Artenschutzhunde im Einsatz im Projekt für Unechte Karettschildkröten auf Boa Vista

Seit September 2022 fördern wir ein Projekt der Turtle Foundation zum Schutz von Schildkröten auf der zu den Kapverden gehörenden Insel Boa Vista. Das Besondere daran: Bei der Wildereibekämpfung kommen einheimische Ranger, Volontäre, Nachtsichtdrohnen, Nachtsichtgeräte, Ferngläser mit Wärmebildtechnik und speziell ausgebildete Artenschutzhunde zum Einsatz. Mit diesem innovativen Ansatz im Wildtierschutz gelang es, das Wildererunwesen stark zurückzudrängen. Entscheidend dabei ist das ausgeklügelte Zusammenspiel von Rangern, Volontären mit den Hunde- und Drohnenteams und lokalen Polizeikräften.

Nistling und Weibchen Unechte Karettschildkröte an einem Strand auf Boa Vista.

Die Kapverdischen Inseln im Atlantik sind nach Oman und Florida der drittgrößte Nistplatz für Unechte Karettschildkröten (Caretta caretta). An den Stränden von Boa Vista graben jährlich zwischen 5.000 und 30.000 weibliche Schildkröten ihre Nester zur Eiablage.

Auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN ist die Art als gefährdet eingestuft. Die Kapverden-Nistpopulation des Nordatlantiks zählt zu den elf am stärksten bedrohten Meeresschildkröten-Populationen und gilt als stark gefährdet.

Projektbilanz 2024

  • Seit Projektbeginn sank die Schildkröten-Wilderei auf weniger als 0,2 % der jährlichen Nistpopulation.
  • Bei Patrouillen erfassten Ranger und Volontäre 19.188 Nester auf den vom Projekt kontrollierten Stränden. Diese stammen von rund 4.000 Weibchen (Weibchen der Unechte Karettschildkröte kommen bis zu fünfmal im Jahr zur Eiablage an Land). Das sind fast 2.000 Schildkröten mehr als im Vorjahr. Die Ursachen für die starken Schwankungen auf Boa Vista sind ungeklärt.
  • Bei einem durchschnittlichen Schlupferfolg pro Nest (geschlüpftes Tier schafft es bis ins Meer) von etwa 60 % und auf Boa Vista durchschnittlich 80 Eiern pro Nest, dürften in der Nistsaison 2024 über 900.000 Schlüpflinge bis ins Meer gekrabbelt sein.
  • Zusätzlich wurden 378 Nester in die Hatchery (Aufzuchtstation) des Projekts umgebettet. Dies geschieht immer dann, wenn Nester zu nah an der Uferlinie liegen oder durch Überschwemmung gefährdet sind. Auch Nester, die sich direkt vor dem am Strand Lacacao gebauten Hotel Riu Touareg, im Süden Boa Vistas, befinden, gelten als stark gefährdet. Aufgrund der beträchtlichen Lichtverschmutzung durch das Hotel würden alle Jungtiere nach dem Schlupf in die falsche Richtung krabbeln und sterben. Nach Möglichkeit soll der natürliche Nistprozess allerdings ungestört bleiben.
  • Aus den in der Hatchery ausgebrüteten Nestern schlüpften 23.093 kleine Schildkröten. Alle erreichten gesichert das Meer.
  • Dank der kontinuierlichen Patrouillen gelang es, 64 in Not geratene Schildkröten zu retten. Die Tiere steckten entweder in Felsspalten oder anderen Hindernissen fest oder hatten in den unübersichtlichen Dünen die Orientierung verloren. Meist sind diese Weibchen für den Arterhalt verloren, da sie ohne schnelle Hilfe an Austrocknung oder Überhitzung sterben.
  • Sechs Schildkröten fielen während der Nistsaison 2024 Wilderern zum Opfer.
Auf den Kapverden stürzen Schildkröten in Felsspalten oder verirren sich auf dem Weg zurück ins Meer. Diese Tiere werden gerettet.
Seit 2023 lokalisiert ein Drohnenpilot verirrte oder in Felsspalten festsitzende Schildkröten.
Besonders kritische Strände werden täglich kontrolliert.
  • Seit Projektbeginn sank die Schildkröten-Wilderei auf weniger als 0,2 % der jährlichen Nistpopulation.
  • In der Nistsaison 2023 töteten Wilderer nur 17 von ca. 12.000 auf der Insel Boa Vista nistenden Weibchen. Damit sank die Schildkröten-Wilderei seit Projektbeginn auf weniger als 0,2 % der jährlichen Nistpopulation.
  • An den mit Strandcamps der Turtle Foundation geschützten Stränden zählten Ranger und Volontäre 10.539 Nester. Dies entspricht etwa 2.100 nistenden Weibchen, denn jedes Weibchen gräbt etwa fünf Nester.
  • Da durchschnittlich 40 Schlüpflinge pro Nest den Ozean erreichen, entspricht dies ca. 421.560 Schlüpflingen aus den vom Projekt bewachten Stränden. Der Schlupferfolg liegt in der Natur durch von Räubern wie Geisterkrabben oder Vögel verursachte Verluste niedriger als in der Aufzuchtstation (Hatchery).
  • 336 besonders gefährdete Nester wurden in die Hatchery umgebettet. Dies geschieht immer dann, wenn Nester zu nah an der Uferlinie liegen oder durch Überschwemmung gefährdet sind. Auch Nester, die sich direkt vor dem am Strand Lacacao gebauten Hotel Riu Touareg, im Süden Boa Vistas, befinden, gelten als stark gefährdet. Aufgrund der beträchtlichen Lichtverschmutzung durch das Hotel würden alle Jungtiere nach dem Schlupf in die falsche Richtung krabbeln und sterben. Nach Möglichkeit soll der natürliche Nistprozess allerdings ungestört bleiben.
  • Aus den 336 Nestern in der Hatchery schlüpften 18.054 Schlüpflinge. Das entspricht einem Nisterfolg von 67 %. Dabei wiegt und vermisst man einige der Jungtiere. Auch der Einfluss von Mikroplastik im Sand auf den Schlupferfolg wird untersucht.
  • 2023 erreichten aus den ca. 60.000 Nestern der ca. 12.000 auf Boa Vista nistenden Weibchen bei einem durchschnittlichen Schlupferfolg von 40 Schlüpflingen pro Nest etwa 2.400.000 junge Meeresschildkröten das Meer!

