Malapascua: Nachhaltige Fischerei – Riff-Management – Müllentsorgung

11 Minuten

Von der Masterarbeit zur Projektkooperation: 2018 forschte der auch von uns unterstützte Meeresbiologe Julian Engel auf der Insel Malapascua (Philippinen) zum Thema Haitourismus als Alternative zu Haifang und Shark Finning (Haiflossenfischerei). Er bekam viel Hilfe vor Ort, unter anderem von der auf der Insel aktiven Organisation People and the sea (PepSea). Wir unterstützen PepSea seit 2020*. Schwerpunkte der Arbeit sind nachhaltige Fischerei, Abfallmanagement, Gemeindeentwicklungsprogramme zur Armutsbekämpfung sowie Restauration und Schutz von Korallenriffen.
*bis 2021 in Kooperation mit Stop Finning e. V.

Übergeordnetes Ziel ist, dass die Menschen Verantwortung für ihre Ressourcen übernehmen und diese nachhaltig nutzen. Nur gemeinsam können sie den Rückgang von Küstenökosystemen wie Korallenriffen umkehren und lernen, mit den Auswirkungen der Klimakatastrophe zu leben.

Die Insel Malapascua

Malapascua liegt nördlich von Cebu, in der Visayas-See. Die Insel ist nur ca. 2 Kilometer lang, etwa 800 m breit und vergleichsweise dicht besiedelt. Das liegt am Tourismus. Die meist ausländischen Tauchresorts bieten den Einwohnern alternative Einkommensquellen und einen besseren Lebensstandard. Zuvor lebte die Inselbevölkerung hauptsächlich vom Fischfang. Dabei kam illegal auch immer wieder Dynamit zum Einsatz.

Auf der philippinischen Insel Malapascua erforschte Julian Engel Möglichkeiten zu nachhaltigem Haitourismus.
Foto: Robert Marc Lehmann

Fuchshaie

Malapascua ist international bei Tauchern für ein ganz besonderes „Hai-Light“ bekannt: An ihrem unterseeischen Monad Shoal befindet sich eine „Putzerstation“. Haie und andere große Fische lassen sich hier „säubern“. Es ist weltweit eine der wenigen Stellen, an denen man Pazifische Fuchshaie (Alopias pelagicus) beobachten kann.

Malapascua ist eine der wenigen Stellen, an denen man Pazifische Fuchshaie beobachten kann.

Der Pazifische Fuchshai ist die kleinste der drei Fuchshaiarten. Foto: Nicholas Daniel

Auch Mantarochen (Manta birostris) und andere Rochenarten finden sich ein, mitunter auch Große Hammerhaie (Sphyrna mokarran), Grauhaie (Hexanchus griseus), Silberspitzenhaie (Carcharhinus albimarginatus) und Weißspitzenriffhaie (Triaenodon obesus). Die Insel ist umgeben von Seegraswiesen, Mangroven und Korallenriffen.

Touristische Entwicklung führt zu Konflikten

Malapascua hat sich mit dem Tauchtourismus rasant entwickelt. Unweigerlich führte dies zu Konflikten. Fischer und Tourismus-Anbieter sehen sich als Kontrahenten: „Taucher, die Fischereigerät zerstören, und Fischer, die Tauchbojen kappen, sind häufig“, beklagt Axelle Jorcin, Geschäftsführerin von People and the sea. Fischer würden marginalisiert, ihre Fischgründe ohne Alternativangebote verkleinert. Zudem fehlte den Fischern das Wissen, wie man nachhaltig fischt oder welche Fangmethoden illegal sind.

Programm für schonenden Fischfang

Damit sich die Bestände wieder erholen können, bringen PepSea den Fischern nachhaltige Fangmethoden bei und klären sie über illegale Fangmethoden auf.

Fangdaten sind der Schlüssel zum Verständnis von Fischerei-Auswirkungen auf Fischbestände. Deshalb erfasst PepSea neben der Artenzusammensetzung die Größe der gefangenen Fische sowie das eingesetzte Fanggerät (siehe Foto). Inzwischen reichen die Datensätze bis in den Juli 2019 zurück. Dabei zeigte sich ein deutlicher Fangmengen-Rückgang (kleinere Fische, weniger größere Raubfische). Die Fischer selbst sind überzeugt, dass dies mit der Überhitzung des Meeres in Verbindung mit steigender Nachfrage nach Fisch zusammenhängt.

