Berühmte Delfine – Einzelschicksale

20 Minuten

Immer wieder kommt es vor, dass Delfine zu Einzelgängern werden und aus freien Stücken die Nähe zu Menschen suchen. 114 solcher Solitärdelfine dokumentierte die britische Naturschutzorganisation Marine Connection in ihrem Bericht „Lone Rangers“ (2019). Viele von ihnen kennt man auch lange Zeit nach ihrem Tod als berühmte Delfine. Neuester Einzelgängerdelfin in Deutschland ist der Große Tümmler „Delle“ in der Ostsee. Er tauchte Ende April 2023 erstmals in der Lübecker Bucht auf. Anhand von Fotos stellte man fest, dass Delle kein Unbekannter ist. Man kannte ihn bereits in Schottland und in Dänemark! Nach mehreren Phasen der Abwesenheit ließ sich Delle von Mitte November 2023 bis Ende Januar 2024 erneut in Travemünde in der Lübecker Bucht blicken. Dort machte der ungemein aktive Delfin wieder mit seinen gewaltigen Sprüngen auf sich aufmerksam.

Die Menschenflüsterer

Manche dieser im Französischen auch Botschafterdelfine genannten Tiere wurden sogar in Büchern verewigt. Etwa JoJo, der sich seit den 1980er-Jahren in den Gewässern der Bahamas aufhält. In „JoJo und ich: Die Geschichte einer tiefen Freundschaft“ erzählt Dean Bernal von seiner Freundschaft zu JoJo. Oder Oline, die von 1994 bis 2004 im Roten Meer unterwegs war: Pascale Noa Bercovitch beschreibt ihre Geschichte über diesen berühmten Delfin in „Das Lächeln des Delfins“.

Auch in jüngster Zeit sorgten manche dieser außergewöhnlichen Tiere für Schlagzeilen. Wie Fungie, der „Ire“, der nach mehr als 25 Jahren im Oktober 2020 aus seinem „Heimathafen“ Dingle verschwand. Oder der „Franzose“ Zafar, der die Bretonen auf Trab hielt und dann in Holland ein trauriges Ende fand.

Stars der Ostsee

Auch vor unseren eigenen „Haustür“ häufen sich Besuche von „Lone Ranger“-Delfinen: Freddy, Delfie und Selfie, Schwenteeny und Sandy hießen die Stars der Ostsee. Von Irrgästen abgesehen, ist die Ostsee allerdings keine Heimat für Delfine. Dass sie in den vergangenen Jahren dort gehäuft auftauchten, könnte mit dem gelegentlichen Einströmen von Nordseewasser in die Ostsee zu tun haben. So vermuteten Experten vom Institut für Ostseeforschung im Zusammenhang mit Selfie, Delfie und Freddy, dass die Winterstürme 2014 die Meeressäuger in die Ostsee trieben.

Delle

Von Ende April 2023 bis Mitte Mai machte der Große Tümmler Delle mit seinen gewaltigen Sprüngen in der Lübecker Bucht, im Hafen von Travemünde und in der Trave auf sich aufmerksam. Dann verschwand Delle dann aus der Lübecker Bucht. Erneut gesichtet wurde er am 9. August vor Warnemünde bei Rostock.

Gewaltiger Sprung von Delle. Foto von Kirsten Bruns.
Delfin Delle bei Travemünde, Lübecker Bucht, © Kirsten Bruns

Zu diesem Zeitpunkt war sein Körper von multiplen Hautinfektionen gezeichnet, die allerdings nicht lebensbedrohlich sind. Anfang September nahm Delle Abschied von Rostock und Kurs Richtung Fehmarn. Im Fehmarnsund begleitete er am 5. September 20 Minuten lang das Segelboot „Kalami Star“. Seine auffälligen Hauterkrankungen sind deutlich zurückgegangen.

Am 13. September kehrte Delle schließlich wieder nach Travemünde zurück. Dort begleitet er Lotsenboote, Segelboote und Fähren.

Offensichtlich schwamm er von dort nicht wieder ins dänische Svendborg – dem Ausgangspunkt seiner Reise durch die deutsche Ostsee. In Svendborg hatte Delle drei Jahre lang gelebt.

Von Mitte November 2023 bis zum 29. Januar 2024 konnte man Delle wieder in der Lübecker Bucht bewundern. Dann verschwand er erneut. Möglicherweise wieder nach Warnemünde. Das ist bislang allerdings nicht eindeutig geklärt.