Boa Vista ist eine bedeutende Niststätte für Schildkröten

Etwa zwei Drittel der auf den Kapverden nistenden Unechten Karettschildkröten zieht es auf die Insel Boa Vista. Jedes Jahr zwischen Juni und Oktober kommen die Weibchen in großer Zahl nachts an die Strände, um Nester zu graben und ihre Eier abzulegen.

Gewilderte Schildkröte, Boa Vista, Kapverden.

Seit 1987 stehen Meeresschildkröten auf den Kapverden unter Schutz. Dennoch ging die seitdem als Wilderei geltende Jagd dadurch nur unwesentlich zurück. Die Nutzung der Meeresreptilien zur Nahrungsversorgung war tief in der ländlichen Bevölkerung verwurzelt.

Allein 2007 starben an den Stränden von Boa Vista etwa 1.200 Weibchen. Die meisten von ihnen, bevor sie ihre Eier legen konnten. Daher rief die Turtle Foundation 2008 ein umfassendes Projekt zum Schutz dieses bedeutenden Nistplatzes ins Leben.

Bekämpfung der Wilderei

Zu Beginn jeder Nistsaison errichtet das Turtle-Foundation-Team an strategisch günstigen Stellen fünf Feldstationen. Über die gesamte Nistzeit sind dort von Juni bis Oktober Ranger und Volontäre untergebracht. Sie patrouillieren rund 30 Kilometer der insgesamt 65 km umfassenden Niststrände.

Strandpatrouillen

Ranger-Station der Turtle Foundation, Boa-Vista, Kapverden.

Mithilfe der konventionellen Strandpatrouillen von Rangern und Volontären ging die Wilderei von nistenden Schildkrötenweibchen von 2008 bis 2014 deutlich zurück.

Als flankierende Maßnahmen findet ein intensives Begleitprogramm vorwiegend in den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit, Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit statt. Damit fördert das Projekt die Nachhaltigkeit der direkten Schutzmaßnahmen.

Drohnen und Nachtsichtgeräte

Trotzdem gab es seit 2015 wieder verstärkte Wilderei-Aktivitäten, diese wurden auch aggressiver. Denn es locken finanzielle Anreize. Dank verbesserter Ausrüstung und anderen „Strategien“ konnten die Wilderer den Ranger-Patrouillen immer wieder ausweichen. Es gelang ihnen, viele Schildkröten zu töten.

