Seit 2020 unterstützen wir die auf der Insel philippinischen Insel Malapascua aktive Organisation people and the sea (PepSea – Frankreich und Philippinen). Schwerpunkte der Arbeit sind nachhaltige Fischerei, Abfallmanagement, Gemeindeentwicklungsprogramme zur Armutsbekämpfung sowie Ökosystemmanagement von Korallenriffen und Seegraswiesen. Übergeordnetes Ziel ist, dass die Menschen Verantwortung für ihre Ressourcen übernehmen und diese nachhaltig nutzen. Nur gemeinsam können sie den Rückgang von Küstenökosystemen wie Korallenriffen umkehren und lernen, mit den Auswirkungen der Klimakatastrophe zu leben.
Die Insel Malapascua
Malapascua liegt nördlich von Cebu, in der Visayas-See. Die Insel ist nur ca. 2 Kilometer lang, etwa 800 m breit und vergleichsweise dicht besiedelt. Das liegt am Tourismus. Die meist ausländischen Tauchresorts bieten den Einwohnern alternative Einkommensquellen und einen besseren Lebensstandard. Zuvor lebte die Inselbevölkerung hauptsächlich vom Fischfang. Dabei kam illegal auch immer wieder Dynamit zum Einsatz.
Touristische Entwicklung führt zu Konflikten
Malapascua hat sich mit dem Tauchtourismus rasant entwickelt. Unweigerlich führte dies zu Konflikten. Fischer und Tourismus-Anbieter sehen sich als Kontrahenten: „Taucher, die Fischereigerät zerstören, und Fischer, die Tauchbojen kappen, sind häufig“, beklagt Axelle Jorcin, Geschäftsführerin von people and the sea. Fischer würden marginalisiert, ihre Fischgründe ohne Alternativangebote verkleinert. Zudem fehlte den Fischern das Wissen, wie man nachhaltig fischt oder welche Fangmethoden illegal sind.
Fuchshaie und Tigerhaie
Malapascua ist international bei Tauchern wegen seiner „Hai-Lights“ bekannt: Für seine Fuchshaie am Kimud Shoal und seit Kurzem auch für Tigerhaie am Monad Shoal. Malapascua ist einer der wenigen Orte, an denen man Pazifische Fuchshaie (Alopias pelagicus), die kleinste der drei Fuchshaiarten, beobachten kann.
Auch Mantarochen (Manta birostris) und andere Rochenarten finden sich ein, mitunter auch Große Hammerhaie (Sphyrna mokarran), Grauhaie (Hexanchus griseus), Silberspitzenhaie (Carcharhinus albimarginatus) und Weißspitzenriffhaie (Triaenodon obesus). Die Insel ist umgeben von Seegraswiesen, Mangroven und Korallenriffen.
Programm für schonenden Fischfang
Damit sich die Bestände wieder erholen können, bringen PepSea den Fischern nachhaltige Fangmethoden bei und klären sie über illegale Fangmethoden auf.
Fangdaten sind der Schlüssel zum Verständnis von Fischerei-Auswirkungen auf Fischbestände. Deshalb erfasst PepSea neben der Artenzusammensetzung die Größe der gefangenen Fische sowie das eingesetzte Fanggerät (siehe Foto). Inzwischen reichen die Datensätze bis in den Juli 2019 zurück. Dabei zeigte sich ein deutlicher Fangmengen-Rückgang (kleinere Fische, weniger größere Raubfische). Die Fischer selbst sind überzeugt, dass dies mit der Überhitzung des Meeres in Verbindung mit steigender Nachfrage nach Fisch zusammenhängt.
Um ein vollständiges Verständnis zur Fischereidynamik und über Fischfangmethoden zu erhalten, erstellt PepSea ein Basisprofil aller eingesetzten Fanggeräte. Bislang wurden 19 verschiedene Fangmethoden mit einer Vielzahl von Fanggeräten erfasst.
Im Zuge des Programms für nachhaltige Fischerei etablierte PepSea auch Kontakte zu lokalen Fischereigemeinschaften wie der Malapascua Fishermen Association (MAFA). Zusätzlich half man 2022 dörflichen Kleinfischern bei der Gründung einer neuen Fischereivereinigung (LogFA). Innerhalb weniger Monate schlossen sich der LogFA 114 Fischer an.
Zudem sorgt PepSea mit Umweltunterricht in Schulen und Freizeitcamps für ein besseres Meeresschutz-Verständnis bei der jungen Generation.
Fischen an der Armutsgrenze
Die handwerklichen Fischer von Malapascua landen eine Vielzahl von Arten an. PepSea erfasste 95 Arten Fische, Krusten- und Schalentiere sowie Tintenfische. Der größte Ertragsanteil nach Gewicht und Wert stammt allerdings von etwa 14 Arten, die 80 % des Fangertrags ausmachen. Darunter waren Pelagische Küstenfische (Thunfisch, Makrele und Sardinen) sowie Riff- und Mangrovenbewohner (Kaiserfische, Schnapper, Zackenbarsche und Tintenfische).