Verschiedene Fischfanggeräte, Projekt „Nachhaltige Fischerei – Insel Malapascua (Philippinen)“

Um ein vollständiges Verständnis zur Fischereidynamik und über Fischfangmethoden zu erhalten, erstellt PepSea ein Basisprofil aller eingesetzten Fanggeräte. Bislang wurden 19 verschiedene Fangmethoden mit einer Vielzahl von Fanggeräten erfasst.

Im Zuge des Programms für nachhaltige Fischerei etablierte PepSea auch Kontakte zu lokalen Fischereigemeinschaften wie der Malapascua Fishermen Association (MAFA). Zusätzlich half man 2022 dörflichen Kleinfischern bei der Gründung einer neuen Fischereivereinigung (LogFA). Innerhalb weniger Monate schlossen sich der LogFA 114 Fischer an.

Zudem sorgt PepSea mit Umweltunterricht in Schulen und Freizeitcamps für ein besseres Meeresschutz-Verständnis bei der jungen Generation.

Kinder lernen, was nachhaltige Fischerei ist.

Kinder von Malapascua beim Fischen. Mit Umweltunterricht in Schulen und Freizeitcamps lernen sie, ihre Meeresressourcen zu schützen.

Fischen an der Armutsgrenze

Die handwerklichen Fischer von Malapascua landen eine Vielzahl von Arten an. PepSea erfasste bislang 95 Arten Fische, Krusten- und Schalentiere sowie Tintenfische. Der größte Ertragsanteil nach Gewicht und Wert stammte 2022 allerdings von nur 14 Arten, die 80 % des Fangertrags ausmachen. Darunter waren Pelagische Küstenfische (Thunfisch, Makrele und Sardinen) sowie Riff- und Mangrovenbewohner (Kaiserfische, Schnapper, Zackenbarsche und Tintenfische).

Im Durchschnitt fangen die Fischer von Malapascua wenig Fisch. Nur 4,3 kg pro Kopf und Ausfahrt. Damit lässt sich nicht viel Geld verdienen. Mit einem durchschnittlichen Bruttoeinkommen von 9,02 Dollar (450 Pesos) vor Abzug der Kosten pro Fangfahrt bleibt ihr Einkommen gering. Es liegt um oder unter der offiziellen Armutsgrenze (8.000 Pesos für eine fünfköpfige Familie) für die Philippinen.

Edwin, Kleinfischer aus Malapascua, Philippinen

„Eine unserer größten Herausforderungen ist es, die kommerziellen Schiffe fernzuhalten, und wir hoffen, dass die Regierung uns helfen wird. Wenn die Fischereigesetze richtig umgesetzt werden, kann das Meer wieder gesund werden, und das wäre eine große Hilfe für Kleinfischer wie uns.“

Edwin

Kleinfischer auf Malapascua

Den größten Fangertrag erzielte man 2022 mit dem Fang von Rifffischen (z. B. Kaiserfische). Damit bekommt der Erhalt der vor der Insel befindlichen Korallenriffe auch eine wirtschaftliche Bedeutung. Denn intakte Riffe, Schutzgebiete und temporäre Fangverbote führen nicht nur zu einer größeren Artenvielfalt. Es gibt dann auch mehr Fische rund um das Schutzgebiet (Spillover-Effekt). In der Folge fangen handwerkliche Fischer dort wieder mehr und größere Fische.

Restauration und Schutz von Korallenriffen

Ein Dornenkronenseestern crown-of-thorns starfish auf einer Koralle, Riff vor Malapascua, Phlippinen

Weltweit leiden Korallenriffe nicht nur unter Überfischung, Überdüngung, Zerstörung und den Folgen der Klimakatastrophe.

Oft kommt es auch zu Massenvermehrungen von Dornenkronenseesternen, auf Englisch Crown-of-Thorns starfish (COTS) genannt. In einigen Riffsystemen ist die COTS-Population auf das 500-Fache ihres natürlichen Niveaus angestiegen.

Die Folgen sind verheerend. Sie führen letztlich zum Verlust der betroffenen Riffsysteme. PepSea setzt sich daher auch für einen besseren Schutz und die Restaurierung von Korallenriffen ein.

Absammeln von Dornenkronenseesternen

Vor Malapascua stellten PepSea an 10 von 15 untersuchten Riff-Flächen zu viele COTS fest. Zwei dieser Flächen liegen im Coral-Gardens-Meeresschutzgebiet auf der Ostseite der Insel.