Mittlerweile gilt Schildkrötenfleisch auf den Kapverden als teure Delikatesse. Dies führte dazu, dass bis 2017 in einigen Gebieten fast 5 % aller nistenden Weibchen sterben mussten. Um dies in den Griff zu bekommen, wurden die Maßnahmen zur Wildereibekämpfung in enger Zusammenarbeit mit der lokalen Naturschutzbehörde und der Polizei erweitert. Zum Einsatz kommen jetzt moderne Nachtsichttechnik, Funkgeräte, Drohnen sowie Ferngläser mit Wärmebildtechnik.

Artenschutzhunde

Doch mit Technik allein kam man den Wilderern nicht vollständig bei. Deshalb setzt das Projekt seit 2022 zusätzlich auf die Spürnasen speziell ausgebildeter Artenschutzhunde. Damit eröffneten sich neue Dimensionen in der Wildereibekämpfung. Zur besseren Abschreckung arbeitet das Ranger-Team dabei mit aufeinander abgestimmten Einsatzkonzepten und -strategien.

Da die Schildkrötenweibchen stets nachts zur Eiablage an die Strände kommen, finden auch die Patrouillen nachts statt. Und das täglich an zufällig ausgewählten Stränden. Schwerpunktmäßig sind Strände mit hohem Wilderei-Risiko im Norden und Osten der Insel. Häufig begleiten Polizeibeamte die Ranger.

Ranger-Team mit drei Artenschutzhunden und einer Drohne auf Boa Vista, Schutzprojekt für Meeresschildkröten der Turtle Foundation.
Das dreiköpfige Drohnenteam, bestehend aus Emilio Landin, Anilton Furtado und Ailton de Jesus Monteiro Andrade, bildet mit dem Hundeteam (drei Artenschutzhunde mit ihren Hundeführern) eine Spezialeinheit zur Wilderei-Bekämpfung. Geleitet wird sie von Team-Koordinator Adilson Monteiro Ramos.

Mit ihren feinen Nasen und Ohren spüren die Artenschutzhunde während der Strandpatrouillen zielsicher Personen auf, die an den Niststränden nichts zu suchen haben. Zudem sind sie auf Schildkrötenfleisch trainiert. Ihnen entgehen keine auch noch so gut versteckten und getarnten Überreste getöteter Meeresschildkröten. Auf diese Weise entdeckten die Ranger einige ihnen vorher nicht bekannte Wilderei-Hotspots.

Überdies nehmen die Hunde die Fährten der Täter anhand von Geruchsproben auf, denn oft hinterlassen sie Stoffreste und Seile am Tatort.

Das mobile Hunde- und Drohnenteam ist auch auf den Niststränden im Osten der Insel im Einsatz. Dann gemeinsam mit Rangern von Bios.CV und Natura 2000, zwei weiteren auf Boa Vista aktiven Projekten zum Schutz der Schildkröten.

Artenschutzhund Kelo beim Suchtraining, Boa-Vista, Kapverden.
© T.Reischig

Artenschutzhunde im Einsatz am Flughafen von Boa Vista

Die Hunde sind auch darauf trainiert, Schildkrötenfleisch in Taschen und in Fahrzeugen aufzuspüren und zu melden. Denn verpacktes Fleisch wird auf andere Inseln – vornehmlich in die Hauptstadt Praia auf Sal – geschmuggelt. Der Einsatzbereich „Objektsuche“ kam bei einem Probelauf in der Nistsaison 2023 zweimal am Flughafen von Boa Vista zur Anwendung. Dabei gab es keinen Fund.

Artenschutzhund sucht nach Schmuggelware im Gepäck von Flugreisenden auf Boa Vista.
Artenschutzhündin Karetta kontrolliert einen Koffer am Flughafen von Boa Vista.

Für die Nistsaison 2025 ist eine monatliche Frequenz dieser Einsätze vorgesehen, was voraussichtlich mindestens fünf gezielte Kontrollmaßnahmen ermöglicht. Eine Ausweitung auf die Nebensaison erscheint sinnvoll, sobald behördliche Voraussetzungen für die Umsetzung gegeben sind, da der Transport tiefgefrorener Produkte ganzjährig möglich ist.

