Jagd auf Delfine und andere Kleinwale: über 100.000 Tiere jährlich!

Im Jahr 2023 förderten wir Pro Wildlife e.V. für die Erstellung des Hintergrundberichts „Small cetaceans, even bigger problems“ (Kleine Meeressäuger, noch größere Probleme). Die gemeinsam mit WDC erstellte umfassende Studie über die Jagd auf Delfine und andere Kleinwale weltweit wurde im Februar 2024 veröffentlicht und erzeugte viel Aufmerksamkeit. Denn die recherchierten Zahlen der unter dem offiziellen Artenschutz-Radar stattfindenden Nutzung kleinerer Meeressäuger überraschten Fachwelt und Medien gleichermaßen. Jedes Jahr sterben ca. 100.000 Delfine und andere Kleinwale durch direkte Jagd: darunter auch solche, die auf der Liste der gefährdeten Arten der Weltnaturschutzunion IUCN stehen! Man nutzt ihr Fleisch als „Bushmeat aus dem Meer“ zur Nahrungsversorgung oder als Köder in der Hai-Fischerei. Hinzu kommen zahlenmäßig nicht erfassbare Beifangverluste in der Industriefischerei, wie beim Einsatz von Supertrawlern oder pelagischen Stellnetzen. Letztere sind für die hohen Beifangverluste unter unseren heimischen Schweinswalen in Nord- und Ostsee verantwortlich.

Bibliothek des Grauens zur Jagd auf Delfine und andere Kleinwale

Für die Studie werteten die Artenschutzexperten mehr als 250 wissenschaftliche Studien, Augenzeugen- und Zeitungsberichte aus. Die berechnete Gesamtzahl der im Kontext menschlicher Nahrungsversorgung getöteten Delfine und anderen Kleinwale ist seit einem früheren Bericht von 2018 noch weiter gestiegen.

„Die Vielzahl der Länder, in denen man derzeit erbarmungslos Jagd auf die kleinen Meeressäuger macht, ist erschütternd“, so Ulrich Karlowski, Biologe von der Deutschen Stiftung Meeresschutz.

Ein Großer Tümmler wird zerlegt, Republik Kongo.
© Tim Collins

Artenschutz-Ungleichgewicht – Größe entscheidet über Leben und Tod

Für Großwale wie Buckel-, Finn- oder Blauwale gelten Jagdverbote und strikte internationale Handelsverbote (an die sich die Walfangländer Island, Japan und Norwegen nicht halten). Kleinwale dagegen sind nicht durch das kommerzielle Moratorium der Internationalen Walfangkommission (IWC) geschützt.

Der Bericht „Small cetaceans, even bigger problems“ entlarvt Länder wie Dänemark, Russland, Japan und Peru, die verhindern, dass sich an dieser Situation etwas ändert. Deshalb sind Delfine und andere Kleinwale in vielen Ländern nahezu vogelfrei. Auf internationaler Ebene gibt es nur einen Flickenteppich aus Artenschutzbestimmungen.

In Europa denkt man beim Thema Jagd auf Delfine denken viele vermutlich an die Delfinmassaker auf den nordeuropäischen Färöer-Inseln oder an die Bilder aus der berüchtigten Bucht des japanischen Fischerstädtchens Taiji. Doch auch andernorts sind die Meeressäuger durch direkte Jagd gefährdet. Und das in erheblichem und zunehmenden Umfang!

Jagd auf Delfine und andere Kleinwale: globale Top 10

  • Peru: bis zu 15.000 Tiere (v. a. Köder für die Haifischerei)
  • Ghana: annähernd 10.000 Tiere, zunehmend (kommerzialisierter Beifang, nun v. a. als Hai-Köder)
  • Nigeria: fast 10.000 Tiere, zunehmend (kommerzialisierter Beifang)
  • Brasilien: 5–10.000 Tiere, zunehmend (v. a. als Köder in der Fischerei)
  • Venezuela: mehrere Tausend Tiere, zunehmend (als Fleisch, Köder in der Fischerei und für religiöse Rituale)
  • Grönland: > 5.000 Tiere, zunehmend (deutlich über nachhaltigem Level stattfindende Subsistenzjagd)
  • Taiwan: mehrere Tausend Tiere, zunehmend (v. a. als Köder für die Fischerei, auch auf hoher See)
  • Indonesien: mehrere Tausend Tiere, zunehmend (für Fleischmarkt und als Fischerei-Köder)
  • Südkorea: mehrere Tausend Tiere, vermutlich zunehmend (für Fleischmarkt und Köder in der Fischerei)
  • Indien: mehrere Tausend Tiere (für Fleischmarkt und als Fischerei-Köder)

