Boa Vista: Artenschutzhunde für Unechte Karettschildkröten

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Seit September 2022 fördern wir Ausbildung und Einsatz von drei Artenschutzhunden für die Wildereibekämpfung zum Schutz von Unechten Karettschildkröten auf der Kapverdeninsel Boa Vista. Durch den Einsatz der speziell ausgebildeten Hunde in Kombination mit Überwachungsdrohnen und Ranger-Patrouillen ging die Tötung von Schildkröten auf Boa Vista stark zurück. Zudem konnten auch abgelegene Strände im Osten der Insel besser in das Schutzkonzept integriert werden. Entscheidend bei dem von der Turtle Foundation 2008 gestarteten Projekt ist ein ausgeklügeltes Zusammenspiel von Rangern und Volontären mit den Hunde- und Drohnenteams.

Die Unechte Karettschildkröte (Caretta caretta) ist auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN als gefährdet eingestuft, die Population im Nordostatlantik als stark gefährdet. Die Kapverden-Nistpopulation zählt zu den elf am stärksten bedrohten Meeresschildkröten-Populationen.

Erfolge aus der Projektbilanz 2023

  • Seit Projektbeginn sank die Schildkröten-Wilderei auf weniger als 0,2 % der jährlichen Nistpopulation.
  • In der Nistsaison 2023 töteten Wilderer nur 17 von ca. 12.000 auf der Insel Boa Vista nistenden Weibchen. Damit sank die Schildkröten-Wilderei seit Projektbeginn auf weniger als 0,2 % der jährlichen Nistpopulation.
  • An den mit Strandcamps der Turtle Foundation geschützten Stränden zählten Ranger und Volontäre 10.539 Nester. Dies entspricht etwa 2.100 nistenden Weibchen, denn jedes Weibchen gräbt etwa fünf Nester.
  • Da durchschnittlich 40 Schlüpflinge pro Nest den Ozean erreichen, entspricht dies ca. 421.560 Schlüpflingen aus den vom Projekt bewachten Stränden. Der Schlupferfolg liegt in der Natur durch von Räubern wie Geisterkrabben oder Vögel verursachte Verluste niedriger als in der Aufzuchtstation (Hatchery).
  • 336 besonders gefährdete Nester wurden in die Hatchery umgebettet. Dies geschieht immer dann, wenn Nester zu nah an der Uferlinie liegen oder durch Überschwemmung gefährdet sind. Auch Nester, die sich direkt vor dem am Strand Lacacao gebauten Hotel Riu Touareg, im Süden Boa Vistas, befinden, gelten als stark gefährdet. Aufgrund der beträchtlichen Lichtverschmutzung durch das Hotel würden alle Jungtiere nach dem Schlupf in die falsche Richtung krabbeln und sterben. Nach Möglichkeit soll der natürliche Nistprozess allerdings ungestört bleiben.
  • Aus den 336 Nestern in der Hatchery schlüpften 18.054 Schlüpflinge. Das entspricht einem Nisterfolg von 67 %. Dabei wiegt und vermisst man einige der Jungtiere. Auch der Einfluss von Mikroplastik im Sand auf den Schlupferfolg wird untersucht.
  • 2023 erreichten aus den ca. 60.000 Nestern der ca. 12.000 auf Boa Vista nistenden Weibchen bei einem durchschnittlichen Schlupferfolg von 40 Schlüpflingen pro Nest etwa 2.400.000 junge Meeresschildkröten das Meer!

52 einheimische Ranger, 36 internationale Volontäre, die Artenschutzhunde Zedda, Karetta und Kelo sowie Hundetrainer Marcel Maierhofer und sein Team von Mantrailing24 sind die Helden dieser wunderbaren Erfolgsgeschichte. Ziel ist es, die Wilderei auf Schildkröten in Boa Vista auf null zu reduzieren.

Ranger-Team mit drei Artenschutzhunden und einer Drohne auf Boa Vista, Schutzprojekt für Meeresschildkröten der Turtle Foundation.
Das dreiköpfige Drohnenteam, bestehend aus Emilio Landin, Anilton Furtado und Ailton de Jesus Monteiro Andrade, bildet mit dem Hundeteam (drei Artenschutzhunde mit ihren Hundeführern) eine Spezialeinheit zur Wilderei-Bekämpfung. Geleitet wird sie von Team-Koordinator Adilson Monteiro Ramos.

