16. Konferenz der UN-Biodiversitätskonvention

Mit einem Tag Verspätung endete die 16. Vertragsstaatenkonferenz der UN-Biodiversitätskonvention (Convention on Biological Diversity/CBD COP16) am 2. November 2024 in Cali, Kolumbien. Im Gegensatz zum „großen Wurf“ der vorangegangenen COP15 in Montreal markiert die COP16 einen Tiefpunkt für den globalen Artenschutz. Zentrale Fragen zur Finanzierung des auf der COP15 beschlossenen 30-×-30-Ziels blieben ungelöst. Am Schluss musste die Konferenz abrupt abgebrochen werden. Zu viele Delegierte waren bereits abgereist und man war nicht mehr beschlussfähig. Die Abgereisten hatten nicht genügend Geld, um ihren Aufenthalt in Kolumbien zu verlängern.

„Die COP16 ist eine fürchterliche Enttäuschung und ein wirklich schmerzhafter Rückschritt für den Erhalt bedrohter Tier- und Pflanzenarten. Eine Chance, das globale Massenaussterben zu bremsen, wurde wegen egoistischer Einzelinteressen der Industrienationen leichtsinnig vertan. Auch Deutschland hat auf ganzer Linie versagt“, erklärt der Biologe Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung Meeresschutz zum Scheitern der Konferenz.

Arten beim Aussterben zusehen

Durch das vom Menschen ausgelöste sechste Massenaussterben der Erdgeschichte verschwinden Tier- und Pflanzenarten mit nie dagewesener Geschwindigkeit. Viele Arten sterben aus, ohne dass wir überhaupt wussten, dass es sie gegeben hat. Anderen wiederum kann man beim Aussterben zusehen.

Den Vaquita oder Kalifornischen Schweinswal werden die Beschlüsse der CBD nicht retten können.
Es ist ein Wunder, dass der Vaquita noch nicht ausgestorben ist. Foto: Paula Olson/NOAA

Wie dem Vaquita. Von der auch Kalifornischer Schweinswal genannten Art existieren inzwischen nur noch um die neun erwachsene Exemplare.

Dramatisch ist auch die Situation der tropischen Korallenriffe. Etwa 30 Prozent sind bereits verloren. Und mit ihnen Zehntausende von Arten, die dort gelebt haben. Bei anderen bekannten Arten, wie Geigenrochen oder Sägerochen, weiß man wegen fehlender Daten nicht, ob sie nicht bereits ausgestorben sind.

Der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) stellte in seinem Bericht zum Zustand der Ökosysteme und Artenvielfalt fest, dass das Tempo des weltweiten Artensterbens schon jetzt zehn- bis hundertmal höher ist als im Durchschnitt der letzten 10 Millionen Jahre. Innerhalb von 80 Jahren (einer menschlichen Lebensspanne) könnte eine Million weiterer Arten aussterben.

Dabei lässt sich bei vielen Arten wie Haien oder Rochen das Aussterberisiko mangels verfügbarer Daten aktuell gar nicht bewerten. Besonders Küstenökosysteme weisen laut IPBES einige der größten historischen Verluste auf. Die Zerstörung von bedeutenden Meeresökosystemen wie MangrovenwäldernSeegraswiesen oder Korallenriffen hält nach wie vor unvermindert an.

Die am 9. Dezember 2022 veröffentlichte Aktualisierung der Roten Liste gefährdeter Arten der Weltnaturschutzorganisation IUCN verdeutlicht das Ausmaß des Artensterbens in den Meeren. Mehr als 1.550 der 17.903 bewerteten Meerestiere und -pflanzen sind laut IUCN aktuell vom Aussterben bedroht. Besonders verschärft hat sich die Situation bei Dugongs (Gabelschwanzseekühe) und Abalone-Schnecken. Dugongs sowie 20 von 54 Abalone-Arten sind jetzt als vom Aussterben bedroht in Liste aufgeführt.

Abalone-Schnecken sind wie der Kanarienvogel in der Kohlemine

Abalone-Schnecken gehören zu den teuersten Meeresfrüchten. Hauptbedrohungen für die Mollusken sind nicht nachhaltige und illegale Fischerei. Sie leiden außerdem, wie alles Leben in den Ozeanen, unter der Klimakrise, Krankheiten, Meeresverschmutzung, Lebensraumverlust, Algenblüten und Versauerung.