Jedoch jagt man Delfine und andere Kleinwale noch in vielen anderen Ländern. Darunter Kanada oder Malaysia. Lediglich in Japan sank in den vergangenen 20 Jahren die Zahl getöteter Delfine von mehr als 18.000 auf weniger als 1.900 Tiere.

Warum müssen so viele kleine Meeressäuger sterben?

Delfine und andere Kleinwale enden jedoch nicht nur als Nahrungsmittel oder als Haiköder. Der Bericht deckt weitere Nutzungsarten auf, wie:

Jagd auf Delfine: vier getötete Clymene-Delfine liegen and einem Strand in Ghana.
Clymene-Delfine, Ghana. © Prowildlife
  • Delfinöl als Wundermittel gegen Corona-Infektionen (Orinoko-Becken in Südamerika) oder
  • Delfinzähne als begehrter Brautschmuck auf den Salomonen

Allerdings ist nicht nur das Ausmaß der Jagd erschreckend, sondern auch ihre Grausamkeit. Die Fischer setzen Harpunen, Speere, Lanzen, Macheten, Gewehre, Messer oder Haken ein. Auch der Einsatz von Dynamit ist dokumentiert.

Vernichtungsfeldzug der Fischer

In vielen Ländern Lateinamerikas, Afrikas und Asiens verzeichnet man einen drastischen Anstieg der Jagd auf Delfine. Das Fleisch der Meeressäuger dient als Köder für die boomende Fischerei auf Hai, Thunfisch, Piracatinga (ein welsartiger Fisch im Amazonas). Damit ist eine doppelte Tier- und Artenschutz-Tragödie entstanden: Die begehrten Fischarten sind bereits überfischt. Um trotzdem noch Beute machen zu können, töten und zerschneiden die Fischer Delfine und nutzen das Fleisch an Langleinenhaken oder in Reusenfallen.

Viele Fischer sehen in Delfinen und anderen Kleinwalen ohnehin verhasste Konkurrenten um die letzten Fische – entsprechend brutal gehen sie auch bei der Jagd auf die kleinen Meeressäuger vor.

Faktenbasierte Überzeugungsarbeit

Der Bericht „Small cetaceans, even bigger problems“ dient als Grundlage für Überzeugungsarbeit bei politischen Entscheidungsträgern im Vorfeld der 69. IWC-Tagung im Herbst 2024. Die Tagung wird in Peru stattfinden, einem der Länder, in denen Fischer jedes Jahr viele Tausend Delfine in großer Zahl jagen.

Ziel ist es, den Weg für eine IWC-Resolution zu bereiten, die die Jagd auf Delfine und Kleinwale verurteilt und einen strengeren Schutz einfordert. Für einzelne Arten, die auch für den internationalen Handel relevant sind (z. B. Narwale), soll der Bericht auch die Grundlagen liefern, um ggf. Schutzinitiativen für die CITES-Konferenz (Washingtoner Artenschutzübereinkommen) im Frühjahr 2025 den Weg zu ebnen.

Download des Berichts von Pro Wildlife und WDC:

Titelfoto: Jagd auf Delfine, Salomon-Inseln. © Dolphin Project


Zum Hintergrund: Artenschutzexpertin Dr. Sandra Altherr

Projektleiterin der Berichterstellung ist Dr. Sandra Altherr. Die Diplom-Biologin nimmt seit 1999 für Pro Wildlife als akkreditierte Beobachterin an den IWC-Konferenzen und an den Treffen von CITES teil. Entsprechend verfügt sie über exzellente Kontakte zu Delegierten der Mitgliedsstaaten und ist mit Tier- und Artenschutzorganisationen weltweit hervorragend vernetzt.