DSM-Spendenurkunde Delfin Delle.

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Der berühmte Delfin Delle im Warnow-Kanal bei Rostock mit starken Hautinfektionen.
Delle im Warnow-Kanal bei Rostock im August 2023. Deutlich zu erkennen sind die großflächigen Hauterkrankungen. © Verena Heidmann/DSM

„Bei den deutlich sichtbaren Hautflecken könnte es sich um Tattoo skin disease oder Lobomycosis handeln. Beides wird von Pockenviren und Pilzen hervorgerufen und sollte wieder verschwinden, wenn Delle in salzhaltigere und/oder kältere Gewässer schwimmt“, erklärt der Biologe Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung Meeresschutz. „Auch der verstorbene Eckernförder Delfin Sandy zog sich mit der Zeit diese großflächigen Hauterkrankungen zu. Nachdem dieser Gemeine Delfin zur Überraschung aller erfolgreich in der Ostsee überwintert hatte, waren die Infektionen auf seiner Haut verschwunden. Ähnlich ist es nun bei Delle. Fotos vom September aus dem Fehmarnsund zeigen, dass die Infektionen auf dem Rückzug sind. Seine Haut sieht schon viel besser aus“.

Salzgehalt bei Warnemünde und in der Beltsee

Das Brackwasser bei Warnemünde gilt mit 12 g Salz je kg Meerwasser (12 PSU, Practical Salinity Unit) als mesohalin (5 bis < 18 PSU). Wobei 10 PSU als biologische Grenze angesehen werden, die nur von wenigen Süßwasserarten überschritten und nur von wenigen Meerestierarten unterschritten werden kann1.

Der Salzgehalt östlich von Fehmarn bewegt sich dagegen, je nach Wassertiefe, zwischen 18 und 21,8 PSU (polyhalin). Zum Vergleich: Der Salzgehalt des Atlantiks und der nördlichen Nordsee liegt bei etwa 35 PSU.

Delle kam ursprünglich aus dem schottischen Moray Firth

Vor seinem Ausflug in deutsche Küstengewässer hatte der Einzelgängerdelfin drei Jahre in Svendborg (Dänemark) gelebt. Ursprünglich soll er aus einer Population stammen, die im schottischen Moray Firth lebt. 2017 verschwand Yoda, wie man ihn getauft hatte, und tauchte 2019 erstmals bei Svendborg auf. Mit seinen akrobatischen Kunststücken begeisterte der berühmte Delfin dort die Menschen und wurde schnell zu einer touristischen Attraktion.

Jesper Stig Andersen mit Delfin Delle und Möwenmutter Maggie mit Nachwuchs Pie auf dem SUP-Board
Dream Team beim Ausflug mit SUP-Board, Svendborg Anfang 2023: Jesper Stig Andersen mit Delfin Delle sowie Möwenmutter Maggie und ihrem Nachwuchs Pie. © Jesper Stig Andersen

Eine besondere Beziehung entwickelte Delle in dieser Zeit zu Jesper Stig Andersen. Über seine Freundschaft mit Delle hat der Däne auch ein Buch geschrieben. Und Jesper war es auch, der den inzwischen ca. 15 Jahre alten Großen Tümmler bereits nach der zweiten Begegnung Delle nannte, wie er uns verriet.

Delle kann rückwärts auf der Schwanzflosse laufen

Jesper Stig Andersen weiß auch von einem weiteren rätselhaften Verhalten seines Freundes zu berichten. Denn Delle beherrscht das sogenannte Tailwalking. Er kann rückwärts auf der Schwanzflosse laufen. Man kennt das von trainierten Delfinen aus der Gefangenschaftshaltung. Es tritt – soweit man bisher weiß – natürlicherweise nicht auf.

Tailwalking war zeitweise eine Art Modetanz bei einigen Port-River- oder Adelaide-Delfinen in Australien. Doch hier fanden Forscher den Ursprung für das Auftreten des Verhaltens. Ein wilder Delfin – das berühmte Weibchen Billie – hatte es sich während eines kurzen Rehabilitationsaufenthalts in einem Delfinarium von ihren in Gefangenschaft trainierten Artgenossen abgeschaut und später ihren wilden Artgenossen vorgeführt.

Vielleicht hat der aktive und springfreudige Delle Tailwalking zufällig ausprobiert und – wie die Port-River-Delfine – Spaß daran gefunden?

Wieso heißt Delle Delle?

