Seit September 2019 unterstützen wir ein Schutzprojekt für Meeresschildkröten der Turtle Foundation auf Sipora und anderen Inseln des vor Westsumatra liegenden Mentawai-Archipels in Indonesien. Schwerpunktart hier ist die Lederschildkröte (Dermochelys coriacea), die größte Schildkrötenart. Auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN ist sie als gefährdet mit rückläufiger Bestandsentwicklung gelistet. Einschätzungen zur Populationsgröße sind wegen fehlender Daten nicht möglich. Bislang konzentrieren wir unsere Hilfe auf die Insel Sipora. In der Nistsaison 2023/24 fanden die Ranger des Projekts acht Lederschildkröten-Nester, aus denen in der Aufzuchtstation (Hatchery) des Projekts 688 kleine Lederschildkröten schlüpften.
Sipora ist eine der vier Hauptinseln der Mentawai-Inseln. Die Insel zeichnet sich durch dichte Regenwälder, abgelegene Strände und eine vielfältige Fauna aus. Neben Lederschildkröten nisten hier noch drei weitere Arten: Grüne Meeresschildkröten, Oliv-Bastardschildkröten und Echte Karettschildkröten. Letztere erstmals in der Nistsaison 2022/23. Damit nisten auf Sipora vier von sieben Meeresschildkröten-Arten in unterschiedlicher Zahl. Auch deren Nester werden von den Rangern des Projekts in die Hatchery verbracht, wo ein sicherer Schlupferfolg gewährleistet ist.
Innerhalb weniger Jahre gelang es diesem Meeresschildkröten-Schutzprojekt, eine Insel, die für die Fortpflanzung der Meeresreptilien fast vollständig verloren war, in eine hundertprozentige Erfolgsinsel zu verwandeln.
Projektstandort auf Google Maps: der ca. 8 km lange Strand von Buggeisiata auf der Insel Sipora, West Sumatra, Indonesien.
Seit Projektbeginn geschlüpft:
Lederschildkröten
9.221
Oliv-Bastardschildkröten
3.009
Grüne
Meeresschildkröten
1.792
Echte
Karettschildkröten
680
Die Lederschildkröten des nordöstlichen Indischen Ozeans
Eher zufällig entdeckten Mitarbeiter der Turtle Foundation im Herbst 2017 auf der Insel Sipora einen bis dahin unbekannten Nistplatz, den Strand von Buggeisiata. Wahrscheinlich nisten auf Sipora Tiere aus der regionalen Subpopulation des nordöstlichen Indischen Ozeans. Deren Hauptnistgebiete sind die Andamanen und Nikobaren. Der Bestand dieser Subpopulation ist mit vielleicht noch 1.000 Exemplaren kritisch.
Seit 2017 erweiterte die Turtle Foundation ihre Meeresschildkröten-Schutzprojekte auf den Inseln Mentawai-Archipels auf aktuell drei weitere Standorte: Selaut Besar (seit 2021), Lhok Dalam und Along Beach auf Simeulue (seit 2023) und ab Herbst 2024 auf Moale Beach auf Nias (auf der Karte grün markiert).
Eine Vorstudie am Moale Beach zeigte, dass hier regelmäßig Lederschildkröten und andere Arten, wahrscheinlich Oliv-Bastardschildkröten, nisten. Leider werden die meisten Nester von Einheimischen aus den umliegenden Dörfern oder von Hunden gewildert. Außerdem gibt es Wilderei auf erwachsene Schildkröten wegen ihres Fleisches. Allein in der Nistsaison 2023/24 fand man am Moale Beach fünf tote Lederschildkröten.
Niststrände auf der Insel Bangkaru werden von einer indonesischen Partnerorganisation, Ecosystem Impact, geschützt.
Situation zu Beginn des Projekts
Wie es so oft der Fall ist, hatten Meeresschildkröten auf der abgelegenen Insel Sipora kaum eine Chance. Denn fast alle Eier wurden von der einheimischen Bevölkerung konsumiert, Weibchen während oder nach der Eiablage getötet. Unmittelbare Hilfe war also dringend notwendig. Deshalb initiierte die Turtle Foundation in Zusammenarbeit mit der örtlichen Naturschutzbehörde in Padang (BPSPL) unverzüglich ein Meeresschildkröten-Schutzprojekt. Entscheidender Faktor dabei: die Integration der Inselbevölkerung.
Aufzuchtstation und Strandschutz zeigen Wirkung
Seit der ersten Nistsaison 2017/2018 schlüpften aus bewachten oder in die Hatchery (Freiland-Aufzuchtstation) des Projekts umgebetteten Nestern 9.221 kleine Lederschildkröten. Dann krabbelten sie auf dem schnellsten Weg ins Meer, ihren neuen Lebensraum. Nur wenige von ihnen werden es bis ins Erwachsenenalter schaffen. Doch jedes erfolgreiche Nest ist entscheidend für den Fortbestand der gefährdeten Subpopulation im nordöstlichen Indischen Ozean.
Markierte Lederschildkröte stirbt auf Nachbarinsel
Zu den Aufgaben der Sipora-Ranger gehört auch die Markierung von nistenden Schildkröten mit speziellen Metallclips. Von den 19 derart markierten Lederschildkröten-Weibchen wurde eines im Januar 2023 auf der nördlichen Nachbarinsel Siberut tot aufgefunden. Sie war Anfang Dezember 2022 zur Eiablage nach Sipora gekommen und hatte dabei einen Markierungsclip erhalten. Angeblich sei das Tier tot an den Strand gespült worden. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sie während der Eiablage gewildert wurde. Ein trauriger Verlust.