Im September 2018 förderten wir die Teilnahme von Sandra Altherr an der 67. Tagung der Internationalen Walfangkommission, die im brasilianischen Florianópolis stattfand. Damals stand zum wiederholten Mal das weltweite Walfangverbot auf dem Spiel. Doch es wurde ein Sieg für die Wale! Japans Antrag wurde mit 41 zu 27 Stimmen abgelehnt. Neben den klassischen Walfangbefürwortern Island und Norwegen unterstützten hauptsächlich Länder aus Afrika und dem asiatischen Raum den Antrag für den Walfang.


Weiterführende Informationen

Projekt für Mönchsrobben in Israel

8 Minuten

Seit August 2023 unterstützen wir die israelische Organisation zum Schutz von Meeressäugern, Delphis bei ihrem Projekt „Schaffung von Lebensräumen für die Rückkehr von Mittelmeer-Mönchsrobben an die Küste Israels“. Es geht um die Wiederherstellung von vor dem Menschen geschützten Höhlen und Grotten, damit sich die stark bedrohten Mittelmeer-Mönchsrobben (Monachus monachus) dauerhaft an der israelischen Mittelmeerküste ansiedeln.

Zu Beginn sollen mehrere geschützte Höhlen an der israelischen Küste restauriert werden. Denn die Robben benötigen für Menschen unzugängliche Höhlen zum Ruhen und für die Geburt ihrer Jungtiere. Diese gibt es an der israelischen Küste nicht mehr. Geeignete Standorte hat Delphis bereits identifiziert. Es handelt sich um eingestürzte oder teilzerstörte Höhlen, die nach Ansicht der Delphis-Experten passende Mönchsrobbenhöhlen sein könnten. Ziel ist es, den seltenen Meeressäugern gute Lebensbedingungen in Israel zu verschaffen.

Mönchsrobben kehren nach Israel zurück

Die bis zu fast 3 m große Mittelmeer-Mönchsrobbe gehört zu den am stärksten vom Aussterben bedrohten Meeressäugetieren Europas.

Sichtungen von Mittelmeer-Mönchsrobben an der israelischen Küste von 2009 bis 2020.
© Roditi-Elasar, M., Bundone, L., Goffman, O., Scheinin, A. P. and Kerem, D.H. 2021. Mediterranean monk seal (Monachus monachus) sightings in Israel 2009-2020: Extralimital records or signs of population expansion? Marine mammal Science 37: 344-351. DOI: 10.1111/mms.12734

Bis 2010 galt die Art in Israel als lokal ausgestorben. Dann tauchten nach 50 Jahren Abwesenheit zwei Tiere für eine wenige Tage dauernde Stippvisite auf.

Seitdem dokumentierte Delphis fast 100 Sichtungen an der israelischen Mittelmeerküste. Um wie viele Individuen es sich dabei insgesamt handelt, ist nicht bekannt. Immerhin konnten bislang nachweislich mindestens vier Robben identifiziert werden.

Man nimmt an, dass einzelne Tiere aus der türkischen Population südwärts wandern.

Im März 2023 veröffentlichte Delphis eine umfassende Bestandsaufnahme möglicher Mönchsrobben-Habitate an der israelischen Mittelmeerküste. Das Ergebnis ist alarmierend.

Für eine dauerhafte Ansiedlung der Mittelmeer-Mönchsrobbe Rückkehr gibt es an der israelischen Küste keine geeigneten Lebensräume mehr. Passende Höhlen sind eingestürzt, wurden vom Menschen verändert oder sind durch den Anstieg des Meeresspiegels und intensiven Tourismus nicht mehr für die Tiere nutzbar.

„Mönchsrobben, die die israelische Küste erreichen, finden nur einige wenige Höhlen vor, die für eine kurze Rast geeignet sind, mehr aber auch nicht“, erklärt Dr. Mia Elasar von Delphis, Leiterin des Mönchsrobben-Projekts in Israel.

Höhlenrestauration und Schaffung künstlicher Höhlen

Experten gehen davon aus, dass die einzigen Robben des Mittelmeers früher ungeschützte Strände zum Ausruhen und die Geburt der Jungen nutzten. Nach Jahrzehnten intensiver Bejagung und anschließend einsetzenden, bis heute anhaltenden Störungen durch den Mittelmeer-Tourismus zogen sie sich dann immer mehr in schwer zugängliche Felsenhöhlen an der Küste zurück.

Um ihnen eine Möglichkeit zu geben, in Israel wieder heimisch zu werden, wird Delphis geeignete bestehende Höhlen wiederherzustellen. Zusätzlich will man künstliche Höhlen bauen.