Der Name hat nichts mit dem deutschen Wort Delle zu tun. Vielmehr handelt es sich um eine Art Kurzform, entstanden aus dem Dänischen delfin (Dänisch und Deutsch sind hier einheitlich): Spaßeshalber habe man den Großen Tümmler zunächst dellefin genannt, erklärt Jesper. Recht schnell setzte sich dann aber die verkürzte Fassung durch: Delle.

Von Svendborg sind es etwa 200 km bis in die Lübecker Bucht. Auch dort und bei Ausflügen in die Trave zog Delle mit seinen hohen Sprüngen und Drehungen immer mehr Einheimische und Besucher in seinen Bann. Anders als im dänischen Svendborg, wo Hinweisschilder die Besucher auf Verhaltensregeln hinweisen, gab es in Travemünde keine Pläne, den Einzelgängerdelfin zu schützen. Immerhin machte man keine Werbekampagne mit dem Großen Tümmler.

Grundsätzlich gilt: Abstand halten

Dringend abzuraten ist vom Schwimmen mit dem rund vier Meter großen und mehrere hundert Kilogramm schweren, sehr agilen und kräftigen Delfin. Denn dass die vermeintlich immer lächelnden Großen Tümmler auch anders können, zeigte sich im August 2020: Damals tötete Delle vor den Augen mehrerer schockierter Zuschauer im Hafen von Svendborg einen Schweinswal.

  1. Täuscher, Lothar. (2019). Wasser ist unser Element. Übersicht über 120 Jahre der Erforschung der Algenbesiedlung in nordostdeutschen Küstengewässern ↩︎

Sandy

Am 27. Januar 2021 starb der berühmte Eckernförder Delfin, den seine Fans Finchen, Sandy oder Lucy nannten. Das Weibchen der Art Gemeiner Delfin (Delphinus delphis) war im Februar 2020 erstmals in der Eckernförder Bucht gesichtet worden. Es hatte eine Boje als seine „Heimat“ auserkoren. Bis auf großflächige Hautinfektionen wirkte der Delfin bis zuletzt recht fidel, zeigte keinerlei Anzeichen einer Krankheit. Doch dann entdeckte ein Taucher die tote Sandy auf dem Meeresgrund liegend nahe „ihrer“ Boje. Ihr Körper wurde geborgen und ins Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW) in Büsum gebracht.

Der berühmte Delfin Sandy lebte bis zu seinem Tod in der Eckernförder Bucht.

Der Eckernförder Delfin Sandy gehörte zur Art der Gemeinen (oder Gewöhnlichen) Delfine. Der einzelgängerische Delfin erfreute Einheimische und Touristen fast ein Jahr lang und wurde berühmt.
Foto: © Kai Müsebeck

Die Obduktion ergab, dass das nicht geschlechtsreife, erst etwa sechs Jahre alte Weibchen an einer schweren Lungenentzündung starb. Fremdeinwirkung schlossen die ITAW-Tierärzte aus. Die Untersuchungen zeigten auch, dass sich Sandy von ihren Hauterkrankungen gut erholt hatte.

Schwenteeny

Nicht lange vor Sandy hatte ein männlicher Artgenosse namens Schwenteeny die Menschen im Norden begeistert. Er hielt sich von April bis Juni 2019 in der Kieler Bucht auf, meist im Mündungsbereich der Schwentine – daher auch sein Name. Medienberichten zufolge wurde er am 7. Juni das letzte Mal gesehen. Möglicherweise vertrieb ein am 5. Juni begonnenes NATO-Marinemanöver diesen berühmten Delfin.

Selfie und Delfie

Anfang 2016 tauchten die beiden Großen Tümmler Selfie und Delfie in der Ostsee auf. Da sie gemeinsam umherzogen, zählen sie genau genommen nicht in die Rubrik der „Lone Ranger“-Delfine. Erwähnt werden sollen sie dennoch, da auch sie ohne Scheu mit Menschen interagierten und zu berühmten Delfinen wurden. Ihre Namen hatten sie im Sommer 2015 von schwedischen Fans in Kalmar erhalten, wo sie sich zeitweise aufhielten. Im Januar 2016 erschienen sie bei Rostock, dann – mit Abstechern – in der Flensburger Förde und schließlich in der Kieler Bucht. Danach zogen sie weiter nach Dänemark.

