Kann man geschädigte Korallenriffe reparieren? Die Frage beschäftigt Wissenschaftler und Meeresschutzorganisationen angesichts des massiven Korallensterbens seit Jahren. Einige Projekte zur Korallenriff-Restaurierung fanden mit wissenschaftlicher Expertise statt und waren sorgfältig geplant. Die meisten Projekte waren dies allerdings nicht. Spenderriffe wurden beschädigt. Positive Folgen für die Empfängerriffe blieben aus. Neuester Marketing-Versuch sind Bestattungen als Riffbausteine, die ein US-Unternehmen anbietet. Dabei wird die Asche in aus Beton gefertigte „Reef Balls“ (250 kg bis 1,8 t schwere durchlöcherte Kegel mit rauer Oberfläche) eingearbeitet. Als derzeit effektivste Methode zur Korallenriff-Restaurierung Riffe gilt nach wie vor die direkte Ansiedlung von Korallenlarven.
Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht
Die Restauration von Korallenriffen hat angesichts des von Klimakrise und Meeresverschmutzung befeuerten globalen Korallensterbens immer größere Bedeutung. Eine wissenschaftliche Analyse zu Ausmaß, Umfang und Methoden von 50 Projekten zur Korallenriff-Restaurierung ergab jedoch, dass lediglich 6 % wissenschaftlich begleitet wurden. In der Regel stand das Angebot einer touristischen Attraktion im Vordergrund.1
Bei fast der Hälfte aller Restaurationsprojekte sammelte man Korallenfragmente aus intakten Riffen durch Abbrechen. Und bei gut einem Drittel fand keine Analyse zu Ursachen der Schädigung der Empfängerriffe statt. Somit entließ man die abgebrochenen Korallen oftmals in Umweltsituationen (z. B. gestörtes Ökosystem, Fischerei, Eintrag von Nährstoffen aus der Landwirtschaft, belastete Abwässer), mit denen sie nicht zurechtkommen konnten.
Direkte Korallenverpflanzung
Restaurationstechniken wie die direkte Verpflanzung mit und ohne zwischengeschalteter Aufzuchtphase erfordern die Verwendung von Zement- oder Stahlkonstruktionen oder beidem zur Fixierung der Korallensetzlinge. Zusätzlich bedarf es intensiver Pflege, mit vielen Tauchgängen.
Außerdem zielt diese Technik hauptsächlich auf schnell wachsende, verzweigte Arten ab. Für die Korallenriff-Restaurierung massiver und knolliger, langsamer wachsender Arten ist das weniger geeignet.
Somit vernachlässigt das direkte Verpflanzen abgebrochener Korallenstücke als Methode zur Restauration von Korallenriffen die ursprüngliche genetische Vielfalt des Empfängerriffs.
Ansiedlung von Korallenlarven
2014 fanden erstmals Versuche statt, die Wiederansiedlung von Korallenlarven zur Korallenriff-Restaurierung zu nutzen. Erste positive Ergebnisse erzielte man damit auf den Philippinen. Bei der Larven-Wiederansiedlung oder Larvenvermehrung werden Korallen-Gameten beim Spawning (Laichvorgang) entweder im Riff gesammelt und dann an Land gebracht oder man gewinnt sie von im Labor gezüchteten Kolonien. Nach der Befruchtung bekommen die kleinen Korallenlarven (Planula-Larven) mehrere Tage lang Zeit, in einem Wasserbecken heranzuwachsen.
Im Australian Institute of Marine Science (AIMS) in Townsville, Australien, steht die weltweit größte und professionellste Anlagentechnik für Versuche mit Korallen und Korallenlarven unter kontrollierbaren Bedingungen. © Lisa Roepke
Haben die Planula-Larven eine gewisse Größe erreicht, setzt man sie dann unter einer über der Wiederherstellungsstelle im Empfängerriff gespannten Netzmatte frei. Nach einigen Tagen Ansiedlungszeit entfernen Taucher das Netz.
Vorteile für die Korallenriff-Restaurierung
Das direkte Ansiedeln von Korallenlarven hat viele Vorteile. Es kann im Vergleich zu „konventionellen“ Transplantationsprojekten zur Wiederherstellung einer größeren genetischen Vielfalt beitragen. Denn man kann es bei allen Wachstumsformen von Spenderkorallen anwenden. Zudem sind viel weniger Arbeitsstunden und damit Taucheinsätze für Pflege und Kontrolle notwendig.
Hinzu kommt, dass keine künstlichen Substrate wie Zement oder Eisen in die Meeresumwelt ausgebracht werden. Die Zementindustrie ist einer der größten Verursacher der Klimakatastrophe und der damit verbundenen Korallenbleiche. Außerdem ist die direkte Ansiedlung von Korallenlarven bei der Korallenriff-Restaurierung kosteneffizient, wenn man auf wiederverwendbare Materialien achtet.
Herausforderungen
Die größten Herausforderungen dieser Technik sind das Wissen über die Laichzeiten (Spawning) sowie Kenntnisse zur Entwicklung und Aufzucht von Korallenlarven. Sind diese Voraussetzungen gegeben, hat das direkte Ansiedeln von Korallenlarven großes Potenzial für eine erfolgreiche und nachhaltige Riffrestauration.
Korallenriff-Restaurierung in Indonesien
In Indonesien fanden 2020 und 2021 an verschiedenen Standorten staatlich finanzierte Versuche zur Riff-Restauration statt. Meist setzte man dabei auf „konventionelle“ Verpflanzung (Transplantation) mit der Entnahme von Korallenfragmenten aus gesunden Riffen.
In mindestens einem Fall wurden die Fragmente stundenlang auf Eis gelagert und in Styroporboxen transportiert. Bei der Ankunft am Wiederherstellungsort waren die meisten Korallen tot. Dieser Vorfall und ähnliche Versuche in kleinem Maßstab verschiedener privater Initiativen zeigen, dass ein besseres Bewusstsein für die Vor- und Nachteile verschiedener Wiederherstellungsmethoden und eine bessere Planung dringend erforderlich sind.
Nach Informationen von Mareike Huhn (BandaSEA)
- Boström-Einarsson, Lisa, Russel C Babcock, Elisa Bayraktarov, Daniela Ceccarelli, Nathan Cook, Sebastian C A Ferse, Boze Hancock, et al. 2020. “Coral Restoration – A Systematic Review of Current Methods, Successes, Failures and Future Directions.” PLoS ONE 13 (7): 1–24. ↩︎
Titelfoto:
Korallenriff Restaurierung, Indonesien: Gametenfalle aus Trichter und PET-Flasche über einer Koralle. © BandaSea