Im Durchschnitt fangen die Fischer von Malapascua wenig Fisch. Nur 4,3 kg pro Kopf und Ausfahrt. Damit lässt sich nicht viel Geld verdienen. Mit einem durchschnittlichen Bruttoeinkommen von 9,02 Dollar (450 Pesos) vor Abzug der Kosten pro Fangfahrt bleibt ihr Einkommen gering. Es liegt um oder unter der offiziellen Armutsgrenze (8.000 Pesos für eine fünfköpfige Familie) für die Philippinen.
Eine unserer größten Herausforderungen ist es, die kommerziellen Schiffe fernzuhalten, und wir hoffen, dass die Regierung uns helfen wird. Wenn die Fischereigesetze richtig umgesetzt werden, kann das Meer wieder gesund werden, und das wäre eine große Hilfe für Kleinfischer wie uns.
Ökosystemmanagement von Korallenriffen
Weltweit leiden Korallenriffe nicht nur unter Überfischung, Überdüngung, direkte Zerstörungen bei Küstenbaumaßnahmen oder den Folgen der Klimakatastrophe.
Immer bedeutender wird ein normaler Riffbewohner: der Dornenkronenseestern, auf Englisch Crown-of-Thorns starfish (COTS oder COT) genannt. Die großen Seesterne ernähren sich von Hartkorallen. Unter bestimmten Umweltbedingungen vermehren sich diese wunderschönen Stachelhäuter massenhaft. In einigen Riffsystemen ist die COT-Population auf das 500-fache ihres natürlichen Niveaus angestiegen.
Die Folgen sind verheerend. Sie führen letztlich zum Verlust der betroffenen Riffsysteme. PepSea schützt und pflegt die Riffe vor Malapascua durch die aktive Reduzierung der Bestandsdichte von Dornenkronen in von Massenvermehrung betroffenen Riffabschnitten.
Bekämpfung des Dornenkronenseesterns
Vor Malapascua stellten PepSea in mehreren Riff-Flächen zu hohe COT-Bestandsdichten fest. Zwei dieser Flächen liegen im Coral-Gardens-Meeresschutzgebiet auf der Ostseite der Insel, andere im südlich vorgelagerten Dakit-Dakit Schutzgebiet.
Zwischen Januar 2023 und Juni 2024 fanden an 30 Tagen Absammelaktionen mit vorher von Projektmitarbeitern trainierten Freitauchern (lokale Fischer) und Gerätetauchern statt. PepSea stellt hierfür auch die Werkzeuge für das nicht ganz ungefährliche manuelle Absammeln der mit unzähligen spitzen Giftstacheln bewehrten Seesterne.
Freitaucher können die Seesterne mit speziellen Zangen manuell entfernen. Freitaucher haben dabei den Vorteil, dass man keine ausgebildeten Taucher benötigt und viele Menschen daran teilnehmen können. In größeren Tiefen ist man allerdings auf Taucher angewiesen. Sie töten COTS per Essig-Injektion.
Leider gelang es nicht, Touristen in das COT-Entfernungsprogramm einzubeziehen. Gründe hierfür sind Haftungsfragen (es ist gefährlich, die Seesterne zu berühren) sowie mangelndes Interesse seitens der Tauchzentren. Dennoch will PepSea weiter versuchen, Tauchtouristen auf sichere Weise für diese sinnvolle Aktivität zu begeistern.
Im Zuge der Ausweitung der Aktivitäten auf die nahe gelegene Insel Higatangan erstellten PepSea ein spezielles Schulungsset für die sichere COT-Entfernung. Es ermöglicht den Menschen in den lokalen Gemeinden, die Methode und ihre Risiken zu verstehen, und hilft bei der Planung eigener COT-Entfernungsaktivitäten.
Erfolgsbilanz
- 30 COT-Entfernungstage (zwischen Januar 2023 und Juni 2024).
- 219 Menschen beteiligt.
- 2.187 COTS aus den Schutzgebieten Coral Garden und Dakit Dakit entfernt.
- Erstellung eines Schulungssets über das manuelle Entfernen von COTS.
Ich habe so viel gelernt und hatte das Gefühl, dass ich wirklich etwas beitragen kann, als ich bei PepSea an der Ecocean-Umfrage teilnahm. Ich lernte, wie man die Ausrüstung aufbaut und welche Jungfische vor Malapascua zu finden sind. Ich habe auch so viel gelernt, als wir anfingen, die COTS-Entnahmen durchzuführen. Mir wurde klar, wie wichtig unsere Riffe sind und wie sehr sie zu unserem Lebensunterhalt beitragen. Jetzt weiß ich, dass Korallenriffe sehr empfindlich sind und ein geringes Ungleichgewicht sie beeinträchtigen kann.
