Haie und Rochen haben in deutschen Gewässern in Nord- und Ostsee einen schweren Stand. Es fehlen Schutzgebiete, desaströse Fischereitechniken wie die Grundschleppnetzfischerei, Todeszonen (in der Ostsee), Kiesabbau und Meeresverschmutzung lassen den sich nur langsam vermehrenden Knorpelfischen kaum eine Überlebenschance.
Kernaussagen
- Haie und Rochen kämpfen in Nord- und Ostsee wegen fehlender Schutzgebiete und schädlicher Fischereitechniken ums Überleben.
- Die neue Rote Liste der Meeresfische dokumentiert, dass der Gewöhnliche Stechrochen als ausgestorben und der Hundshai als vom Aussterben bedroht gilt.
- Funde von zuvor als verschwunden geltenden Arten zeigen, dass es Hoffnung für die Bestände gibt, wie die Entdeckung einer Hundshai-Kinderstube in der Nordsee.
- Dysfunktionale Schutzgebiete und Übernutzung durch Fischerei gefährden die Populationen der heimischen Knorpelfische weiterhin stark.
- Zukünftige Maßnahmen zur Wiederherstellung von Lebensräumen sind entscheidend, um das Überleben der Rochen in der Ostsee zu sichern.
Sensationen in der Nordsee
Kurz nach Veröffentlichung der neuen Roten Liste der Meeresfische für deutsche Meeresgewässer durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) und das Rote-Liste-Zentrum (RLZ) von Anfang Juni 2025 machten Arten, die bereits als verschwunden galten, in der Nordsee auf spektakuläre Weise auf sich aufmerksam.
Ein Gewöhnlicher Stechrochen
Seit 45 Jahren hatte es für den Gewöhnlichen Stechrochen (Dasyatis pastinaca) keine Nachweise in unseren Meeresgebieten mehr gegeben. Folgerichtig galt die Art bei uns mit Veröffentlichung der neuen Roten Liste der Meeresfische als ausgestorben. Dann geriet einem Krabbenfischer vor Dithmarschen am 22. Juni 2025 ein Exemplar ins Netz.
Hundshaie
Eigentlich gilt unsere größte heimische Haiart, der bis zu 2 m große Hundshai (Galeorhinus galeus), bei uns als vom Aussterben bedroht. Ende September 2025 jedoch entdeckten Forscher in der südlichen Nordsee zwischen Borkum und den westfriesischen Inseln eine Kinderstube1 für diese trotz ihrer beachtlichen Größe gänzlich harmlosen Haie (siehe Titelfoto). Und als ob dies nicht sensationell genug wäre, stieß man zusätzlich auf einen bislang verborgen gebliebenen Wanderkorridor2 über Helgoland bis in die Keltische See sowie auf ein Aufenthaltsgebiet für erwachsene Hundshaie vor Helgoland.3
Zwar werden Hundshaie bei uns nicht aktiv befischt. Wie fast alle unsere heimischen Hai- und Rochenarten in Nord- und Ostsee leiden sie unter hohen Beifangverlusten, vorwiegend durch die Grundschleppnetzfischerei, und dysfunktionalen Meeresschutzgebieten.
Neue Rote Liste der Meeresfische für deutsche Meeresgewässer
Anfang Juni 2025 veröffentlichten das Bundesamt für Naturschutz (BfN) und das Rote-Liste-Zentrum (RLZ) eine neue Rote Liste der Meeresfische für deutsche Meeresgewässer. Seither gelten der Gewöhnliche Stechrochen (Dasyatis pastinaca) in Deutschland als ausgestorben und Hundshaie (Galeorhinus galeus) als vom Aussterben bedroht.
Seit 2018 gilt der Gewöhnliche Glattrochen (Dipturus batis) in Deutschland als ausgestorben oder verschollen. HELCOM stufte die Art bereits 2013 für die gesamte Ostsee als regional ausgestorben ein.4
Doch gibt es auch Lichtblicke. Die Bestände des Nagelrochens (Raja clavata) konnten sich leicht erholen – der früher vom Aussterben bedrohte Knorpelfisch hat sich auf die Vorwarnliste „vorgearbeitet“.
Die Rote Liste bewertet alle 105 Arten von Meeresfischen, die in den deutschen Gebieten von Nord- und Ostsee heimisch sind. 23,8 % von ihnen sind entweder ausgestorben, bestandsgefährdet oder extrem selten. 63,8 %, das entspricht 67 Arten, gelten derzeit als ungefährdet.
Aktuell sind 10 Meeresfischarten als bestandsgefährdet eingestuft, darunter sind 2 als vom Aussterben bedroht (Hundshai, Kleiner Scheibenbauch). Weitere 6 Arten (Dornhai, Europäischer Aal, Finte, Heringskönig, Seehecht, Zwergdorsch) gelten als stark gefährdet. Die Zahl ausgestorbener oder bestandsgefährdeter Meeresfischarten Deutschlands ist mit 12 Arten geringer als in der vorherigen Roten Liste.