Absammelstellen von Dornenkronenseesternen (COTS) aus Korallenriffen vor Malapascua, Philippinen.
Absammelstellen aus Korallenriffen vor Malapascua.
Absammeln von Dornenkronenseesternen im Coral Gardens Riff vor Malapascua, Philippinen

Hier fanden im Oktober und November 2021 Absammelaktionen mit vorher trainierten Freitauchern statt. PepSea stellt hierfür die Werkzeuge für das nicht ganz ungefährliche manuelle Absammeln der mit unzähligen spitzen Giftstacheln bewehrten Seesterne.

Die Tiere werden entweder von Freitauchern mit speziellen Zangen manuell aus den Riffen entfernt oder von Tauchern durch Essig-Injektionen im Riff getötet. Freitaucher-Einsätze haben dabei den Vorteil, dass man keine ausgebildeten Taucher benötigt und viele Menschen daran teilnehmen können.

Seit Oktober 2021 bis Ende 2022 hatten einheimische Fischer 1.407 Seesterne abgesammelt (977 davon im Jahr 2022). Langfristiges Ziel ist es, die COTS-Zahl so niedrig zu halten, dass es nicht zur Massenvermehrung kommt. Kontrollen der durchgeführten COTS-Reduzierungen zeigen bislang, dass die konsequente Entfernung in bestimmten Gebieten erhebliche Auswirkungen auf zukünftige Ausbrüche haben kann.

Bryan, Kleinfischer aus Malapascua, Philippinen

„Ich habe so viel gelernt und hatte das Gefühl, dass ich wirklich etwas beitragen kann, als ich bei PepSea an der Ecocean-Umfrage teilnahm. Ich lernte, wie man die Ausrüstung aufbaut und welche Jungfische vor Malapascua zu finden sind. Ich habe auch so viel gelernt, als wir anfingen, die COTS-Entnahmen [Absammeln von Dornenkronenseesternen/Crown-of-Thorns Starfish] durchzuführen. Mir wurde klar, wie wichtig unsere Riffe sind und wie sehr sie zu unserem Lebensunterhalt beitragen. Jetzt weiß ich, dass Korallenriffe sehr empfindlich sind und dass ein geringes Ungleichgewicht sie beeinträchtigen kann.“

Bryan

Kleinfischer auf Malapascua

Erfolgsbilanz COTS-Entnahmen seit 2016

Erfolgsbilanz des Überwachungs- und Kontrollprogramms auf Malapascua, Beseitigung von Dornenkronenseesternen seit 2016.

Aufbau künstlicher Korallenriffe

Im Süden der Insel befindet sich vor dem Tepanee Resort eine künstliche Riff-Installation aus Stahlgerüsten. Das Gebiet wurde 2020 unter Schutz gestellt.

Projekt zur Riff-Restauration mit Beteiligung von Fischern und Tauchbasen von People and the Sea.
Schutzgebiet mit künstlichen Riffstrukturen vor dem Tepanee Resort im Süden der Insel Malapascua.

Seit dem Beginn der Coronapandemie blieb es weitgehend unberührt. Dies führte zu einer bemerkenswerten Entwicklung. Es gibt jetzt mehr und größere Fische und sogar eine Kinderstube für Schwarzspitzenriffhaie. Dadurch entstand eine einzigartige Gelegenheit, Küstenfischer und Tauchtourismus-Anbieter für ein gemeinsames Ziel zusammenzubringen.

Vier Freitaucher befestigen Korallenstücke an Metallgestellen zum Wiederaufbau eines Korallenriffs, Insel Malapascua, Philippinen

PepSea schulte acht Fischer darin, als Freitaucher Korallenwachstumsformen (Verzweigung, Felsen, Weichkorallen usw.) zu identifizieren, Probleme der Korallengesundheit zu erkennen, Fragmente zu sammeln, an den Stahlgerüsten zu befestigen und das Wachstum der Fragmente zu überwachen.

Fischer und Tauchbasen gemeinsam im Einsatz

Als sich herausstellte, dass das Fixieren der Korallenfragmente für Freitaucher zu anstrengend ist, aktivierte PepSea Tauchbasen zur freiwilligen Unterstützung. Jetzt sammeln die Fischer Korallenfragmente. Dann fixieren Taucher diese an den Stahlgerüsten. Das hat gut funktioniert. Projekte wie dieses sind ein wichtiges Instrument für Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den oft konfliktträchtigen Bereichen Tourismus und Fischerei.