Künstliche Höhle für Mönchsrobben.

Ein Beispiel für geeignete Mönchsrobbenhöhlen sind die Höhlen im Meeresschutzgebiet Rosch HaNikra (Marine Protected Area/MPA). Sie stürzten in den 1990er-Jahren ein.

Die eingestürzte Höhle für Mittelmeer-Mönchsrobben bei Rosh Hanikra an der israelischen Mittelmeerküste.

Regelmäßiger Gast in der Gegend um Rosch HaNikra ist die Mönchsrobbe Maya. Sie wurde hier von 2010 bis 2018 fünfmal gesichtet. Nun wurde sie im Norden des Libanons beobachtet.

Am Küstenabschnitt zwischen HaBonim und Ma’agan Micha‘el plant Delphis den Bau einer künstlichen Höhle. Zusammen mit zwei restaurierten Höhlen in Rosch HaNikra, die beide in einem Meeresschutzgebiet liegen, könnte das Gebiet dann zu einem attraktiven Lebensraum für Mönchsrobben werden.

Mönchsrobbe Yulia verzaubert Israel

Die Vision, den Mönchsrobben wieder Lebensräume in Israel zu bieten, erschien den meisten Beteiligten anfangs wie ein ferner Traum. Dann kam Yulia. Seelenruhig suchte die etwa 2 m große Robbe für ihren Fellwechsel verschiedene Strände an der israelischen Mittelmeerküste auf.

Yulia an einem Strand von Tel Aviv, Israel.
Yulia bestaunt die vielen Schaulustigen.
© Gil Lupo/Delphis

„Nur zwei Monate nach dem Start des Projekts beschloss eine Mittelmeer-Mönchsrobbe aus eigenem Antrieb, ohne auf eine offizielle Einladung zu warten, in unserem Land aufzutauchen“, schreibt Delphis augenzwinkernd über Yulia. Sie kam Mitte Mai zum Fellwechsel an einen Strand bei Tel Aviv-Jaffa und blieb dort eine Weile.

Ganz untypisch für die sonst eher scheuen Tiere, robbte Yulia an Land, ließ sich von Menschen nicht aus der Ruhe bringen und begann, sich von ihrer langen Reise von der türkischen Mittelmeerküste auszuruhen und in der Sonne zu baden. Freiwillige von Delphis und Behördenmitarbeiter stellten rund um die Uhr sicher, dass Yulia nicht gestört würde.

Auch als sie einen Strand im Gazastreifen aufsuchte, arbeiteten Israelis und Palästinenser zusammen, damit Yulia ihre Ruhe hatte. „Sie kennt keine Grenzen, keine Kriege zwischen den Ländern“ sagte Ruthy Yahel, Meeresökologin bei der staatlichen Naturparkbehörde, gegenüber der New York Times.

Yulia verzaubert die Menschen in Israel

Ihren Namen erhielt Yulia von Muhammad, einem Teenager, der zufällig am Strand war, als sie dort auftauchte. Delphis-Forscher hatten ihn um Hilfe gebeten, damit er seine Freunde davon abhielte, das Tier mit Steinen zu bewerfen. Dafür durfte er dann einen Namen für die Mönchsrobbe aussuchen.

Yulia ist keine Unbekannte: Das reisefreudige etwa 20 Jahre alte Weibchen wurde erstmals 2007 in der Türkei gesichtet, wie türkische Forschende anhand von Fotos erkannten! In der Türkei hatten zwei Forschergruppen sie auf die Namen Tugra und Gulgez getauft.

Ein neues Zuhause für Mönchsrobben in Israel

Mia Elser und Aviad Sheinin von Delphis.
Dr. Mia Elasar und Dr. Aviad Sheinin von Delphis.

Entgegen allen Erwartungen hat sich die Population der Mittelmeer-Mönchsrobben in den vergangenen Jahren leicht erholt. Man schätzt, dass es derzeit rund 700 Individuen gibt. Etwa 400 von ihnen leben an den Küsten Griechenlands, Zyperns und der Türkei.

„Es gibt also Grund zum Optimismus“, sagt Dr. Mia Elasar. „Wenn wir wollen, dass sie hierbleiben, müssen wir ihnen Orte bieten, an denen sie ungestört leben können. Wir müssen ein Zuhause für sie schaffen.“

Bildungsarbeit im Dolphin & Sea Center

Das Dolphin and Sea Center von Delphis in Ashdod.