Boa Vista ist eine bedeutende Niststätte für Schildkröten

Die Kapverdischen Inseln im Atlantik sind nach Oman und Florida die drittgrößte Nistplatz der Unechten Karettschildkröte.

Etwa zwei Drittel der auf Kap Verde nistenden Schildkröten zieht es auf die Insel Boa Vista. Jedes Jahr zwischen Juni und Oktober kommen die Weibchen in großer Zahl nachts an die Strände, um Nester zu graben und ihre Eier abzulegen.

Seit 1987 stehen Meeresschildkröten auf den Kapverden unter Schutz. Dennoch ging die seitdem als Wilderei geltende Jagd dadurch nur unwesentlich zurück. Die „Nutzung“ der Meeresreptilien zur Nahrungsversorgung war tief in der ländlichen Bevölkerung verwurzelt.

Bekämpfung der Schildkröten-Wilderei auf Boa Vista

Allein 2007 starben hier an den Stränden etwa 1.200 Weibchen. Die meisten von ihnen, bevor sie ihre Eier legen konnten. Daher rief die Turtle Foundation 2008 ein umfassendes Projekt zum Schutz dieses bedeutenden Nistplatzes ins Leben.

Nistling und Weibchen Unechte Karettschildkröte an einem Strand auf Boa Vista.
Groß und klein am Strand von Boa Vista.

Feldstationen

Zu Beginn einer jeden Nistsaison errichtet das Turtle-Foundation-Team an strategisch günstigen Stellen fünf Feldstationen. Über die gesamte Nistzeit sind dort von Juni bis Oktober Ranger und Volontäre untergebracht. Sie patrouillieren rund 30 Kilometer der insgesamt 65 km umfassenden Niststrände. Als flankierende Maßnahmen findet ein intensives Begleitprogramm vorwiegend in den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit, Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit statt. Damit fördert das Projekt die Nachhaltigkeit der direkten Schutzmaßnahmen.

Zunahme der Wilderei trotz Strandpatrouillen

Mithilfe der konventionellen Strandpatrouillen ging die Wilderei von nistenden Schildkrötenweibchen von 2008 bis 2014 deutlich zurück.

Unechte Karettschildkröte.
Weibchen kehrt nach der Eiablage zurück ins Meer.

Doch 2015 verstärkten die Wilderer ihre Aktivitäten, wurden auch aggressiver. Denn es locken finanzielle Anreize. Dank verbesserter Ausrüstung und anderen „Strategien“ konnten sie den Ranger-Patrouillen ein um andere Mal ausweichen. Es gelang ihnen, viele Schildkröten zu töten.

Mittlerweile gilt Schildkrötenfleisch auf den Kapverden als teure Delikatesse. Dies führte dazu, dass bis 2017 in einigen Gebieten fast 5 % aller nistenden Weibchen getötet wurden.

Artenschutzhunde ergänzen Drohnen und Nachtsichtgeräte

Um dies in den Griff zu bekommen, erweiterte die Turtle Foundation in enger Zusammenarbeit mit der lokalen Naturschutzbehörde und der Polizei die Maßnahmen zur Wildereibekämpfung. Zum Einsatz kommen jetzt moderne Nachtsichttechnik, Funkgeräte, Drohnen, Ferngläser mit Wärmebildtechnik.

Doch mit Technik allein bekam man die Wilderei nicht vollständig in den Griff. Deshalb setzt man seit 2022 zusätzlich auf die Spürnasen speziell ausgebildeter Artenschutzhunde. Damit eröffneten sich neue Dimensionen in der Wildereibekämpfung. Zur besseren Abschreckung arbeitet das Ranger-Team dabei mit aufeinander abgestimmten Einsatzkonzepten und -strategien.

Da die Meeresschildkröten stets nachts zur Eiablage an die Strände kommen, finden auch die Patrouillen nachts statt. Und das täglich an zufällig ausgewählten Stränden. Schwerpunktmäßig sind dies Strände mit hohem Wilderei-Risiko im Norden und Osten der Insel. Häufig begleiten Polizeibeamte die Ranger.

