Nordatlantische Glattwale (Eubalaena glacialis) gehören zu den am stärksten gefährdeten Großwalarten. Im Herbst veröffentlicht die Fischereiabteilung der Wetter- und Ozeanografiebehörde der USA (NOAA Fisheries) ihre jährliche Populationsschätzung. Demnach blieb der Bestand der auch Atlantischer Nordkaper genannten Art im Vergleich zu 2023 mit etwa 370 Individuen (+11/-12) – darunter etwa 70 vermehrungsfähige Weibchen – konstant. Das New England Aquarium und das North Atlantic Right Whale Consortium (NARWC) verkündeten für 2024 sogar einen Populationszuwachs um 2 % auf 384 Tiere mit elf neugeborenen Walkälbern im Jahr 2025. Damit zeigt sich der Bestand der eng an der Ostküste von Kanada und den USA entlang schwimmenden Glattwalart seit 2020 durch mehr Geburten und geringere Sterblichkeit leicht erholt. 2020 schätzte NOAA ihn auf etwa 358 Exemplare. Auf der Roten Liste der Weltnaturschutzorganisation IUCN steht die Art als vom Aussterben bedroht.
„Das Aussterberisiko ist zwar etwas gesunken, dennoch ist die aktuelle Bestandsgröße dieser ikonischen Bartenwale kritisch“, erklärt Ulrich Karlowski, Biologe von der Deutschen Stiftung Meeresschutz. Laut NOAA Fisheries dauert das 2017 erklärte ungewöhnliche Sterblichkeitsereignis (Unusual Mortality Event/UME) für die Nordkaper weiterhin an.
Kernaussagen
- Die Nordatlantischen Glattwale (Nordkaper) sind stark gefährdet, mit einem geschätzten Bestand von etwa 370 Individuen, einschließlich 70 fortpflanzungsfähigen Weibchen.
- Die Art (Eubalaena glacialis) steht auf der Roten Liste der IUCN als vom Aussterben bedroht.
- Die Hauptursachen für den Zusammenbruch des Bestands sind kommerzieller Walfang, Schiffskollisionen und Verwicklungen in Fischereileinen.
- Mindestens 20 Prozent der Population starben seit 2017 durch unnatürliche Ursachen, was zur Erklärung eines Unusual Mortality Event (UME) durch die Fischereiabteilung der Wetter- und Ozeanografiebehörde der USA (NOAA Fisheries) führte.
- Entwicklungen wie modifizierte Fischereileinen, temporäre Schließungen der Hummerfischerei und Langsamfahrzonen für Schiffe sollen die Gefahren für die Nordkaper vermindern.
- Es gibt noch zwei weitere Glattwalarten: den Südkaper und den Pazifischen Nordkaper.

Todesursachen
Hauptursache für den Zusammenbruch der Nordkaper-Population war die hemmungslose Jagd während des kommerziellen Walfangs. Davon konnten sich die Nordatlantischen Glattwale nicht mehr erholen. Jetzt sterben diese 13 bis 18 m großen Bartenwale, die über 63 Tonnen schwer werden können, und ihr Nachwuchs bei Schiffskollisionen und durch Verhedderungen in Befestigungsleinen von Reusen für den Hummerfang.
Seit 2017 verlor die Art mindestens 20 Prozent ihres Bestands durch unnatürliche Todesursachen. Deshalb erklärte NOAA Fisheries einen „Unusual Mortality Event“ (UME). Das ist eine Art Notstand aufgrund einer ungewöhnlich hohen Anzahl von Todesfällen in einer Meeressäugerpopulation. Ein UME erfordert unmittelbare Maßnahmen.
Experten gehen davon aus, dass die stark geschrumpfte Population höchstens einen Verlust von 0,9 Tieren pro Jahr wegen menschlicher Aktivitäten verkraften kann. Berechnungen von am UME beteiligten NOAA-Wissenschaftlern zeigen, dass von 2017 bis Oktober 2022 mindestens 15 Nordkaper pro Jahr starben (Schiffskollisionen, schlechter Gesundheitszustand, Verstrickung und daraus folgende Verletzungen und Erkrankungen).