Leider erlitt das Korallenprojekt Ende Oktober 2022 durch einen schweren Sturm einen verheerenden Verlust von Fragmenten sowie Schäden an Stahlgerüsten. Etwa 60 % der Korallenfragmente gingen verloren, obwohl sie bereits eine starke Verbindung mit den Gerüsten hatten. Diese hohe Verlustrate wurde durch eine außergewöhnliche Kombination von extremer Ebbe und hohem Wellengang verursacht.

WCE-Programm (Waste Collection and Education)

Das Programm für Abfallsammlung und -erziehung (WCE) ist eine seit 2018 laufende Initiative für die Dorfbevölkerung über Mülltrennung in Haushalten.

Sammelstelle des WCE-Programms für Abfallsammlung auf Malapascua, Philippinen

Kampagne für Mehrwegwindeln

Zwischen 2019 und 2021 machten Wegwerfwindeln zwischen 22 und 38 % der im Rahmen des WCE-Programms gesammelten festen Abfälle aus. Einwegwindeln sind die einzige Abfallkategorie, die gegenüber 2019 nur leicht zurückging und gegenüber 2020 sogar zunahm.

Im April 2021 übernahmen PepSea eine bereits bestehende Mehrwegwindel-Bank und bauten sie aus. Familien können jetzt ein Set von 10 wiederverwendbaren Windeln erhalten und diese im Laufe eines Jahres zurückzahlen. Entweder durch persönliche Zahlungen oder aus den Ersparnissen von lokalen Sparklubs (Community-Managed Savings and Credit Associations/CoMSCA).

Mehrwegwindeln von der Mehrwegwindel-Bank, Malapascua

Die Mehrwegwindel-Bank spart pro Familie und Jahr den Gebrauch von über 1.000 Wegwerfwindeln bzw. Kosten von über 10.000 Pesos.

Außerdem richtete PepSea Kompostierstellen ein, sodass die Inselbewohner aufgrund der besseren Bodenqualität eigenes Gemüse und Obst anbauen können.

Was wir gemeinsam erreichen wollen

  • Abschaffung von zerstörerischen und illegalen Fischereiaktivitäten
  • Monitoring der Fischereiaktivitäten sowie Identifizierung und Monitoring ökologischer Schlüsselgebiete: Laichgründe, Korallenriffe, Seegraswiesen, Mangroven
  • Gesundung und Wachstum von Korallenriffen und Seegraswiesen
  • Restauration von Korallenriffen durch die Einrichtung von künstlichen Riffen
  • Erhalt gesunder Fischbestände, die wiederum höhere Fangmengen für die Subsistenzfischerei ermöglichen
  • Rückkehr wichtiger Indikatorarten, wie Haie und pelagische Fischarten
  • Ausweitung des Projekts auf die Insel Biliran (seit 1992 eigenständige Provinz der Philippinen)
Das Team von people and the sea sagt Danke / Thank you!

Die Philosophie dahinter

Die Arbeit von People and the sea fußt auf:

  • Lokaler Ausrichtung
  • Basisorientierung
  • Offenheit für Austausch und Zusammenarbeit
  • Umsetzung konkreter Maßnahmen für die Menschen und mit den Menschen für stabile und produktive Küstenökosysteme

Das PepSea-Projekt auf Malapascua

Update: erweiterter und überarbeiteter Beitrag. Mit neuem Datum wieder veröffentlicht.

Informationen und Fotos (soweit nicht anders angegeben): People and the sea

UN-Nachhaltigkeitsziele des Projekts

Nachhaltige Fischerei unterstützen!

Alternative zur industriellen Fischerei: Nachhaltiger Fischfang mit Pole and Line.

Nachhaltige Fischerei ist der einzige Ausweg aus der globalen Fischereikrise. Für die Menschen! Für die Artenvielfalt in den Meeren!


