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Seit September 2022 fördern wir Ausbildung und Einsatz von drei Artenschutzhunden zur Wildereibekämpfung des Turtle Foundation Projekts zum Schutz von Unechten Karettschildkröten auf der Kapverdeninsel Boa Vista. Mit dem Einsatz der speziell ausgebildeten Artenschutzhunde konnten Wildereifälle erfolgreich auf ein niedriges Niveau gesenkt und auch abgelegene Strände im Osten Boa Vistas besser geschützt werden. Entscheidend dabei ist ein ausgeklügeltes Zusammenspiel von Hunde- und Drohnenteams.

- Bedeutende Niststätte für Unechte Karettschildkröten
- Kampf gegen Schildkröten-Wilderei auf Boa Vista
- Feldstationen auf Boa Vista
- Artenschutzhunde ergänzen Luftüberwachung des Drohnenteams
- Was machen Artenschutzhunde auf Boa Vista?
- Erfolgreiche Anti-Wilderer-Einsätze auf Boa Vista
- Aufklärung
- Welche Meeresschildkrötenarten gibt es bei den Kapverden?
- Was sind Artenschutzhunde?
Bedeutende Niststätte für Unechte Karettschildkröten

Die Kapverden im Atlantik sind nach Oman und Florida die weltweit drittgrößte Niststätte für Unechte Karettschildkröten (Caretta caretta). Jedes Jahr zwischen Juni und Oktober kommen die Weibchen nachts an die Strände der Inseln, um Nester zu graben und ihre Eier abzulegen.
Seit 1987 stehen Meeresschildkröten auf den Kapverden unter Schutz. Dennoch ging die seitdem als Wilderei geltende Jagd zu Anfangs nur unwesentlich zurück. Die „Nutzung“ der Meeresreptilien zur Nahrungsversorgung war tief in der ländlichen Bevölkerung verwurzelt.
Kampf gegen Schildkröten-Wilderei auf Boa Vista
Etwa zwei Drittel der auf Kap Verde nistenden Unechten Karettschildkröten kommen zur Eiablage auf die Insel Boa Vista. Allein 2007 starben an den Stränden der Insel etwa 1.200 Weibchen. Die meisten von ihnen, bevor sie ihre Eier legen konnten. Daher rief die Turtle Foundation 2008 ein umfassendes Projekt zum Schutz dieses bedeutenden Nistplatzes ins Leben.

Feldstationen auf Boa Vista
Zu Beginn einer jeden Nistsaison errichtet das Turtle-Foundation-Team jedes Jahr an strategisch günstigen Stellen fünf Feldstationen. Über die gesamte Nistzeit sind dort von Juni bis Oktober Ranger und Volontäre untergebracht. Sie patrouillieren und schützen derzeit 30 Kilometer der insgesamt rund 65 km umfassenden Niststrände.
Mithilfe der konventionellen Strandpatrouillen ging die Wilderei seit 2008 erheblich zurück. Flankiert wird dies mit intensiven Begleitprogrammen vorwiegend in den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit, Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit. Damit fördert das Projekt die Nachhaltigkeit der direkten Schutzmaßnahmen.
Zunahme der Wilderei trotz Strandpatrouillen

Doch seit 2015 rüsten die Wilderer auf, werden aggressiver. Dank besserem Equipment und anderen „Strategien“ konnten sie immer wieder den Rangerpatrouillen ausweichen und viele Schildkröten töten. Denn es locken finanzielle Anreize.
Mittlerweile gilt Schildkrötenfleisch als teure Delikatesse. Dies führte dazu, dass bis 2017 in einigen Gebieten fast 5 % aller nistenden Weibchen getötet wurden.
Artenschutzhunde ergänzen Luftüberwachung des Drohnenteams
Um diese negative Entwicklung in den Griff zu bekommen, erweiterte die Turtle Foundation in enger Zusammenarbeit mit der lokalen Naturschutzbehörde und der Polizei massiv die Maßnahmen zur Wildereibekämpfung. Zum Einsatz kommen jetzt moderne Nachtsichttechnik, Funkgeräte, Drohnen, Ferngläser mit Wärmebildtechnik.

