-Insel an
Schwimmende Müllabfuhr
Seit Mitte 2021 pendelt die erste schwimmende Müllabfuhr in Indonesien zwischen den Banda-Inseln. Es ist das BandaSEA-Müllsammelschiff „Tirta Intan“ (Diamantwasser). Da der CO₂-Fußabdruck hier denkbar klein bleibt, setzt das Projekt zusätzlich positive Signale für den Klimaschutz.
„Plastik-Polizei“ beim Banda-Festival
Wie jedes Jahr fand auch 2023 Anfang November das Banda-Kulturfestival statt. Wie jedes Jahr war das Projektteam dafür verantwortlich zu verhindern, dass das Festival in einem Plastik-Chaos endet.
Projektleiter Maga, Ahmad, Fadli, Ajo und die deutschen Volontärinnen Nina, Lena, Ilaria und Lisa organisierten eine kleine Belohnung für Kinder, die beim Einsammeln des Plastiks halfen.
Dieser Einsatz blieb bei vielen nicht ungesehen und wir hoffen, dass das Bewusstsein für die Problematik Plastikabfall jedes Jahr ein kleines bisschen steigt!
Informationen und Fotos von BandaSEA
Lesetipp:
Fishing for Rubbish – Villagers in Indonesia’s Banda Islands are trying to cut the plastic waste littering their beaches and spilling into their coral reefs. Von CATHERINE LAMOUREUX, Earth Island Journal, July 13, 2020
Update: überarbeiteter und mit neuem Datum veröffentlichter Beitrag