Artenschutzhund Karetta beim Training an einem Strand für den Schutz von Schildkröten auf Boa Vista.

Mit ihren feinen Nasen und Ohren spüren die Artenschutzhunde während der Strandpatrouillen zielsicher Personen auf, die an den Niststränden nichts zu suchen haben.

Zudem sind sie auf Schildkrötenfleisch trainiert. Ihnen entgehen keine auch noch so gut versteckten und getarnten Überreste getöteter Meeresschildkröten. Auf diese Weise entdeckten die Ranger einige ihnen vorher nicht bekannte Wilderei-Hotspots.

Überdies nehmen die Hunde die Fährten der Täter anhand von Geruchsproben auf: Denn oft genug hinterlassen Wilderer Stoffreste und Seile am Tatort.

Das mobile Hunde- und Drohnenteam ist auch auf den Niststränden im Osten der Insel im Einsatz. Dann gemeinsam mit Rangern von Bios.CV und Natura 2000, zwei weiteren auf Boa Vista aktiven Projekten zum Schutz der Schildkröten.

Mit der „Skorpion-Strategie“ den Tätern auf der Spur

2022 entwickelte das Team der Turtle Foundation die sogenannte „Skorpion-Strategie“.

Artenschutzhund Kelo in Aktion auf Boa Vista

Sie beinhaltet die Überwachung eines längeren Strandabschnittes durch endständig postierte Teammitglieder mit Nachtsichtferngläsern. In der Mitte des Strandabschnittes lauern versteckt positioniert die Drohnen- und Bodenteams.

Entdecken die Nachtsichtfernglas-Posten oder das Drohnenteam Wilderer, leiten sie das Bodenteam mit den Artenschutzhunden per Funk zum Tatort. Um dort die Täter festzunehmen, müssen die Ranger von zwei Polizisten begleitet werden.

Die „Skorpion-Strategie“ erfordert viel Training, eine perfekte Kommunikation und das vertrauensvolle Zusammenspiel aller Teammitglieder. Sie hatte nicht zuletzt dank der drei Artenschutzhunde in der Nistsaison 2022 einen durchschlagenden Erfolg. An den damit überwachten Stränden kam es nur zu einem nachgewiesenen Fall von Wilderei.

Einsatz am Flughafen von Boa Vista und auf Sal

Die Hunde sind auch darauf trainiert, Meeresschildkrötenfleisch in Taschen und in Fahrzeugen aufzuspüren und zu melden. Denn verpacktes Schildkrötenfleisch wird auf andere Inseln – vornehmlich in die Hauptstadt Praia auf Sal – geschmuggelt. Der Einsatzbereich „Objektsuche“ kam auf Boa Vista während der Nistsaison 2023 zweimal am Flughafen von Boa Vista zur Anwendung. Es wurde kein Schildkrötenfleisch gefunden.

Artenschutzhund sucht nach Schmuggelware im Gepäck von Flugreisenden auf Boa Vista.
Artenschutzhündin Karetta kontrolliert einen Koffer am Flughafen von Boa Vista.

In Praia, wo der größte Teil Bevölkerung des Landes lebt, bieten Händler Schildkrötenfleisch offen auf lokalen Märkten zum Verkauf an. Noch ist unklar, woher das Fleisch stammt, denn auf Sal nisten kaum Schildkröten.

Im Rahmen eines vom britischen Illegal Wildlife Trade Challenge Fund (IWT) finanzierten Projekts, arbeitetet Turtle Foundation jetzt mit der Organisation Project Biodiversity, die auf Sal tätig ist, zusammen.

Einsatz des Hunde-Teams auf der Insel Sal zum Schutz von Schildkröten.
Die Einsätze auf Sal sind nur möglich, weil die Fahrt mit der Fähre lediglich 3–4 Stunden dauert. Deshalb können Projektfahrzeuge, für die Einsätze mitgenommen werden. So kann man das „Hundeauto“ für den sicheren Transport der Hunde nicht durch einen Mietwagen vor Ort ersetzen.