Doch mit viel Technik allein ist dem Wildererunwesen nicht beizukommen. Deshalb setzt man seit 2022 auch auf die Spürnasen speziell ausgebildeter Artenschutzhunde. Zur besseren Abschreckung von Wilderern arbeitet das Rangerteam dabei mit genau aufeinander abgestimmten Einsatzkonzepten und -strategien.
Da die Schildkröten nachts an die Strände kommen, um ihre Nester zu graben, finden auch die Patrouillen nachts statt, und zwar täglich an zufällig ausgewählten Stränden. Schwerpunktmäßig sind dies Strände mit hohem Wilderei-Risiko im Norden und Osten der Insel. Häufig begleiten Polizeibeamte die Ranger.
Was machen Artenschutzhunde auf Boa Vista?

Momentan schnüffeln auf Boa Vista drei speziell ausgebildete Artenschutzhunde zum Schutz der Meeresreptilien: Karetta, Zedda und der Labrador Kelo. Letzterer wurde in der Slowakei geboren und in der Schweiz ausgebildet. Karetta und Zedda stammen dagegen beide von Boa Vista. Mit den Spürnasen eröffneten sich neue Dimensionen in der Wildereibekämpfung.
Mit ihren feinen Nasen und Ohren spüren die Artenschutzhunde während der Strandpatrouillen zielsicher Personen auf, die an den Niststränden nichts zu suchen haben. Zudem sind sie auf Schildkrötenfleisch trainiert. Ihnen entgehen keine auch noch so gut versteckten und getarnten Überreste getöteter Meeresschildkröten. Auf diese Weise entdeckten die Ranger einige ihnen vorher nicht bekannte Wilderei-Hotspots.
Überdies nehmen die Hunde die Fährten der Täter anhand von Geruchsproben auf: Denn oft genug hinterlassen Wilderer Stoffreste und Seile am Tatort.
Hundetrainer Marcel Maierhofer trainiert Artenschutzhunde
Der bekannte Hundetrainer Marcel Maierhofer von Mantrailing24 trainiert die Artenschutzhunde und ihre Führer intensiv in den Disziplinen Mantrailing und Zielobjektsuche. 2022 kam er viermal für jeweils etwa 10 Tage nach Boa Vista und vertiefte das Training der Hunde und Hundeführer.
Zukünftig sollen die Hunde auch die Polizei bei Gepäckkontrollen unterstützen. Denn es gibt einige Indizien, dass Schildkrötenfleisch außer Landes geschmuggelt wird, um es auf anderen Inseln der Kapverden zu verkaufen.
Mit der „Skorpion-Strategie“ den Tätern auf der Spur
Rechtzeitig vor Beginn der Nistsaison 2022 entwickelte das Team der Turtle Foundation dann die „Skorpion-Strategie“. Das ist eine besondere Einsatzstrategie. Sie beinhaltet die Überwachung eines längeren Strandabschnittes durch endständig postierte Teammitglieder mit Nachtsichtferngläsern. In der Mitte des Strandabschnittes lauern versteckt positioniert die Drohnen- und Bodenteams. Entdecken die Nachtsichtfernglas-Posten oder das Drohnenteam Wilderer, leiten sie das Bodenteam mit den Artenschutzhunden per Funk zum Tatort. Um Täter festzunehmen, müssen die Ranger von zwei Polizisten begleitet werden.