Quelle: BfN
Dysfunktionale Schutzgebiete und Übernutzung
Warum müssen Haie und Rochen in der Ostsee und der Nordsee so hart um ihr Überleben kämpfen?
BfN-Präsidentin Sabine Riewenherm ordnet das Ergebnis der aktuellen Roten Liste der Meeresfische ein: „Es ist erfreulich, dass die Anzahl bestandsgefährdeter Arten in der neuen Roten Liste der Meeresfische leicht zurückgegangen ist. Trotzdem zeigen die umfassenden Analysen, dass die starke Nutzung von Nord- und Ostsee weiterhin kritisch auf die Fischpopulationen einwirkt. Darum sind wirksame Schutzgebiete und die Wiederherstellung von Lebensräumen in der Nord- und Ostsee, aber auch in den Flusseinzugsgebieten von großer Bedeutung. Die Meeresnatur braucht dringender denn je Rückzugsräume, damit sich Fischpopulationen und bedrohte Arten erholen können. Das BfN setzt sich darum weiter dafür ein, bestehende Schutzgebiete zu stärken und streng geschützte Bereiche einzurichten.“

Der Kleingefleckte Katzenhai (Scyliorhinus canicula) gilt als eine der wenigen ungefährdeten heimischen Knorpelfischarten.
„In Deutschland gibt es nahezu keine No-Take-Rückzugsgebiete ohne Fischereidruck. Es fehlt an nachhaltigem und ökosystemarem Fischereimanagement. Deutsche Natura-2000-Gebiete in den ausschließlichen Wirtschaftszonen und die Nationalparks in den Küstenmeeren sind für die meisten Haie und Rochen in der Ostsee und der Nordsee weitgehend nutzlos“, erklärt der Biologe Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung Meeresschutz.
Rote-Liste-Status aus Daten von 390 Jahren
Im Jahr 2018 bewertete ein Hamburger Forscherteam im Auftrag des BfN Vorkommen und Gefährdung von Haien und Rochen in der Ostsee und der Nordsee. Dazu trugen sie für einen Zeitraum von 390 Jahren (von 1625 bis 2015) umfangreiche historische und aktuelle Daten zusammen.
Die Wissenschaftler stießen auf mehr als 27.500 Nachweise von 19 Knorpelfischarten für die deutschen Meeresgebiete. Im Ergebnis kamen sie damals auf zehn Arten Haie und Rochen, die in der Nordsee und in der Ostsee leben oder lebten.
-
Hundshai (Galeorhinus galeus): vom Aussterben bedroht
-
Weißgefleckter Glatthai (Mustelus asterias): ungefährdet
-
Dornhai (Squalus acanthias): stark gefährdet
-
Sternrochen (Amblyraja radiata): stark gefährdet
-
Kuckucksrochen (Leucoraja naevus): unzureichende Datenlage
-
Nagelrochen (Raja clavata): Vorwarnliste
-
Fleckrochen (Raja montagui): ungefährdet
-
Gewöhnlicher Stechrochen (Dasyatis pastinaca): ausgestorben oder verschollen
-
Glattrochen-Artenkomplex (Dipturus): wahrscheinlich ausgestorben oder verschollen
Bereits damals forderten die Forschenden zur Verbesserung der Bestandssituation für Haie und Rochen in der Ostsee und der Nordsee wirksam gemanagte Meeresschutzgebiete. Auch die Wichtigkeit der Umsetzung von fischereilichen Regulierungsmaßnahmen in den bereits ausgewiesenen Natura-2000-Gebieten der Nordsee wurde betont. Geschehen ist seitdem herzlich wenig, wie sich angesichts des für viele Arten nach wie vor kritischen Erhaltungszustands zeigt.
Zu viele Stressoren in deutschen Meeresgebieten
Der kritische Erhaltungszustand von Haien und Rochen in der Ostsee und der Nordsee ist im Wesentlichen auf zu hohen Fischereidruck zurückzuführen. Das gilt auch für andere in deutschen Gewässern noch anzutreffende Fischarten wie Kleiner Scheibenbauch, Europäischer Aal, Finte, Heringskönig, Seehecht oder Zwergdorsch, deren Überlebenssituation kritisch bis sehr kritisch ist.5
Hinzu kommen durch den Menschen verursachte Lebensraumveränderungen wie die Einrichtung und der Betrieb von LNG-Terminals in sensiblen Gebieten, Kiesabbau oder der Bau von Offshore-Windkraftanlagen. Zusätzliche Stressoren sind Schadstoffeinleitungen und Auswirkungen des Klimawandels.
Krabbenfischer fängt im Nationalpark Wattenmeer einen Stechrochen
Nur wenige Tage nach der Veröffentlichung der neuen Roten Liste der Meeresfische geriet einem Krabbenfischer vor Dithmarschen am 22. Juni 2025 ein außergewöhnlicher Fisch ins Netz: ein Gewöhnlicher Stechrochen. Das gab der Nationalpark Wattenmeer bekannt.

