Boa Vista: Artenschutzhunde helfen Meeresschildkröten

9 Minuten

Seit September 2022 fördern wir Ausbildung und Einsatz von drei Artenschutzhunden zur Wildereibekämpfung des Turtle Foundation Projekts zum Schutz von Unechten Karettschildkröten auf der Kapverdeninsel Boa Vista. Mit dem Einsatz der speziell ausgebildeten Artenschutzhunde konnten Wildereifälle erfolgreich auf ein niedriges Niveau gesenkt und auch abgelegene Strände im Osten Boa Vistas besser geschützt werden. Entscheidend dabei ist ein ausgeklügeltes Zusammenspiel von Hunde- und Drohnenteams.

Drei Artenschutzhunde beim Training mit Hundeführern auf Boa Vista.
Artenschutzhunde Zedda, Karetta und Kelo (von links nach rechts) mit ihren Hundeführern.

Bedeutende Niststätte für Unechte Karettschildkröten

Unechte Karettschildkröte auf Boa Vista
Unechte Karettschildkröte auf Boa Vista

Die Kapverden im Atlantik sind nach Oman und Florida die weltweit drittgrößte Niststätte für Unechte Karettschildkröten (Caretta caretta). Jedes Jahr zwischen Juni und Oktober kommen die Weibchen nachts an die Strände der Inseln, um Nester zu graben und ihre Eier abzulegen.

Seit 1987 stehen Meeresschildkröten auf den Kapverden unter Schutz. Dennoch ging die seitdem als Wilderei geltende Jagd zu Anfangs nur unwesentlich zurück. Die „Nutzung“ der Meeresreptilien zur Nahrungsversorgung war tief in der ländlichen Bevölkerung verwurzelt.

Kampf gegen Schildkröten-Wilderei auf Boa Vista

Etwa zwei Drittel der auf Kap Verde nistenden Unechten Karettschildkröten kommen zur Eiablage auf die Insel Boa Vista. Allein 2007 starben an den Stränden der Insel etwa 1.200 Weibchen. Die meisten von ihnen, bevor sie ihre Eier legen konnten. Daher rief die Turtle Foundation 2008 ein umfassendes Projekt zum Schutz dieses bedeutenden Nistplatzes ins Leben.

Nistling und Weibchen Unechte Karettschildkröte an einem Strand auf Boa Vista.

Feldstationen auf Boa Vista

Zu Beginn einer jeden Nistsaison errichtet das Turtle-Foundation-Team jedes Jahr an strategisch günstigen Stellen fünf Feldstationen. Über die gesamte Nistzeit sind dort von Juni bis Oktober Ranger und Volontäre untergebracht. Sie patrouillieren und schützen derzeit 30 Kilometer der insgesamt rund 65 km umfassenden Niststrände.

Mithilfe der konventionellen Strandpatrouillen ging die Wilderei seit 2008 erheblich zurück. Flankiert wird dies mit intensiven Begleitprogrammen vorwiegend in den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit, Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit. Damit fördert das Projekt die Nachhaltigkeit der direkten Schutzmaßnahmen.

Zunahme der Wilderei trotz Strandpatrouillen

Gewilderte Meeresschildkröte auf Boa Vista
Gewilderte Unechte Karettschildkröte

Doch seit 2015 rüsten die Wilderer auf, werden aggressiver. Dank besserem Equipment und anderen „Strategien“ konnten sie immer wieder den Rangerpatrouillen ausweichen und viele Schildkröten töten. Denn es locken finanzielle Anreize.

Mittlerweile gilt Schildkrötenfleisch als teure Delikatesse. Dies führte dazu, dass bis 2017 in einigen Gebieten fast 5 % aller nistenden Weibchen getötet wurden.

Artenschutzhunde ergänzen Luftüberwachung des Drohnenteams

Um diese negative Entwicklung in den Griff zu bekommen, erweiterte die Turtle Foundation in enger Zusammenarbeit mit der lokalen Naturschutzbehörde und der Polizei massiv die Maßnahmen zur Wildereibekämpfung. Zum Einsatz kommen jetzt moderne Nachtsichttechnik, Funkgeräte, Drohnen, Ferngläser mit Wärmebildtechnik.