Die „Skorpion-Strategie“ erfordert viel Training, eine perfekte Kommunikation und das vertrauensvolle Zusammenspiel aller Teammitglieder.
Erfolgreiche Anti-Wilderer-Einsätze auf Boa Vista
Während der Nistsaison 2022 führte das Hunde- und Drohnenteam 96 Einsätze durch, vornehmlich an den besonders gefährdeten Niststränden. Da zu Beginn der Nistsaison nur wenige Schildkröten an die Strände kamen, begannen die Anti-Wilderer-Einsätze am 1. Juli und dauerten bis zum 28. Oktober. In diesen vier Monaten fanden pro Monat durchschnittlich 24 Einsätze statt.
Nur ein nachgewiesener Wildereifall dank der „Skorpion-Strategie“
Die „Skorpion-Strategie“ hatte nicht zuletzt dank der drei Artenschutzhunde in der Nistsaison 2022 einen durchschlagenden Erfolg. An den Stränden der Turtle Foundation wurden 4.718 Nester gezählt. Auf ganz Boa Vista gab es ca. 33.000 Nester. An den vom Rangerteam der Turtle Foundation überwachten Stränden kam es nur zu einem nachgewiesenen Fall von Wilderei.
Insgesamt ging die Wilderei auf Schildkröten auf Boa Vista 2022 stark zurück. Lediglich zehn nachgewiesene Fälle sind bekannt. Für den deutlichen Rückgang der Wilderei spielen verschiedene Aspekte eine Rolle. Neben einem verschärften Strafmaß für Wilderei sicherlich auch die Ausweitung der Community-Projekte des Teams der Turtle Foundation.
Entscheidend jedoch ist – das zeigen die Aussagen ehemaliger Wilderer – ein deutlich gestiegenes Risiko, von den Hunde- und Drohnenteams erwischt zu werden. Die „Skorpion-Strategie“ schreckt potenzielle Täter regelmäßig davon ab, es überhaupt erst zu versuchen.
Aufklärung
Begleitet werden die Schutzmaßnahmen durch Aktivitäten in den Bereichen Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit. Damit verstärkt man die Akzeptanz in der Bevölkerung für Meeresschildkröten-Schutzmaßnahmen.
Welche Meeresschildkrötenarten gibt es bei den Kapverden?
Neben der Unechten Karettschildkröte kommen vier weitere Arten in die kapverdischen Gewässer: die stark gefährdete Grüne Meeresschildkröte (Chelonia mydas), die in manchen Regionen vom Aussterben bedrohte Lederschildkröte (Dermochelys coriacea), die gefährdete Oliv-Bastardschildkröte (Lepidochelys olivacea) sowie die vom Aussterben bedrohte Echte Karettschildkröte (Eretmochelys imbricata).
Doch nur Unechte Karettschildkröten nisten regelmäßig auf den Inseln. Die Art gilt nach der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN als gefährdet, die Population im Nordostatlantik als stark gefährdet. Die Nistpopulation auf den Kapverden gehört zu den elf am stärksten bedrohten Meeresschildkröten-Populationen der Welt.
Was sind Artenschutzhunde?
Mit ihren rund 200 Millionen und mehr Geruchsrezeptoren (zum Vergleich: der Mensch besitzt rund sechs Millionen) sind die Vierbeiner gefragte Mitarbeiter in etlichen Bereichen des Natur- und Artenschutzes. Am bekanntesten dürften Zollhunde sein, die in den Koffern von Reisenden illegal eingeführte geschützte Arten, wie Korallen oder Seepferdchen, ausfindig machen. Trainierte Suchhunde entdecken auch bestimmte Pflanzen- oder Tierarten und sogar Losung im Wasser! So etwa die Mischlingshündin Eba, die ihr Team des Center for Conservation Biology im US-Bundesstaat Washington im Rahmen von Orca-Schutzmaßnahmen beim Auffinden von Schwertwalkot im Meer unterstützt.

Die Ausbildung der Hundeführer und Artenschutzhunde auf Boa Vista übernimmt der auf Mantrailing spezialisierte deutsche Hundetrainer Marcel Maierhofer und sein Team von Mantrailing24. Marcel ist internationaler Ausbilder für Personenspürhunde und als strategischer Einsatzberater, Instruktor und Prüfer der NBAS (Schweiz) tätig.
UN-Nachhaltigkeitsziele des Projekts
Nach Informationen der Turtle Foundation
Alle Fotos: © Turtle Foundation
Update: erweiterter und überarbeiteter Beitrag. Mit neuem Datum wieder veröffentlicht.
Meeresschildkröten in Not

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