Die Etablierung solcher Einsätze trägt wesentlich dazu bei, bestehende Schutzlücken zu schließen und die Abschreckungswirkung gegenüber potenziellen Straftätern zu erhöhen.

Bone Removal Project

Zwischen April 2023 und Anfang 2025 wurden auf 70 km der wichtigsten Niststrände von Boa Vista über 1.000 Überreste von Schildkröten dokumentiert und entfernt. Damit konnten vergangene Wildereifälle systematisch erfasst und kartiert werden. Außerdem gelang es so, die Strände von Kadavern zu säubern.

Artenschutzhündin Karetta mit Hundeführerin Stephanie Butera beim Training auf Boa Vista.

Das Bone Removal Project fand mit Zustimmung der Umweltbehörde statt. Es ermöglicht künftig eine präzisere Identifikation und Prognose neuer Wildereifälle. Denn es stellte sich heraus, dass das Ausmaß der Wilderei in einigen Gebieten im Nordosten und Süden von Boa Vista bislang unterschätzt wurde.

Die gesammelten Daten sind nun Grundlage für eine verstärkte Überwachung in den Wilderei-Hochrisikozonen.


Was sind Artenschutzhunde?

Mit ihren rund 200 Millionen und mehr Geruchsrezeptoren (zum Vergleich: der Mensch besitzt rund sechs Millionen) sind Hunde gefragte Mitarbeiter in etlichen Bereichen des Natur- und Artenschutzes. Am bekanntesten dürften Zollhunde sein, die in den Koffern von Reisenden illegal eingeführte geschützte Arten, wie Korallen oder Seepferdchen, ausfindig machen. Trainierte Suchhunde entdecken auch bestimmte Pflanzen- oder Tierarten und sogar Losung im Wasser! So etwa die Mischlingshündin Eba. Sie hilft beim Center for Conservation Biology im US-Bundesstaat Washington bei Orca-Schutzmaßnahmen, weil sie hervorragend im Wasser treibenden Kot der Meeressäuger erschnüffeln kann.

Wir sind die Artenschutzhunde auf Boa Vista

Kelo

Artenschutzhund Kelo, Umweltbildungsarbeit Projekt für Schildkröten auf Boa Vista.

Als erfahrener Begleiter des Teams leistet der ruhige und freundliche Kelo wichtige Unterstützung – auch wenn er altersbedingt nur noch eingeschränkt eingesetzt werden kann.

Wegen seines freundlichen und geduldigen Wesens kommt Kelo jetzt hauptsächlich im Training sowie bei Bildungsaktivitäten wie Schulbesuchen zum Einsatz.

Karetta

Karetta mit João „Djola“ José Mendes de Oliveira.

Die sensible Schäferhündin Karetta wird von João „Djola“ José Mendes de Oliveira betreut.

Sie steht Kelo in der Objektsuche wie auch im Mantrailing in nichts nach, kann aber aufgrund ihrer misstrauischen Einstellung zu Fremden nicht für die Öffentlichkeitsarbeit mit Kindern eingesetzt werden. Zu ihrem Hundeführer hat sie jedoch großes Vertrauen und arbeitet mit Freude.

Olivia

Artenschutzhund Olivia mit Marcel Maierhofer.
© I.Geiser

Seit Anfang 2025 trainieren Marcel Maierhofer und seine Frau Ursula – ebenfalls eine erfahrene Hundetrainerin – Labradorhündin Olivia als Nachfolgerin ihres Onkels Kelo für den Einsatz als Artenschutzhund im Schildkrötenschutzprojekt auf Boa Vista trainiert.

Olivias neuer Hundeführer auf Boa Vista ist Carlos Monteiro, der bereits mit Kelo arbeitet. Bis Olivia einsatzbereit ist, wird es zwar noch etwas dauern, doch sie zeigt vielversprechende Anlagen für ihre zukünftigen Aufgaben als Artenschutzhund.

Zedda

Heimliche Chefin der Artenschutzhunde-Gruppe ist Zedda.

Artenschutzhund Zedda beim Training an einem Strand zum Schutz von Schildkröten auf Boa Vista.

Zedda war bereits erwachsen, als sie zum Hundeteam kam. Bis dahin lebte sie selbstständig auf der Insel. Daher verfügt sie nicht über den Grundgehorsam, der für die Einsatzreife erforderlich ist. Im Zweifel entscheidet Zedda immer selbst, was sie gerade tun möchte – arbeiten oder doch lieber Krabben jagen.