Freddy

Der männliche Große Tümmler Freddy (mitunter auch Fiete genannt) war zunächst in Dänemark eine Berühmtheit, wo man ihn nach der Hafenstadt Fredericia benannte. Im September 2016 tauchte er in der Kieler Förde auf. Auch hier sprach sich die „tierische Attraktion“ schnell herum, der „Delfintourismus“ boomte. Nach einem kurzen Abstecher in die Holtenauer Schleuse und den Nord-Ostsee-Kanal kehrte Freddy zurück in die Ostsee.

Später verlor sich seine Spur, bis er Anfang 2017 vor der bretonischen Hafenstadt Saint Malo gesichtet wurde, wie sich mittels Fotoidentifizierung (Aufnahmen der Finne) feststellen ließ. In zwei Monaten hatte er rund 2.000 Kilometer zurückgelegt! Er verweilte nur kurz, bevor er die Gegend wieder verließ. Sein derzeitiger Aufenthalt ist unbekannt.

Berühmte Delfine von Neuseeland bis ins Rote Meer

Pelorus Jack aus Neuseeland

Pelorus Jack, ein Rundkopfdelfin, hielt sich von 1888 bis 1912 in der Cookstraße zwischen den beiden Hauptinseln Neuseelands auf. Dort begleitete er regelmäßig durchfahrende Schiffe. Viel näher kam er Menschen allerdings nicht. Nachdem 1904 von einem Schiff aus auf ihn geschossen wurde, stellte die Regierung ihn unter Schutz. 1912 verschwand Pelorus Jack und wurde nie wieder gesehen.

Zafar: Reise von Frankreich nach Holland – ohne Happy End

Am 2. Mai 2020 erreichte der Segelfrachter Tres Hombres den niederländischen Hafen IJmuiden – mit ungewöhnlicher „Eskorte“. Ein Großer Tümmler war seit der Bretagne nicht mehr von seiner Seite gewichen. Und er begleitete das Schiff weiter durch die Schleusen hindurch und 20 km landeinwärts bis in den Amsterdamer Suez-Hafen.

Doch der Industriehafen war kein sicheres Umfeld für den Delfin. Und so wurde er mit geeinten Kräften der niederländischen Stiftung SOS Dolfijn, der Wasserschutzpolizei und der Tres Hombres wieder ins offene Meer gelockt. Nach vier Tagen verlor man ihn aus den Augen. Und nach weiteren sieben Tagen wurde ein toter Delfin etwa 3 km nördlich von IJmuiden aufgefunden. Schnell stellte sich heraus, dass es sich um die treue Begleitung der Tres Hombres handelte. Denn wie SOS Dolfijn mittels Fotovergleich zwischenzeitlich herausgefunden hatte, war der Große Tümmler ein berühmter Delfin: Der „Franzose“ Zafar. Er hatte sich seit 2017 vornehmlich in der Gegend von Brest in der Bretagne aufgehalten.

Der berühmte Delfin Zafar aus Frankreich

Boote und Propeller zogen Zafar magisch an. Dies wurde ihm letztlich zum tödlichen Verhängnis. Basierend auf ihren Erlebnissen mit Zafar schrieb die Autorin und Fotografin Sand Arty ein Kinderbuch. Foto mit freundlicher Genehmigung: © Facebookseite Zafar dauphin ambassadeur

Fatal Attraction

Er war, wie Untersuchungen an der Tierärztlichen Fakultät der Uni Utrecht ergaben, an den Folgen eines Zusammenstoßes mit einem Boot gestorben. Seine Fluke fehlte, er wies mehrere Wirbel- und andere Knochenbrüche sowie ausgedehnte Blutungen auf: alles untrügliche Zeichen einer Kollision mit Schiffsrumpf und Schraube. Das rund 3,00 m große und 290 kg schwere Männchen war erst 14 Jahre alt, wie die Tierärzte anhand von Zahnuntersuchungen feststellten. Es hatte die Geschlechtsreife noch nicht erreicht.

Französischen Medienberichten zufolge war Zafar sehr gesellig und spielfreudig. Allerdings kam es wiederholt zu kritischen Situationen: So musste eine Schwimmerin per Boot gerettet werden, weil er sie daran hinderte, wieder an Land zu gehen. Auch rieb er sich gern an Booten auf dem Meer, sodass diese nicht weiterfahren konnten oder gar zu kentern drohten. Schwimmerinnen näherte sich dieser berühmte Delfin auch in offenkundig sexueller Absicht.