Training mit einer Nachtsichtdrohne für den Einsatz gegen Wilderer. Drohnen und Artenschutzhunde ergänzen die Anti-Wilderer-Taskforce auf Boa Vista.

Doch mit viel Technik allein ist dem Wildererunwesen nicht beizukommen. Deshalb setzt man seit 2022 auch auf die Spürnasen speziell ausgebildeter Artenschutzhunde. Zur besseren Abschreckung von Wilderern arbeitet das Rangerteam dabei mit genau aufeinander abgestimmten Einsatzkonzepten und -strategien.

Da die Schildkröten nachts an die Strände kommen, um ihre Nester zu graben, finden auch die Patrouillen nachts statt, und zwar täglich an zufällig ausgewählten Stränden. Schwerpunktmäßig sind dies Strände mit hohem Wilderei-Risiko im Norden und Osten der Insel. Häufig begleiten Polizeibeamte die Ranger.

Was machen Artenschutzhunde auf Boa Vista?

Die Artenschutzhunde Karetta und Kelo.
Karetta und Kelo

Momentan schnüffeln auf Boa Vista drei speziell ausgebildete Artenschutzhunde zum Schutz der Meeresreptilien: Karetta, Zedda und der Labrador Kelo. Letzterer wurde in der Slowakei geboren und in der Schweiz ausgebildet. Karetta und Zedda stammen dagegen beide von Boa Vista. Mit den Spürnasen eröffneten sich neue Dimensionen in der Wildereibekämpfung.

Mit ihren feinen Nasen und Ohren spüren die Artenschutzhunde während der Strandpatrouillen zielsicher Personen auf, die an den Niststränden nichts zu suchen haben. Zudem sind sie auf Schildkrötenfleisch trainiert. Ihnen entgehen keine auch noch so gut versteckten und getarnten Überreste getöteter Meeresschildkröten. Auf diese Weise entdeckten die Ranger einige ihnen vorher nicht bekannte Wilderei-Hotspots.

Überdies nehmen die Hunde die Fährten der Täter anhand von Geruchsproben auf: Denn oft genug hinterlassen Wilderer Stoffreste und Seile am Tatort.

Hundetrainer Marcel Maierhofer trainiert Artenschutzhunde

Der bekannte Hundetrainer Marcel Maierhofer von Mantrailing24 trainiert die Artenschutzhunde und ihre Führer intensiv in den Disziplinen Mantrailing und Zielobjektsuche. 2022 kam er viermal für jeweils etwa 10 Tage nach Boa Vista und vertiefte das Training der Hunde und Hundeführer.

Zukünftig sollen die Hunde auch die Polizei bei Gepäckkontrollen unterstützen. Denn es gibt einige Indizien, dass Schildkrötenfleisch außer Landes geschmuggelt wird, um es auf anderen Inseln der Kapverden zu verkaufen.

Mit der „Skorpion-Strategie“ den Tätern auf der Spur

Rechtzeitig vor Beginn der Nistsaison 2022 entwickelte das Team der Turtle Foundation dann die „Skorpion-Strategie“. Das ist eine besondere Einsatzstrategie. Sie beinhaltet die Überwachung eines längeren Strandabschnittes durch endständig postierte Teammitglieder mit Nachtsichtferngläsern. In der Mitte des Strandabschnittes lauern versteckt positioniert die Drohnen- und Bodenteams. Entdecken die Nachtsichtfernglas-Posten oder das Drohnenteam Wilderer, leiten sie das Bodenteam mit den Artenschutzhunden per Funk zum Tatort. Um Täter festzunehmen, müssen die Ranger von zwei Polizisten begleitet werden.

Die Ranger des Meeresschildkröten Schutzprojekts auf Boa Vista mit drei Artenschutzhunden und einer Nachtsichtdrohne.

Die „Skorpion-Strategie“ erfordert viel Training, eine perfekte Kommunikation und das vertrauensvolle Zusammenspiel aller Teammitglieder.

Erfolgreiche Anti-Wilderer-Einsätze auf Boa Vista

Während der Nistsaison 2022 führte das Hunde- und Drohnenteam 96 Einsätze durch, vornehmlich an den besonders gefährdeten Niststränden. Da zu Beginn der Nistsaison nur wenige Schildkröten an die Strände kamen, begannen die Anti-Wilderer-Einsätze am 1. Juli und dauerten bis zum 28. Oktober. In diesen vier Monaten fanden pro Monat durchschnittlich 24 Einsätze statt.