Einrichtung einer Locally Managed Marine Area (LMMA)
2023 kartierten people and the sea die marinen Lebensräume rund um Malapascua. Die daraus entstandene Karte wurde gemeinsam mit lokalen Fischern validiert. Ursprünglich sollte so ein geeigneter Standort für die Anlegung eines künstlichen Riffs gefunden werden.
Diesen Plan gab man jedoch auf und setzt sich stattdessen gemeinsam mit den Fischern für die Ausweisung eines etwa fünf Hektar großen LMMA-Meeresschutzgebiets nördlich von Malapascua ein.
Diese positive Entwicklung unterstreicht das gestiegene Verständnis in der lokalen Fischerei für die Bedeutung von Meeresschutzgebieten und ihren ökologischen und sozioökonomischen Nutzen.
Bei der Einrichtung der Meeresschutzgebiete (MPAs) vor Malapascua hatte man die Fischereigemeinschaft nicht beteiligt. Jetzt hofft PepSea, mit vollem Engagement und der Unterstützung der örtlichen Bevölkerung, ein ehrgeiziges Ziel zu erreichen: die Einrichtung einer Locally Managed Marine Area (LMMA).
Was ist eine Locally Managed Marine Area (LMMA)?
Eine Locally Managed Marine Area (LMMA) ist ein Küsten- oder Meeresgebiet, das hauptsächlich von den lokalen Gemeinschaften, Landbesitzern, Partnerorganisationen und/oder kooperierenden Regierungsvertretern verwaltet wird. Diese Gebiete fördern nachhaltige Ressourcennutzung und den Schutz der marinen Umwelt durch lokale Beteiligung und traditionelle Praktiken.
Etablierung selbstverwalteter Schutzzonen für Seegraswiesen
Im Laufe des Jahres 2024 führte PepSea die erste Analyse von Seegras-Lebensräumen rund um Malapascua durch. Dabei wurden acht Seegrasarten identifiziert. Mit den Daten will PepSea einen Vorschlag für die Einrichtung eines Seegras-Meeresschutzgebiets erarbeiten. In Anbetracht der wichtigen Rolle von Seegras für die Ernährungssicherheit, die Artenvielfalt und den Klimawandel wollen people and the sea die Produktivität der Wiesen vor Malapascua bewahren.
Diese Initiative bindet die lokale Gemeinschaft in die Datenerfassung und Diskussionen über das Seegrasmanagement ein. Bei den ersten Treffen waren die Seegrasfischer daran interessiert, etwas über den Schutz von Seegraswiesen und die Identifizierung geschützter Arten zu erfahren.
Das Programm fördert auch die Beteiligung von Fischerinnen, um ihre Beteiligung am lokalen Fischereiverband zu erhöhen und das Geschlechterverhältnis bei der Entscheidungsfindung über die Bewirtschaftung der Meeresressourcen zu verbessern.
Erfolgsbilanz
- Schulung der Bevölkerung für die Datenerfassung über die Fischerei in Seegraswiesen.
- Verstärkte Beteiligung von Frauen am Fischereimanagement durch Seegras-Monitoring.
Ein weiteres Flachbodenboot
Im April 2023 konnten people and the sea ein zweites Projektboot erwerben. Die „Sidlak Kalipay“ (was so viel wie Sonnenstrahl bedeutet) ist ein sogenanntes Flachbodenboot oder Flachboot. Da die „Sidlak Kalipay“ größer ist als das bisherige Boot, die „Dancing Queen“, vereinfacht sich nun der Transport von eingesammeltem Müll, Kindern, Personal, Fischern, abgesammelten Dornenkronen und vielem anderen mehr.
Was wir gemeinsam erreichen wollen
- Abschaffung von zerstörerischen und illegalen Fischereiaktivitäten.
- Monitoring der Fischereiaktivitäten sowie Identifizierung und Monitoring ökologischer Schlüsselgebiete: Laichgründe, Korallenriffe, Seegraswiesen, Mangroven.
- Ökosystemmanagement: Korallenriffe und Seegraswiesen.
- Erhalt gesunder Fischbestände, die wiederum höhere Fangmengen für die Subsistenzfischerei ermöglichen.
- Rückkehr wichtiger Indikatorarten, wie Haie und pelagische Fischarten.
- Einrichtung einer Locally Managed Marine Area (LMMA).
- Ausweitung des Projekts auf die Insel Biliran (seit 1992 eigenständige Provinz der Philippinen).
Projektberichte
UN-Nachhaltigkeitsziele
Update: überarbeiteter und mit neuem Datum veröffentlichter Beitrag
Informationen und Fotos (soweit nicht anders angegeben): people and the sea