Die zu Dänemark gehörenden Färöer-Inseln sind – wie der Golf von Biskaya – eines der Meeresgebiete in Europa, welches Meeressäuger besser meiden sollten. Jedes Jahr sterben hier Hunderte, manchmal über tausend Delfine und Wale. Man lässt die in seichte Buchten getriebenen Tiere bei vollem Bewusstsein ausbluten. Sobald ein Insulaner vorbeiziehende Meeressäuger entdeckt, wird zur Jagd „geblasen“. Dann treibt man mit Booten die Tiere in eine Bucht. Dort warten bereits weitere Färinger darauf, sie abschlachten zu können. Jedes Mal ist es ein Volksfest. Anschließend wird das Fleisch kostenlos an die Einwohner verteilt. Die Inselbewohner berufen sich bei der Grindadráp genannten Jagd auf traditionelle Subsistenzwirtschaft. Angeblich soll sie bis in die Wikingerzeit zurückreichen. Historische Aufzeichnungen gibt es dazu jedoch erst seit dem 16. Jahrhundert.
Wir sind mitten im sechsten globalen Massenaussterben, unzählige Tier- und Pflanzenarten verschwinden mit rasender Geschwindigkeit. Dennoch nehmen sich die Bewohner der Färöer-Inseln die Freiheit heraus, in einem blutigen Mordritual mit Volksfestcharakter ganze Familien und Gruppen intelligenter und in hochkomplexen Gemeinschaften lebender Meeressäugetiere auszulöschen. Abgesehen von aller Grausamkeit zerstören sie damit die genetische Vielfalt der betroffenen Arten und gefährden das Überleben von Tieren, die durch internationale Übereinkommen, wie die Bonner Konvention (Übereinkommen zur Erhaltung wandernder wild lebender Tierarten, CMS) geschützt sind.
Ulrike Kirsch, Vorstand Deutsche Stiftung Meeresschutz
Inhaltsverzeichnis
Blutige Statistik 2022: Mehr als 630 getötete Meeressäuger
Im Januar 2023 gab die Regierung der Färöer die Zahl der 2022 während eines Grindadráp und nach Strandungen getöteten Meeressäuger bekannt. Demnach starben im vergangenen Jahr 527 Grindwale, 98 Große Tümmler und sechs Nördliche Entenwale. Bei Letzteren handelte es sich um auf natürliche Weise lebend gestrandete Tiere, die dann getötet wurden.
1.400 Delfine sterben 2021 bei einem Grindadráp
Der 15. September 2021 war der blutigste Tag in der langen Historie des Färöer-Grindadráp. An diesem Tag verloren mehr als 1.400 Weißseitendelfine im Skálafjord auf der zweitgrößten Färöerinsel Eysturoy ihr Leben. Es war ein unvorstellbares Blutbad. Fotos zeigten die eng beieinanderliegenden Körper der Tiere nach dem Grindadráp. Ihr Rückenmark war hinter dem Kopf durchtrennt. Blutrot war das Meer. Es war das größte Delfinmassaker, das jemals auf der im Nordatlantik liegenden Inselgruppe verzeichnet wurde. Experten gehen davon aus, dass allein mit diesem einen Grindadráp etwa zwei Prozent der Weißseitendelfin-Population im Nordostatlantik vernichtet wurden.
Färinger im Blutrausch
Die Bilder waren nicht zu ertragen, so unvorstellbar grausam war das von mehreren Organisationen und Newsseiten videodokumentierte Geschehen von diesem blutigen Sonntag auf den Färöer-Inseln. Am Strand lagen Hunderte Delfine. Teils lebten sie noch, zappelten im Todeskampf, während Fischer ihnen den Kopf abtrennten. Fischer wateten im blutroten Meer umher. Volksfestartiges Geschrei. Mittendrin auch Kinder.
Die ungewöhnlich hohe Zahl an einem Tag getöteter Weißseitendelfine stieß laut Medienberichten selbst bei einigen hart gesottenen Färöern auf Unverständnis. Man fürchtete um den Ruf der Insel als touristisches Ziel und Boykotte färingischer Fischprodukte in Europa. Doch nur zwei Wochen später starben 52 Grindwale bei einem weiteren Grindadráp.
Grindadráp: traditionelle Jagd zur Nahrungsbeschaffung?