Nur ein nachgewiesener Wildereifall dank der „Skorpion-Strategie“

Die „Skorpion-Strategie“ hatte nicht zuletzt dank der drei Artenschutzhunde in der Nistsaison 2022 einen durchschlagenden Erfolg. An den Stränden der Turtle Foundation wurden 4.718 Nester gezählt. Auf ganz Boa Vista gab es ca. 33.000 Nester. An den vom Rangerteam der Turtle Foundation überwachten Stränden kam es nur zu einem nachgewiesenen Fall von Wilderei.

Artenschutzhund Kelo beim Training an einem Strand auf Boa Vista
Kelo beim Training
Artenschutzhund Karetta beim Training an einem Strand auf Boa Vista
Karetta trainiert bei Sonnenuntergang
Artenschutzhund Zedda beim Training an einem Strand auf Boa Vista
Zedda hat eine Spur aufgenommen
Artenschutzhund Kelo in Aktion auf Boa Vista
Kelo in Aktion
Demonstration der Taskforce mit Artenschutzhund Kelo in Vila Cabra
Demonstration der Taskforce mit Artenschutzhund Kelo in Vila Cabra
Lagebesprechung der Ranger auf Boa Vista
Lagebesprechung der Ranger auf Boa Vista
Nächtliche Strandpatrouille auf Boa Vista
Nächtliche Strandpatrouille auf Boa Vista
Ranger mit neuem Equipment und Hundetrainer Marcel Maierhofer
Die Task Force mit Artenschutzhunden, neuem Equipment und Hundetrainer Marcel Maierhofer
Artenschutzhund Kelo wird für Gepäckkontrollen auf Schildkrötenfleisch trainiert
Artenschutzhund Kelo wird für Gepäckkontrollen auf Schildkrötenfleisch trainiert
Artenschutzhunde Kelo und Karetta
Artenschutzhunde Kelo (links) und Karetta
Neuling Karetta wird darauf trainiert, tote Meeresschildkröten aufzuspüren
Neuling Karetta wird darauf trainiert, tote Schildkröten aufzuspüren
Schlüpflinge der Unechten Karettschildkröte auf dem Weg ins Meer auf Boa Vista
Schlüpflinge der Unechten Karettschildkröte auf dem Weg ins Meer auf Boa Vista

Insgesamt ging die Wilderei auf Schildkröten auf Boa Vista 2022 stark zurück. Lediglich zehn nachgewiesene Fälle sind bekannt. Für den deutlichen Rückgang der Wilderei spielen verschiedene Aspekte eine Rolle. Neben einem verschärften Strafmaß für Wilderei sicherlich auch die Ausweitung der Community-Projekte des Teams der Turtle Foundation.

Entscheidend jedoch ist – das zeigen die Aussagen ehemaliger Wilderer – ein deutlich gestiegenes Risiko, von den Hunde- und Drohnenteams erwischt zu werden. Die „Skorpion-Strategie“ schreckt potenzielle Täter regelmäßig davon ab, es überhaupt erst zu versuchen.

Aufklärung

Begleitet werden die Schutzmaßnahmen durch Aktivitäten in den Bereichen Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit. Damit verstärkt man die Akzeptanz in der Bevölkerung für Meeresschildkröten-Schutzmaßnahmen.

Welche Meeresschildkrötenarten gibt es bei den Kapverden?

Neben der Unechten Karettschildkröte kommen vier weitere Arten in die kapverdischen Gewässer: die stark gefährdete Grüne Meeresschildkröte (Chelonia mydas), die in manchen Regionen vom Aussterben bedrohte Lederschildkröte (Dermochelys coriacea), die gefährdete Oliv-Bastardschildkröte (Lepidochelys olivacea) sowie die vom Aussterben bedrohte Echte Karettschildkröte (Eretmochelys imbricata).

Doch nur Unechte Karettschildkröten nisten regelmäßig auf den Inseln. Die Art gilt nach der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN als gefährdet, die Population im Nordostatlantik als stark gefährdet. Die Nistpopulation auf den Kapverden gehört zu den elf am stärksten bedrohten Meeresschildkröten-Populationen der Welt.