Projektberichte von People and the sea

Umfrage Glaubwürdigkeit des MSC-Siegels

7 Minuten

Im April 2018 unterstützten wir über Sharkproject e.V eine Verbraucherumfrage der „Make Stewardship Count“-Koalition zur Glaubwürdigkeit des MSC-Siegels. Die Umfrage wurde von YouGov Deutschland GmbH im Zeitraum vom 12. – 19. April 2018 durchgeführt. 5574 Teilnehmer in Frankreich, Deutschland, Schweiz und Großbritannien nahmen daran teil. Daher sind die gewichteten Ergebnisse repräsentativ für die Bevölkerung über 18 Jahren in diesen Ländern. Die Umfrage ergab, dass die Glaubwürdigkeit des MSC-Siegels deutlich in Frage gestellt wird. Die „Make Stewardship Count“-Koalition stellte die Ergebnisse erstmals während der Seafood Global/Seafood Processing Global Messe in Brüssel 2018 vor.

Was ist das MSC-Siegel?

Der Marine Stewardship Council (MSC) ist eine internationale, unabhängige und gemeinnützige Organisation. Sie zertifiziert Fische und Meeresfrüchte aus angeblich nachhaltiger Fischerei. MSC-zertifizierte Produkte dürfen das blaue MSC-Siegel tragen. Es steht dafür ein, dass der Fisch aus geprüfter umwelt- und bestandsschonender Fischerei stammt. Noch genießt das Siegel bei Handel und Verbrauchern viel Vertrauen.

Wie glaubwürdigkeit ist das MSC-Siegel?

Bemerkenswert ist, dass Nachhaltigkeit beim Fischkauf für die überwiegende Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher sehr große Bedeutung hat. Doch diese Erwartungen erfüllt das MSC-Siegel mit seiner derzeitigen Zertifizierungspraxis nicht.

So lehnen 80 % aller Befragten es ab, dass es einer mit dem MSC-Siegel zertifizierten Fischerei erlaubt ist, beim Thunfischfang gezielt Delfine zu verfolgen und einzukreisen.

Ähnlich deutliche Meinungsbilder gab es auch gegen den Einsatz von sogenannten Fischsammlern (FADs). Denn diese verursachen den vielfachen Tod von jungen Haien und hohen Beifang an anderen bedrohten und geschützten Tierarten.

Nicht nachhaltig und auch unter dem MSC erlaubt ist der Einsatz von Fischsammlern oder FADs

FADs (Fischsammler) können reine Flöße oder z. B. aus Bambus konstruierte Flöße mit bis zu 100 m langen Netzen und anderem Material sein. Foto: ISSF/David Itano

Auch beim „Finning“ von Haien und dem Einsatz umweltzerstörender Fangmethoden herrschte unteren den Befragten eine außergewöhnlich hohe Ablehnung. Im Durchschnitt waren 85 % aller Befragten über alle Länder hinweg der Meinung, dass derartige Fischereimethoden auch unter dem MSC-Siegel verboten sein sollten.

Gravierende Mängel beim Schutz streng geschützter Arten

Auch eine Studie des NABU-Dachverbandes Birdlife International deckte gravierende Mängel beim Schutz streng geschützter Arten auf. Insbesondere die Beifangrate bei seltenen und geschützten Walen, Delfinen, Seevögeln und Meeresschildkröten durch MSC zertifizierte Fischereien ist besorgniserregend hoch.

Der Verhaltenskodex der Welternährungsorganisation FAO von 1995 fordert, dass ungewollte Beifänge sogenannter „Nichtzielarten“ minimiert werden sollen. Diesem Ziel hat sich auch der MSC verpflichtet. Bisher leider mit sehr wenig Erfolg.

In den Medien: MSC-Fischsiegel in der Kritik


MSC-Siegel für überfischten Fisch?

Im Mai 2016 hatten Wissenschaftler die Verlässlichkeit des MSC-Siegels für nordeuropäische Fischbestände überprüft. An der interdisziplinären Studie beteiligt waren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Kieler Exzellenzclusters „Ozean der Zukunft“, des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) sowie internationale Kollegen. Das Ergebnis ist ernüchternd. Mehr als zehn der untersuchten Bestände erwiesen sich als stärker befischt als ökonomisch sinnvoll und ökologisch vertretbar wäre. Die Studie erschien online in der internationalen Fachzeitschrift Marine Policy.