Nach mehreren Vorbereitungstreffen unter Einbeziehung der Behörden auf Sal fanden im Juli und im Oktober jeweils mehrtägige Missionen des Hundeteams statt. Trainer Marcel Maierhofer reiste von Deutschland an, um die Einsätze der Hundeführer und Hunde anzuleiten. Dabei kam es auch zu mehreren Gepäckkontrollen am Hafen und am Flughafen. Schildkrötenfleisch fanden die Hunde auch hier nicht. Allerdings konnten bei einer nächtlichen Strandpatrouille zwei Personen verhaftet werden.


Was sind Artenschutzhunde?

Mit ihren rund 200 Millionen und mehr Geruchsrezeptoren (zum Vergleich: der Mensch besitzt rund sechs Millionen) sind Hunde gefragte Mitarbeiter in etlichen Bereichen des Natur- und Artenschutzes. Am bekanntesten dürften Zollhunde sein, die in den Koffern von Reisenden illegal eingeführte geschützte Arten, wie Korallen oder Seepferdchen, ausfindig machen. Trainierte Suchhunde entdecken auch bestimmte Pflanzen- oder Tierarten und sogar Losung im Wasser! So etwa die Mischlingshündin Eba. Sie hilft beim Center for Conservation Biology im US-Bundesstaat Washington bei Orca-Schutzmaßnahmen, weil sie sehr gut darin ist, im Wasser treibenden Kot der Meeressäuger zu erschnüffeln.

Wer sind die Artenschutzhunde auf Boa Vista?

Kelo

Artenschutzhund Kelo auf Boa Vista im Einsatz für Meeresschildkröten.

Der sechsjährige (2023) Kelo ist trotz seines rassebedingten Arbeitseifers ein ruhiger und freundlicher Hund.

Er ist sehr verträglich im Umgang mit anderen Hunden und Menschen. Kraft und Ausdauer des Rüden passen sehr gut zu seinem athletischen Hundeführer Carlos “Toti” Monteiro Reis.

Karetta

Artenschutzhündin Karetta mit Hundeführerin Stephanie Butera beim Training auf Boa Vista.

Die sensible Schäferhündin Karetta wird von João „Djola“ José Mendes de Oliveira betreut.

Sie steht Kelo in der Objektsuche wie auch im Mantrailing in nichts nach, kann aber aufgrund ihrer misstrauischen Einstellung zu Fremden nicht für die Öffentlichkeitsarbeit mit Kindern eingesetzt werden. Zu ihrem Hundeführer hat sie jedoch großes Vertrauen und arbeitet mit Freude.

Zedda

Die heimliche Chefin des kleinen Rudels ist die achtjährige Zedda.

Artenschutzhund Zedda beim Training an einem Strand zum Schutz von Schildkröten auf Boa Vista.

Zedda war bereits erwachsen, als sie zum Hundeteam kam. Bis dahin lebte sie selbstständig auf Boa Vista. Daher verfügt sie nicht über den Grundgehorsam, der für die Einsatzreife erforderlich ist. Im Zweifel entscheidet Zedda immer selbst, was sie gerade tun möchte – arbeiten oder doch lieber Krabben jagen.

Dennoch ist sie ein wertvolles Mitglied des Teams, weil sie auch Anfängerfehler von Hundeführern verzeiht. Seit 2023 ist Délvis Rodrigues ihr neuer Hundeführer.

Hundetrainer Marcel Maierhofer

Marcel Maierhofer von Mantrailing24 trainiert die Artenschutzhunde Zedda, Karetta und Kelo und ihre Führer in den Disziplinen Mantrailing und Zielobjektsuche.
Marcel Maierhofer von Mantrailing24 trainiert die Artenschutzhunde Zedda, Karetta und Kelo und ihre Führer in den Disziplinen Mantrailing und Zielobjektsuche.

Während der Nistsaison 2022 führte das Hunde- und Drohnenteam 96 Einsätze durch, vornehmlich an den besonders gefährdeten Niststränden. Da zu Beginn der Nistsaison nur wenige Schildkröten an die Strände kamen, begannen die Anti-Wilderer-Einsätze am 1. Juli und dauerten bis zum 28. Oktober. In diesen vier Monaten fanden pro Monat durchschnittlich 24 Einsätze statt.