Was sind Artenschutzhunde?

Mit ihren rund 200 Millionen und mehr Geruchsrezeptoren (zum Vergleich: der Mensch besitzt rund sechs Millionen) sind die Vierbeiner gefragte Mitarbeiter in etlichen Bereichen des Natur- und Artenschutzes. Am bekanntesten dürften Zollhunde sein, die in den Koffern von Reisenden illegal eingeführte geschützte Arten, wie Korallen oder Seepferdchen, ausfindig machen. Trainierte Suchhunde entdecken auch bestimmte Pflanzen- oder Tierarten und sogar Losung im Wasser! So etwa die Mischlingshündin Eba, die ihr Team des Center for Conservation Biology im US-Bundesstaat Washington im Rahmen von Orca-Schutzmaßnahmen beim Auffinden von Schwertwalkot im Meer unterstützt.

Hunde-Team mit den drei Artenschutzhunden und Hundetrainer Marcel Maierhofer auf Boa Vista.

Die Ausbildung der Hundeführer und Artenschutzhunde auf Boa Vista übernimmt der auf Mantrailing spezialisierte deutsche Hundetrainer Marcel Maierhofer und sein Team von Mantrailing24. Marcel ist internationaler Ausbilder für Personenspürhunde und als strategischer Einsatzberater, Instruktor und Prüfer der NBAS (Schweiz) tätig.

UN-Nachhaltigkeitsziele des Projekts

Nach Informationen der Turtle Foundation
Alle Fotos: © Turtle Foundation

Update: erweiterter und überarbeiteter Beitrag. Mit neuem Datum wieder veröffentlicht.

Meeresschildkröten in Not

Kleine Grüne Meeresschildkröte auf dem Weg ins Meer.

Helfen Sie mit, Meeresschildkröten zu retten!

Meeresschildkröten-Schutzprojekt auf Sipora

8 Minuten

Seit September 2019 unterstützen wir ein Meeresschildkröten-Schutzprojekt der Turtle Foundation, mit dem Fokus auf Lederschildkröten (Dermochelys coriacea). Es befindet sich auf der kleinen, vor Westsumatra im Mentawai-Archipel liegenden Insel Sipora. Eher zufällig entdeckten Mitarbeiter der Turtle Foundation hier im Herbst 2017 einen bis dahin völlig unbekannten Nistplatz, den Strand von Buggeisiata.

Innerhalb weniger Jahre gelang es mit dem Meeresschildkröten-Schutzprojekt Sipora, eine Insel, die für die Fortpflanzung von drei Meeresschildkrötenarten fast vollständig verloren war, in eine hundertprozentige Nisterfolgs-Insel zu verwandeln.

1.595
Grüne Meeresschildkröten

6.843
Lederschildkröten

1.639
Oliv-Bastardschildkröten

Bedrohte Lederschildkröten-Subpopulation

Man weiß nur wenig über die lokale Lederschildkröten-Population. Wahrscheinlich nisten auf Sipora Tiere aus der regionalen Subpopulation des nordöstlichen Indischen Ozeans. Deren Hauptnistgebiete sind die Andamanen und Nikobaren. Der Bestand der Subpopulation ist mit vielleicht noch 1.000 Exemplaren kritisch.

Situation zu Beginn des Meeresschildkröten-Schutzprojekts

Wie es so oft der Fall ist, hatten Meeresschildkröten auf der abgelegenen Insel Sipora kaum eine Chance. Denn fast alle Eier wurden von der einheimischen Bevölkerung konsumiert, Weibchen während oder nach der Eiablage getötet. Unmittelbare Hilfe war also dringend notwendig. Deshalb initiierte die Turtle Foundation in Zusammenarbeit mit der örtlichen Naturschutzbehörde in Padang (BPSPL) unverzüglich ein Meeresschildkröten-Schutzprojekt. Ganz wichtig dabei: die Integration der Inselbevölkerung.

Aufzuchtstation und Strandschutz zeigen Wirkung

Seit der ersten Nistsaison 2017/2018 schlüpften aus bewachten oder in die Hatchery (Freiland-Aufzuchtstation) des Projekts umgebetteten Nestern 6.843 kleine Lederschildkröten. Dann krabbelten sie auf dem schnellsten Weg ins Meer, ihren neuen Lebensraum. Nur wenige von ihnen werden es bis ins Erwachsenenalter schaffen. Doch jedes erfolgreiche Nest ist entscheidend für den Fortbestand der gefährdeten Lederschildkröten-Subpopulation im nordöstlichen Indischen Ozean.