Fungie aus Irland

Fungie dürfte der berühmteste Einzelgängerdelfin sein. Der über die irischen Landesgrenzen hinaus bekannte männliche Große Tümmler hatte sich 1983 in der Dingle Bay „angesiedelt“. 2019 wurde er als ältester Solitärdelfin ins Guinness-Buch der Weltrekorde aufgenommen. Doch seit Oktober 2020 ist er verschwunden. Ob er tot ist oder weitergezogen, ist unbekannt. Bootstouren, Souvenirs, Veranstaltungen – in der Hafenstadt Dingle drehte sich alles um diesen einzigartigen Delfin. Sie lebte von Fungie und setzte ihm mit einer Skulptur ein Denkmal.

Fungie aus Irland war wohl der berühmteste Delfin.

Großer Tümmler Fungie mit Besuchern
Foto: © Philip Loos, 2014

Bobi aus Kroatien

Auch in Kroatien haben sich die tierischen Einzelgänger schon gezeigt. 2014 erfreute ein auf den Namen Bobi getaufter männlicher Großer Tümmler erstaunte Badende im Kariner Meer, einem Seitenarm der Adria bei Zadar. Immer wieder suchte er gezielt die Nähe zu den Menschen. Nach einiger Zeit verschwand der, tauchte 2015 dann erneut in der Gegend auf, diesmal im Novigrader Meer. 2016 sichtete man ihn weiter südlich, als er bei Neum Schwimmer „bespielte“. Danach verliert sich seine Spur.

Menschenretter Filippo aus Italien

Zu einiger Berühmtheit gelangte auch der männliche Große Tümmler Filippo an der süditalienischen Adriaküste: Er rettete im Jahr 2000 einen vierzehnjährigen Nichtschwimmer vor dem Ertrinken. Dieser Solitärdelfin lebte von 1995 bis 2004 im Hafen von Manfredonia. Er war Menschen sehr zugetan und ließ sich von ihnen auch berühren. Morgens begleitete er Fischer- oder Freizeitboote aus dem Hafen und kehrte abends mit ihnen zurück. 2004 fand man ihn leider tot auf. Auch er starb wohl an den Folgen eines Zusammenstoßes mit einem Boot.

Filippo in Manfredonia

Großer Tümmler Filippo in Manfredonia
Foto: © Giovanni Simone

JoJo aus der Karibik, ein berühmter Delfin wird zum Problemdelfin

Anfang der 1980er-Jahre verschlug es den jungen Dean Bernal als Tauchlehrer auf die Turks- und Caicosinseln in der Karibik (die genau genommen im Atlantik liegen). Es dauerte nicht lang, da schloss er Freundschaft mit einem Delfin, den er auf den Namen JoJo tauft.

Das Tümmlermännchen war als „aggressiv“ verschrien, als „Delfin-Raubein“, das „arglose Schwimmer anfiele“ und auch beißen würde. Dean fand jedoch heraus, dass JoJo sich lediglich gegen aufdringliche Besucher wehrte und dass die Bucht vormals eine Art Stammgebiet für ihn und etwa 15-20 Artgenossen war – bevor die ersten Ferien- und Wasserskianlagen entstanden und die Großen Tümmler vertrieben.

Nur JoJo kehrte immer wieder zurück. Vielleicht weil er bei einem Hurrikan von seiner Mutter getrennt wurde, ebenso wie zwei weitere Jungdelfine, denen jedoch kein langes Leben beschieden war: Der eine starb an den Folgen eines Zusammenstoßes mit einem Boot, der andere war von Einheimischen mit einem Fischspeer getötet worden.

Männerfreundschaft mit einem berühmten Delfin

„Warum JoJo mir Gelegenheit gab, seinen Lebensweg zu teilen, weiß ich bis heute nicht“, erzählt der studierte Zoologe in seinem Buch „JoJo und ich: Die Geschichte einer tiefen Freundschaft“. Es ist eine einzigartige Freundschaft zwischen einem Menschen und einem Delfin. Dean glaubt, dass es sich dabei um eine für Große Tümmler typische „Männerfreundschaft“ handelt, wie sie sich gewöhnlich unter Jungtieren entwickelt und die mitunter ein Leben lang andauern kann.

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Geschichte dieser ungewöhnlichen Freundschaft. Immer mehr Touristen reisten an, um den circa 2,50 m großen Meeressäuger selbst hautnah zu erleben. Um ihn besser vor dem Menschenandrang zu schützen, erwirkte Dean, dass JoJo 1989 von der Inselregierung zum nationalen Kulturgut erhoben und ein Großteil seines Lebensraums unter Schutz gestellt wurde. Zur Überwachung seines Wohlergehens stellte die Regierung einen Ranger ab. Zudem ist es seither verboten, den Meeressäuger anzufassen.