Die richtigen Wale zum Töten
Einst waren Glattwale die bevorzugte Beute von Walfängern. Denn es war nicht schwer, diese küstennah und langsam schwimmenden Großwale zu jagen. Daher auch der englische Name „right whale“, der richtige Wal zum Töten! Zudem gehen sie nicht unter, wenn sie tot sind. Denn bei Glattwalen macht die bei Walfängern begehrte Speckschicht rund 40 Prozent des Körpergewichts aus – das schafft kaum eine andere Walart.
Nachdem sie nahezu ausgerottet waren, stellte man sie bereits 1937 unter Schutz. Doch einige Walfangländer, wie Japan und Russland, kümmerte das wenig. Sie machten noch bis in die 1960er-Jahre illegal weiter.
Fischereileinen
Hummerfischer befestigen und markieren ihre am Meeresgrund ausgelegten Fanggeräte durch reißfeste Leinen mit an der Meeresoberfläche dümpelnden Bojen. Nordatlantische Glattwale leben sehr nah an der nordamerikanischen Ostküste. Dadurch treffen sie fast zwangsläufig auf die für sie nicht gut erkennbaren Leinen. Das ist fatal. Sie verheddern sich. Allzu oft gelingt es ihnen nicht, sich zu befreien.
Ein Martyrium beginnt: Über Wochen und Monate schleppt so ein verhedderter Nordkaper Leine, Hummerfalle und Boje hinter sich her. Immer tiefer schneiden sich die Leinen ins Fleisch. Immer schwerer wird es, voranzukommen, Nahrung aufzunehmen, abzutauchen. Es ist eine einzige Qual. Falls der Wal nicht das Glück hat, von einem der mobilen US-Walrettungsteams gefunden und von den Leinen befreit zu werden, kommt der Tod schließlich als Erlösung.

Ein fünfjähriger Nordkaper wird befreit. Das Campobello-Walrettungsteam entfernt Befestigungsleinen von Hummer-Reusen und Angelschnüre; Sankt-Lorenz-Golf, Kanada, 11. Juli 2019. Foto: NOAA Fisheries
Da es nur noch so wenige Nordkaper gibt, tragen mittlerweile 86 Prozent aller Nordatlantischen Glattwale Spuren von Verhedderungen.
Für eine gewisse Entlastung der Gefahrenlage sorgten Versuche mit modifizierten, nicht fixierten Befestigungsleinen.
Hinzu kommen temporäre, 15-tägige Schließungen der Hummerfischerei, wenn Nordatlantische Glattwale die befischte Küstenregion entlangschwimmen und die Fischerei reißfeste Befestigungsleinen einsetzt.
Weitere Maßnahmen betreffen die Verpflichtung, verloren gegangenes Fischereigerät zu melden, die Entfernung treibender Reusen und Leinen (Ghost-gear-retrieval-activities) und anderes mehr.
Schiffskollisionen
Der Lebensraum dieser Wale überschneidet sich mit viel befahrenen Schifffahrtsrouten an der Ostküste Nordamerikas. Da sie mit durchschnittlich 8 km/h recht langsam schwimmen, werden die großen Wale häufig von Schiffen und schnell fahrenden Booten überfahren. Meist endet dies tödlich. Besonders häufig sterben junge Nordkaper bei derartigen Kollisionen.
Vor der US-Küste gibt es ständig an die Anwesenheit von Walen angepasste Regionen mit Langsamfahr- oder Umfahrensgebote. Damit sollen Kollisionen mit Nordkapern vermieden werden. Das gelingt allerdings nur teilweise. 2024 gab es nach Angaben des NARWC acht Schiffskollisionen. Bis Oktober 2025 jedoch zeigen bisherige Daten noch keinen einzigen Todesfall durch eine Schiffskollision, lediglich einen Unfall, bei dem ein Tier Verletzungen davontrug.
Artensteckbrief
Glattwale besitzen keine Rückenfinne. Ihre Flipper sind breit und paddelförmig. Die Fluke ist tief eingekerbt und hat einen glatten Rand. Ihr Kopf ist riesig. Er macht fast ein Drittel ihrer Körperlänge aus. Bis zu 270 etwa 2,80 m lange Barten befinden sich auf jeder Seite der Oberkiefer. Dadurch ist ihr Mund stark gebogen. Vor allem auf der Kopfoberseite finden sich zahlreiche verhornte Schwielen, auf denen Walläuse (kleine Krebstiere) leben. An der Form dieser Schwielen sowie an Narben auf dem Körper lassen sich die Wale individuell erkennen. Nordkaper erzeugen beim Ausatmen eine charakteristische v-förmige Fontäne.