© Turtle Foundation

Meeresschildkröten-Schutzprojekt Sipora: Nistsaison 2021/2022 (Lederschildkröten)

Während der Nistsaison von Oktober 2021 bis März 2022 brachten die Ranger des Projekts 30 Lederschildkröten-Nester (2.883 Eier) vom Strand von Buggeisiata in die Aufzuchstsation (Hatchery). Dort sind sie in Sicherheit, auch vor natürlichen Fressfeinden wie Krabben oder Bindenwaranen (Varanus salvator). Von den ca. 80 Eiern pro Nest sind meist drei Viertel fruchtbar. Lederschildkrötenweibchen legen zusätzlich immer eine größere Anzahl unbefruchteter Eier.

Meeresschildkröten-Schutzprojekt Sipora: Lederschildkröte am Strand von Sipora mit zwei Rangern
Lederschildkröte am Strand von Sipora mit zwei Rangern
Meeresschildkröten-Schutzprojekt Sipora: Hatchery/Aufzuchtstation für Meeresschildkröten-Nester
Hatchery (Freiland-Aufzuchtstation) auf Sipora
Meeresschildkröten-Schutzprojekt Sipora: Nistling Grüne Meeresschildkröte beim Schlupf
Grüne Meeresschildkröte beim Schlupf
Meeresschildkröten-Schutzprojekt Sipora: Ein Nistling wird vermessen, Sipora-Projekt, Indonesien
Ein Nistling wird vermessen
Meeresschildkröten-Schutzprojekt Sipora: Ein Nistling wird gewogen, Sipora-Projekt, Indonesien
Nistling wird gewogen
Lederschildkröten-Schlüpflinge auf dem Weg ins Meer, Nistsaison 2021/2022
Ab ins Meer!

Auf der abgelegenen Insel Selaut Besar begann die Erfassung von Lederschildkröten-Nestern Anfang 2021. Hier konnte man jetzt 18 Nester lokalisieren. Die Nistsaison Oktober 2021 bis März 2022 war die erste, in der Nistdaten von Sipora und Selaut Besar erhoben wurden.

Meeresschildkröten-Schutzprojekt Sipora: Nistsaison 2020/2021 (Lederschildkröten)

Die riesigen Reptilien fallen nicht nur mit ihrer Größe, sondern auch bei der Standorttreue aus dem Rahmen. Denn sie wechseln immer mal wieder ihre Niststrände. Wohl aus diesem Grund schaffte es kein einziges Lederschildkrötenweibchen während der Nistsaison 2019/2020 auf die Insel. Daher war die Freude groß, als in der Nistsaison 2020/2021 neun der an Land mit ihren gut 700 kg Körpergewicht schwerfälligen Meeresreptilien die Brandung durchbrachen, an den Strand robbten und Nester gruben. Aus den 713 in die Hatchery umgebetteten Eiern schlüpften schließlich 470 Schildkrötenbabys. Das entspricht einem durchschnittlichen Nisterfolg von 66 % pro Nest.

Meeresschildkröten-Schutzprojekt Sipora: Grüne Meeresschildkröten und Oliv-Bastardschildkröten

Da auch Grüne Meeresschildkröten (Chelonia mydas) und Oliv-Bastardschildkröten (Lepidochelys olivacea) zur Eiablage nach Sipora kommen, nisten hier drei der existierenden sieben Meeresschildkrötenarten in unterschiedlicher Zahl. Auch deren Nester werden in die bewachte Hatchery verbracht. Den Rest erledigt dann die Sonne.

In der Nistsaison 2020/2021 betteten die Ranger 7 Nester von Grünen Meeresschildkröten (650 Eier) und 4 Nester (354 Eier) von Oliv-Bastardschildkröten in die Aufzuchtstation um. Seit Projektbeginn schlüpften somit etwa 1.595 Grüne Meeresschildkröten und 1.639 Oliv-Bastardschildkröten.

Meeresschildkröten in Not

Kleine Grüne Meeresschildkröte auf dem Weg ins Meer.