Flankiert werden die Schutzbemühungen für die Meeressäuger durch Aufklärungs- und Bildungsarbeit. Hierzu betreibt Delphis das Dolphin & Sea Center in Aschdod.

Dort finden Bildungsprogramme, Führungen und Erlebnistouren für Jung und Alt rund um das Thema Delfine, Mönchsrobben und andere Meerestiere des Mittelmeers statt.

UN-Nachhaltigkeitsziele des Projekts

Titelfoto: Mittelmeer-Mönchsrobbe Yulia.
Alle Fotos © Delphis (soweit nicht anders angegeben)

Mönchsrobben-Projekt, Israel

Julia liegt entspannt an einem Strand an der israelischen Mittelmeerküste.

Lebensräume für Mönchsrobben an der israelischen Küste schaffen. Helfen Sie mit!

Meerestiere in der Adria 2021

7 Minuten

Spezialisierte Veterinäre der Tierärztlichen Fakultät der Uni Zagreb kümmern sich seit vielen Jahren in der kroatischen Adria um Meeressäuger und andere Meerestiere in Not. Meist jedoch geht es um die Bergung von gestrandeten oder im Meer treibenden toten Walen und Delfinen. Denn die Zagreber Tierärzte sind dafür zuständig, die Todesursachen von in kroatischen Küstengewässern gestorbenen Delfinen, Walen und Mönchsrobben herauszufinden. So auch 2021 als 28 Totfunde gemeldet wurden, plus vier Nachträge aus dem Vorjahr. Darunter waren 25 Große Tümmler und 2 Streifendelfine. Bei 5 Tieren konnte die Art jedoch nicht mehr bestimmt werden. Bedauerlicherweise ließ sich bei keinem der gestrandeten Meeressäuger die Todesursache feststellen. Denn coronabedingt konnten die Tierärzte 2021 nur einen Kadaver bergen. Doch war es auch ein spannendes Jahr, denn es gab einige Sichtungen nicht alltäglicher Meerestiere.

Delfinrettung per Telefon

Delfinrettung bei Split im Oktober 2021
Foto: Pomorska policija

Zumindest in einem Fall gelang die Rettung eines Delfins vor dem sicheren Tod – per telefonischer Anleitung von Tierarzt Tom Gomerčić. Fischer hatten einen wie leblos im Wasser treibenden Großen Tümmler nahe der vor Split gelegenen kroatischen Insel Čiovo entdeckt. Er war verletzt und wirkte bereits sehr geschwächt. Seine Fluke war heillos in einem Seil verwickelt.

Über die kroatische Notrufnummer 112 forderten die Fischer Hilfe an. Gemeinsam mit einem dreiköpfigen Team der Wasserschutzpolizei gelang es den Helfern, das Tier mithilfe der telefonischen Anweisungen von Tom Gomerčić zu befreien.

Nach kurzer Zeit kam wieder Leben in den Delfin und er schwamm davon. Rettung geglückt!

Sichtungen Meerestiere in der Adria 2021

Meeressäugetiere

Große Tümmler (Tursiops truncatus) sind die einzigen Delfine, die das ganze Jahr über in den kroatischen Küstengewässern leben. Andere Meeressäugerarten schauen nur gelegentlich vorbei, vor allem wenn sie nahrungsreichen Wasserströmungen folgen.

So gab es – wie fast jedes Jahr – auch 2021 wieder eine dokumentierte Sichtung eines Finnwals (Balaenoptera physalus) im Juli bei Sušac in Süddalmatien.

Im Oktober erreichte uns eine Meldung über eine der seltenen Mittelmeer-Mönchsrobben (Monachus monachus) bei der Insel Pag und später noch einmal über eine Sichtung zweier Tiere bei Pula in Istrien. Mittelmeer-Mönchsrobben gelten in der Adria als ausgestorben. Man nimmt an, dass einzelne Jungtiere aus der griechischen Population in die Adria wandern.