Seine Affinität zu Booten wurde JoJo wiederholt zum Verhängnis. Mehr als einmal zog sich der berühmte Delfin schwere Verletzungen durch Bootspropeller zu.

Oline aus dem Roten Meer

Oline, auch Olin oder Holly, war ein weiblicher Indopazifischer Großer Tümmler (Tursiops aduncus), der von 1994 bis 2004 im Roten Meer bei Nuweiba in Ägypten an der Küste von Sinai lebte. Das Weibchen war eines Tages im Frühjahr 1994 dort aufgetaucht, kam immer regelmäßiger, wurde allmählich zutraulicher und im Laufe der Jahre sehr berühmt.

Pascale Noa Bercovitch erzählt in ihrem Buch die außergewöhnliche Geschichte über die Freundschaft zwischen dem taubstummen Beduinenjungen Abid’allah und Oline. © Ullstein Buchverlage

Buchcover Oline Bercovitch

Insbesondere mit dem taubstummen Beduinenjungen Abid’allah entwickelte Oline eine engere Beziehung. Und für die Forscher des Israeli Marine Mammal Research & Assistance Center (IMMRAC) ergab sich so eine hervorragende Möglichkeit, die Entwicklung eines Lone-Ranger-Delfins und seine Beziehung zu Menschen aus nächster Nähe über mehrere Jahre hinweg zu beobachten.

Oline entwickelte sich rasch zum Publikumsmagneten. Aus aller Welt reisten Delfinfreunde an, um mit ihr zu schwimmen. Doch der Menschenandrang war ihr nicht immer willkommen. Im Laufe der Zeit verhielt sich Oline wiederholt aggressiv gegen Schwimmer, die ihre natürlichen Warnsignale oftmals nicht verstanden. Daher versuchte man, sie durch Regelung der Besucherzahlen besser zu schützen.

Oline hat Nachwuchs

Das Besondere an Olines Geschichte: Sie brachte in ihrer Zeit bei Nuweiba auch Nachwuchs zur Welt. Die beiden 1996 und 1999 geborenen Männchen zog sie in Menschennähe auf. Doch Jimmy und Ramadan starben beide jeweils im Alter von circa sechs Monaten. Die Todesursache konnte von den IMMRAC-Forschern nicht geklärt werden. Im Oktober 2000 bekam sie dann ihr drittes Junges, ein Weibchen. Diesmal zog sich Oline von den Menschen weiter nach Norden bis vor Eilat (Israel) zurück und bildete mit drei fotoidentifizierten Delfinmännchen eine Gruppe.

Ein viertes Kalb wurde 2004 geboren und starb mit 7 Wochen. Im Dezember 2004 wurde Oline selbst nördlich von Nuweiba tot aufgefunden, die Todesursache konnte nicht bestimmt werden. Sie war nur 18 Jahre alt geworden, wie die Untersuchungen ergaben.

Solitärdelfine erfordern besondere Rücksichtnahme

„Die Beispiele zeigen, wie sehr das Wohlergehen dieser Einzelgänger von unserem eigenen Verhalten abhängt. Je mehr Rücksicht wir alle nehmen, desto länger werden wir uns an ihnen erfreuen können und umso geringer ist die Gefahr von verletzungsträchtigen Situationen für Mensch und Tier“.

Deutsche Stiftung Meeresschutz

Titelfoto: Solitärdelfin Delle bei Travemünde. © Kirsten Bruns

Titelfoto: Sandy (auch Finchen oder Lucy genannt) war ein Solitärdelfin der Art Gemeiner Delfin (Delphinus delphis). Das Weibchen hielt sich fast ein Jahr lang in der Eckernförder Bucht auf, bis es im Januar 2021 tot aufgefunden wurde.  Die Delfindame war DIE Attraktion an der deutschen Ostseeküste im Sommer 2020, lockte Schwimmer, Taucher und Boote ins Wasser. Kai Müsebeck, der nur zufällig in der Gegend Urlaub machte, gelangen die wunderschönen Aufnahmen von Sandy: „Es war wirklich ein tolles Erlebnis.“
© Kai Müsebeck

Update: erweiterter und überarbeiteter Beitrag. Mit neuem Datum wieder veröffentlicht.


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