Der Grauwal – ein Wal wie kein anderer

5 Minuten

Der Grauwal (Eschrichtius robustus) verdankt seinen Namen der grau melierten Körperfarbe. Auffällig sind die unregelmäßig auf der Haut verteilten bis zu 200 kg an Seepocken und Walläusen. Diese Giganten leben grundsätzlich in Küstennähe. Daher sind sie eine der am besten untersuchten Walarten. Die jährlichen Rundwanderungen der ostpazifischen Grauwale gehören zu den bekanntesten und längsten im Tierreich. Bei ihrer Rundwanderung zwischen den Nahrungsgründen entlang der Küste Alaskas und den Fortpflanzungsgründen entlang der Küste Mexikos in die Baja California legen sie bis zu 20.000 Kilometer zurück. Normalerweise treffen sie im Dezember in der Baja California ein. Dort halten sie sich dann bis zu vier Monate lang auf, um ihre Jungen zur Welt zu bringen. Dann geht es wieder zurück. Lediglich Buckelwale wandern noch längere Strecken.

Ein Wal wie kein anderer

Grauwale unterscheiden sich derart deutlich von allen anderen Walen, dass man sie einer eigenen systematischen Familie zugeordnet hat. Unter den heutigen Bartenwalen, zu denen z. B. Buckelwale oder Finnwale zählen, steht die Art einmalig da. Denn ein Grauwal sucht seine Nahrung hauptsächlich am oder über dem Meeresboden. Dort filtert er allerlei kleine Organismen aus dem Sediment oder der Wassersäule. Ungewöhnlich ist auch, dass die Tragzeit dieser Meeressäuger bei über einem Jahr liegt.

Artensteckbrief Grauwal

Wie groß ist ein Grauwal?

Bei einer Körpergröße von bis zu 15 m bringt ein Grauwal etwa 34 Tonnen auf die Waage.

Was fressen Grauwale?

Sie ernähren sich von einer breiten Palette benthischer (auf oder im Meeresboden) und epibenthischer (über dem Sediment) lebender Organismen wie Würmern, Krebstieren (Flohkrebse oder Ruderfußkrebse), Schnecken und kleinen Fischen. Bis zu 1,25 Tonnen dieser Nahrung kann ein ausgewachsener Wal täglich konsumieren. Dabei fressen sie fast ausschließlich während der Sommermonate in den nahrungsreichen Gewässern vor der Westküste Nordamerikas. Dadurch wird die lange Wanderung bis nach Mexiko und zurück zum Risiko. Denn in dieser Zeit nehmen sie kaum noch Nahrung zu sich. Auch nicht, während sie den Winter vor der Küste Mexikos verbringen.

Wie viele Grauwale gibt es noch?

Seit dem Höchststand der Population im Ostpazifik im Jahr 2016 mit etwa 27.000 Exemplaren sank der Bestand bis 2023 auf 14.500 Tiere. Im Westpazifik (Nordost-Sachalin und Südost-Kamtschatka) gibt es noch einen kleinen Bestand von etwa 300 erwachsenen Grauwalen.

Grauwale gründeln und wühlen am und im Meeresboden

Seine Nahrungsaufnahme macht den Grauwal einzigartig. Wenn die Giganten in Sedimenten am Meeresboden gründeln und wühlen, rollen sie sich langsam schwimmend auf die Seite. Dabei filtern sie die Nahrung durch die 130 bis 180 groben Bartenplatten auf beiden Seiten ihres Oberkiefers und hinterlassen lange Schlammspuren und „Fütterungsgruben“ (feeding pits) im Meeresboden. Hierbei bevorzugen die meisten Grauwale ihre rechte Seite. Dies führt im Laufe zur schnelleren Abnutzung der rechten Barten.

Ein Grauwal in der Baja California zeigt seine Barten.

Grauwal in der Lagune von San Ignacio, Mexiko. © Iris Ziegler

Jährliches Grauwal-Treffen in der Baja California

Wie die anderen Bartenwale auch, wandern Grauwale zwischen Nahrungs- und Fortpflanzungsgründen hin und her. Wobei der Reproduktionszyklus eng an den Wanderzyklus gebunden ist. Fast alle Tiere treffen sich jedes Jahr in den geschützten Lagunen der Baja California.

Das sehr salzhaltige und flache Wasser der Lagunen ist optimal, um die bei der Geburt bereits etwa viereinhalb Meter langen und 500 Kilogramm schweren Kälber sicher auf die Welt zu bringen und aufzuziehen. Walkälber kommen bei der Geburt mit dem Schwanz voran zur Welt. Sie werden sofort von ihren Müttern und manchmal „Helferinnen“ an die Wasseroberfläche gebracht, damit sie ihre Lungen mit Luft füllen können.

Whalewatching in der San Ignacio Lagune, Mexiko.

Whalewatching mit Grauwalen in der Lagune von San Ignacio, Mexiko. © Iris Ziegler

Grauwale: Einst leichte Beute für Walfänger

Während des 17. und 18. Jahrhunderts gab es auch im Nordatlantik Grauwale. Dort wurden sie allerdings von Walfängern ausgerottet. Heute gibt es noch eine kleine Population mit etwa 300 erwachsenen Tieren im westlichen Pazifik. Der Bestand der Grauwal-Population im Ostpazifik ist dagegen wesentlich größer. Er unterliegt jedoch starken Schwankungen. Vom Höchststand aus 2016, mit 27.000 erwachsenen Exemplaren, ging ihr Bestand bis 2023 auf nur noch 14.500 Grauwale zurück. Wissenschaftler vermuten, dass die Art ihre heutige Lebensraum-Kapazität ausgeschöpft hat.

Die Rettung des Grauwals – eine Erfolgsgeschichte

Die Grauwale des Ostpazifiks zählen zu den Erfolgsgeschichten im Meeresschutz. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts waren sie durch den kommerziellen Walfang fast ausgerottet. 1946 dann verbot die Internationale Walfangkommission (IWC) die Jagd. Damit konnte das Aussterben des Grauwals verhindert werden. 1994 dann konnte die Art von der Roten Liste bedrohter Tierarten gestrichen werden. Seitdem nahm ihre Zahl stetig zu, erreicht aber nicht mehr die Höhe aus der Zeit vor dem kommerziellen Walfang. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts soll es ca. 96.000 Grauwale gegeben haben.

Titelfoto: Springender Grauwal, NOAA Fisheries/Dave Weller


Weiterführende Informationen