Helfen Sie mit, Meeresschildkröten zu retten!


Ranger des Meeresschildkröten-Schutzprojekts

Zu den Aufgaben der acht einheimischen Ranger gehört nicht nur das Umbetten der Nester, sondern auch die Erfassung von Nistdaten und Nisterfolg der Hatchery.

Die Ranger des Meeresschildkröten Schutzprojekts auf Sipora
Das Rangerteam gemeinsam mit Ausbilder Meriussoni Zai (ganz links). Der Einsatz lokaler Ranger ist Teil des gemeindebasierten Ansatzes der Projektarbeit. Meriussoni Zai arbeitet seit 2016 für die Partnerorganisation des Projekts, Yayasan Penyu Indonesia. Er hat einen Master in mariner Raumplanung.

Zusätzlich patrouillieren die Ranger Strände, reinigen diese von Treibholz und Plastikmüll. Dadurch wird es für die Meeresschildkrötenweibchen einfacher, den beschwerlichen Weg zu einer geeigneten Niststelle zu bewältigen.

Angetriener Müll wird zum Hinderniss für diese Grüne Meeresschildkröte
Angetriebener Meeresmüll wird zum Hindernis für diese Grüne Meeresschildkröte. © Turtle Foundation

Tagging mit Clips und Passive Integrated Responder

Metallclip zur Markierung von Meeresschildkröten

Während des Nistvorgangs angetroffene Tiere markieren die Ranger mit einem leicht anzubringenden Metallclip an den hinteren Flossenfüßen. Die Clips tragen eine Seriennummer (IDL steht z. B. für „Indonesian Leatherback“) auf der einen und eine Telefonnummer des indonesischen Meeresministeriums auf der anderen Seite. Registriert sind die Seriennummern im Archie Carr Center for Sea Turtle Research (ACCSTR).

Lederschildkrötenweibchen erhalten außerdem noch einen PIT-Tag (Passive Integrated Responder). Der etwa reiskorngroße Chip wird im Bereich der Schulter unter die Haut injiziert. Mithilfe entsprechender Scanner kann dann später die Seriennummer des PIT-Tags ausgelesen werden. Zum Abschluss der Nistsaison 2021/2022 hatten die Ranger 12 Lederschildkrötenweibchen mit PIT-Tags markiert.

Die ersten Ergebnisse sind bereits aufschlussreich. Acht dieser Tiere tauchten bis zu fünfmal in der gleichen Nistsaison am Buggeisiata-Strand auf. Eine am 6.11.2020 markierte Oliv-Bastardschildkröte kam nach 9 Tagen erneut nach Sipora, um ein zweites Mal zu nisten. Eine am 20.01.2021 markierte Lederschildkröte kehrte nach 12 Tagen zur erneuten Eiablage zurück.

Meeresschildkröten Schutzprojekt Sipora: Lederschildkrötenweibchen nach der Eiablage auf dem Weg ins Meer.

Eine Lederschildkröte kehrt nach der Eiablage zurück ins Meer

Eastern Indian Ocean Leatherback Alliance (EIOLA)

Im Januar 2020 gründete die Turtle Foundation gemeinsam mit ihren Partnerorganisationen Ecosystem Impact aus Indonesien und Dakhsin Foundation aus Indien das EIOLA-Netzwerk. Damit können nun Wissen und Daten über den Zustand der Subpopulation des nordöstlichen Indischen Ozeans zusammengeführt werden. Ziel sind verbesserte Schutzmaßnahmen.

Dabei konzentriert sich die Dakhsin Foundation auf die Lederschildkröten der Andamanen und Nikobaren. Die Turtle Foundation und Ecosystem Impact wiederum auf Lederschildkröten-Schutzprojekte in der Provinz Aceh und im Norden von Sumatra. Das Sipora-Projekt ist Teil des EIOLA-Netzwerks. Spannend ist dabei u. a. die Frage, ob auf Sipora markierte Lederschildkrötenweibchen auch auf anderen Inseln angetroffen werden.

Entwicklungszusammenarbeit und Umweltbildung

Matuptuman auf der Insel Sipora

Der Niststrand von Sipora liegt nicht in einem Schutzgebiet. Er gehört zu dem kleinen Dorf Matuptuman.