„Abalonen spiegeln den katastrophalen Umgang der Menschheit mit unseren Ozeanen im Mikrokosmos wider. Sie sind wirklich der Kanarienvogel in der Kohlemine“, erklärt Dr. Howard Peters, Mitglied der IUCN-Expertengruppe SSC Mollusc Specialist Group und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der University of York, Großbritannien. Er leitete die Abalone-Bewertung.

Seetang und Abaloneschnecken im Great Barrier Reef. Beides wird auch in Aquakulturen gezüchtet.
Seetang und Abaloneschnecken. © Ocean Image Bank/Stefan Andrews

„Die unmittelbare Maßnahme, die die Menschen ergreifen können, ist, nur noch Abalonen aus Zuchtbetrieben oder nachhaltiger Fischerei zu essen. Ebenfalls entscheidend sind die Durchsetzung von Fangquoten und Maßnahmen zur Bekämpfung illegaler Fischerei. Langfristig jedoch müssen wir die Veränderungen der Meereschemie und -temperatur aufhalten, um das Leben in den Meeren, einschließlich der Abalone-Arten, zu erhalten“, fordert Peters.

Meilenstein für den Artenschutz: die COP15 der Biodiversitätskonvention

Auf der 15. Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention (COP15) vor zwei Jahren brachten die 196 teilnehmenden Staaten in Montreal in letzter Minute einen Meilenstein für den internationalen Artenschutz und den Erhalt von Ökosystemen auf den Weg. Sie verständigten sich mit Verabschiedung des 30-×-30-Ziels darauf, die Biodiversitätskrise und den Verlust von Ökosystemen bis 2030 aufzuhalten. Das 30-×-30-Ziel bedeutet, dass 30 Prozent der Land- und 30 Prozent der Meeresflächen bis 2030 unter Schutz stehen sollen. Gleichzeitig wollte man eine gerechtere Aufteilung der Nutzung natürlicher Ressourcen zwischen Nord und Süd erreichen.

Vielfach wird in der COP15 der vielleicht wichtigste Umweltvertrag des Jahrzehnts gesehen, auch wenn CBD-Beschlüsse rechtlich nicht bindend sind. Dennoch ist die Vereinbarung von Montreal die umfangreichste Verpflichtung zum Schutz der biologischen Vielfalt, auf die sich die internationale Staatengemeinschaft jemals geeinigt hat.

Wissenschaftler und Umweltverbände hatten von der Artenschutzkonferenz verbindliche Regelungen zur Messbarkeit von Schutzmaßnahmen und eine Rechenschaftspflicht der Mitgliedsländer verlangt. Weitere Forderungen betrafen den Tiefseebergbau, den Abbau umweltschädlicher Subventionen, die Renaturierung von Ökosystemen sowie eine naturverträgliche Landnutzung und die Bekämpfung von Plastikmüll.

„Immerhin endete die CBD nicht ganz so kläglich wie die UN-Klimakonferenz (COP27) im ägyptischen Scharm el-Scheich. Doch ein 30-Prozent-Ziel ohne klare Regeln auszurufen, wird das Artensterben in den Meeren nicht bremsen“, sagt der Biologe Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung Meeresschutz. „Deutschland beispielsweise hat bereits mehr als 40 Prozent seiner Küstenmeere und Ausschließlichen Wirtschaftszonen in Nord- und Ostsee zu Meeresschutzgebieten erklärt. Für den Erhalt der biologischen Vielfalt sind sie jedoch weitgehend wirkungslos. Reine Paper Parks“.

Tiefseebergbau: neue Gefahr für die biologische Vielfalt der Meere

NGO-Positionspapier zur CBD COP15 mit Empfehlungen für den Tiefseebergbau zum Erhalt der biologischen Vielfalt in den Meeren.

Eine in ihren Auswirkungen auf die marine Artenvielfalt und Lebensräume unkalkulierbare neue Gefahr ist der Tiefseebergbau. Für den unstillbaren Rohstoffhunger der Menschheit will man mit der Ausbeutung mineralischer Rohstoffe (Manganknollen, Massivsulfide und Kobaltkrusten) am Meeresboden und an Seebergen beginnen.

Als Mitglied der Deep Sea Conservation Coalition (DSCC) forderten wir gemeinsam mit anderen Meeresschutzorganisationen zur COP15 der UN-Biodiversitätskonvention effektive Schutzmaßnahmen für die Tiefsee.

