Seit September 2022 fördern wir ein Projekt der Turtle Foundation zum Schutz von Schildkröten auf der zu den Kapverden gehörenden Insel Boa Vista. Das Besondere daran: Bei der Wildereibekämpfung kommen einheimische Ranger, Volontäre, Nachtsichtdrohnen, Nachtsichtgeräte, Ferngläser mit Wärmebildtechnik und speziell ausgebildete Artenschutzhunde zum Einsatz. Mit diesem innovativen Ansatz im Wildtierschutz gelang es, das Wildererunwesen stark zurückzudrängen. Entscheidend dabei ist das ausgeklügelte Zusammenspiel von Rangern, Volontären mit den Hunde- und Drohnenteams und lokalen Polizeikräften.

Die Kapverdischen Inseln im Atlantik sind nach Oman und Florida der drittgrößte Nistplatz für Unechte Karettschildkröten (Caretta caretta). An den Stränden von Boa Vista graben jährlich zwischen 5.000 und 30.000 weibliche Schildkröten ihre Nester zur Eiablage.
Auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN ist die Art als gefährdet eingestuft. Die Kapverden-Nistpopulation des Nordatlantiks zählt zu den elf am stärksten bedrohten Meeresschildkröten-Populationen und gilt als stark gefährdet.
Projektbilanz 2024
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Seit Projektbeginn sank die Schildkröten-Wilderei auf weniger als 0,2 % der jährlichen Nistpopulation.
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Bei Patrouillen erfassten Ranger und Volontäre 19.188 Nester auf den vom Projekt kontrollierten Stränden. Diese stammen von rund 4.000 Weibchen (Weibchen der Unechte Karettschildkröte kommen bis zu fünfmal im Jahr zur Eiablage an Land). Das sind fast 2.000 Schildkröten mehr als im Vorjahr. Die Ursachen für die starken Schwankungen auf Boa Vista sind ungeklärt.
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Bei einem durchschnittlichen Schlupferfolg pro Nest (geschlüpftes Tier schafft es bis ins Meer) von etwa 60 % und auf Boa Vista durchschnittlich 80 Eiern pro Nest, dürften in der Nistsaison 2024 über 900.000 Schlüpflinge bis ins Meer gekrabbelt sein.
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Zusätzlich wurden 378 Nester in die Hatchery (Aufzuchtstation) des Projekts umgebettet. Dies geschieht immer dann, wenn Nester zu nah an der Uferlinie liegen oder durch Überschwemmung gefährdet sind. Auch Nester, die sich direkt vor dem am Strand Lacacao gebauten Hotel Riu Touareg, im Süden Boa Vistas, befinden, gelten als stark gefährdet. Aufgrund der beträchtlichen Lichtverschmutzung durch das Hotel würden alle Jungtiere nach dem Schlupf in die falsche Richtung krabbeln und sterben. Nach Möglichkeit soll der natürliche Nistprozess allerdings ungestört bleiben.
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Aus den in der Hatchery ausgebrüteten Nestern schlüpften 23.093 kleine Schildkröten. Alle erreichten gesichert das Meer.
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Dank der kontinuierlichen Patrouillen gelang es, 64 in Not geratene Schildkröten zu retten. Die Tiere steckten entweder in Felsspalten oder anderen Hindernissen fest oder hatten in den unübersichtlichen Dünen die Orientierung verloren. Meist sind diese Weibchen für den Arterhalt verloren, da sie ohne schnelle Hilfe an Austrocknung oder Überhitzung sterben.
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Sechs Schildkröten fielen während der Nistsaison 2024 Wilderern zum Opfer.

Besonders kritische Strände werden täglich kontrolliert.
Boa Vista ist eine bedeutende Niststätte für Schildkröten
Etwa zwei Drittel der auf den Kapverden nistenden Unechten Karettschildkröten zieht es auf die Insel Boa Vista. Jedes Jahr zwischen Juni und Oktober kommen die Weibchen in großer Zahl nachts an die Strände, um Nester zu graben und ihre Eier abzulegen.

Seit 1987 stehen Meeresschildkröten auf den Kapverden unter Schutz. Dennoch ging die seitdem als Wilderei geltende Jagd dadurch nur unwesentlich zurück. Die Nutzung der Meeresreptilien zur Nahrungsversorgung war tief in der ländlichen Bevölkerung verwurzelt.
Allein 2007 starben an den Stränden von Boa Vista etwa 1.200 Weibchen. Die meisten von ihnen, bevor sie ihre Eier legen konnten. Daher rief die Turtle Foundation 2008 ein umfassendes Projekt zum Schutz dieses bedeutenden Nistplatzes ins Leben.
Bekämpfung der Wilderei
Zu Beginn jeder Nistsaison errichtet das Turtle-Foundation-Team an strategisch günstigen Stellen fünf Feldstationen. Über die gesamte Nistzeit sind dort von Juni bis Oktober Ranger und Volontäre untergebracht. Sie patrouillieren rund 30 Kilometer der insgesamt 65 km umfassenden Niststrände.
Strandpatrouillen