Doch auf Delfinfleisch als Nahrung ist auf den Inseln niemand mehr angewiesen. Die Färöer sind nicht Not leidend. Außerdem steht ihnen das Königreich Dänemark mit Subventionen zur Seite. In der Regel fallen bei einem Grindadráp an der Inselgruppe vorbeiziehende Grindwale, eine größere Delfinart, zum Opfer. Nach färöischen Angaben starben 2020 Jahr 576 Grindwale sowie 35 Weißseitendelfine.
„Für die Tiere ist das unvorstellbar grausam und schmerzhaft. Sie erleben ihr Sterben und das ihrer Familienmitglieder bei vollem Bewusstsein. Gehirn und Nervensystem der Meeressäuger sind darauf getrimmt, längere Zeit ohne Sauerstoffzufuhr zu funktionieren“, erläutert dazu Ulrich Karlowski, Biologe bei der Deutschen Stiftung Meeresschutz.
Foto: IngBla (wikimedia/licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)
Dänemark entzieht sich der Verantwortung
Die Färöer-Inseln sind eine teilautonome, „gleichberechtigte Nation“ des Königreichs Dänemark. Sie sind nicht Teil der EU. Jedoch ist Dänemark zuständig für Fiskal- und Verteidigungsfragen. „Dänemark könnte, wenn es wollte, die Färöer zwingen, die für Dänemark geltenden, strengen Schutzabkommen für Delfine in Europa einzuhalten. Doch man schreckt aus Furcht vor damit verbundenen Protesten seit Jahrzehnten davor zurück, weist jede Verantwortung für die blutigen Grindadráps von sich“, meint Ulrich Karlowski.
Hochriskant: Verzehr von Delfinfleisch
Der Verzehr des Delfinfleisches ist für die rund 50.000 Inselbewohner mit erheblichen Gesundheitsrisiken verbunden. Denn das Fleisch von Grindwalen oder Weißseitendelfinen ist im Grunde Sondermüll. „Die Meeressäuger agieren auf der obersten Ebene der Nahrungsnetze im Meer. Daher akkumulieren sie Umweltgifte in Fett, Organen und Muskelgewebe“, sagt Ulrich Karlowski. „Sie sind vollgestopft mit Quecksilber, PCB, Kadmium oder Pestiziden wie Dieldrin“.
Inselbewohner ignorieren wissenschaftliche Erkenntnisse
Seit 2004 ist bekannt, dass werdende Mütter und kleine Kinder auf den Färöer-Inseln unter einer schleichenden Quecksilbervergiftung leiden. Auch fanden Wissenschaftler der Universität Odense, Dänemark, bei Kindern hohe Konzentrationen anderer bei Meeressäugern typischer Umweltgifte. Bei Verhaltensstudien stellten Wissenschaftler beim Färingernachwuchs Sprach-, Konzentrations- und Erinnerungsstörungen fest. Typische Symptome einer Quecksilbervergiftung.
Wenn es frischen Grindwal gibt, wird nur ein Teil davon auch sofort zubereitet. Meistens in einem großen Topf, Familie und Freunde essen dann zusammen. Der Großteil jedoch wird gepökelt und getrocknet. Foto: IngBla (wikimedia/licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International license)
Gesundheitsbehörde warnt vergeblich
Als Reaktion auf die Testergebnisse wies die färingische Gesundheitsbehörde bereits vor Jahren an, dass Frauen, die Kinder wollen, schon schwanger sind oder stillen, kein Delfinfleisch mehr essen sollen.
Erst wenn sie sich sicher sind, dass sie kein Kind mehr zur Welt bringen wollen, könnten sie wieder davon essen. Zusätzlich riet man allen Erwachsenen, den Konsum von Meeressäugerfleisch auf zweimal im Monat zu reduzieren. Dennoch geht die bei feuchtfröhlichen Volksfesten zelebrierte Jagd weiter. Nicht nur für Meeresschützer ist der Grindadráp ein barbarisches Relikt aus der Vergangenheit, das längst seine Bedeutung verloren hat.
Wir rufen zum Boykott auf!
Reisen Sie nicht auf die Färöer-Inseln!
Kaufen Sie keine Produkte von dort!
Exportschlager der Inseln sind mit mehr als 95 % Fischprodukte, wobei Zuchtlachs rund die Hälfte aller färöischen Exporte ausmacht. Diesen findet man auch hier in Deutschland, z. B. von der Färinger Firma Bakkafrost oder bei „Deutsche See“.