  • NGO-Positionspapier Empfehlungen für den Tiefseebergbau zum Erhalt der biologischen Vielfalt in den Meeren

Wissenschaftler fordern Priorisierung beim Schutz der Tiefsee

Zum Beginn der COP15 der UN-Biodiversitätskonvention forderten auch Wissenschaftler vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt in einer öffentlichen Stellungnahme, den Schutz der Tiefseeökosysteme und ihrer Organismen zu priorisieren. Gemeinsam mit internationalen Kollegen setzen sie sich für die Gesundheit der Ozeane und das Wohlergehen der Menschheit ein.

Ein schwimmendes Kopfloses Hühnermonster (Enypniastes eximia)
Das Kopflose Hühnermonster (Enypniastes eximia) ist eine Tiefsee-Seegurke, die schwimmen kann. Sie ist bisher für Tiefen bis 2.100 m nachgewiesen. © NOAA Ocean Exploration and Research

„Die sich zwischen 200 und 11.000 Metern Tiefe erstreckende Tiefsee ist der weltweit größte Lebensraum und umfasst mehr als die Hälfte der Erdoberfläche. Sie spielt sowohl eine Schlüsselrolle bei der globalen Klimaregulation, indem sie Kohlendioxid und Wärme speichert, als auch für die Erhaltung der Artenvielfalt. Die Tiefsee gehört zu den artenreichsten Lebensräumen weltweit“, erklärt Dr. Stefanie Kaiser vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt.

Effektiver Schutz der Tiefsee zur Bewahrung der globalen Biodiversität

„Ein effektiver Schutz der Tiefsee wird den Verlust von Hunderttausenden eindrucksvollen Arten verhindern, die ansonsten im Anthropozän, dem von uns Menschen geprägten Zeitalter, aussterben. Wir fordern daher die Verantwortlichen auf, die Bedeutung und den Wert aller Tiefseearten zu würdigen und den Schutz der Tiefsee in ihren Zielen zur Bewahrung der globalen Biodiversität voranzustellen“, betont Kaiser1.


Übereinkommen zur biologischen Vielfalt (UN-Biodiversitätskonvention)

Die Convention on Biological Diversity/CBD ist ein völkerrechtlich verbindliches Übereinkommen. Die Biodiversitätskonvention (CBD) geht auf den Erdgipfel in Rio de Janeiro 1992 (Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung) zurück. Seit Mitte der 1990er-Jahre haben sich 196 Länder dem Übereinkommen angeschlossen. Bedauerlich ist, dass die USA es bislang nicht unterzeichnet haben.

Die Biodiversitätskonvention verfolgt drei Hauptziele:

  • Erhalt der terrestrischen und marinen Artenvielfalt, der Lebensräume und aller Gene
  • Nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen
  • Gerechte Aufteilung der Gewinne aus der Nutzung natürlicher genetischer Ressourcen (z. B. Gewinnung und Vermarktung von Medikamenten aus Korallen)

In früheren Beschlüssen forderte die Biodiversitätskonvention, auch in Gebieten jenseits nationaler Zuständigkeit (Hohe See) Meeresschutzgebiete zu schaffen. Dabei sollten ökologisch oder biologisch bedeutende Gebiete (Ecologically or Biologically Significant Marine Areas, EBSAs) vorrangig behandelt werden. Auch der Rio+20-Gipfel im Jahre 2012 hatte die Staatengemeinschaft aufgefordert, den Schutz der biologischen Vielfalt rasch zu einem Ergebnis zu bringen.

Jedoch konnte keines der Ziele der Biodiversitätskonvention bislang erreicht werden. Im Gegenteil. Die Aussterberate von Tieren und Pflanzen auf der Erde hat sich seit Rio 1992 dramatisch verschärft. Dafür fand UN-Generalsekretär António Guterres anlässlich der Eröffnung der COP15 mehr als deutliche Worte. Er warb für einen „Friedensvertrag mit der Natur“, denn „die Menschheit ist zu einer Massenvernichtungswaffe geworden“.

Titelbild: Mittelmeer-Mönchsrobben gehören zu den europäischen Meeressäugetieren mit dem höchsten Aussterberisiko. Foto: Jürgen und Edith Fleissner

  1. Kaiser, S., Sigwart, J., Niamir, A., Saeedi, H., Chen, C., Hilário, A., Horton, T., Howell, K., Levin, L., Osborn, K., Brandt, A. (2022) Vielfalt in der Finsternis – Wirksamer Meeresschutz braucht mehr Wissen über Arten. SGN Policy Brief, 12/2022, https://doi.org/10.5281/zenodo.7373440 ↩︎

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