Erstaunlich an dem Fang ist, dass es für diese Art seit 45 Jahren keinen Nachweis aus der deutschen Nord- und Ostsee gab. Dementsprechend führt die neue Rote Liste der Meeresfische sie in deutschen Gewässern als „ausgestorben oder verschollen“. Wobei diese Rochenart bei uns wahrscheinlich nie besonders häufig und hier meist nur im Sommer anzutreffen war.
Auf der Roten Liste der IUCN ist der Gewöhnliche Stechrochen weltweit als gefährdet (vulnerable) eingestuft.
Gewöhnliche Stechrochen können bis 1,40 Meter lang werden und ein Höchstalter von 16 Jahren erreichen. An der Oberseite des Schwanzes besitzen sie einen Giftstachel. Die Weibchen sind vivipar (aplazentale Viviparie) gebärend, mit jeweils nur 3 bis 9 Jungtieren. Stechrochen leben überwiegend am Meeresboden, wo sie dort lebende (benthische) Krebstiere jagen.
Da diese Rochen in relativ geringer Tiefe leben, stehen sie durch küstennahe Fischereien mit Schleppnetzen und Langleinen sowie durch die Angelfischerei unter Druck. Laut Nationalpark Wattenmeer ließ der Dithmarscher Krabbenfischer den angeblich noch lebenden Rochen wieder frei. Gleichzeitig freut man sich über „ein schönes Beispiel für die Zusammenarbeit von Nationalpark- bzw. Meeresnaturschutz und Krabbenfischerei“.
Der Fang einer in deutschen Gewässern offiziell ausgestorbenen oder verschollenen Art im Nationalpark Wattenmeer ist bezeichnend für die Wirklichkeit deutscher Meeresschutzpolitik. Nicht einmal in einem Nationalpark von Weltruf und UNESCO-Weltnaturerbe sind Meerestiere in deutschen Gewässern sicher vor der desaströsen Fischerei mit Grundschleppnetzen!
Rochen und Haie als Irrgäste
Abgesehen von unseren heimischen Knorpelfischen sind immer mal wieder eine Chimärenart sowie drei Arten Rochen und fünf Haiarten in der Nordsee anzutreffen. Dazu gehören auch spektakuläre Gäste wie die bis zu 10 m großen Riesenhaie. Denkwürdig ist ihr Auftauchen 2015 und 2016 im Gebiet der Doggerbank und in der Nähe des Sylter Außenriffs.

Seltener Gast in der Nordsee: ein Riesenhai, © Ulrike Kirsch/DSM
Hintergrund Rote Listen Deutschland
Für den Schutz der Artenvielfalt in Deutschland stellen Rote Listen eine entscheidende Grundlage dar. Sie dokumentieren den Zustand von Arten und mittelbar die Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Natur. Damit sind sie Frühwarnsysteme für die Entwicklung der biologischen Vielfalt. Die bundesweiten Roten Listen werden vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) herausgegeben und in dessen Auftrag vom Rote-Liste-Zentrum (RLZ) koordiniert.
- Veröffentlichung der IUCN SSC Shark Specialist Group zum „Southern German Bight“ Aufwuchsgebiet ↩︎
- Veröffentlichung der IUCN SSC Shark Specialist Group zum „English Channel Hai-Way“ ↩︎
- Projekt Important Shark and Ray Areas (ISRA/wichtige Lebensräume von Haien und Rochen) der Shark Specialist Group der Weltnaturschutzunion (IUCN) ↩︎
- HELCOM Red List II species in danger of becoming extinct ↩︎
- Elbmündung im Wandel, Fischbestand um 90 Prozent geschrumpft: Dramatische Veränderungen in der Fischfauna innerhalb der letzten 40 Jahre. Umfassende Studie zum Wandel der Fischfauna in der Elbmündung durch Forschende des Leibniz-Instituts zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) in Kooperation mit der Universität Hamburg. ↩︎
Was können Sie tun?
Verzichten Sie – auch im Urlaub – auf den Verzehr von Haiprodukten. Achten Sie dabei auf als Kalbsfisch, Seestör oder Schillerlocke „getarnte“ Haiprodukte.
Verteilen Sie unseren Flyer: Haie – Gejagte Jäger
Citizen Science – Bürgerforscher:
Mithilfe der sozialen Medien wollen Haiforscher mehr über Haie und Rochen im Mittelmeer herausfinden, um eine umfassende Datenbank über die Arten zu erstellen. Dafür wurde das MECO Project gegründet (Mediterranean Elasmobranch Citizen Observations): Denn je mehr wir wissen, umso besser können wir Arten schützen!
Die öffentliche Facebook-Gruppe heißt: Hai-Sichtungen Mittelmeer/Sharks of the Mediterranean. Dort können Sie Ihre Sichtungen melden … und staunen, welche Arten schon entdeckt wurden!
Bildspenden:
Sie haben einen Hai gesehen? Wir freuen uns immer über Bildmaterial (Foto, Video), denn: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.
Titelfoto: Hundshai, © iStock.com/Michael Zeigler
Update: überarbeiteter und mit neuem Datum veröffentlichter Beitrag