Dennoch ist sie ein wertvolles Mitglied des Teams, weil sie auch Anfängerfehler von Hundeführern verzeiht. Seit 2023 ist Délvis Rodrigues ihr Hundeführer.


Welche Schildkröten nisten auf den Kapverden?

Neben der Unechten Karettschildkröte (Caretta caretta) kommen vier weitere Arten in die kapverdischen Gewässer, die hier allerdings nicht regelmäßig nisten.

UN-Nachhaltigkeitsziele des Projekts

Nach Informationen von Turtle Foundation
Alle Fotos so weit nicht anders angeben: © Turtle Foundation

Update: überarbeiteter und mit neuem Datum veröffentlichter Beitrag

Schutzprojekt für Meeresschildkröten, Insel Sipora, Indonesien

Seit September 2019 unterstützen wir ein Schutzprojekt für Meeresschildkröten der Turtle Foundation auf Sipora und anderen Inseln des vor Westsumatra liegenden Mentawai-Archipels in Indonesien. Schwerpunktart hier ist die Lederschildkröte (Dermochelys coriacea), die größte Schildkrötenart. Auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN ist sie als gefährdet mit rückläufiger Bestandsentwicklung gelistet. Einschätzungen zur Populationsgröße sind wegen fehlender Daten nicht möglich. Bislang konzentrieren wir unsere Hilfe auf die Insel Sipora. In der Nistsaison 2023/24 fanden die Ranger des Projekts acht Lederschildkröten-Nester, aus denen in der Aufzuchtstation (Hatchery) des Projekts 688 kleine Lederschildkröten schlüpften.

Sipora ist eine der vier Hauptinseln der Mentawai-Inseln. Die Insel zeichnet sich durch dichte Regenwälder, abgelegene Strände und eine vielfältige Fauna aus. Neben Lederschildkröten nisten hier noch drei weitere Arten: Grüne Meeresschildkröten, Oliv-Bastardschildkröten und Echte Karettschildkröten. Letztere erstmals in der Nistsaison 2022/23. Damit nisten auf Sipora vier von sieben Meeresschildkröten-Arten in unterschiedlicher Zahl. Auch deren Nester werden von den Rangern des Projekts in die Hatchery verbracht, wo ein sicherer Schlupferfolg gewährleistet ist.

Aufzuchtstation (Hatchery) für Meeresschildkröten auf der Insel Sipora, Indonesien.

Innerhalb weniger Jahre gelang es diesem Meeresschildkröten-Schutzprojekt, eine Insel, die für die Fortpflanzung der Meeresreptilien fast vollständig verloren war, in eine hundertprozentige Erfolgsinsel zu verwandeln.

Projektstandort auf Google Maps: der ca. 8 km lange Strand von Buggeisiata auf der Insel Sipora, West Sumatra, Indonesien.

Lederschildkröten

9.221

Oliv-Bastardschildkröten

3.009

Grüne
Meeresschildkröten

1.792

Echte
Karettschildkröten

680

Die Lederschildkröten des nordöstlichen Indischen Ozeans

Eher zufällig entdeckten Mitarbeiter der Turtle Foundation im Herbst 2017 auf der Insel Sipora einen bis dahin unbekannten Nistplatz, den Strand von Buggeisiata. Wahrscheinlich nisten auf Sipora Tiere aus der regionalen Subpopulation des nordöstlichen Indischen Ozeans. Deren Hauptnistgebiete sind die Andamanen und Nikobaren. Der Bestand dieser Subpopulation ist mit vielleicht noch 1.000 Exemplaren kritisch.

Aktuelle und geplante Standorte des Lederschildkröten-Schutzprojekts vor West-Sumatra.

Seit 2017 erweiterte die Turtle Foundation ihre Meeresschildkröten-Schutzprojekte auf den Inseln Mentawai-Archipels auf aktuell drei weitere Standorte: Selaut Besar (seit 2021), Lhok Dalam und Along Beach auf Simeulue (seit 2023) und ab Herbst 2024 auf Moale Beach auf Nias (auf der Karte grün markiert).

Eine Vorstudie am Moale Beach zeigte, dass hier regelmäßig Lederschildkröten und andere Arten, wahrscheinlich Oliv-Bastardschildkröten, nisten. Leider werden die meisten Nester von Einheimischen aus den umliegenden Dörfern oder von Hunden gewildert. Außerdem gibt es Wilderei auf erwachsene Schildkröten wegen ihres Fleisches. Allein in der Nistsaison 2023/24 fand man am Moale Beach fünf tote Lederschildkröten.