In Matuptuman leben etwa 345 Familien. Ihr durchschnittliches Monatseinkommen liegt bei etwa 90 €. Es wird vornehmlich mit dem Anbau von Muskatnüssen, Gewürznelken und Kokosnüssen – früher auch durch den Verkauf von Eiern aus geplünderten Meeresschildkrötennestern – erwirtschaftet. Für ihre eigene Ernährung bauen die Dorfbewohner Gemüse und Reis an, gehen auf Fischfang und zur Jagd.

Arbeitsplätze, Bildungsmaßnahmen und Infrastrukturmaßnahmen

Im engen Austausch mit den Bewohnern von Matuptuma und in ihrer direkten Integration liegt der Schlüssel zum Erfolg dieses Meeresschildkröten-Schutzprojekts.

Meeresschildkröten-Ranger Mayunus mit Familie, Sipora, Indonesien
Ranger Mayunus mit Familie
Meeresschildkröten-Ranger Anuar mit Familie, Sipora, Indonesien
Ranger Anuar mit Familie
Meeresschildkröten-Ranger mit Familie, Sipora, Indonesien
Sipora-Ranger mit Familie

Zu den bislang umgesetzten und noch geplanten Dorfentwicklungsmaßnahmen gehören:

  • Acht Dorfbewohner erhalten bezahlte Stellen als Ranger nach vorheriger Ausbildung
  • Anmietung eines Hauses als dauerhaft besetztes Projekthauptquartier
  • Einrichtung eines kommunalen Gemüsegartens und Anpflanzung von Medizinalpflanzen (in Planung)
  • Erstellung einer Broschüre über den Schutz von Meeresschildkröten als Lehrmittel für Kinder
  • Bau eines traditionellen Versammlungshauses (in Planung) parurukat laggai
  • Unterstützung bei der Renovierung der Dorfkirche
  • Renovierung des maroden Schulgebäudes. 41 Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren werden hier von fünf Lehrkräften unterrichtet. Wegen des undichten Dachs und häufiger Regenfälle gab es früher zahlreiche Unterrichtsausfälle. Fenster und Türen waren defekt, die Böden teilweise aus gestampfter Erde, die Toiletten unbenutzbar. Erfreulicherweise finanzierte die deutsche Botschaft in Jakarta die Renovierung mit 16.000 €.

Renovierung des Schulgebäudes

Die Renovierungsarbeiten wurden von Dorfbewohnern ausgeführt. Nach der landestypischen partizipativen Methode wählte ein Ausschuss die Arbeiter aus. Bei der Auswahl spielte neben den beruflichen Fähigkeiten auch die wirtschaftliche Situation der Bewerber eine Rolle. Bevorzugt wurden Personen, deren Familien besonders unter den wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie gelitten hatten.

Desolater Schulraum der alten Schule auf Sipora.
Einer der maroden Schulräume
Die Schule wird neu eingedeckt
Die Schule wird neu eingedeckt
Kinder vor ihrem frisch renovierten Schulgebäude, Insel Sipora, Indonesien
Kinder vor ihrem frisch renovierten Schulgebäude
Wandmalereien mit Meeresschildkröten an der renovierten Schule auf Sipora, Indonesien
Wandmalereien mit Meeresschildkröten an der renovierten Schule
Kinder lernen Schildkrötenschutz als Unterrichtseinheit auf Sipora.
Kinder lernen Schildkrötenschutz als Unterrichtseinheit

Akzeptanz der Bevölkerung ist entscheidend

Sehr erfreulich ist, wie schnell das Meeresschildkröten-Schutzprojekt auf Sipora zum Anliegen der einheimischen Bevölkerung wurde. Seit Beginn der Projektarbeit starb hier kein einziges Lederschildkrötenweibchen mehr. Gleichzeitig sank die Zahl geplünderter Nester von 26 in der ersten Nistsaison auf zwei in der Nistsaison 2018/2019 und liegt seitdem bei null.

Meeresschildkröten Schutzprojekt Sipora: Tote Lederschildkröte am Strand.

Quellen: Projektberichte Turtle Foundation, 2019 – 2022
Fotos: © Turtle Foundation

UN-Nachhaltigkeitsziele des Projekts

Update: erweiterter und überarbeiteter Beitrag. Mit neuem Datum wieder veröffentlicht.


Arten-Informationen