Ganz außergewöhnliche Gäste besuchten im Frühjahr 2021 die Kvarner Bucht. Eine fünfköpfige Schule von Kleinen Schwertwalen (Pseudorca crassidens), darunter auch ein Kalb, wurde nahe dem Container-Terminal in Rijeka mehrfach gesichtet, wie der Biologe Draško Holcer und seine Kollegen berichten. Es ist die erste dokumentierte in der kroatischen Adria seit einem historischen Beleg aus dem Jahr 1936. Im gesamten Mittelmeer kommt die Art nur gelegentlich vor.

Zu den Meerestieren in der Adria zählten 2021 auch Kleine Schwertwale.

Kleine Schwertwale, die zur Delfinfamilie zählen, erreichen Größen von 5 bis 6 m. Foto: iStock.com/Debra McGuire

Meeresschildkröten

Eine Lederschildkröte (Dermochelys coriacea) hatte es in die Gegend von Maslenica in Norddalmatien verschlagen – leider mit Ballast: Sie war in einem Fischernetz verheddert. Aufmerksame Bootsfahrer entdeckten das Meeresreptil, konnten es befreien und so vor einem qualvollen Tod bewahren! Lederschildkröten sind gefährdet und tauchen nur noch ganz selten in der kroatischen Adria auf.

Eine Touristin berichtete uns außerdem von der Sichtung einer Unechten Karettschildkröte (Caretta caretta). Sie ist die häufigste der drei in der Adria vorkommenden Meeresschildkrötenarten.

Meeresschildkröte in der Adria.

Unechte Karettschildkröte bei der Insel Vrgada im August 2021. Foto: Mariella En Henri Janssen

Haie und Rochen

Zu den ungewöhnlichen Meerestieren in der Adria des Jahres 2021 zählte auch ein Riesenhai (Cetorhinus maximus). Er wurde im März zwischen der Insel Cres und dem Ort Koromačno in Istrien entdeckt. Diese mit bis zu 12 m Länge zweitgrößte Fischart ist stark gefährdet.

Mehrfach erreichten uns auch Sichtungen von Blauhaien (Prionace glauca), etwa bei den Inseln Vis, Korčula und im Norden vor der Hafenstadt Rijeka. Im Mittelmeer gilt die Art als vom Aussterben bedroht.

Im September meldete man uns sogar die Sichtung eines Meeresteufels (Mobula mobular) bei der kroatischen Insel Žirje. Die zu den Teufelsrochen zählende Art ist in der Adria eher selten. Vor allem in den Sommermonaten sollen sie mitunter teils zu Hunderten oder gar Tausenden im offenen Meer im südlichen und zentralen Teil der Adria zusammenkommen. Die Art gilt weltweit als stark gefährdet.

Mondfisch

Diese außergewöhnliche Fischart fingen Hobbyangler im Juli nahe der Insel Cres. Sie ließen das rund 200 kg schwere Tier zum Glück jedoch wieder frei. Mondfische zählen zu den schwersten und größten Knochenfischen. Weltweit gelten sie nach der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN als gefährdet.

Mola mola mit Taucher: auch Mondfische gehören zu den Meerestieren in der Adria.

Mondfische der Art Mola mola werden durchschnittlich 1,80 m groß und 1 t schwer. Foto: © istock.com/Michael Zeigler


Bedrohte Artenvielfalt in der Adria

In unserer Broschüre „Bedrohte Artenvielfalt in der Adria“ stellen wir insgesamt 32 Meerestiere in der Adria von Groß bis Klein vor: von Walen, Delfinen und Mönchsrobben über Haie, Schildkröten und Thunfische bis zu Seepferdchen.

Neben kurzen Steckbriefen und Wissenswertem zu den Arten stellen wir auch Informationen über Sichtungen und Gefahren für die Tiere bereit sowie Leitlinien zum korrekten Verhalten bei Begegnungen mit Meeressäugern. Ebenso informieren wir darüber, wie und wo man Hilfe im Falle von verletzten Tiere holt.

Ergänzend gibt es Tipps, wie jeder zum Schutz der Adria – und der Meere überhaupt – beitragen kann.

Titelfoto: Mitglieder des DSM-Teams im Einsatz nahe der Insel Ugljan bei Zadar. Fotoidentifikation von Adria-Delfinen. Foto: Martina Đuras


Weiterführende Informationen Meerestiere in der Adria

Robbenzentrum Föhr

Sie sind da, wenn eine kleine Robbe die Mutter verloren hat oder verletzte und kranke Tiere Hilfe benötigen – die Helfer vom Robbenzentrum Föhr. Wir unterstützen das Robbenzentrum in Wyk auf Föhr seit 2020. Gegründet wurde es im Mai 2010 von der Tierärztin Janine Bahr- van Gemmert und dem Robbenspezialisten Andrè van Gemmert.