Niststrände auf der Insel Bangkaru werden von einer indonesischen Partnerorganisation, Ecosystem Impact, geschützt.

Situation zu Beginn des Projekts

Wie es so oft der Fall ist, hatten Meeresschildkröten auf der abgelegenen Insel Sipora kaum eine Chance. Denn fast alle Eier wurden von der einheimischen Bevölkerung konsumiert, Weibchen während oder nach der Eiablage getötet. Unmittelbare Hilfe war also dringend notwendig. Deshalb initiierte die Turtle Foundation in Zusammenarbeit mit der örtlichen Naturschutzbehörde in Padang (BPSPL) unverzüglich ein Meeresschildkröten-Schutzprojekt. Entscheidender Faktor dabei: die Integration der Inselbevölkerung.

Aufzuchtstation und Strandschutz zeigen Wirkung

Seit der ersten Nistsaison 2017/2018 schlüpften aus bewachten oder in die Hatchery (Freiland-Aufzuchtstation) des Projekts umgebetteten Nestern 9.221 kleine Lederschildkröten. Dann krabbelten sie auf dem schnellsten Weg ins Meer, ihren neuen Lebensraum. Nur wenige von ihnen werden es bis ins Erwachsenenalter schaffen. Doch jedes erfolgreiche Nest ist entscheidend für den Fortbestand der gefährdeten Subpopulation im nordöstlichen Indischen Ozean.

© Turtle Foundation

Markierte Lederschildkröte stirbt auf Nachbarinsel

Metallclip zur Markierung von Meeresschildkröten, im Einsatz beim Meeresschildkröten-Schutzprojekt auf Sipora, Indonesien.

Zu den Aufgaben der Sipora-Ranger gehört auch die Markierung von nistenden Schildkröten mit speziellen Metallclips. Von den 19 derart markierten Lederschildkröten-Weibchen wurde eines im Januar 2023 auf der nördlichen Nachbarinsel Siberut tot aufgefunden. Sie war Anfang Dezember 2022 zur Eiablage nach Sipora gekommen und hatte dabei einen Markierungsclip erhalten. Angeblich sei das Tier tot an den Strand gespült worden. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sie während der Eiablage gewildert wurde. Ein trauriger Verlust.

Erstmals nisten Echte Karettschildkröten auf Sipora

In der Nistsaison 2022/23 kamen zum ersten Mal seit Projektbeginn auch Echte Karettschildkröten (Eretmochelys imbricata) zum Nisten an den Strand von Buggeisiata. Alle Nester wurden in die Hatchery umgebettet und 680 kleine Echte Karettschildkröten schlüpften.

Community-Projekte – Dorfentwicklungsmaßnahmen

Ein zentrales Element des Erfolgs für das Meeresschildkröten-Schutzprojekt auf Sipora ist die enge Zusammenarbeit mit den Dorfbewohnern Matuptumans. Jede Maßnahme wird in Abstimmung mit den Dorfbewohnern geplant und umgesetzt. Diese partizipative Herangehensweise fördert das Vertrauen und die Unterstützung der lokalen Bevölkerung und trägt maßgeblich zur Nachhaltigkeit und lokalen Akzeptanz des Projekts bei.

Das Dorf Matuptuman auf der Insel Sipora, wo das Meeresschildkröten-Schutzprojekt durchgeführt wird.

Der Buggeisiata-Strand liegt nicht in einem Schutzgebiet. Er gehört zu dem kleinen Dorf Matuptuman

In Matuptuman leben etwa 345 Familien. Ihr durchschnittliches Monatseinkommen liegt bei umgerechnet etwa 90 Euro. Es wird vornehmlich mit dem Anbau von Muskatnüssen, Gewürznelken und Kokosnüssen – früher auch durch den Verkauf von Eiern aus geplünderten Meeresschildkröten-Nestern – erwirtschaftet. Für ihre eigene Ernährung bauen die Dorfbewohner Gemüse und Reis an, gehen auf Fischfang und zur Jagd.