Mithilfe der konventionellen Strandpatrouillen von Rangern und Volontären ging die Wilderei von nistenden Schildkrötenweibchen von 2008 bis 2014 deutlich zurück.
Als flankierende Maßnahmen findet ein intensives Begleitprogramm vorwiegend in den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit, Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit statt. Damit fördert das Projekt die Nachhaltigkeit der direkten Schutzmaßnahmen.
Drohnen und Nachtsichtgeräte
Trotzdem gab es seit 2015 wieder verstärkte Wilderei-Aktivitäten, diese wurden auch aggressiver. Denn es locken finanzielle Anreize. Dank verbesserter Ausrüstung und anderen „Strategien“ konnten die Wilderer den Ranger-Patrouillen immer wieder ausweichen. Es gelang ihnen, viele Schildkröten zu töten.
Mittlerweile gilt Schildkrötenfleisch auf den Kapverden als teure Delikatesse. Dies führte dazu, dass bis 2017 in einigen Gebieten fast 5 % aller nistenden Weibchen sterben mussten. Um dies in den Griff zu bekommen, wurden die Maßnahmen zur Wildereibekämpfung in enger Zusammenarbeit mit der lokalen Naturschutzbehörde und der Polizei erweitert. Zum Einsatz kommen jetzt moderne Nachtsichttechnik, Funkgeräte, Drohnen sowie Ferngläser mit Wärmebildtechnik.
Artenschutzhunde
Doch mit Technik allein kam man den Wilderern nicht vollständig bei. Deshalb setzt das Projekt seit 2022 zusätzlich auf die Spürnasen speziell ausgebildeter Artenschutzhunde. Damit eröffneten sich neue Dimensionen in der Wildereibekämpfung. Zur besseren Abschreckung arbeitet das Ranger-Team dabei mit aufeinander abgestimmten Einsatzkonzepten und -strategien.
Da die Schildkrötenweibchen stets nachts zur Eiablage an die Strände kommen, finden auch die Patrouillen nachts statt. Und das täglich an zufällig ausgewählten Stränden. Schwerpunktmäßig sind Strände mit hohem Wilderei-Risiko im Norden und Osten der Insel. Häufig begleiten Polizeibeamte die Ranger.

Mit ihren feinen Nasen und Ohren spüren die Artenschutzhunde während der Strandpatrouillen zielsicher Personen auf, die an den Niststränden nichts zu suchen haben. Zudem sind sie auf Schildkrötenfleisch trainiert. Ihnen entgehen keine auch noch so gut versteckten und getarnten Überreste getöteter Meeresschildkröten. Auf diese Weise entdeckten die Ranger einige ihnen vorher nicht bekannte Wilderei-Hotspots.
Überdies nehmen die Hunde die Fährten der Täter anhand von Geruchsproben auf, denn oft hinterlassen sie Stoffreste und Seile am Tatort.
Das mobile Hunde- und Drohnenteam ist auch auf den Niststränden im Osten der Insel im Einsatz. Dann gemeinsam mit Rangern von Bios.CV und Natura 2000, zwei weiteren auf Boa Vista aktiven Projekten zum Schutz der Schildkröten.

Artenschutzhunde im Einsatz am Flughafen von Boa Vista
Die Hunde sind auch darauf trainiert, Schildkrötenfleisch in Taschen und in Fahrzeugen aufzuspüren und zu melden. Denn verpacktes Fleisch wird auf andere Inseln – vornehmlich in die Hauptstadt Praia auf Sal – geschmuggelt. Der Einsatzbereich „Objektsuche“ kam bei einem Probelauf in der Nistsaison 2023 zweimal am Flughafen von Boa Vista zur Anwendung. Dabei gab es keinen Fund.

Für die Nistsaison 2025 ist eine monatliche Frequenz dieser Einsätze vorgesehen, was voraussichtlich mindestens fünf gezielte Kontrollmaßnahmen ermöglicht. Eine Ausweitung auf die Nebensaison erscheint sinnvoll, sobald behördliche Voraussetzungen für die Umsetzung gegeben sind, da der Transport tiefgefrorener Produkte ganzjährig möglich ist.
Die Etablierung solcher Einsätze trägt wesentlich dazu bei, bestehende Schutzlücken zu schließen und die Abschreckungswirkung gegenüber potenziellen Straftätern zu erhöhen.
Bone Removal Project
Zwischen April 2023 und Anfang 2025 wurden auf 70 km der wichtigsten Niststrände von Boa Vista über 1.000 Überreste von Schildkröten dokumentiert und entfernt. Damit konnten vergangene Wildereifälle systematisch erfasst und kartiert werden. Außerdem gelang es so, die Strände von Kadavern zu säubern.