Insgesamt ging die Wilderei auf Schildkröten auf Boa Vista 2022 stark zurück. Lediglich zehn nachgewiesene Fälle sind bekannt. Für den deutlichen Rückgang der Wilderei spielen verschiedene Aspekte eine Rolle. Neben einem verschärften Strafmaß für Wilderei sicherlich auch die Ausweitung der Community-Projekte des Teams der Turtle Foundation. Entscheidend jedoch ist – das zeigen die Aussagen ehemaliger Wilderer – ein deutlich gestiegenes Risiko, von den Hunde- und Drohnenteams erwischt zu werden. Die „Skorpion-Strategie“ schreckt potenzielle Täter regelmäßig davon ab, es überhaupt erst zu versuchen.


Welche Schildkrötenarten gibt es bei den Kapverden?

Neben Unechte Karettschildkröten (Caretta caretta) kommen vier weitere Arten in die kapverdischen Gewässer, die hier allerdings nicht regelmäßig nisten.

UN-Nachhaltigkeitsziele des Projekts

Nach Informationen der Turtle Foundation
Alle Fotos: © Turtle Foundation

Update: erweiterter und überarbeiteter Beitrag

Meeresschildkröten in Not

Kleine Grüne Meeresschildkröte auf dem Weg ins Meer.

Helfen Sie mit, Meeresschildkröten zu retten!

Meeresschildkröten-Schutzprojekt auf Sipora

7 Minuten

Seit September 2019 unterstützen wir ein Meeresschildkröten-Schutzprojekt der Turtle Foundation mit dem Fokus auf Lederschildkröten (Dermochelys coriacea). Es befindet sich auf der kleinen, vor Westsumatra im Mentawai-Archipel liegenden indonesischen Insel Sipora. Eher zufällig entdeckten Mitarbeiter der Turtle Foundation hier im Herbst 2017 einen bis dahin völlig unbekannten Nistplatz, den Strand von Buggeisiata.

Projekterfolge:
Innerhalb weniger Jahre gelang es dem Schutzprojekt Sipora, eine Insel, die für die Fortpflanzung von Meeresschildkröten fast vollständig verloren war, in eine hundertprozentige Erfolgsinsel zu verwandeln.

Projektstandort auf Google Maps: der ca. 8 km lange Strand von Buggeisiata auf der Insel Sipora, West Sumatra, Indonesien.

Lederschildkröten

8.533

Oliv-Bastardschildkröten

2.316

Grüne Meeresschildkröten

1.595

Echte Karettschildkröten

680

Bedrohte Lederschildkröten-Subpopulation

Man weiß nur wenig über die lokale Lederschildkröten-Population. Wahrscheinlich nisten auf Sipora Tiere aus der regionalen Subpopulation des nordöstlichen Indischen Ozeans. Deren Hauptnistgebiete sind die Andamanen und Nikobaren. Der Bestand dieser Subpopulation ist mit vielleicht noch 1.000 Exemplaren kritisch.

Situation zu Beginn des Meeresschildkröten-Schutzprojekts

Wie es so oft der Fall ist, hatten Meeresschildkröten auf der abgelegenen Insel Sipora kaum eine Chance. Denn fast alle Eier wurden von der einheimischen Bevölkerung konsumiert, Weibchen während oder nach der Eiablage getötet. Unmittelbare Hilfe war also dringend notwendig. Deshalb initiierte die Turtle Foundation in Zusammenarbeit mit der örtlichen Naturschutzbehörde in Padang (BPSPL) unverzüglich ein Meeresschildkröten-Schutzprojekt. Entscheidender Faktor dabei: die Integration der Inselbevölkerung.

Aufzuchtstation und Strandschutz zeigen Wirkung

Seit der ersten Nistsaison 2017/2018 schlüpften aus bewachten oder in die Hatchery (Freiland-Aufzuchtstation) des Projekts umgebetteten Nestern 8.533 kleine Lederschildkröten. Dann krabbelten sie auf dem schnellsten Weg ins Meer, ihren neuen Lebensraum. Nur wenige von ihnen werden es bis ins Erwachsenenalter schaffen. Doch jedes erfolgreiche Nest ist entscheidend für den Fortbestand der gefährdeten Subpopulation im nordöstlichen Indischen Ozean.