Grenzen des MSC-Siegels

Im Rahmen der Studie wurden 31 nordeuropäische Fischbestände im Nordostatlantik, die nach den Richtlinien des MSC befischt werden, hinsichtlich Bestandsgröße und Befischung untersucht. „Wir haben uns dabei an den offiziellen Bestandsabschätzungen orientiert, die auch die Grundlage für die MSC-Zertifizierung bilden“, sagt Dr. Rainer Froese vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Die Studie zeigt, dass im ersten Jahr der MSC-Zertifizierung elf Fischbestände über der vom MSC festgelegten Obergrenze befischt wurden. Vier Bestände befanden sich aufgrund ihrer geringen Größe sogar außerhalb sicherer biologischer Grenzen. Dennoch dürfen Fischprodukte aus diesen Beständen weiterhin das begehrte Siegel tragen.

Der MSC begründet dies damit, dass sich die Bestände nach Aufnahme in das Programm erholen. Dies zeigten die Untersuchungen der Kieler Forscher jedoch nicht. Denn auch nach längerer Zertifizierungsdauer zwischen einem und zehn Jahren (durchschnittlich vier Jahre) fand man keine signifikanten Veränderungen hinsichtlich des Fischereidruckes und der Größe der Bestände. Im letzten Zertifizierungsjahr mit verfügbaren Daten waren sieben Bestände (44 Prozent der Bestände mit verfügbaren Daten) überfischt. Fünf befanden sich sogar außerhalb sicherer biologischer Grenzen.

Fangmengen sind zu hoch

Auf der anderen Seite lag bei elf Beständen die erlaubte Fangmenge weit über den tatsächlichen Fängen. Dies ist ein untrügliches Zeichen, dass die festgelegten Fangmengen nicht den realen Fangmöglichkeiten entsprechen. Die MSC-Zertifizierung soll aber eine nachhaltige Fischerei garantieren. Das heißt unter anderem, Fangquoten sind richtig gesetzt und werden eingehalten.

„Unsere Studie hat somit gezeigt, dass die Regulierung die Fischerei nicht effektiv beschränkt hat. Darüber hinaus wurde bei drei Beständen der erlaubte Fang um bis zu 50 Prozent überschritten“, sagt Prof. Martin Quaas vom Institut für Volkswirtschaftslehre an der Christian-Albrechts-Universität und Leiter der Arbeitsgruppe Nachhaltige Fischerei im Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“. Offenbar, so das Fazit der Autoren, gab es keine effektive Kontrolle der Fänge, was mit dem Anspruch einer vorbildlichen Fischerei nur schwer vereinbar ist.

Umsetzung von FAO-Standards bislang nur freiwillig

Bisher mangelt es sowohl auf internationaler als auch auf europäischer Ebene an rechtlich durchsetzbaren Vorschriften für Produkte aus nachhaltiger Fischerei. Die Umsetzung der von der Welternährungsorganisation FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations) definierten Standards ist für Unternehmen freiwillig.

„Jedes Unternehmen kann demnach den Begriff nachhaltige Fischerei frei verwenden. Kontrollierte Standards für Umweltlabels gibt es in diesem Bereich nicht“, sagt Prof. Nele Matz-Lück vom Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht. „Ökosiegel für überfischte Bestände mögen streng genommen ‚legal‘ sein, vertretbar sind sie nicht“, so Matz-Lück weiter.

Die Autorinnen und Autoren der Studie empfehlen daher, die Richtlinien des MSC-Siegels dahingehend zu ändern, dass Überfischung und unsichere Bestandsgrößen zur sofortigen Aussetzung der Zertifizierung führen. „Beim Kauf sind Fischprodukte mit MSC-Siegel zwar Produkten ohne Siegel vorzuziehen, doch um das entgegengebrachte Vertrauen der Verbraucher weiterhin zu erhalten, muss der MSC an seiner Glaubwürdigkeit arbeiten“, resümiert Erstautorin Dr. Silvia Opitz vom GEOMAR.

Mit freundlicher Genehmigung von GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel / Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“
Weitere Information & Kontakt
Originalarbeit:
Silvia Opitz, Julia Hoffmann, Martin Quaas, Nele Matz-Lück, Crispina Binohlan, Rainer Froese, Assessment of MSC-certified fish stocks in the Northeast Atlantic. Marine Policy 71 (2016), 10-14.
doi:10.1016/j.marpol.2016.05.003

Kontakt:
Dr. Silvia Opitz, GEOMAR Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung Kiel
sopitz[AT]geomar.de

Friederike Balzereit, Öffentlichkeitsarbeit Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“
Telefon: 0431-880-3032 | fbalzereit[AT]uv.uni-kiel.de


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