Das Bone Removal Project fand mit Zustimmung der Umweltbehörde statt. Es ermöglicht künftig eine präzisere Identifikation und Prognose neuer Wildereifälle. Denn es stellte sich heraus, dass das Ausmaß der Wilderei in einigen Gebieten im Nordosten und Süden von Boa Vista bislang unterschätzt wurde.
Die gesammelten Daten sind nun Grundlage für eine verstärkte Überwachung in den Wilderei-Hochrisikozonen.
Was sind Artenschutzhunde?
Mit ihren rund 200 Millionen und mehr Geruchsrezeptoren (zum Vergleich: der Mensch besitzt rund sechs Millionen) sind Hunde gefragte Mitarbeiter in etlichen Bereichen des Natur- und Artenschutzes. Am bekanntesten dürften Zollhunde sein, die in den Koffern von Reisenden illegal eingeführte geschützte Arten, wie Korallen oder Seepferdchen, ausfindig machen. Trainierte Suchhunde entdecken auch bestimmte Pflanzen- oder Tierarten und sogar Losung im Wasser! So etwa die Mischlingshündin Eba. Sie hilft beim Center for Conservation Biology im US-Bundesstaat Washington bei Orca-Schutzmaßnahmen, weil sie hervorragend im Wasser treibenden Kot der Meeressäuger erschnüffeln kann.
Wir sind die Artenschutzhunde auf Boa Vista
Kelo

Als erfahrener Begleiter des Teams leistet der ruhige und freundliche Kelo wichtige Unterstützung – auch wenn er altersbedingt nur noch eingeschränkt eingesetzt werden kann.
Wegen seines freundlichen und geduldigen Wesens kommt Kelo jetzt hauptsächlich im Training sowie bei Bildungsaktivitäten wie Schulbesuchen zum Einsatz.
Karetta

Die sensible Schäferhündin Karetta wird von João „Djola“ José Mendes de Oliveira betreut.
Sie steht Kelo in der Objektsuche wie auch im Mantrailing in nichts nach, kann aber aufgrund ihrer misstrauischen Einstellung zu Fremden nicht für die Öffentlichkeitsarbeit mit Kindern eingesetzt werden. Zu ihrem Hundeführer hat sie jedoch großes Vertrauen und arbeitet mit Freude.
Olivia

Seit Anfang 2025 trainieren Marcel Maierhofer und seine Frau Ursula – ebenfalls eine erfahrene Hundetrainerin – Labradorhündin Olivia als Nachfolgerin ihres Onkels Kelo für den Einsatz als Artenschutzhund im Schildkrötenschutzprojekt auf Boa Vista trainiert.
Olivias neuer Hundeführer auf Boa Vista ist Carlos Monteiro, der bereits mit Kelo arbeitet. Bis Olivia einsatzbereit ist, wird es zwar noch etwas dauern, doch sie zeigt vielversprechende Anlagen für ihre zukünftigen Aufgaben als Artenschutzhund.
Zedda
Heimliche Chefin der Artenschutzhunde-Gruppe ist Zedda.

Zedda war bereits erwachsen, als sie zum Hundeteam kam. Bis dahin lebte sie selbstständig auf der Insel. Daher verfügt sie nicht über den Grundgehorsam, der für die Einsatzreife erforderlich ist. Im Zweifel entscheidet Zedda immer selbst, was sie gerade tun möchte – arbeiten oder doch lieber Krabben jagen.
Dennoch ist sie ein wertvolles Mitglied des Teams, weil sie auch Anfängerfehler von Hundeführern verzeiht. Seit 2023 ist Délvis Rodrigues ihr Hundeführer.
Welche Schildkröten nisten auf den Kapverden?
Neben der Unechten Karettschildkröte (Caretta caretta) kommen vier weitere Arten in die kapverdischen Gewässer, die hier allerdings nicht regelmäßig nisten.
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die stark gefährdete Grüne Meeresschildkröte (Chelonia mydas)
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die in manchen Regionen vom Aussterben bedrohte Lederschildkröte (Dermochelys coriacea)
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die gefährdete Oliv-Bastardschildkröte (Lepidochelys olivacea)
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die vom Aussterben bedrohte Echte Karettschildkröte (Eretmochelys imbricata)
UN-Nachhaltigkeitsziele des Projekts
Nach Informationen von Turtle Foundation
Alle Fotos so weit nicht anders angeben: © Turtle Foundation
Update: überarbeiteter und mit neuem Datum veröffentlichter Beitrag