Hilfe für Robben in Not

Neben umfangreicher Informations- und Aufklärungsarbeit leistet die gemeinnützige Organisation kranken, verletzten und gestrandeten Meeressäugern (Seehunde, Kegelrobben und Schweinswale) Erste Hilfe und versorgt sie veterinärmedizinisch. Bei in Not geratenen Robben sind die Helfer an 365 Tagen und rund um die Uhr erreichbar. Nach erfolgreicher Rehabilitation unterstützt das Zentrum auch die Auswilderung der Tiere.

Janine Bahr van Gemmert und André van Gemmert mit einem geretteten Heuler im Arm, Robbenzentrum Föhr.

Janine Bahr- van Gemmert und André van Gemmert retten einen Seehundwelpen.

Öffentlichkeitsarbeit und Weiterbildung im Robbenzentrum

Zusätzlich bietet das Zentrum vielfältige Möglichkeiten für verständliche Öffentlichkeitsarbeit, Ausstellungen, Führungen und spezielle Tage für Kinder.

Da das Infozentrum mittlerweile etwas „in die Jahre“ gekommen ist, soll es neugestaltet werden. Pläne und Konzepte für die Neugestaltung der Dauerausstellung im Innen und einen neuen Außenbereich sind erstellt. Jetzt fehlt es noch an der Finanzierung. Es gilt, Kosten zwischen 280.000 und 300.000 € zu stemmen. In der neuen Ausstellung sollen spezielle Themenbereiche klar voneinander gegliedert und modern gestaltet präsentiert werden. Angefangen von „unseren“ Meeressäugern, Schweinswal, Kegelrobbe und Seehund bis zu Problemen wie Plastikmüll im Meer, mit denen Meerestiere weltweit zu kämpfen haben.

Auch die an der Nordsee typischen Lebensräume Sandflächen, Wattflächen, Deich und ihre Funktion im Ökosystem werden anschaulich dargestellt. Neben interaktiven Mitmach-Elementen für spielerische Wissensvermittlung gibt es zudem einen gesonderten Kinderbereich.

Kindertag im Robbenzentrum.

„Heulersaison“ ist Alarmsaison für das Robbenzentrum

Jedes Jahr im Frühsommer beginnen die harten Tage für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Robbenzentrums. Seehunde, die wohl bekanntesten Bewohner des schleswig-holsteinischen Wattenmeers, bekommen Nachwuchs. Immer wieder verlieren nicht entwöhnte Welpen den Kontakt zu ihren Müttern. Häufig, weil Menschen, z. B. Wattwanderer, nicht genug Abstand halten. Oder weil Schiffe zu nah an Seehundbänke heranfahren. Aber auch Nordseestürme, Todesfälle in Stell- oder Geisternetzen oder Verluste durch Kegelrobben können Ursachen dafür sein, dass Mütter nicht mehr zurückkehren.

Solcherart von der Mutter getrennte Seehundwelpen nennt man „Heuler“. Denn sie rufen (heulen) mit tiefen, heiseren Tönen. Das klingt für unsere Ohren nach Verzweiflung, Not und Einsamkeit. Auf sich allein gestellt, haben die Kleinen keine Überlebenschance.

Die Seehundbabys Kleiner Onkel und Judith auf ihren Liegeplätzen.

Kleiner Onkel und Judith auf ihren Liegeplätzen im Robbenzentrum Föhr.

Auf Föhr und soweit möglich, auch auf der Nachbarinsel Amrum stranden jedes Jahr zahlreiche verletzte, kranke oder verlassene Robbenwelpen und Jungtiere. Wenn die Tierretter rechtzeitig zur Stelle sind, können sie die meisten von ihnen gesund pflegen. Seit seiner Gründung wurden im Robbenzentrum Föhr mehrere Hundert Robben gerettet!

Die kleinen Lungenwurmpatienten wurden in der niederländischen Auffangstation gesund gepflegt und dann wieder ausgewildert. © Mariella En Henri Janssen

alle Fotos: © Robbenzentrum Föhr


Weiterführende Informationen