In der Nistsaison 2022/23 fanden die Ranger des Projekts 32 Lederschildkröten-Nester, aus denen in der Hatchery später 1.690 kleine Lederschildkröten schlüpften.

© Turtle Foundation

Markierte Lederschildkröte stirbt auf Nachbarinsel

Metallclip zur Markierung von Meeresschildkröten, im Einsatz beim Meeresschildkröten-Schutzprojekt auf Sipora, Indonesien.

Zu den Aufgaben der Sipora-Ranger gehört auch die Markierung von nistenden Schildkröten mit speziellen Metallclips. Von den 19 derart markierten Lederschildkröten-Weibchen wurde eines im Januar 2023 auf der nördlichen Nachbarinsel Siberut tot aufgefunden. Sie war Anfang Dezember 2022 zur Eiablage nach Sipora gekommen und hatte dabei einen Markierungsclip erhalten. Angeblich sei das Tier tot an den Strand gespült worden. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sie während der Eiablage gewildert wurde. Ein trauriger Verlust.

Erstmals nisten Echte Karettschildkröten auf Sipora

In der Nistsaison 2022/23 kamen zum ersten Mal seit Projektbeginn auch Echte Karettschildkröten (Eretmochelys imbricata) zum Nisten an den Strand von Buggeisiata. Alle Nester wurden in die Hatchery umgebettet und 680 kleine Echte Karettschildkröten schlüpften.

Vier von sieben Meeresschildkröten-Arten

Da auch Grüne Meeresschildkröten (Chelonia mydas) und Oliv-Bastardschildkröten (Lepidochelys olivacea) zur Eiablage nach Sipora kommen, nisten hier jetzt vier von sieben Meeresschildkröten-Arten in unterschiedlicher Zahl.

In der Nistsaison 2022/23 kamen allerdings keine Grünen Meeresschildkröten nach Sipora. Aus den fünf in die Hatchery umgesetzten Oliv-Bastardschildkröten-Nestern erreichten 677 Schlüpflinge sicher das Meer.

Meeresschildkröten-Schutzprojekt Sipora: Lederschildkröte am Strand von Sipora mit zwei Rangern
Lederschildkröte am Strand von Sipora mit zwei Rangern
Meeresschildkröten-Schutzprojekt Sipora: Hatchery/Aufzuchtstation für Meeresschildkröten-Nester
Hatchery (Freiland-Aufzuchtstation) auf Sipora
Meeresschildkröten-Schutzprojekt Sipora: Nistling Grüne Meeresschildkröte beim Schlupf
Grüne Meeresschildkröte beim Schlupf
Meeresschildkröten-Schutzprojekt Sipora: Ein Nistling wird vermessen, Sipora-Projekt, Indonesien
Ein Nistling wird vermessen
Meeresschildkröten-Schutzprojekt Sipora: Ein Nistling wird gewogen, Sipora-Projekt, Indonesien
Nistling wird gewogen
Lederschildkröten-Schlüpflinge auf dem Weg ins Meer, Nistsaison 2021/2022
Ab ins Meer!

Einbindung der lokalen Bevölkerung

Die Zusammenarbeit mit der örtlichen Bevölkerung ist ein zentraler Pfeiler des Sipora-Projekts. Die Menschen aus dem Dorf Matuptuman, das in der Nähe des Buggeisiata-Strandes liegt, wurde von Beginn an in die Aktivitäten des Projekts eingebunden. Denn ohne die Unterstützung und das Engagement der lokalen Bevölkerung sind selbst die effektivsten Schutzmaßnahmen zum Scheitern verurteilt.

Das Dorf Matuptuman auf der Insel Sipora, wo das Meeresschildkröten-Schutzprojekt durchgeführt wird.

