Kleiner Wal fängt große Fische

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Vor der Westküste der USA lebende Pazifische Schweinswale (Phocoena phocoena vomerina) jagen und erbeuten große Fische. Diese überraschende Entdeckung dokumentierten Meeresforscher von „Pacific Mammal Research“ und „The Marine Mammal Center“ rund um Cindy R. Elliser. Pazifische Schweinswale gehören mit ihren 1,50 m bis knapp über 2 m Länge zu den kleinsten Meeressäugern. Klar, dass sie abgesehen von sonstiger Beute wie Tintenfischen, Schnecken oder Krebstieren nur kleine Fische bis zu 25 cm Größe jagen und verzehren. Vielleicht passt bisweilen auch mal ein 35 cm großer Fisch ins Maul der kleinen Wale, dachte man …

Wenn kleine Wale großen Hunger haben

Die Beobachtung der kleinen Wale ist ein schwieriges Unterfangen. Denn sie kommen meist nur kurz zum Luftholen an die Wasseroberfläche, dann sind sie auch schon wieder weg. Deshalb ist es fast unmöglich, ihr Jagdverhalten zu erforschen.

Cindy R. Elliser und ihr Team waren zu Verhaltensstudien in der Bucht von San Francisco, vor der Küste von Washington State und hoch im Norden, im Cook Inlet im Golf von Alaska unterwegs. Da geschah etwas Ungewöhnliches. Gleich mehrfach trafen die Forscher auf zumeist weibliche Pazifische Schweinswale, die richtig große Fische erbeuteten. Darunter waren Lachse mit bis zu gut 60 cm Länge. Oder Amerikanische Maifische, eine Fischart aus der Familie der Heringe. Sie erreicht im Schnitt 50 cm und über 5 kg. Da kommt schnell eine Beutegröße von fast einem Drittel Schweinswalkörper zusammen.

Wenn kleine Wale große Fische fangen: Pazifischer Schweinswal erbeutet einen Lachs.

Ein kleiner Wal fängt einen großen Lachs – Foto: Sanne Hessing

Mundgerechte Zubereitung

Wie bei Meeressäugern üblich, verspeisen Pazifische Schweinswale Fische mit dem Kopf zuerst. Gerne wird dieser aber auch abgebissen, achtlos verschmäht und nur der Körper konsumiert. Das geht normalerweise blitzschnell, ist eine Sache von Millisekunden bis höchstens einigen Sekunden. Man bekommt das kaum mit.

Bei einem großen Fisch dauert das länger. Da vergehen gute 30 Sekunden und mehr. Denn zunächst muss der gejagt und nach mehrmaligem In-die-Luft-Werfen mundgerecht zum Verzehr vorbereitet werden. Doch die aufwendige Jagdtechnik birgt Risiken. Aus deutschen und irischen Gewässern kennt man Fälle von erstickten Tieren. Die kleinen Wale hatten buchstäblich den Mund zu voll genommen.

Toter Delfin mit Fisch im Maul.

Auch andere Meeressäuger nehmen manchmal den Mund zu voll. Dieser gestrandete Adria-Tümmler ist an seiner Beute erstickt. Foto: Martina Duras/VAL

Wollen die kleinen Wale nur spielen?

Da die Forscher um Cindy R. Elliser bei keinem der beobachteten „Großwildjagden“ dokumentieren konnten, dass die kleinen Wale ihre Beute tatsächlich verspeisten, könnte es sich auch um Spielverhalten ohne Fressabsicht gehandelt haben. Spielverhalten zeigen die kleinen Wale natürlich auch. Wenngleich nicht so intensiv wie viele Delfinarten.

Kleine Wale können große Fische fangen.

Mundgerechte Zubereitung. Foto: Sanne Hessing

Es spricht jedoch einiges gegen diese Annahme. Denn in der überwiegenden Zahl der Fälle wagten sich Walmütter an den großen Fisch. Das ergibt Sinn. Haben diese wegen ihres stets hungrigen Jungtiers einen erhöhten Energiebedarf. Und mit ihrem vergleichsweise kleinen Körper können die kleinen Wale nur wenig Energie speichern. Um zu überleben, sind sie auf regelmäßige Nahrungszufuhr angewiesen. Einen großen Fisch einfach so, nur aus Spaß zu jagen, würde schlichtweg zu viel Energie verbrauchen.

Die Beobachtungen von Cindy R. Elliser zeigen ein bei Pazifischen Schweinswalen bislang kaum für möglich gehaltenes Jagdverhalten.

Ein Pazifischer Schweinswal jagt einen Amerikanischen Maifisch.
Bei der Jagd auf einen Amerikanischen Maifisch. Foto: William Keener

Titel der Publikation:
Elliser, C.R., Hessing, S., MacIver, K.H., Webber, M.A., Keener, W. 2020. Short Note: Harbor Porpoises (Phocoena phocoena vomerina) Catching and Handling Large Fish on the U.S. West Coast. Aquatic Mammals 46(2), 191-199. DOI 10.1578/AM.46.2.2020.191

Titelfoto: Brendan Hunter/iStock


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