Vor Beginn des industrialisierten Walfangs waren diese Großwale im gesamten Nordatlantik weitverbreitet. Heute jedoch findet man sie nur noch im westlichen Nordatlantik. Vornehmlich an der Ostküste der USA und Kanadas. Von ihren nördlichen Nahrungsgründen (Golf von Maine, Sankt-Lorenz-Golf) wandern sie dicht an der Küste zu den im Südosten der USA liegenden Fortpflanzungsgebieten. Nur vereinzelt schwimmen sie noch in europäische Gewässer (Island, Norwegen, England, Frankreich, Spanien, Azoren).
Normalerweise sind sie einzeln unterwegs. Man trifft jedoch auch Gruppen von bis zu zwölf Individuen.
Südlicher Glattwal und Pazifischer Nordkaper
Neben dem Atlantischen Nordkaper gibt es zwei weitere Glattwalarten: den Südlichen Glattwal oder Südkaper (Eubalaena australis) und den Pazifischen Nordkaper (Eubalaena japonica).
Pazifischer Nordkaper
Für Eubalaena japonica ist die Überlebenssituation ähnlich kritisch wie bei seinem atlantischen Cousin. Einst im Nordwest- und Nordostpazifik verbreitet, ist er heute nur noch im Ochotskischen Meer und im östlichen Beringmeer zu sehen. Laut Roter Liste der IUCN ist die Art stark gefährdet, mit unbekannter Populationsentwicklung. Die Subpopulation im Nordostpazifik (Beringmeer und Golf von Alaska) steht mit vielleicht noch 10 bis 20 erwachsenen Exemplaren unmittelbar vor dem Aussterben.
Südlicher Glattwal oder Südkaper
Südliche Glattwale leben in den Ozeanen der Südhalbkugel bis ca. zum 55. Breitengrad. Mit rund 13.600 Individuen bildete er 2009 die größte Population der drei Arten. Laut Roter Liste der IUCN ist der Südkaper zwar selten, aber derzeit nicht bedroht.
Im Juli 2021 beobachteten Mitarbeiter von Ecosul Turismo1 aus Santa Luzia etwa 6,5 Kilometer vor der Küste von Ilhéus im Bundesstaat Bahia im Nordosten Brasiliens ein Mutter-Kalb-Paar von Eubalaena australis. Die Beobachter schätzen das Alter des Jungtieres auf etwa 22 Tage. Das war eine ungewöhnliche Beobachtung. Denn Mutter-Kalb-Paare halten sich an der brasilianischen Küste eher in flachen, küstennahen Bereichen und vor allem nicht so weit nördlich auf. Im brasilianischen Bundesstaat Bahia gab es bis dahin nur wenige derartige Beobachtungen.
In Brasilien gelten Südliche Glattwale als bedrohte Art. Es gibt schätzungsweise noch 555 Exemplare. Von diesen sind etwa 200 fortpflanzungsfähige Weibchen. Ihr Fortpflanzungsgebiet an der brasilianischen Küste liegt etwa 350 km südlich von Ilhéus bei der Abrolhos-Bank. Seit 1990 beobachtet man Südliche Glattwale hier regelmäßig.
1 Foucart T, De Moura Lima A. Short Communication: Rare record of a southern right whale (Eubalaena australis Desmoulins, 1822) with calf in Ilhéus, Bahia, northeastern Brazil. JCRM [Internet]. 2023 Feb. 21 [cited 2023 Feb. 28];24(1):7-11. Available from: https://journal.iwc.int/index.php/jcrm/article/view/367
Update: überarbeiteter und mit neuem Datum veröffentlichter Beitrag
Titelfoto: © NOAA Fisheries
Weiterführende Informationen
- Georgia Department of Natural Resources:
Guidelines for navigating in right whale waters off Georgia’s coast, for the safety of the boaters and whales. - NOAA: North Atlantic Right Whale
- New England Aquarium
- North Atlantic Right Whale Consortium (NARWC)
- Der kommerzielle Walfang, gestern und heute
- Toter Pottwal nach Schiffskollision in der Straße von Gibraltar
- Schiffe sollten langsamer fahren
- Übersicht Strandungs- und Rettungsnetzwerke für Meerestiere