Der Buggeisiata-Strand liegt nicht in einem Schutzgebiet. Er gehört zu dem kleinen Dorf Matuptuman

In Matuptuman leben etwa 345 Familien. Ihr durchschnittliches Monatseinkommen liegt bei umgerechnet etwa 90 Euro. Es wird vornehmlich mit dem Anbau von Muskatnüssen, Gewürznelken und Kokosnüssen – früher auch durch den Verkauf von Eiern aus geplünderten Meeresschildkröten-Nestern – erwirtschaftet. Für ihre eigene Ernährung bauen die Dorfbewohner Gemüse und Reis an, gehen auf Fischfang und zur Jagd.

Ranger

Zu den Aufgaben der acht einheimischen Ranger gehört nicht nur das Umbetten der Nester, sondern auch die Erfassung von Nistdaten und Nisterfolg der Hatchery. Zusätzlich patrouillieren die Ranger Strände, reinigen diese von Treibholz und Plastikmüll. Dadurch wird es für die Weibchen einfacher, den beschwerlichen Weg zu einem geeigneten Platz zum Graben des Nestes bewältigen.

Ranger vom Schutzprojekt für Lederschildkröten auf der Insel Sipora
Ranger-Team, Insel Sipora
Meeresschildkröten-Ranger Mayunus mit Familie, Sipora, Indonesien
Ranger Mayunus mit Familie
Meeresschildkröten-Ranger Anuar mit Familie, Sipora, Indonesien
Ranger Anuar mit Familie
Meeresschildkröten-Ranger mit Familie, Sipora, Indonesien
Sipora-Ranger mit Familie
Beach-Camp auf Sipora.
Beach-Camp für die Ranger.

Im engen Austausch mit den Bewohnern von Matuptuma und in ihrer direkten Integration liegt der Schlüssel zum Erfolg dieses Meeresschildkröten-Schutzprojekts. Das Konzept schafft Vertrauen und ermöglicht es, gemeinsame Lösungen zu entwickeln, zum Vorteil der Meeresschildkröten und der Menschen.

Community Projekte – Dorfentwicklungsmaßnahmen

  • Acht Dorfbewohner erhalten bezahlte Stellen als Ranger nach vorheriger Ausbildung
  • Anmietung eines Hauses als dauerhaft besetztes Projekthauptquartier
  • Erstellung einer Broschüre über den Schutz von Meeresschildkröten als Lehrmittel für Kinder
  • Bau eines traditionellen Versammlungshauses (in Planung) parurukat laggai
  • Unterstützung bei der Renovierung der Dorfkirche
  • Renovierung des maroden Schulgebäudes. 41 Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren werden hier von fünf Lehrkräften unterrichtet. Wegen des undichten Dachs und häufiger Regenfälle gab es früher zahlreiche Unterrichtsausfälle. Fenster und Türen waren defekt, die Böden teilweise aus gestampfter Erde, die Toiletten unbenutzbar. Erfreulicherweise finanzierte die deutsche Botschaft in Jakarta die Renovierung mit 16.000 €
  • Errichtung einer Hütte für die Ranger im traditionellen Architekturstil in der Nähe der Hatchery
  • Weiterführung der Umweltbildungsprogramme für Kinder
  • Finanzielle Unterstützung bei der Neuerrichtung einer eingestürzten Brücke im Dorf

Akzeptanz der Bevölkerung ist entscheidend

Sehr erfreulich ist, wie schnell das Meeresschildkröten-Schutzprojekt auf Sipora zum Anliegen der einheimischen Bevölkerung wurde. Seit Beginn der Projektarbeit starb hier kein einziges Lederschildkröten-Weibchen mehr. Gleichzeitig sank die Zahl geplünderter Nester von 26 in der ersten Nistsaison auf zwei in der Nistsaison 2018/2019 und liegt seitdem bei null.

Meeresschildkröten Schutzprojekt Sipora: Tote Lederschildkröte am Strand.

Quellen: Projektberichte Turtle Foundation, 2019 – 2023
Fotos: © Turtle Foundation

UN-Nachhaltigkeitsziele des Projekts

Update: erweiterter und überarbeiteter Beitrag


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Meeresschildkröten in Not

Kleine Grüne Meeresschildkröte auf dem Weg ins Meer.

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Arten-Informationen