Gemüsegartenprojekt

Ein besonderer Schwerpunkt der Community-Projekte ist ein nachhaltiger Gemüsegarten. Er wird nach der erfolgreichen Testphase nun weiter ausgebaut. Der Anbau von Kokosnüssen, Muskatnüssen, Nelken, Taro und Bananen hat sich als erfolgreich erwiesen und versorgt die Ranger und ihre Familien mit frischem Gemüse. Es ist geplant, den Gemüsegarten zu erweitern und Frauen aus dem Dorf in der Aufzucht und im Verkauf von Gemüse zu schulen.

Geplant ist zudem der Anbau von Gurken, Chilis, Tomaten, Auberginen und Mais. Ziel ist es, das Gemüse auch in Tuapejat, der Hauptstadt der Mentawai Inseln, zu verkaufen. Die Ernte der Gemüsegärten soll einen Mehrwert für die Menschen in Matuptuman darstellen und die Abhängigkeit von externen Lieferungen verringern. Der Ausbau wird zur wirtschaftlichen Stabilität und Gesundheit der Gemeinschaft beitragen.

Umweltbildungsprogramme

Kinder lernen Schildkrötenschutz als Unterrichtseinheit auf Sipora.

Umweltbildungsprogramme für die örtlichen Kinder stärken das Umweltbewusstsein der jungen Generation. Regelmäßige Besuche der Hatchery und gemeinsame Beach-Clean-Ups vermitteln den Kindern Wissen über den Schutz der Meeresschildkröten und richtige Abfallentsorgung.

Neue Projektleiterin

Seit Januar 2024 leitet die Indonesierin Amelia Fepriani Silalahi das Projekt. Sie genießt große Anerkennung sowohl bei ihren Ranger-Kollegen als auch bei den Dorfbewohnern. Amelia hat wesentlich zur positiven Weiterentwicklung des Projekts seit Jahresbeginn beigetragen.

Das neue Ranger Team zusammen mit den Projektkoordinatoren.
Das neue Ranger-Team zusammen mit den Projektkoordinatoren
Neue Ranger-Hütte im traditionellen Baustil
Ranger-Hütte im traditionellen Baustil

Zu den Aufgaben der einheimischen Ranger gehört nicht nur das Umbetten der Nester, sondern auch die Erfassung von Nistdaten und Nisterfolg der Hatchery. Zusätzlich patrouillieren die Ranger Strände, reinigen diese von Treibholz und Plastikmüll. Dadurch wird es für die Weibchen einfacher, den beschwerlichen Weg zu einem geeigneten Platz zum Graben des Nestes zu bewältigen.

Akzeptanz der Bevölkerung ist entscheidend

Sehr erfreulich ist, wie schnell das Schutzprojekt für Meeresschildkröten auf Sipora zum Anliegen der einheimischen Bevölkerung wurde. Seit Beginn der Projektarbeit starb hier keine einzige Lederschildkröte. Gleichzeitig sank die Zahl geplünderter Nester von 26 in der ersten Nistsaison auf zwei in der Nistsaison 2018/2019 und liegt seitdem bei null.

Niststrand Meeresschildkröten Schutzprojekt auf der Insel Sipora: Eine Lederschildkröte nach der Eiablage auf dem Weg ins Meer.

Quellen: Projektberichte Turtle Foundation, 2019 – 2024
Fotos: © Turtle Foundation

UN-Nachhaltigkeitsziele des Projekts

  • Dorfbewohner erhalten bezahlte Stellen als Ranger nach vorheriger Ausbildung
  • Seit Anfang 2024: Büro und Basecamp in Tuapejat, der Distrikt-Hauptstadt der Mentawai-Inseln
  • Erstellung einer Broschüre über den Schutz von Meeresschildkröten als Lehrmittel für Kinder
  • Unterstützung bei der Renovierung der Dorfkirche
  • Renovierung des maroden Schulgebäudes. 41 Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren werden hier von fünf Lehrkräften unterrichtet. Wegen des undichten Dachs und häufiger Regenfälle gab es früher zahlreiche Unterrichtsausfälle. Fenster und Türen waren defekt, die Böden teilweise aus gestampfter Erde, die Toiletten unbenutzbar. Erfreulicherweise finanzierte die deutsche Botschaft in Jakarta die Renovierung mit 16.000 €
  • Errichtung einer Hütte für die Ranger im traditionellen Architekturstil in der Nähe der Hatchery
  • Weiterführung der Umweltbildungsprogramme für Kinder
  • Finanzielle Unterstützung bei der Neuerrichtung einer eingestürzten Brücke im Dorf

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