Nachgefragt bei der EU
Wie kann es sein, dass derart viele Delfine in Europa ganz legal getötet werden dürfen? Und welche Rolle spielt Dänemark dabei? Das wollten im November 2021 parteiübergreifend 53 EU-Parlamentarier von der EU-Kommission wissen, darunter auch die Naturwissenschaftlerin Jutta Paulus von den Grünen/EFA. Was gedenkt die EU-Kommission dagegen zu tun?
Sonderstatus der Färöer-Inseln
Auch wenn die Färöer-Inseln nicht der EU angehören, genießen die Inseln gleichwohl etliche Vorteile durch bilaterale Vereinbarungen zu Fischerei und Handel sowie wissenschaftliche und technologische Kooperationen. Im Klartext: Die Vorteile nutzt man auf den knapp 55.000 Einwohner zählenden „Schafsinseln“ gern. Ansonsten aber verbittet man sich jegliche Einmischung. Besonders, wenn diese das Töten von Meeressäugern beim Grindadráp berührt.
Schutzabkommen
Dabei sind Wale und Delfine in Europa durch verschiedene Übereinkommen geschützt: etwa die Bonner Konvention CMS mit regionalen Abkommen wie ASCOBANS (Abkommen zur Erhaltung der Kleinwale in der Nord- und Ostsee, des Nordostatlantiks und der Irischen See) oder die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie. Unter diesen Abkommen ist es Mitgliedsstaaten verboten, Wale und Delfine zu belästigen, einzufangen oder zu töten.
Dänemark ist zwar Unterzeichner dieser Abkommen, verstand es aber, dass die Färöer-Inseln hier außen vor blieben. Daher liegen deren Gewässer außerhalb der durch ASCOBANS geschützten Gebiete. Die Färinger sind damit nicht an die Abkommen gebunden und rechtlich nicht zu belangen. Aus demselben Grund sieht sich auch die Bonner Konvention außerstande, etwas zu unternehmen.
Etwas ist faul im Staate Dänemark
Nach Ansicht der EU-Parlamentarier erleichtert und unterstützt das EU-Mitglied Dänemark das jährliche Töten von Delfinen auf den Färöer-Inseln. Daher wollten sie von der Kommission wissen, ob Maßnahmen geplant seien, um mithilfe verfügbarer wirtschaftlicher Instrumente ein Ende der Delfinmassaker herbeizuführen. Und ob die Kommission mit anderen Mitgliedsstaaten und internationalen Organisationen wie der Internationalen Walfangkommission IWC zusammenarbeiten wird, um Weißseitendelfine und Grindwale zu schützen.
Meistens töten die Bewohner der Färöer-Inseln beim Grindadráp die ebenfalls zur Delfinfamilie zählenden Grindwale. Foto: Wayne Hoggard/NOAA
EU-Kommission bleibt tatenlos
Sorry, nichts zu machen, so lässt sich die Antwort von Virginijus Sinkevičius, EU-Kommissar für Umwelt und Ozeane, zusammenfassen. Es sei unwahrscheinlich, dass sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen kurz- oder mittelfristig ändern würden, da dies eine Änderung der Abkommen und internationalen Übereinkommen erfordern würde, liest man in Sinkevičius‘ Antwort.
„Die Kommission hat ihre Besorgnis über die jährliche Jagd auf den Färöern gegenüber den dänischen Behörden bereits zum Ausdruck gebracht. Zudem wird sie weiterhin mit EU-Mitgliedsstaaten zusammenarbeiten, um die bestehenden Bemühungen der IWC [Internationale Walfangkommission] zur Abwehr von Gefahren, denen Kleinwale ausgesetzt sind, zu unterstützen“, heißt es weiter.
Jutta Paulus sieht die EU dennoch in der Pflicht: „Die Europäische Union muss sich aktiv für den weltweiten Schutz der Biodiversität starkmachen, gerade dort, wo europäisches und internationales Recht nicht gilt. Tradition darf keine Entschuldigung mehr für unnötiges Tierleid sein. Gerade Dänemark steht nun in der Verantwortung, Einfluss auf die Färöer-Inseln zu nehmen und Anreize für ein Ende des ausartenden Delfinfangs zu setzen.“
Update: überarbeiteter und mit neuem Datum veröffentlichter Beitrag
Petitionen
Wir unterstützen die internationale Koalition
#STOP THE GRIND
Dort findet man verschiedene Aktionsmöglichkeiten zum Protest gegen das jährliche massenhafte Töten von Delfinen auf den Färöer-Inseln.
Petitin Beendet das Delfinschlachten auf den Färöer-Inseln
auf change.org
Titelfoto: Erik Christensen (wikimedia/licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)