Erstmals nisten Echte Karettschildkröten auf Sipora
In der Nistsaison 2022/23 kamen zum ersten Mal seit Projektbeginn auch Echte Karettschildkröten (Eretmochelys imbricata) zum Nisten an den Strand von Buggeisiata. Alle Nester wurden in die Hatchery umgebettet und 680 kleine Echte Karettschildkröten schlüpften.
Community-Projekte – Dorfentwicklungsmaßnahmen
Ein zentrales Element des Erfolgs für das Meeresschildkröten-Schutzprojekt auf Sipora ist die enge Zusammenarbeit mit den Dorfbewohnern Matuptumans. Jede Maßnahme wird in Abstimmung mit den Dorfbewohnern geplant und umgesetzt. Diese partizipative Herangehensweise fördert das Vertrauen und die Unterstützung der lokalen Bevölkerung und trägt maßgeblich zur Nachhaltigkeit und lokalen Akzeptanz des Projekts bei.
In Matuptuman leben etwa 345 Familien. Ihr durchschnittliches Monatseinkommen liegt bei umgerechnet etwa 90 Euro. Es wird vornehmlich mit dem Anbau von Muskatnüssen, Gewürznelken und Kokosnüssen – früher auch durch den Verkauf von Eiern aus geplünderten Meeresschildkröten-Nestern – erwirtschaftet. Für ihre eigene Ernährung bauen die Dorfbewohner Gemüse und Reis an, gehen auf Fischfang und zur Jagd.
Gemüsegartenprojekt
Ein besonderer Schwerpunkt der Community-Projekte ist ein nachhaltiger Gemüsegarten. Er wird nach der erfolgreichen Testphase nun weiter ausgebaut. Der Anbau von Kokosnüssen, Muskatnüssen, Nelken, Taro und Bananen hat sich als erfolgreich erwiesen und versorgt die Ranger und ihre Familien mit frischem Gemüse. Es ist geplant, den Gemüsegarten zu erweitern und Frauen aus dem Dorf in der Aufzucht und im Verkauf von Gemüse zu schulen.
Geplant ist zudem der Anbau von Gurken, Chilis, Tomaten, Auberginen und Mais. Ziel ist es, das Gemüse auch in Tuapejat, der Hauptstadt der Mentawai Inseln, zu verkaufen. Die Ernte der Gemüsegärten soll einen Mehrwert für die Menschen in Matuptuman darstellen und die Abhängigkeit von externen Lieferungen verringern. Der Ausbau wird zur wirtschaftlichen Stabilität und Gesundheit der Gemeinschaft beitragen.
Umweltbildungsprogramme
Umweltbildungsprogramme für die örtlichen Kinder stärken das Umweltbewusstsein der jungen Generation. Regelmäßige Besuche der Hatchery und gemeinsame Beach-Clean-Ups vermitteln den Kindern Wissen über den Schutz der Meeresschildkröten und richtige Abfallentsorgung.
Neue Projektleiterin
Seit Januar 2024 leitet die Indonesierin Amelia Fepriani Silalahi das Projekt. Sie genießt große Anerkennung sowohl bei ihren Ranger-Kollegen als auch bei den Dorfbewohnern. Amelia hat wesentlich zur positiven Weiterentwicklung des Projekts seit Jahresbeginn beigetragen.
Zu den Aufgaben der einheimischen Ranger gehört nicht nur das Umbetten der Nester, sondern auch die Erfassung von Nistdaten und Nisterfolg der Hatchery. Zusätzlich patrouillieren die Ranger Strände, reinigen diese von Treibholz und Plastikmüll. Dadurch wird es für die Weibchen einfacher, den beschwerlichen Weg zu einem geeigneten Platz zum Graben des Nestes zu bewältigen.
Akzeptanz der Bevölkerung ist entscheidend
Sehr erfreulich ist, wie schnell das Schutzprojekt für Meeresschildkröten auf Sipora zum Anliegen der einheimischen Bevölkerung wurde. Seit Beginn der Projektarbeit starb hier keine einzige Lederschildkröte. Gleichzeitig sank die Zahl geplünderter Nester von 26 in der ersten Nistsaison auf zwei in der Nistsaison 2018/2019 und liegt seitdem bei null.
Quellen: Projektberichte Turtle Foundation, 2019 – 2024
Fotos: © Turtle Foundation
UN-Nachhaltigkeitsziele des Projekts
- Dorfbewohner erhalten bezahlte Stellen als Ranger nach vorheriger Ausbildung
- Seit Anfang 2024: Büro und Basecamp in Tuapejat, der Distrikt-Hauptstadt der Mentawai-Inseln
- Erstellung einer Broschüre über den Schutz von Meeresschildkröten als Lehrmittel für Kinder
- Unterstützung bei der Renovierung der Dorfkirche
- Renovierung des maroden Schulgebäudes. 41 Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren werden hier von fünf Lehrkräften unterrichtet. Wegen des undichten Dachs und häufiger Regenfälle gab es früher zahlreiche Unterrichtsausfälle. Fenster und Türen waren defekt, die Böden teilweise aus gestampfter Erde, die Toiletten unbenutzbar. Erfreulicherweise finanzierte die deutsche Botschaft in Jakarta die Renovierung mit 16.000 €
- Errichtung einer Hütte für die Ranger im traditionellen Architekturstil in der Nähe der Hatchery
- Weiterführung der Umweltbildungsprogramme für Kinder
- Finanzielle Unterstützung bei der Neuerrichtung einer eingestürzten Brücke im Dorf
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